Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Arznei- und Verbandmittel - Besonderheiten
Arznei- und Verbandmittel - Besonderheiten
Kurzinfo
Versicherte erhalten apothekenpflichtige Arzneimittel, soweit sie i.R.d. vertragsärztlichen Behandlung verordnungsfähig sind.
Die Zulassung eines Arzneimittels wird immer für bestimmte Anwendungsgebiete erteilt. Soll ein Arzneimittel für eine Indikation verordnet werden, für die eine arzneimittelrechtliche Zulassung - noch - nicht vorliegt, so ist dies grundsätzlich nicht möglich.
Information
Inhaltsübersicht
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1. SKAT-Therapie
Nach § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V dürfen Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion und Mittel, die zur Anreizung und Steigerung der sexuellen Potenz dienen, nicht zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden.
Die SKAT-Therapie (Schwellkörper-Autoinjektionstherapie; der Mann spritzt sich mit einer sehr dünnen Nadel ein erektionsauslösendes Medikament direkt in den Schwellkörper des Penis) kann daher von den gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr übernommen werden. Das Bundessozialgericht (BSG, 10.05.2005 - B 1 KR 25/03 R) hat diesen Ausschluss bestätigt und festgestellt, dass ein Leistungsausschluss nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestaltungsspielraum auch im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot nicht, wenn er Leistungen aus dem Leistungskatalog herausnimmt, die - wie hier - in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen.
Die Krankenkassen übernehmen jedoch weiterhin die Kosten der Beratung, Diagnostik und Behandlung sowie Vakuumerektionshilfen (Vakuumpumpen), Schwellkörperimplantate, Psychotherapie, Operationen und die Testosteron-Ersatz-Therapie bei Hormonmangel.
2. Lifestyle-Präparate
Arzneimittel, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht, sind von der Versorgung ausgeschlossen. Dies sind Arzneimittel, deren Einsatz im Wesentlichen durch die private Lebensführung bedingt ist oder die aufgrund ihrer Zweckbestimmung insbesondere nicht oder nicht ausschließlich der Behandlung von Krankheiten dienen. Vielmehr dienen sie zur individuellen Bedürfnisbefriedigung oder zur Aufwertung des Selbstwertgefühls. Auch werden sie zur Behandlung von Befunden angewandt, die lediglich Folge natürlicher Alterungsprozesse sind und deren Behandlung medizinisch nicht notwendig ist. Es sind auch solche Medikamente von der Versorgung ausgeschlossen, die bei kosmetischen Befunden zur Anwendung kommen, deren Behandlung in der Regel medizinisch nicht notwendig ist.
Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz (z.B. Viagra), zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen (§ 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V, vgl. BSG, 30.09.1999 - B 8 KN 9/98 KR R). Diese ausgeschlossenen Fertigarzneimittel sind in einer Übersicht als Anlage II der Arzneimittel-Richtlinien zusammengestellt.
3. Diätetische Nahrungsmittel
Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, sog. Krankenkost und diätetische Lebensmittel, einschließlich Produkten für Säuglinge oder Kleinkinder, sind von der Versorgung ausgeschlossen. Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung, wenn eine diätetische Intervention mit bilanzierten Diäten medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist.
Definitionen der einzelnen Produktgruppen, eine Auflistung medizinisch notwendiger Fälle, Verordnungsmöglichkeiten und -ausschlüsse finden Sie in Abschnitt I, §§ 18 ff. der AM-RL.
Das Bundessozialgericht hat sich in der Entscheidung (BSG, 09.12.1997 - 1 RK 23/95) mit diätetischen Nahrungsmitteln beschäftigt und den grundsätzlichen Ausschluss derartiger Mittel aus der Versorgung zu Kassenlasten bestätigt.
4. Babynahrung
Die Eltern eines Mädchens, das seit seinem zweiten Lebensmonat an einer durch Überempfindlichkeit gegen Kuhmilch ausgelösten Neurodermitis leidet, mussten für die Ersatznahrung (Proteinhydrolysat-Nahrung ohne Milcheiweiß) fast 250,00 EUR im Monat ausgeben. Die Krankenkasse lehnte eine Übernahme der Kosten ab. Das Bundessozialgericht entschied, dass die Krankenkassen spezielle Säuglingsnahrung für Babys mit Neurodermitis nicht bezahlen müssen. Die Ersatznahrung könne weder als Heilmittel noch als Arzneimittel gelten. Trotz der zweifellos krankheitsbezwingenden Eigenschaften diene sie vor allem als Lebens- und Nahrungsmittel (BSG, 28.01.1999 - B 8 Kn 1/98 KR R).
5. Krankenkost
Bei bestimmten Verdauungsstörungen (z.B. bei Zöliakie) benötigen Versicherte oftmals sog. glutenfreie Nahrung. Diese zählt weder zu den Arzneimitteln noch zur Krankenkost, die im Ausnahmefall verordnungsfähig wäre. Es handelt sich vielmehr um Lebensmittel von besonderer Beschaffenheit, deren Kosten von der GKV nicht übernommen werden können (BSG, 18.05.1978 - 3 RK 11/77). Auch ein Zuschuss ist nicht möglich. Dies gilt auch für gliadinfreie Fertigmehlmischungen (BSG, 23.03.1983 - 3 RK 51/81). Selbst wenn die Kosten für diese Nahrungsmittel sehr hoch sind, ist keine Ausnahme möglich, weil die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten keine Rolle spielt (BSG, 09.12.1997 - 1 RK 23/95).
6. Off-Label-Use Arzneimittel
Ein Fertigarzneimittel kann auch dann, wenn es zum Verkehr zugelassen ist, grundsätzlich nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung in einem Anwendungsgebiet verordnet werden, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt.
Die Zulassung eines Arzneimittels wird stets anwendungsbezogen erteilt. Das Arzneimittelrecht enthält allerdings kein generelles Anwendungsverbot, sodass der Arzt rechtlich nicht gehindert ist, auf eigene Verantwortung ein auf dem Markt verfügbares Arzneimittel für eine Therapie einzusetzen, für die es nicht zugelassen ist. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse besteht bei einem solchen Off-Label-Gebrauch aber grundsätzlich nicht.
Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs eines Arzneimittels auf weitere Indikationen erfordert nach deutschem wie nach europäischem Arzneimittelrecht eine neue, erweiterte Zulassung. Ein fehlerhaftes Zulassungsverfahren darf jedoch nicht dazu führen, dass den Versicherten unverzichtbare und erwiesenermaßen wirksame Therapien vorenthalten bleiben. Deshalb kann die Leistungspflicht der Krankenkasse für eine Arzneitherapie außerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete nicht von vornherein verneint werden. Sie kommt jedoch nur ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen in Betracht.
Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein:
Es handelt sich um eine schwerwiegende (lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende) Erkrankung, bei der
keine andere Therapie verfügbar ist und
aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) zu erzielen ist (BSG, 19.03.2002 - B 1 KR 37/00 R).
Die Verordnung von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten ist jedoch zulässig
- mit Zustimmung des pharmazeutischen Unternehmers,
- wenn die zugelassene Expertengruppen der BMG eine positive Bewertung zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Anwendung dieser Arzneimittel in den nicht zugelassenen Indikationen oder Indikationsbereichen als Empfehlung abgegeben haben,
- der Gemeinsame Bundesausschuss die Empfehlung in die AM-RL übernommen hat.
Die Ergebnisse der Beurteilung sind in der Anlage VI AM-RL einsehbar.
Außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln in klinischen Studien, sofern hierdurch eine therapierelevante Verbesserung der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung im Vergleich zu bestehenden Behandlungsmöglichkeiten zu erwarten ist, damit verbundene Mehrkosten in einem angemessenen Verhältnis zum erwarteten medizinischen Zusatznutzen stehen und der Gemeinsame Bundesausschuss der Arzneimittelverordnung nicht widerspricht (vgl. § 35c SGB V).
7. Leistungszuständigkeit bei Kassenwechsel
Nach Abschnitt 2 Nr. 4 der Verlautbarung des GKV-Spitzenverbandes (vormals der Spitzenverbände der Krankenkassen/ LeistAbgrVlb) ist die Krankenkasse leistungspflichtig, bei der am Tag der Abgabe des Arzneimittels ein Versicherungsverhältnis besteht. Das BSG hat zwei Urteile (BSG, 20.11.2001 - B 1 KR 31/99 R bzw. - B 1 KR 26/00 R) zur Thematik der Leistungsabgrenzung bei Kassenwechsel gefällt und darin klargestellt, dass die Leistungspflicht der Krankenkasse für eine konkrete Behandlungsmaßnahme von der Mitgliedschaft im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung abhängt. Für die Erbringung von Arzneimitteln ist demnach die Krankenkasse leistungspflichtig, bei der am Tag der Abgabe des Arzneimittels ein Versicherungsverhältnis besteht.
Siehe auch
Arznei- und Verbandmittel - Verordnung, Arznei- und Verbandmittel - Zuzahlung, Off-Label-Use Arzneimittel