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Gesundheitsmagazin

Verdauungssystem

Faszination Darm: Was kann der Darm?

Veröffentlicht am:21.06.2023

3 Minuten Lesedauer

Lange galt der Darm nur als Verdauungsorgan, inzwischen begreift die medizinische Forschung ihn als komplexes System. Studien deuten sogar darauf hin, dass Krankheiten wie Parkinson im Darm ihre Ursache haben könnten.

Unterschiedliches Obst und Gemüse liegt um eine schematische Kreidezeichnung von einem menschlichen Darm auf einer Schiefertafeloberfläche.

© iStock / piotr_malczyk

Der Darm – ein Star der medizinischen Forschung

Professor Dirk Haller und Professor Michael Schemann forschen an der TU München über Darmmikrobiota und das Darmnervensystem.

„Das Thema ist absolut sexy“, sagt Professor Michael Schemann begeistert. Der Humanbiologe an der Universität München hat allen Grund zur Freude. Denn der Darm, sein Spezialgebiet, ist aktuell einer der absoluten Stars in der medizinischen Forschung. Viele Gelder fließen seit ein paar Jahren weltweit in die Erforschung des größten inneren Organs. Das Mikrobiom, auch Darmflora genannt, fesselt rund um den Globus die Wissenschaft.

Das große Interesse ist berechtigt: Lange Zeit hat die Medizin den Darm unterschätzt, ihn oft nur als einfachen Muskelschlauch im Verdauungstrakt wahrgenommen. Heute weiß man, wie überaus wichtig er für die Gesundheit insgesamt ist.

Übersichtsgrafik über den Aufbau des Darms.
Die verschiedene Abschnitte des Darms.

Zunächst einmal sorgt der Dünndarm dafür, dass der Nahrungsbrei aus dem Magen weiter verdaut und sinnvoll verwertet wird. Die lebenswichtigen Nährstoffe werden aufbereitet und durch die Darmwand über das Blut an die Organe abgegeben. Unverdauliches leitet er weiter in den Dickdarm. Entscheidend für diesen Prozess sind unter anderem Hormone, die der Darm selbst bildet.

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Wie wichtig ist der Darm für die Gesundheit?

Der Darm besitzt ein umfangreiches Nervensystem, sodass er von manchen auch als „zweites Gehirn“ bezeichnet wird. Über seine unzähligen Nervenverbindungen tauscht er sich permanent mit dem Gehirn aus. An der Kommunikation zwischen Darm und Gehirn sind auch Botenstoffe von Nervenzellen beteiligt. Zum Beispiel Serotonin: Es spielt sowohl im Darm als auch im Zentralnervensystem eine Rolle und beeinflusst unter anderem die Darmbewegung, den Appetit oder das Schmerzempfinden. Die Bakterien im Darm produzieren zudem Neurobotenstoffe, die sich auf Stimmung, Gefühlsleben und Verhalten auswirken könnten. „Wie eng die Verbindung zwischen Bauch und Kopf ist, zeigen die vielen Hinweise“, so Professor Schemann, „dass neurologische Krankheiten wie Parkinson im Darm ihren Ursprung haben könnten.“

Ebenfalls bedeutend ist die Funktion des Darms für das Immunsystem: „Etwa 70 Prozent der körpereigenen Abwehrzellen liegen im Darm“, erklärt Schemanns Münchner Kollege, der Immunologe und Professor Dirk Haller. „Dort gibt es das am dichtesten besiedelte Ökosystem des Planeten, das Mikrobiom.“ Es besteht aus Billionen von Bakterien, bis zu 2000 unterschiedliche Spezies. „Im Darm ist es schön warm, etwa 37 Grad, immer ein bisschen schleimig und feucht. Das lieben die winzigen Mitbewohner.“ Sie helfen dabei, Krankheitserregern den Zutritt zu verwehren. „Das ist die herausragende Eigenschaft des Immunsystems im Darm“, so Professor Haller weiter. „Es muss ständig Entscheidungen treffen, ob das, was dort ankommt, gefährlich ist oder nicht, und dann blitzschnell richtig reagieren.“ Kommt es im Darm zu Störungen, wird deshalb oft auch das Immunsystem geschwächt.

„Die Mikroorganismen im Darm können mit beeinflussen, welche Krankheiten wir bekommen.“

Prof. Dirk Haller
Immunologe

Eine gesunde Darmflora ist entscheidend

Immer mehr Studien lassen vermuten, dass im Darm über Gesundheit oder Krankheit mitentschieden wird. „Krebserkrankungen beispielsweise hängen häufig mit einer veränderten Zusammensetzung der Bakterien zusammen“, sagt Professor Haller. Daher ist es aus seiner Sicht dramatisch, dass Menschen immer weniger Ballaststoffe zu sich nehmen. Denn die sind wichtig für die richtige Zusammensetzung und damit für eine gesunde Darmflora. Wer auf „vielfältige Mischkost“ setze, könne stark auf das Wohlbefinden des Mikrobioms einwirken.

Zurzeit wird weiter daran geforscht, ob das Mikrobiom und Funktionsstörungen des Darms Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder Multiple Sklerose beeinflussen – und wenn ja, welche Behandlungen möglich sind.

Erste Therapieansätze, bei denen Stuhlproben von Gesunden in die gestörte Darmflora von Menschen mit entzündlichen Darmkrankheiten transplantiert oder per Kapsel verabreicht werden, waren vielversprechend. „Auch in der Multiple-Sklerose-Forschung passiert zurzeit viel“, sagt Prof. Schemann.

Momentan basieren viele der spannenden neuen Erkenntnisse über den Darm zwar noch auf experimenteller Forschung. Doch die Wissenschaftler Haller und Schemann sind überzeugt: „Es wird in den nächsten Jahren noch viele faszinierende Entdeckungen und neue Therapien geben.“ Der Darm bleibt ein Superstar.

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