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Gesundheitsmagazin

Verdauungssystem

Darmernährung: „Es ist immer gut, auf den eigenen Körper zu hören“

Veröffentlicht am:20.06.2023

4 Minuten Lesedauer

Beschwerden wie Verstopfung oder Erkrankungen wie das Reizdarm-Syndrom betreffen Millionen Menschen. Doch der Lebensstil beeinflusst die Verdauung. Die Ernährungsmedizinerin Yurdagül Zopf weiß, was für unserem Darm besonders förderlich ist.

Mehrere Menschen sitzen draußen an einem reich gedeckten Tisch und essen gemeinsam.

© iStock / shironosov

Expertin für Darmernährung Prof. Dr. Yurdagül Zopf.

© PR

Prof. Dr. Yurdagül Zopf und ihr Team erforschen am Hector-Center für Ernährung, Bewegung und Sport der Uniklinik Erlangen unter anderem den Zusammenhang zwischen Ernährung und Darmerkrankungen.

Ist eine darmfreundliche Ernährung wichtig für die Gesundheit?

Ja, grundsätzlich braucht der Darm eine gesunde, ausgewogene Ernährung. Denn die unzähligen Bakterien in unserem Verdauungstrakt leben von dem, was wir zu uns nehmen. Je höher die Qualität der Lebensmittel, desto besser füttern wir die „guten“ Bakterien – und desto besser und problemloser funktioniert unsere Verdauung. Dabei sollten wir beachten: Was dem einen guttut, bekommt möglicherweise dem anderen nicht. Es ist immer richtig, auf den eigenen Körper zu hören.

Was genau mögen diese guten Bakterien denn – und was nicht?

Sie mögen es gemütlich. Also geregelte Mahlzeiten und Pausen dazwischen. Sie bevorzugen die wichtigen Nährstoffe, die dem Darm gezielt etwas Gutes tun: natürliche Lebensmittel und einen hohen Anteil an Ballaststoffen. Es klingt so schlicht – aber wir sind immer noch zu weit von den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) entfernt, täglich mindestens drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst zu essen. Das entspricht rund 400 Gramm Gemüse und 250 Gramm Obst. Essen Sie eine bunte Vielfalt und möglichst regional, denn viele Vitamine gehen auf langen Transportwegen verloren.

Wie sieht es mit Fleisch aus?

Die DGE rät, wöchentlich maximal 300 bis 600 Gramm Fleisch zu essen. Zurzeit verzehren Menschen in Deutschland im Durchschnitt über ein Kilogramm Fleisch in der Woche. Das tut dem Darm nicht gut, weil der hohe Konsum eine vermehrte Aufnahme entzündungsfördernder Fettsäuren mit sich bringen kann. Was die nützlichen Bakterien außerdem nicht mögen: industriell verarbeitete Lebensmittel, zu viel Zucker und Alkohol.

Im Gegensatz dazu gelten Präbiotika und Probiotika als wahre Fitmacher für den Darm

Probiotika sind winzige erwünschte Mitbewohner im Darm, die sich positiv auf die Darmflora auswirken. Diese Bakterien und Hefen helfen dabei, die Barrierefunktion des Darms zu stärken und Krankheitserreger fernzuhalten. Wir arbeiten in unserem Institut am liebsten mit Lebensmitteln wie Kefir, Buttermilch oder Sauerkraut, die eine Reihe von probiotischen Anteilen haben. Auch Präbiotika wirken gesundheitsfördernd auf den Darm. Es sind keine Mikroorganismen, sondern spezielle unverdauliche Nahrungsbestandteile, Ballaststoffe, die sich etwa in Hafer, Zwiebeln oder Artischocken finden.

Wie kann man sich probiotisch ernähren?

Wer auf eine vielfältige, gesunde Ernährung achtet, nimmt automatisch Pro- und Präbiotika zu sich – und braucht keine Nahrungsergänzungsmittel. Ein Beispiel: Wer ein gesundes Mikrobiom hat, macht es mit probiotischen Joghurt, der mit speziellen Milchsäurebakterien versetzt wurde, nicht gesünder.

„Ernährung und Bewegung sind feste Partner, die sich beide positiv auf den ganzen Körper auswirken.“

Prof. Dr. Yurdagül Zopf
Leitung Hector-Center für Ernährung, Bewegung und Sport

Warum ist ausreichende Bewegung wichtig für die Darmgesundheit?

Bewegung hält nicht nur die Muskeln mobil, sondern auch den Darm. Sie ist wichtig für den Weitertransport des Verdauten, die Darmentleerung, und dafür, dass wir nicht zu viel Fett ansammeln. Zudem wird durch Bewegung die Durchblutung des Darms angeregt. Zu viel Fett im Körper löst oft eine Entzündung aus – und diese Entzündung kann die Darmbarriere stören. Ernährung und Bewegung sind feste Partner, die sich beide positiv auf den ganzen Körper auswirken.

Bewegung in den Alltag bringen

Rundes Holzbrettchen mit darmgesunden Lebensmitteln wie Kimchi oder Quark in Schälchen.

© iStock / bit245

Ein gesunder Darm braucht Prä- und Probiotika, zum Beispiel aus Hülsenfrüchten wie Erbsen, Zwiebeln, Sauerkraut, Kimchi oder Milchprodukten wie Quark.

Auf negativen Stress möchte der Darm dagegen lieber verzichten, oder?

Ja, genau. Wir wissen aus verschiedensten Untersuchungen, dass Stress den Darm negativ beeinflusst. Er kann entzündliche Reizungen verursachen, die Darmflora verändern und auch die Beweglichkeit des Darms. Wir kennen das zum Beispiel bei Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Massiver Stress kann bei ihnen einen Entzündungsschub auslösen. Darum ist die mediterrane Kost empfehlenswert. Die vielen frischen und saisonalen Zutaten sowie kalt gepresstes Olivenöl und Nüsse wirken antientzündlich. Und zur mediterranen Esskultur gehört, in Ruhe zu essen und mit anderen entspannt zu genießen.

Bewusster leben

Man hört oft, dass schon langsames Kauen einen sehr guten Effekt hat.

Das ist absolut richtig. Beim Kauen werden zum einen die ersten Verdauungsenzyme ausgeschüttet, Magen und Dünndarm bereiten sich schon mal mit den Verdauungssekreten vor. Wird das Essen bereits im Mund gut zerkleinert, entlastet dies zudem die Arbeit des Magens. Außerdem werden alle Aromen erst frei, wenn man mindestens zwanzig Mal kaut.

„Stress kann entzündliche Reizungen verursachen, die Darmflora verändern und auch die Beweglichkeit des Darms.“

Prof. Dr. Yurdagül Zopf
Leitung Hector-Center für Ernährung, Bewegung und Sport

Können Medikamente die Darmflora ins Ungleichgewicht bringen?

Studien haben inzwischen nachgewiesen, dass jegliche dauerhaft eingenommenen Medikamente wie Antibiotika, aber auch Antidepressiva oder Neuroleptika die Darmflora verändern können. Man sollte also jedes Medikament, das man nicht unbedingt braucht, reduzieren. Dabei jede Änderung der Medikamenteneinnahme immer mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin besprechen.

Verraten Sie noch einen Trick für alle, die ihren Lebensstil ändern möchten?

Meinen Patienten und Patientinnen empfehle ich einen Wochenplan. So reflektiert man nämlich, was man essen möchte – und was man wirklich isst. Dieses Reflektieren ist sehr gut und bringt nach meiner Erfahrung viel. Dann fällt es leichter zu erkennen: Wo kann ich mehr Gemüse einplanen? Und vor allem: Was hat mir gar nicht gutgetan?

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