Expertenforum - Verantwortlichkeit für die Prüfung, ob Selbständigkeit oder Beschäftigung als Arbeitnehmer überwiegt

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  • 01
    Verantwortlichkeit für die Prüfung, ob Selbständigkeit oder Beschäftigung als Arbeitnehmer überwiegt

    Ein beschäftigter AN (PGS: 101) übt parallel noch eine Selbständigkeit aus. Die Abrechnung nehmen wir mit dem BGRS 1111 vor. Wenn die Selbständigkeit überwiegen sollte, erhalten wir von der Krankenkasse eine Mitteilung, dass bei der Beschäftigung als AN in der KV und PV keine Beitragspflicht besteht - ist das richtig? Nicht der AG, sondern die Krankenkasse prüft, ob die Selbständigkeit überwiegt - ist das richtig?

  • 02
    RE: Verantwortlichkeit für die Prüfung, ob Selbständigkeit oder Beschäftigung als Arbeitnehmer überwiegt

    Hallo Hilde,
     
    zunächst hat der Arbeitgeber nach § 28a SGB IV jeden versicherungspflichtigen und jeden geringfügig Beschäftigten zu melden und nach § 28e SGB IV den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Hieraus erwächst für den Arbeitgeber die Verpflichtung, das Versicherungsverhältnis des jeweiligen Arbeitnehmers zu beurteilen, Beiträge zu berechnen und gegebenenfalls vom Arbeitsentgelt einzubehalten und an die zuständige Einzugsstelle (Minijob-Zentrale oder Krankenkasse) abzuführen.
     
    Doch nicht nur der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Sozialversicherungsträgern die notwendigen Auskünfte zu erteilen und die für eine Prüfung erforderlichen Unterlagen vorzulegen, sondern auch der Beschäftigte wird mit § 28o SGB IV ausdrücklich zur Auskunft und Vorlage verpflichtet.
    Zunächst sind die Beschäftigten verpflichtet, die zur Durchführung des Meldeverfahrens und der Beitragszahlung erforderlichen Angaben gegenüber ihrem Arbeitgeber zu machen und, soweit erforderlich, Unterlagen vorzulegen.  Zu den Angaben hinsichtlich der Beitragszahlung zählen alle Informationen, die den Arbeitgeber in die Lage versetzen, die Versicherungspflicht und Beitragshöhe richtig beurteilen zu können.
     
    Dagegen ist für die Prüfung der Frage bezüglich des Vorliegens einer hauptberuflichen Selbstständigkeit die zuständige Krankenkasse des jeweiligen Mitarbeiters zu kontaktieren. Diese trifft im Rahmen einer Einzelfallentscheidung eine verbindliche Beurteilung.
     
    Dafür benötigt die Krankenkasse eine schriftliche Anfrage mit Anlagen. Als Anlagen sollten vom Arbeitgeber alle relevanten Dokumente, die das Beschäftigungsverhältnis betreffen (Arbeitsvertrag, eventuelle Zusatzvereinbarungen) und vom Mitarbeiter die Nachweise, die im Zusammenhang mit der Selbstständigkeit stehen (z. B. Gewerbeanmeldung bzw. Ummeldung von haupt- auf nebenberufliche Selbstständigkeit, Einkommensnachweise aus der selbstständigen Tätigkeit etc.) beigefügt werden.
     
    Liegt aufgrund der Prüfung durch die Krankenkasse keine hauptberufliche Selbstständigkeit vor, wird der Arbeitnehmer neben der Versicherungspflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung grundsätzlich auch kranken- und pflegeversicherungspflichtig. Krankenversicherungsbeiträge aus den Einnahmen der selbstständigen Tätigkeit sind in einem solchen Fall nicht zu entrichten.
     
    Grundsätzlich gilt für die Beurteilung einer hauptberuflichen selbstständigen Erwerbstätigkeit folgendes:
     
    § 5 Abs. 5 SGB V schließt Personen, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, von der Krankenversicherungspflicht als Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V aus. Dadurch wird vermieden, dass ein hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätiger in einer sozialversicherungspflichtigen (Neben-)Beschäftigung grundsätzlich krankenversicherungspflichtig wird.
     
    Entscheidend für die Hauptberuflichkeit ist, ob die selbstständige Erwerbstätigkeit von der wirtschaftlichen Bedeutung und vom zeitlichen Umfang her die übrige Erwerbstätigkeit deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt.
     
    Dabei stellt die Beschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer ein Indiz für den Umfang einer selbstständigen Tätigkeit dar. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der mit der Leitungsfunktion verbundene Zeitaufwand dem Selbstständigen als Arbeitgeber genauso zuzurechnen ist wie das wirtschaftliche Ergebnis der von ihm (evtl.) beschäftigten Arbeitnehmer.
     
    Nach wie vor gelten die vom GKV-Spitzenverband (GKV-SV) in seinen „Grundsätzlichen Hinweisen“ zur Abgrenzung einer hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit getroffenen Aussagen, nach denen eine mehr als halbtags ausgeübte selbstständige Tätigkeit anzunehmen ist, wenn der Zeitaufwand mehr als 20 Stunden wöchentlich beträgt. Bei einem Zeitaufwand von nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich ist die Annahme einer hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit dann nicht ausgeschlossen, wenn die daraus erzielten Einnahmen die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts bilden.
     
    Hinsichtlich der Frage, wie eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit einzuordnen ist, wenn sie neben einer anderen Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, hat der GKV-SV in seinen Grundsätzlichen Hinweisen ebenfalls Ausführungen getroffen, nach denen die Prüfung, ob die selbstständige Erwerbstätigkeit von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Umfang her die übrigen Erwerbstätigkeiten deutlich übersteigt, nicht schematisch, sondern im Rahmen einer Gesamtschau vorzunehmen ist.
     
    Daher empfehlen wir Ihnen, die zuständige Krankenkasse zu kontaktieren und mit dieser die weitere Vorgehensweise abzustimmen.
     
    Mit freundlichen Grüßen
     
    Ihr Expertenteam
     
     
     

  • 03
    RE: Verantwortlichkeit für die Prüfung, ob Selbständigkeit oder Beschäftigung als Arbeitnehmer überwiegt

    Vielen Dank für die Ausführungen!

    In Bezug auf enthaltene die Aussage: „Dagegen ist für die Prüfung der Frage bezüglich des Vorliegens einer hauptberuflichen Selbstständigkeit die zuständige Krankenkasse des jeweiligen Mitarbeiters zu kontaktieren.“ ergibt sich die Frage: Besteht für den AG für ein solches Kontaktieren der Krankenkasse eine gesetzliche Verpflichtung? Falls ja, müsste der AG sämtliche Beschäftigte diesbezüglich nachweislich befragen. Oder besteht vielmehr für den Betroffenen die gesetzliche Verpflichtung, seine Krankenkasse über den Umstand der Gleichzeitigkeit von Beschäftigung und Selbständigkeit zu informieren?

  • 04
    RE: Verantwortlichkeit für die Prüfung, ob Selbständigkeit oder Beschäftigung als Arbeitnehmer überwiegt

    Hallo Hilde,
     
    die Klärung des von Ihnen geschilderten Sachverhalts, zwecks Prüfung der hauptberuflichen Selbstständigkeit ergibt sich aus den in unserer ersten Antwort mitgeteilten §§ 28a und 28o SGB IV, wonach sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte hier in der Pflicht stehen, alle für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung notwendigen Informationen mitzuteilen.
     
    Eine Verpflichtung, dass die Krankenkassen die hauptberufliche Selbstständigkeit zu prüfen  und zu beurteilen haben, ergibt sich aus den Grundsätzlichen Hinweisen des GKV-Spitzenverbandes zum „ Begriff der hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit“.
     
    Daher empfehlen wir in Fällen der von Ihnen geschilderten Art, dass der Arbeitgeber sich mit der betreffenden Krankenkasse in Verbindung setzt, um die Prüfung der hauptberuflichen Selbstständigkeit „anzustoßen“.  
     
    Mit freundlichen Grüßen
     
    Ihr Expertenteam

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