Haut & Allergie
Die Darmflora und ihre Rolle bei Allergien
Veröffentlicht am:07.07.2025
6 Minuten Lesedauer
Eine intakte Darmflora fördert unsere Gesundheit. Umgekehrt kann eine gestörte Darmflora Krankheiten begünstigen, darunter auch Allergien. Der Zusammenhang zwischen Darmflora und Allergien wird verstärkt erforscht. Diese neuen Ansätze gibt es.

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Warum eine gesunde Darmflora wichtig ist
In unserem Körper leben Milliarden von Mikroorganismen, darunter Bakterien, Viren und Pilze. Viele von ihnen unterstützen unseren Organismus, stärken unser Immunsystem und schützen den Körper vor schädlichen Einflüssen. Diese winzigen Helfer bevölkern den Darm, den Mund, die Haut und andere Körperteile.
Der Einfluss des Darmmikrobioms auf unsere Gesundheit
Die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Körper wird als Mikrobiom bezeichnet. Die Lebensgemeinschaft der Mikroorganismen im Darm heißt entsprechend Darmmikrobiom oder auch Darmflora. Die genaue Funktionsweise des Mikrobioms ist noch nicht vollständig erforscht. Was wir wissen: Die Lebensgemeinschaft im Mikrobiom muss im Gleichgewicht sein, damit wir gesund bleiben. Das heißt vereinfacht, dass die „guten“ Mikroorganismen gegenüber den „schlechten“ die Oberhand behalten müssen. Wenn das Gleichgewicht gestört ist, spricht man von einer Dysbiose. Eine Dysbiose gilt als Risikofaktor für verschiedene Erkrankungen, darunter auch Allergien.
Die Rolle der Darmflora
Die Darmflora ist zunächst wichtig für unsere Verdauung. Die Darmbakterien tragen unter anderem zur Aufspaltung von Nahrungsbestandteilen bei. Außerdem ist die Entwicklung und die Zusammensetzung der Darmflora wesentlich für die Ausbildung und Funktionsfähigkeit unseres Immunsystems. Eine intakte Darmflora unterstützt tatkräftig die Arbeit der körpereigenen Abwehr. „Gute“ Darmbakterien produzieren zum Beispiel Stoffe, die das Wachstum von Krankheitserregern hemmen.
Die Darmflora spielt vermutlich im menschlichen Körper eine Rolle, die weit über den Magen-Darm-Trakt hinausgeht, insbesondere beim Schutz vor Krankheiten. Deshalb ist sie für die medizinische Forschung von großem Interesse.
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Allergien und Darmflora – wie hängt das zusammen?
Entzündliche Erkrankungen, Stoffwechselstörungen oder auch Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems – in diesen und anderen Bereichen wird der Einfluss einer intakten oder gestörten Darmflora erforscht. Auch die Allergieforschung beschäftigt sich zunehmend mit der Darmflora.
Bei einer Allergie reagiert das Immunsystem übersensibel auf eigentlich harmlose Stoffe. Das Immunsystem verwechselt diese Substanzen, die sogenannten Allergene, mit Krankheitserregern. Das können zum Beispiel Pflanzenpollen wie beim Heuschnupfen oder bestimmte Nahrungsmittel sein. Menschen können auch auf Insektengifte nach einem Stich, auf Hausstaubmilben oder Medikamente allergisch reagieren.
Weil das Mikrobiom und insbesondere die Darmflora so eng mit dem Immunsystem verknüpft sind, liegt die Vermutung nahe, dass beispielsweise eine gestörte Darmflora allergische Reaktionen begünstigt. Unklar ist noch, inwieweit Erkrankungen auf eine Störung des Mikrobioms folgen oder sie auch selbst der Auslöser dafür sind.
Bei Kindern ohne intakte Darmflora steigt das Allergierisiko
Ein Forschungsschwerpunkt befasst sich mit der Frage, ob die Darmflora sowohl für die Ausbildung des Immunsystems als auch für die Entstehung von Allergien mitverantwortlich ist. Es ist noch nicht vollständig geklärt, wie groß der Einfluss der Darmflora auf das Immunsystem und die Allergieneigung tatsächlich ist. Das gilt auch für die konkreten Wechselwirkungen zwischen Darmflora und Allergie.
Der Zusammenhang zwischen Allergien und Darmflora reicht aber auf jeden Fall bis zu unserer Geburt zurück. Auf unserem Weg durch den Geburtskanal werden Bakterien und andere Mikroorganismen von der Mutter aus dem Vaginal- und Darmbereich auf das Kind übertragen und besiedeln den Darm des Babys. Bei Kindern, die durch einen Kaiserschnitt geboren werden, erfolgt diese „Erstinfektion“ durch Bakterien, die auf der Haut der Mutter leben. Allein dies könnte zu einem veränderten Darmmikrobiom und einem erhöhten Allergierisiko führen.
Kindliche Darmflora ist der Sparringspartner des Immunsystems
Die mikrobielle Gemeinschaft im Darm ist ein wichtiger Trainingspartner für das kindliche Immunsystem, das sich vor allem im ersten Lebensjahr entwickelt. Die Immunzellen müssen sich die Eigenschaften verschiedener Krankheitserreger einprägen, um im Ernstfall richtig reagieren zu können. Das Immunsystem muss auch lernen, welche Bakterien harmlos sind und welche zum eigenen Körper gehören und deshalb nicht angegriffen werden dürfen. Auch dem Stillen kommt hierbei vermutlich eine besondere Bedeutung zu. Die Muttermilch enthält unter anderem Immunglobulin A (IgA). Das sind Antikörper, der unserem Organismus helfen, Krankheitserreger abzuwehren. In dieser frühen Phase werden vermutlich die Weichen dafür gestellt, ob jemand eine Allergie entwickelt oder nicht.
Antibiotika und Umwelteinflüsse
Bei der späteren Entwicklung der Darmflora spielen auch Medikamente und Umwelteinflüsse eine Rolle. Wer in seiner frühen Kindheit viele Antibiotika einnehmen musste, kann später eine veränderte Zusammensetzung der Darmflora und eventuell ein erhöhtes Allergierisiko haben. Umgekehrt gibt es schon länger Hinweise darauf, dass Kinder, die regelmäßig mit vielen Bakterien in Kontakt kommen, etwa weil sie auf einem Bauernhof aufwachsen, eine günstige Zusammensetzung der Darmflora aufweisen und widerstandsfähiger gegen Allergien sind.
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Asthma und Neurodermitis
Beispielsweise gibt es Hinweise auf Zusammenhänge zwischen allergischem Asthma und der Darmflora. Forschende fanden heraus, dass betroffene Kinder bereits als Babys eine ganz bestimmte Zusammensetzung des Darmmikrobioms aufwiesen. Andere Studien haben gezeigt, dass die Darmflora möglicherweise eine Rolle bei der Entstehung von Neurodermitis spielt. Auch auf der Haut ist die Zusammensetzung der Mikroben verändert, insbesondere ein Bakterium mit dem Namen Staphylokokkus aureus tritt bei Menschen mit Neurodermitis vermehrt auf.
Nahrungsmittelallergien
Im Interesse der Mikrobiomforschung stehen auch die Lebensmittelallergien. Reagiert der Körper allergisch auf ein bestimmtes Nahrungsmittel, hat er nicht gelernt, dieses als harmlos zu erkennen. Im Fachjargon: Er hat keine Toleranz gegenüber dem Lebensmittel entwickelt. Das kann mit einer gestörten Darmflora zusammenhängen: So fanden Forschende bei fünf Monate alten Babys mit einer Allergie bestimmte Bakterien viel häufiger, andere viel seltener als bei gleichaltrigen gesunden Kindern.
Neue Forschungsansätze
Es gibt noch weitere mögliche Mechanismen, durch die eine gestörtes Darmmikrobiom eine Nahrungsmittelallergie begünstigen könnte. Hier steht die Forschung aber noch am Anfang:
- Zum Beispiel können Menschen mit einer gestörten Darmflora einen Mangel an bestimmten Immunzellen haben. Diese Zellen haben die Aufgabe, harmlose Stoffe zu erkennen und eine Immunantwort zu unterdrücken. Haben wir zu wenig davon, werden manche Nahrungsbestandteile nicht als harmlos erkannt und vom Immunsystem angegriffen: Es kommt zu einer allergischen Reaktion.
- Eine gestörte Darmflora kann außerdem die Darmbarriere beeinträchtigen. Diese verhindert, dass Schadstoffe und Krankheitserreger aus der Nahrung in den Blutkreislauf gelangen. Ist sie geschwächt, können Nahrungsmittelallergene die Darmschleimhaut durchdringen und eine Immunreaktion auslösen.
Mit der Ernährung das Darmmikrobiom fördern
Neue Möglichkeiten zur Behandlung von Lebensmittelallergien zielen darauf ab, die Funktion der Darmbarriere zu verbessern und die Immunantwort auf Nahrungsmittelallergene zu beeinflussen. Das kann über eine Ernährungsumstellung gelingen. Mahlzeiten mit viel tierischem Eiweiß und Fett belasten die Darmflora, während eine pflanzliche, ballaststoffreiche Ernährung die „guten“ Bakterien unterstützt. Eine ballaststoffreiche Ernährung fördert auch die regulatorischen T-Zellen und trägt zum Schutz vor allergischen Erkrankungen bei. Auch fermentierten Lebensmitteln kommt eine besondere Rolle zu: Sauerkraut oder Kefir beispielsweise sind tatkräftige Helfer für ein intaktes Darmmikrobiom.

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Was können wir selbst für unsere Darmflora tun?
Es gibt noch viel Forschungsbedarf, aber so viel lässt sich festhalten: Wenn wir uns darmfreundlich ernähren – also ballaststoffreich und überwiegend pflanzlich – unterstützen wir unsere Darmflora und senken insgesamt das Erkrankungsrisiko.
Weitere wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach die Art der Geburt und die frühkindliche Ernährung unsere Darmflora verändern können, bedeuten nicht zwangsläufig, dass Kaiserschnitt- oder Flaschenkinder eine Allergie entwickeln. Sie können nach dem heutigen Stand der Forschung lediglich ein erhöhtes Allergierisiko aufweisen. Eltern von Kaiserschnittkindern oder Mütter, die nicht stillen können, sollten sich also keine unbegründeten Sorgen machen. Gleichwohl lässt die Forschung den Schluss zu, dass wir den Aufbau eines intakten Darmmikrobioms und damit eine geringere Allergieneigung unterstützen können, wenn Mütter ihr Kind auf natürlichem Weg zur Welt bringen und das Baby stillen, sofern es ihnen möglich ist.