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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Insolvenzgeld - Antragstellung und Auszahlung
Insolvenzgeld - Antragstellung und Auszahlung
Inhaltsübersicht
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Information
1. Antragstellung und weitere Voraussetzungen
Um überhaupt Insolvenzgeld erhalten zu können, ist ein Antrag auf dessen Bewilligung zu stellen. Der Antrag ist bei der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit zu stellen.
Gem. § 327 Abs. 3 SGB III ist örtlich zuständig für die Entgegennahme des Antrags die Agentur für Arbeit, in dessen Bezirk die für den Arbeitgeber zuständige Lohnabrechnungsstelle liegt. Wenn der Arbeitgeber im Inland keine Lohnabrechnungsstelle hat, dann ist die Agentur für Arbeit zuständig, in dessen Bezirk das Insolvenzgericht seinen Sitz hat.
Zur Beantragung ist der Vordruck "Insg 1" zu verwenden. Die Antragsformulare werden auch von der Agentur für Arbeit selbst ausgehändigt, oder auf Bitten hin zugesandt, obwohl der Antrag – da nicht formgebunden – auch mündlich gestellt werden kann.
Praxistipp:
Für die letztere Variante gilt: Da ein Arbeitnehmer oftmals nicht wissen kann, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt von der Agentur für Arbeit eine Betriebseinstellung von Amts wegen festgestellt wird, wird empfohlen, sich einen mit Datum und Handzeichen versehenen Antrag aushändigen, oder auf telefonische oder schriftliche Bitte hin zuschicken zu lassen.
Für die Sachverhalte eines Insolvenz(-antrags-)verfahrens gilt, dass das Insolvenzgeld – sofern die schriftliche Kündigung vor dem Insolvenzereignis ergeht – rückwirkend von dem Tag der Kündigung gewährt wird. Voraussetzung für eine wirksame Kündigung ist jedoch insbesondere die Schriftform gemäß § 623 BGB. Sollte keine schriftliche Kündigung erfolgt sein, so wird das Insolvenzgeld rückwirkend vom Tag des gerichtlichen Beschlusses maximal für drei Monate als Ersatz für rückständiges Arbeitsentgelt gewährt und entrichtet.
Sollte einem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt nicht für drei volle Monate ausstehen, bekommt er nur den Zeitraum ein Insolvenzgeld gewährt, in dem er noch einen offenen Anspruch auf Gehalt hat. Das ausstehende Arbeitsentgelt muss vom Arbeitgeber (bei Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse oder Betriebseinstellung) oder vom Insolvenzverwalter (nur bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens) durch eine sogenannte Insolvenzgeldbescheinigung bestätigt werden.
1.1 Vordrucke und Abgabe des Antrages
Da das gesamte Verfahren recht komplex ist, gibt die Bundesagentur für Arbeit (BA) folgende Hinweise:
Praxistipp:
Zur Beantragung von Insolvenzgeld besorgen Sie sich bitte einen Antragsvordruck (Insolvenzgeldantrag - Arbeitnehmer), der auch die Anlage (zum Antrag auf Insolvenzgeld) beinhaltet. Die Formulare erhalten Sie bei jeder Agentur für Arbeit. Füllen Sie die Anträge sorgfältig aus. Geben Sie die Antragsunterlagen möglichst persönlich bei der für die Entscheidung über Ihren Anspruch auf Insolvenzgeld zuständigen Agentur.
Bei Antragsabgabe sollten Sie laut BA möglichst folgende Unterlagen bereithalten:
Aktenzeichen des Verfahrens beim Insolvenzgericht (falls bekannt),
sofern Ihnen bereits gekündigt wurde, das Kündigungsschreiben,
die letzten drei erhaltenen Lohnabrechnungen,
etwaige Klageschriften und ergangene Urteile aus Arbeitsgerichtsverfahren.
Die Antragsunterlagen können auch per Post - am besten mit Einschreiben - an die Agentur für Arbeit gesandt werden.
Der Antrag wird auch von allen anderen Sozialleistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland entgegengenommen.
Das ist in der Regel die Agentur für Arbeit, in deren Bezirk Ihr (ehemaliger) Arbeitgeber seine Lohnabrechnungsstelle hat.
1.2 Ausschlussfrist
Bei der Antragstellung gilt es gemäß § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III eine Ausschlussfrist von zwei Monaten zu beachten. Die Frist beginnt zu laufen, sobald das Insolvenzereignis eingetreten ist, mithin der Beschluss über Eröffnung oder Abweisung des Verfahrens beim Insolvenzgericht ergeht oder – ohne Antrag und Entscheidung über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens – bei der Einstellung der betrieblichen Tätigkeit im Inland.
Zur Vermeidung unbilliger Härten kann die Agentur für Arbeit eine verspätete Antragstellung zulassen (§ 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III). Wird die Ausschlussfrist aus Gründen versäumt, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat, so wird das Insolvenzgeld gewährt, wenn innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses Antrag gestellt worden ist.
Gem. § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III liegt ein selbst zu vertretender Grund vor, wenn sich der Arbeitnehmer nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat. Dies sind nicht nur die sozialrechtlichen Ansprüche nach dem SGB III (Arbeitsförderung), sondern auch die rückständigen arbeitsrechtlichen Ansprüche (LSG Schleswig-Holstein v. 14.11.2014 - L 3 AL 28/12).
Ein schuldhaftes Versäumnis der zweimonatigen Ausschlussfrist liegt vor, wenn der Arbeitnehmer während der laufenden Antragsfrist Hinweise auf ein Insolvenzereignis erhält, aber innerhalb der möglichen Reaktionszeit nichts unternimmt, um seine Ansprüche auf Insolvenzgeld durchzusetzen.
Hinweise auf ein Insolvenzereignis sind z. B.:
Nichtzahlung lange ausstehender Gehaltszahlungen (LSG Saarland v. 18.06.2004 - L 8 AL 41/03),
erfolglose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (LSG Saarland v. 18.06.2004 - L 8 AL 41/03),
laufendes Insolvenzverfahren (LSG Saarland v. 18.06.2004 - L 8 AL 41/03),
neue Firma unter alter Firmenanschrift (LSG Niedersachsen-Bremen v. 05.04.2004 - L 8 AL 240/03),
Unklarheit über den Aufenthaltsort des Arbeitgebers (LSG Niedersachsen-Bremen v. 05.04.2004 - L 8 AL 240/03),
Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über die Vermögensverhältnisse des ehemaligen Arbeitgebers unter Angabe erheblicher Außenstände (LSG Brandenburg v. 28.01.2004 - L 8 AL 47/02),
Aufforderungsschreiben des Insolvenzverwalters bzgl. der Rückzahlung der anfechtbaren Gehaltszahlungen (LSG Nordrhein-Westfalen v. 25.02.2016 - 9 AL 70/14).
Ein ausgeschiedener Arbeitnehmer muss sich unverzüglich und energisch um die Durchsetzung seiner rückständigen Gehaltsansprüche im Insolvenzgeld-Zeitraum bemühen (LSG Schleswig-Holstein v. 14.11.2014 - L 3 AL 28/12).
Hat der Arbeitnehmer hinreichende Kenntnisse von einem Insolvenzereignis, muss er sich unverzüglich an die Arbeitsverwaltung wenden, um Insolvenzgeld zu beanspruchen. Unkenntnis über Form, Frist, Fristbeginn oder über die zuständige Stelle heben sein Verschulden nicht auf. Im Zweifel muss er unverzüglich sachkundigen Rechtsrat einholen, z.B. bei der Rechtsstelle einer Gewerkschaft oder bei einem Rechtsanwalt.
Falls sich die Antragstellung um mehr als zwei Monate seit dem maßgeblichen frühesten Insolvenzereignis verzögert hat, sind die Gründe für die Verzögerung ausführlich darzulegen und insbesondere ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme vom Insolvenzereignis nachzuweisen, insbesondere anzugeben,
wann und wodurch von dem Insolvenzereignis Kenntnis erlangt wurde und
was bis zu diesem Zeitpunkt unternommen wurde, um Ansprüche auf Arbeitsentgelt durchzusetzen.
Praxistipp:
Bei Zweifeln oder wenn Schwierigkeiten bestehen, die Entscheidung des Insolvenzgerichtes oder den Tag festzustellen, an dem der Betrieb seine Tätigkeit vollständig beendet hat, sollte vorsorglich (zur Fristwahrung gegebenenfalls auch mündlich oder telefonisch) Insolvenzgeld beantragt werden. Auf diese Weise wird vermieden, die Ausschlussfrist zu versäumen. Dabei kann klargestellt werden, dass der Antrag ausschließlich der Wahrung der Nachfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III dient.
1.3 Insolvenzgeldbescheinigung
Der Antrag auf Insolvenzgeld kann erst dann bearbeitet werden, wenn eine vom Insolvenzverwalter bzw. vom Arbeitgeber ausgestellte Insolvenzgeldbescheinigung vorliegt (Vordruck "Insg 4"). Sie wird von der Agentur für Arbeit angefordert. Um das Verfahren zu beschleunigen, können sich die Arbeitnehmer die Insolvenzgeldbescheinigung (der Vordruck ist ebenfalls bei jeder Agentur für Arbeit oder über das Internet erhältlich) auch selbst beim Insolvenzverwalter bzw. Arbeitgeber beschaffen und dem Antrag auf Insolvenzgeld gleich beifügen. Sodann muss der Arbeitnehmer die Anlage zum Antrag auf Insolvenzgeld nicht auszufüllen.
1.4 Endgültige Bewilligung
Die endgültige Bewilligung und Auszahlung des Insolvenzgeldes kann erst erfolgen, wenn
die Entscheidung durch das Insolvenzgericht getroffen wurde (bzw. das Insolvenzereignis von Amts wegen festgestellt wurde),
die zahlungsbegründenden Unterlagen (in der Regel die Insolvenzgeldbescheinigung) vom Arbeitgeber bzw. bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter vorgelegt wurden,
über etwaige Arbeitsgerichtsklagen sowie über die Anrechnung anderer Sozialleistungen entschieden wurde.
Ein Vorschuss kann bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (beziehungsweise vor der Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse) gewährt werden.
Ist das Insolvenzereignis eingetreten und ist zur Feststellung der Höhe des Insolvenzgeldes voraussichtlich noch eine längere Zeit erforderlich, kann ebenfalls ein Vorschuss auf das Insolvenzgeld gewährt werden.
Siehe dazu näher unter Insolvenzgeld - Besondere Zahlungsmodalitäten.
1.5 Entscheidung und Rechtsbehelf
Wenn die Agentur für Arbeit über den Antrag auf Insolvenzgeld entschieden hat, erhält der Arbeitnehmer darüber einen schriftlichen Bescheid. Dieser Bescheid enthält auch eine Rechtsbehelfsbelehrung, nach der vor Erhebung einer Klage vor dem zuständigen Sozialgericht ein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist.
Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Bescheid zugegangen ist, bei der Agentur für Arbeit einzureichen, die den Bescheid erlassen hat. Dies soll schriftlich geschehen.
Man kann aber auch zur Agentur für Arbeit gehen und den Widerspruch in einer Niederschrift aufnehmen lassen. Falls dem Widerspruch nicht oder nicht in vollem Umfang entsprochen werden kann, erhält man von der Agentur für Arbeit einen schriftlichen Widerspruchsbescheid.
Der Widerspruchsbescheid enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung, in der angegeben ist, bei welchem Gericht, innerhalb welcher Frist und in welcher Form die Klage zu erheben ist. Sollte der Arbeitnehmer mit diesem Widerspruchsbescheid nicht einverstanden sein, so kann er dagegen beim zuständigen Sozialgericht klagen. Im Falle einer Klage muss die Agentur für Arbeit dem Sozialgericht generell die vollständigen Leistungsunterlagen übersenden.
2. Zahlung
Das Insolvenzgeld wird für einen Zeitraum von maximal drei Monaten gezahlt. Dieser Zeitraum umfasst grundsätzlich die drei Monate vor dem Insolvenzereignis, insbesondere dem Eröffnungs- oder Abweisungsbeschluss des Insolvenzgerichts.
Sollte das Arbeitsverhältnis vor diesem Tag beendet worden sein (z.B. durch schriftliche Kündigung nach § 623 BGB oder durch Aufhebungsvertrag), werden die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses herangezogen.
Wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch einen Schuldner oder die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Beendigung der Betriebstätigkeit nicht beantragt worden ist oder ein solcher Antrag als unzulässig zurückgewiesen wurde, hat die zuständige Agentur für Arbeit die Voraussetzungen für ein Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB III zu prüfen.
Dabei ist zu prüfen, ob die Betriebstätigkeit vollständig und auf Dauer beendet worden ist, da eine Unterbrechung mit dem Ziel die Betriebstätigkeit in nicht allzu ferner Zukunft wieder aufzunehmen nicht als vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit zu werten ist. In der Regel ist für eine vollständige und dauerhafte Einstellung der Betriebstätigkeit eine Gewerbeabmeldung ausreichend.
Das Datum der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit kann allerdings auch aus anderen Quellen ermittelt werden, z.B. Angaben der Arbeitnehmer oder der Einzugsstellen.
Zudem muss im Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommen - d.h. dass mit einer Abweisung mangels Masse zu rechnen ist, da die verbliebene Masse (Vermögen) nicht zur Deckung der Verfahrenskosten ausreicht.
Die Agentur für Arbeit fordert hierfür beim Inhaber/Geschäftsführer eine Übersicht über die Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebstätigkeit an. Auch wenn diese Anforderung mit der Androhung eines Bußgeldes erfolgt und sehr oft ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet wird, antworten viele Arbeitgeber nicht auf diese Aufforderung. Dies ist besonders problematisch, da die Masselosigkeit offensichtlich sein muss.
Wenn der Arbeitgeber sich ins Ausland abgesetzt hat und nicht mehr greifbar ist, ist die Masselosigkeit nicht mehr ohne weiteres offensichtlich, da davon auszugehen ist, dass der Arbeitgeber das gesamte (Rest-)Vermögen (welches zum Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit möglicherweise zur Deckung der Verfahrenskosten ausgereicht hätte) aus dem Unternehmen gezogen hat.
Dieses Problem wird meistens durch die von einer Einzugsstelle (seltener von Arbeitnehmern) vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers/Inhabers oder mit einem Fruchtlospfändungsprotokoll gelöst.
Insolvenzgeld wird in Höhe des Nettoarbeitsentgelts gezahlt, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs. 4 SGB III) begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird (§ 167 Abs. 1 SGB III).
3. Vorschuss
Die Agentur für Arbeit kann gem. § 168 Satz 1 SGB III einen Vorschuss auf das Insolvenzgeld leisten, wenn
1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers beantragt ist,
2. das Arbeitsverhältnis beendet ist und
3. die Voraussetzungen für den Anspruch auf Insolvenzgeld mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfüllt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten und wegen des Antragsverfahrens siehe unter Insolvenzgeld - Besondere Zahlungsmodalitäten