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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Behinderte Menschen
Behinderte Menschen
Normen
§ 5 SGB V
§§ 1 ff. SGB VI
§ 2 SGB IX
§ 20 SGB XI
Kurzinfo
Grundsätzlich unterliegen behinderte Menschen i.R.e. Beschäftigung wie nicht behinderte Menschen der Sozialversicherungspflicht. Besonderheiten sind u.a. zu berücksichtigen, wenn die Beschäftigung in einer Behindertenwerkstatt ausgeübt wird; die Beiträge berechnen sich in diesen Fällen aus einer fiktiven Beitragsbemessungsgrundlage. Abhängig von der Höhe des Arbeitsentgelts hat der Arbeitgeber die Beiträge ggf. in voller Höhe zu tragen.
Information
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.
- 4.
1. Sozialversicherungspflicht behinderter Menschen
Werden behinderte Menschen ebenso wie Arbeitnehmer beschäftigt, sind sie nach den allgemeinen Vorschriften sozialversicherungspflichtig. Behinderte Menschen, die in anerkannten Behindertenwerkstätten beschäftigt sind, sind ebenfalls versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung - nicht jedoch zur Arbeitslosenversicherung - und zwar auch bei geringfügiger Beschäftigung (§ 1 Nr. 2a SGB VI, § 5 Abs. 1 Nr. 7 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 7 SGB XI). Gleiches gilt für behinderte Menschen, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen beschäftigt sind; Voraussetzung ist jedoch, dass sie regelmäßig eine Arbeitsleistung von mindestens 1/5 der Leistung eines voll erwerbsfähig Beschäftigten erbringen (§ 1 Nr. 2b SGB VI, § 5 Abs. 1 Nr. 8 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 8 SGB XI).
Für diese Personen gelten Besonderheiten bei der Beitragsbemessung und der Beitragslastverteilung (§§ 235 Abs. 3, 251 Abs. 2 SGB V, §§ 162 Nr. 2, 168 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). So werden im Kalenderjahr 2023 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mindestens aus einem Betrag i.H.v. 679,00 EUR berechnet; in der Rentenversicherung gilt im Kalenderjahr 2023 eine Mindestbeitragsbemessungsgrundlage von 2.716,00 EUR (West) bzw. 2.632,00 EUR (Ost).
Ist das tatsächliche Arbeitsentgelt des behinderten Menschen nicht höher als die vorstehenden Mindestbeträge, so ist der Beitrag zur Rentenversicherung für den Unterschiedsbetrag und zur Krankenversicherung in voller Höhe von dem Träger der Einrichtung als Arbeitgeber allein zu tragen. Im Kalenderjahr 2023 trägt der Arbeitgeber die Beiträge zur Rentenversicherung bei einem Arbeitsentgelt von bis zu 679,00 EUR (West) bzw. 658,00 EUR (Ost) in voller Höhe allein.
Wird das Mindestarbeitsentgelt durch einmalig gezahltes Arbeitsentgelt überschritten, sind die Beiträge aus dem das Mindestarbeitsentgelt übersteigenden Betrag vom behinderten Mensch und vom Träger der Einrichtung jeweils zur Hälfte zu tragen.
Im Übrigen besteht Versicherungspflicht zu allen Versicherungszweigen der Sozialversicherung auch für Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen, und für Teilnehmer (z.B. in Berufsbildungswerken) an einer berufsfördernden Maßnahme (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 und 6 SGB V). Auch hier gibt es Besonderheiten bei der Beitragsermittlung; für diese Personen wird - soweit kein Übergangsgeld gezahlt wird - der Beitrag von 20 % der Bezugsgröße berechnet (§ 235 Abs. 1 SGB V). Die Beiträge bringt der Träger der Einrichtung auf (§ 251 Abs. 2 SGB V). Zudem besteht für diese Versicherten ausnahmsweise kein Anspruch auf Krankengeld (§ 44 SGB V).
Seit 01.01.2005 wird ein zusätzlicher Beitrag in der sozialen Pflegeversicherung erhoben. Grundsätzlich ist dieser zusätzliche Beitrag von allen kinderlosen Mitgliedern zu zahlen. Ausgenommen hiervon sind lediglich Mitglieder, die das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder vor dem 01.01.1940 geboren wurden sowie Wehr- und Zivildienstleistende. Der zusätzliche Beitrag zur Pflegeversicherung ist grundsätzlich vom Mitglied zu tragen, vom Träger der Einrichtung einzubehalten und zusammen mit den übrigen Beiträgen an die Krankenkasse abzuführen (vgl. hierzu auch Pflegeversicherung - Beiträge). Die Regelung gilt auch für behinderte Menschen in einer entsprechenden Einrichtung.
Mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) wurde der zusätzliche Beitrag kinderloser Mitglieder angehoben. Er beträgt seit 01.01.2022 0,35 %. Der Beitragssatz in der Pflegeversicherung beträgt für diese Personen (einschließlich des Beitragszuschlags für Kinderlose) somit 3,4 %. Für alle anderen Mitglieder beträgt der Beitragssatz unverändert 3,05 %.
Aktuelle Rechtsentwicklung
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 07.04.2022 die bestehende Regelung zur Berücksichtigung von Kindern als mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt. Hintergrund ist der Umstand, dass beitragspflichtige Eltern in der sozialen Pflegeversicherung unabhängig von der Zahl der von ihnen betreuten und erzogenen Kinder mit gleichen Beiträgen belastet werden. In der Konsequenz werden Eltern mit mehr Kindern gegenüber solchen mit weniger Kindern in spezifischer Weise benachteiligt, weil der mit steigender Kinderzahl anwachsende Erziehungsmehraufwand im geltenden Beitragsrecht keine Berücksichtigung findet. Die gleiche Beitragsbelastung der Eltern unabhängig von der Zahl ihrer Kinder ist jedoch aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
Der Gesetzgeber ist nun verpflichtet, bis zum 31.07.2023 eine Neuregelung zu treffen.
2. Zusatzbeiträge
Seit 2015 werden Zusatzbeiträge nicht länger pauschal erhoben; vielmehr setzt jede Krankenkasse ihren individuellen Zusatzbeitrag in einem Prozentsatz fest. In der Folge gelten seit dem 01.01.2015 unterschiedliche kassenindividuelle Beitragssätze.
Für einige Personengruppen gilt allerdings die Besonderheit, dass nicht der kassenindividuelle Beitragssatz, sondern ein durchschnittlicher Zusatzbeitrag zu berücksichtigen ist hierzu gehört auch die Gruppe der behinderten Menschen. Der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz wird von der Bundesregierung festgesetzt; er beträgt im Kalenderjahr 2023 1,6 %.
Wichtig:
Der durchschnittliche Zusatzbeitrag findet allerdings nur Anwendung, sofern das tatsächliche Arbeitsentgelt den maßgeblichen Mindestbetrag (vgl. Abschnitt 1) nicht übersteigt ansonsten gilt der kassenindividuelle Zusatzbeitragssatz, der im Übrigen auch auf alle weiteren beitragspflichtigen Einnahmen des behinderten Menschen (z.B. Rente) anzuwenden ist.
Allerdings gibt es auch hiervon eine Ausnahme: Sofern der Mindestbetrag in einem Monat lediglich durch eine Sonderzahlung (Einmalzahlung) überschritten wird, bleibt der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz auch für diesen Monat maßgebend.
Der Zusatzbeitrag wird - wie die übrigen Beiträge auch - vom Arbeitgeber (bzw. dem Träger der Einrichtung) einbehalten und an die Krankenkasse weitergeleitet.
Die Berechnung des Zusatzbeitrages ist dabei gesondert vorzunehmen - und zwar unabhängig davon, ob für den behinderten Menschen der kassenindividuelle oder der durchschnittliche Zusatzbeitrag maßgeblich ist. Im Beitragsnachweis des Arbeitgebers (bzw. des Trägers der Einrichtung) ist seit 2015 der Zusatzbeitrag neben den sonstigen Krankenversicherungsbeiträgen gesondert auszuweisen; der Beitragsnachweis-Datensatz wurde entsprechend ergänzt.
Weiterhin gilt: Die Beiträge - einschließlich der Zusatzbeiträge - werden für behinderte Menschen grundsätzlich von den Trägern der Einrichtung getragen, sofern die o.g. Mindestbeträge nicht überschritten werden.
Hinweis:
Die Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung werden seit 01.01.2019 paritätisch, also je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, getragen. Die bisherige, alleinige Beitragstragung durch den Arbeitnehmer wird damit also beendet. Entsprechende Regelungen sieht das GKV-Versichertenentlastungsgesetz (GKV-VEG) vor. Die Neuregelungen traten bereits zum 01.01.2019 in Kraft.
Für behinderte Menschen ergeben sich hieraus jedoch keine Änderungen; für sie werden die auf den Zusatzbeitragssatz entfallenden Beiträge auch weiterhin ausschließlich von den Trägern der Einrichtung getragen, sofern die o.g. Mindestbeträge nicht überschritten werden.
3. Besonderheit bei unentschuldigten Fehltagen
Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben aufgrund eines Urteils des Bundessozialgerichts (BSG, 10.05.1990 - 12 RK 38/87) festgelegt, dass unentschuldigte Fehltage von behinderten Menschen bei einer Beschäftigung in geschützten Einrichtungen bei der Beitragsberechnung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. Dementsprechend ist auch bei diesem Personenkreis der Kalendermonat nur dann mit 30 Sozialversicherungstagen anzusetzen, wenn der behinderte Mensch während des gesamten Kalendermonats in der Einrichtung beschäftigt war. Fallen unentschuldigte Fehltage an, sind die tatsächlichen Kalendertage des jeweiligen Monats um die unentschuldigten Fehltage zu vermindern.
Beispiel 1:
Monat Februar 2023
Fehltage am 27. und 28.02.
SV-Tage: (28 Kalendertage ./. 2 Fehltage =) 26 SV-Tage
Beispiel 2:
Monat März 2023
Fehltage vom 01. bis zum 30.03.
SV-Tage (31 Kalendertage ./. 30 Fehltage =) 1 SV-Tag
Beispiel 3:
Monat März 2023
Fehltag am 31.03.
SV-Tage: (31 Kalendertage ./. 1 Fehltag =) 30 SV-Tage
4. Teilnahme am Umlageverfahren nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG)
Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) wurde klargestellt, dass behinderte Menschen, die im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis stehen, von der Teilnahme an den Umlageverfahren auszunehmen sind. Für diese Personen sind von den Werkstätten also keine Umlagen abzuführen; im Gegenzug werden die erbrachten Arbeitgeberaufwendungen von den Krankenkassen nicht erstattet. Diese Regelung trat rückwirkend zum 01.01.2018 in Kraft.
Siehe auch
Leistungen - Teilhabe am Arbeitsleben durch BAPflegegeld - AnspruchRehabilitationSchwerbehinderte MenschenSGB IX - RehabilitationsrechtZuständigkeitserklärung - SGB IX