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Psychologie

Was macht man in der Psychotherapie?

Veröffentlicht am:23.03.2022

7 Minuten Lesedauer

Manche Menschen mit psychischen Problemen zögern, eine Psychotherapie zu machen, weil sie nicht wissen, was sie dort erwartet. Hier finden Sie einen Überblick über die wichtigsten Methoden in der Psychotherapie und die Berufsgruppen, die Therapien anbieten.

Eine junge Frau spricht mit ihrer Therapeutin, die nur von hinten zu sehen ist, während einer psychotherapeutischen Einzelsitzung.

© iStock / FilippoBacci

Psychotherapie: Was ist das?

In Deutschland sind mit dem Begriff „Psychotherapie“ meist die Verfahren der ambulanten Psychotherapie bei niedergelassenen Therapeuten gemeint. Andere psychotherapeutische Behandlungen werden stationär oder ambulant von unterschiedlichen Institutionen durchgeführt oder unterstützt: zum Beispiel von Haus- oder Fachärzten, Beratungsstellen, psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern.

Die ambulante Psychotherapie zur Behandlung einer psychischen Erkrankung ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung und wird für den GKV-Bereich in einer allgemeinverbindlichen Richtlinie beschrieben. Diese Richtlinie wird im sogenannten Gemeinsamen Bundesausschuss unter Mitwirkung von niedergelassenen Ärzten und Therapeuten, Krankenhäusern und Krankenkassen beschlossen.

Die Krankenkassen übernehmen also grundsätzlich die Kosten für eine Psychotherapie, wenn eine Therapie notwendig ist, um eine „Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern“. Das heißt, es wird geprüft, ob die psychischen Probleme zu einer seelischen Krankheit gehören. Derzeit werden vom Gemeinsamen Bundesausschuss folgende Verfahren als Kassenleistung anerkannt: Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, analytische Psychotherapie und systemische Therapie.

Wann ist eine Psychotherapie sinnvoll?

Die psychischen Erkrankungen, die mithilfe der Psychotherapie behandelt werden, sind vielfältig. Darunter fallen unter anderem: Angststörungen, Zwangsstörungen, Essstörungen, Schlafstörungen, Depressionen, Störungen nach sexuellem, körperlichem oder emotionalem Missbrauch, psychosomatische Erkrankungen (wie Schmerzzustände ohne organische Erklärung), Schizophrenie oder Alkoholismus und andere Suchterkrankungen.

Es ist schwer, bei sich selbst zu erkennen, dass eine psychische Erkrankung der Grund für Probleme sein könnte. Deswegen ist es wichtig, Warnsignale im eigenen Befinden und Verhalten zu beachten und rechtzeitig zu reagieren, wenn man Probleme nicht mehr allein oder gemeinsam mit nahestehenden Menschen bewältigen und den Alltag aufrechterhalten kann.

Wenn Symptome aber über Wochen oder sogar Monate anhalten, dann ist es an der Zeit, sich Hilfe zu holen.

Mögliche Anzeichen dafür, dass eine Psychotherapie nötig ist

Wenn Probleme so belastend sind, dass sie die Leistungsfähigkeit, Arbeitsfähigkeit und die Lebensqualität einschränken – die eigene oder die von Mitmenschen –, sollte man sich zumindest beraten lassen. Einzelne Warnhinweise können sein:

  • Persönlichkeitsveränderungen, die man sich nicht erklären kann – man erkennt sich selbst nicht wieder oder auch anderen fällt eine Veränderung auf
  • anhaltende Stimmungsschwankungen, leichte Reizbarkeit und Aggressionen
  • Traurigkeit und Antriebslosigkeit
  • Ängste nehmen überhand und schränken den Alltag ein
  • Selbstmordgedanken
  • Rückzug von anderen Menschen und Misstrauen
  • Schwierigkeiten in Schule, Studium, Beruf oder Alltag wegen Konzentrationsstörungen oder eingeschränkter intellektueller Leistungsfähigkeit
  • körperliche Beschwerden ohne erkennbare organische Ursache
  • übermäßige Gereiztheit, Impulsivität oder Aggressivität

Erste Schritte bei psychischen Problemen

Seine Empfindungen mit einem vertrauten Menschen zu teilen, vermittelt das Gefühl, mit den Problemen nicht allein zu sein. Allerdings fällt es vielen Betroffenen schwer, sich gegenüber anderen Menschen zu öffnen. Umgekehrt sind Laien im Familien- oder Freundeskreis oft überfordert und unsicher, mit solchen Gesprächen umzugehen. Deshalb ist eine Psychotherapie bei einem Experten für seelische Erkrankungen in einem vertrauensvollen, geschützten Rahmen so wertvoll.

Gesetzlich Versicherte können in Deutschland ohne Überweisung vom Hausarzt einen Psychiater oder Psychotherapeuten für ein Erstgespräch aufsuchen. Gleichwohl empfiehlt sich eine hausärztliche Voruntersuchung, um mögliche organische Ursachen für die Beschwerden auszuschließen.

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Psychotherapie – was ist das genau?

Die gängige Vorstellung von einer Psychotherapie ist noch immer von der Psychoanalyse geprägt – man liegt auf der Couch, antwortet auf Fragen und der Therapeut macht sich Notizen. Das ist aber veraltet und greift viel zu kurz. Tatsächlich wird die „klassische“ Psychoanalyse, deren Ziel es ist, unbewusste Konflikte, traumatische Erfahrungen oder gestörte Beziehungsmuster bewusst zu machen, nur noch selten durchgeführt.

Mit den vier in Deutschland anerkannten und erstattungsfähigen Verfahren kann auf individuelle Krankheitsbilder eingegangen werden. Dabei können jeweils unterschiedliche Methoden angewendet werden. Einzel- oder Gruppentherapien oder eine Kombination aus beidem sind möglich. Die vier Therapieverfahren sind:

Verhaltenstherapie

Die Grundidee hinter der Verhaltenstherapie ist, dass unsere Psyche und unser Verhalten durch Erfahrungen geprägt sind und dass psychische Erkrankungen die Folge ungünstiger Erfahrungen sein können; man spricht auch von Lernerfahrungen. Diese Erfahrungen sind der Gegenstand der Therapie. In Gesprächen und auch mit Übungen sollen neue Verhaltens- und Denkmuster erlernt und falsche „verlernt“ werden. Eine Verhaltenstherapie erfordert aktive Mitarbeit der erkrankten Person. Zum Beispiel kann einem der Therapeut Aufgaben stellen, die außerhalb der eigentlichen Therapiestunden bearbeitet werden.

Eine häufige Form der Verhaltenstherapie ist die Kognitive Verhaltenstherapie. Hier werden Aspekte der Verhaltenstherapie mit Methoden der sogenannten Kognitiven Therapie verbunden. Es geht darum, die eigenen Gedanken oder Einstellungen und dabei auch falsche und belastende Überzeugungen zu erkennen, um sie zu verändern.

Analytische Psychotherapie

Wie die Verhaltenstherapie zielt die Analytische Psychotherapie auf vergangene Erfahrungen ab, sucht aber in der Tradition der klassischen Psychoanalyse nach möglichen unbewussten Auslösern der Krankheit. Psychische Erkrankungen werden als Folge innerer Konflikte bewertet, die früher erlebt wurden. Deren Bewusstmachung soll zu Konfliktlösung beitragen. Mit Konflikten sind also nicht Konflikte zwischen Personen gemeint, sondern Konflikte innerhalb der Psyche, wie sie in vielen Lebenssituationen oder Beziehungen auftraten und auftreten.

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Diese Therapieform ist aus der Psychoanalyse hervorgegangen. Es wird angenommen, dass die Verdrängung aktueller Konflikte oder belastende früherer Erfahrungen und verminderte emotionale Zuwendung in der Kindheit zu psychischen Erkrankungen führen können. Schmerzhafte Erfahrungen werden oft verdrängt, können aber dennoch das jetzige Wohlbefinden beeinträchtigen oder unsere Beziehungen zu Mitmenschen beeinflussen. Das Ziel ist, unbewusste Konflikte als Gründe für psychische Beschwerden zu erkennen, so dass sie keine Erkrankung mehr verursachen können. Damit ähnelt die tiefenpsychologisch fundierte Therapie der analytischen, nimmt jedoch stärker auf aktuelle Konflikte Bezug.

Systemische Therapie

Ansatz der systemischen Therapie ist, dass psychische Erkrankungen ihre Ursache in zwischenmenschlichen Beziehungen haben können, insbesondere in Familien. Mit der psychischen Erkrankung könnte ein Weg entstanden sein, diese Spannungen zu vermindern – allerdings zum Preis der eigenen seelischen Gesundheit. Daher werden häufig Eltern, Geschwister oder Lebenspartner in die Therapie einbezogen. Es geht darum, festgefahrene Beziehungen zu verändern, damit Familiensysteme und Patienten andere Lösungen finden können.

Welche Psychotherapie ist die richtige?

Da Psychotherapeuten oft auf eine oder vielleicht zwei verwandte Therapieformen spezialisiert sind, ist es sinnvoll, sich schon im Vorfeld zu informieren oder professionell beraten zu lassen. Viele Informationen finden Sie in einer Patientenbroschüre der Bundespsychotherapeutenkammer. Ob eine konkrete Therapieform geeignet ist und wie viele Sitzungen bei der Psychotherapie nötig sind, entscheidet dann der behandelnde Psychotherapeut nach einem eingehenden Kennenlernen und seiner Diagnose.

Alle vier Verfahren werden von Fachleuten grundsätzlich als erfolgsversprechend bewertet, können es aber nur dann sein, wenn ein gutes Vertrauensverhältnis zueinander besteht, der Betroffene an einem Therapieprozess mitarbeiten möchte und Ziele realistisch besprochen werden. Ebenso transparent sollte über eventuell auftretende Schwierigkeiten während der Therapie gesprochen werden.

Eine Gruppe von sechs Menschen sitzt für eine Gruppen-Psychotherapie in einem hellen Raum im Stuhlkreis.

© iStock / Vladimir Vladimirov

Auch Gruppengespräche können Teil einer Psychotherapie sein.

Wer führt Psychotherapien durch?

Alle vier vorgestellten ambulanten Verfahren werden sowohl von Psychologen als auch von Ärzten angeboten. Beide Berufsgruppen können von den gesetzlichen Krankenkassen als Erbringer psychotherapeutischer Leistungen zugelassen werden. Was ist aber der Unterschied zwischen psychologischen und ärztlichen Psychotherapeuten?

  • Psychologische Psychotherapeuten

    Psychologische Therapeuten haben ein universitäres Psychologiestudium absolviert und im Anschluss über eine mehrjährige staatlich geregelte Spezialausbildung die Zulassung als Psychotherapeuten erlangt. Da diese Therapeuten keine Ärzte sind, verordnen sie keine Medikamente. Seit 2020 lautet die offizielle Berufsbezeichnung "Psychotherapeut" bzw. „Psychotherapeutin“.

  • Ärztliche Psychotherapeuten

    Hierbei handelt es sich zum Beispiel um Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Ärzte mit einer entsprechenden Zusatzqualifikation. Nach dem universitären Medizinstudium haben diese Ärzte eine Facharztausbildung und eine psychotherapeutische Weiterbildung durchlaufen. Manche dieser Fachärzte sind gleichzeitig Psychiater. Behandelnde Psychiater können zur Unterstützung der Therapie passende Medikamente verschreiben.

  • Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten

    Sie sind, wie der Name schon sagt, auf Heranwachsende spezialisiert und behandeln in der Regel Patienten bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs. Nach einem Pädagogik-, Sozialpädagogik- oder Psychologiestudium an einer Universität oder Fachhochschule durchlaufen Kinder- und Jugendtherapeuten eine mehrjährige staatlich geregelte psychotherapeutische Ausbildung mit abschließender Zulassung.

Psychotherapie: Auswahl und Kostenübernahme

Bei der Auswahl eines Psychotherapeuten helfen Ihnen zum Beispiel behandelnde Ärzte, psychosoziale Beratungsstellen, sozialpsychiatrische Dienste, Landespsychotherapeutenkammern, Ärztekammern oder die Terminservicestellen der kassenärztlichen Vereinigung.

Auch wenn man ohne hausärztliche Überweisung einen Psychotherapeuten aufsuchen kann – die eigentliche Psychotherapie muss nach der Feststellung einer Erkrankung bei der Krankenkasse beantragt werden. Das bereitet der Therapeut in der Regel vor, der Antrag muss aber vom Patienten unterschrieben werden. Führen psychologische Psychotherapeuten die Behandlung durch, muss einmalig ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden, um mögliche körperliche Ursachen für die seelischen Symptome auszuschließen.

Die Dauer der Therapie wird durch die Erkrankungsschwere und den Therapiefortschritt beeinflusst. Am häufigsten wird in Deutschland die Kurzzeittherapie durchgeführt. Etwa drei von vier ambulanten Psychotherapien dauern nicht länger als 25 Stunden à 50 Minuten. In der Regel finanzieren gesetzliche Krankenkassen bei einer systemischen Therapie bis zu 48, bei Verhaltenstherapie bis zu 80, bei einer tiefenpsychologischen Psychotherapie bis zu 100 und bei analytischen Psychotherapien bis zu 300 Therapiestunden.

Was tun im Notfall?

Nicht immer kann man psychotherapeutische Versorgung vorausschauend planen. Notfälle, womöglich mit Suizidgefahr, kommen vor. In akuten Notlagen sollten Sie sich nicht scheuen, den Notruf 112 anzurufen oder, sofern regional vorhanden, die Ambulanz einer psychiatrischen Klinik aufzusuchen. In vielen Regionen gibt es spezielle Hotlines für Menschen in seelischen Krisen. Bundesweit erreichen Sie die Telefonseelsorge oder die Nummer gegen Kummer.

Kurzfristige Termine bei Psychotherapeuten für sogenannte Akutsprechstunden vermitteln die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigung.

Wer Hilfe benötigt, darf Hilfe akzeptieren

Bei jeder Krankheit sind die Therapieaussichten umso günstiger, je früher die Behandlung beginnt. Wenn seelische Probleme Ihren Alltag erschweren und Sie sich selbst nicht mehr helfen können, zögern Sie bitte nicht, über die Versorgungsangebote nach Hilfe Ausschau zu halten und diese auch anzunehmen.

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