Expertenforum - aus sv-pflichtiger 2. Beschäftigung wird Selbstständigkeit, welche Auswirkungen auf die andere Beschäftigung?

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  • 01
    aus sv-pflichtiger 2. Beschäftigung wird Selbstständigkeit, welche Auswirkungen auf die andere Beschäftigung?

    Guten Tag,

    eine MA, die 20 Stunden in der Woche bei unserem Mandanten beschäftigt ist, war bisher zusätzlich bei einem anderen AG sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Da sie mit beiden Gehältern über die KV-Beitragsbemessungsgrenze kommt, hat sie sich privatversichert.

    Nun ist aus der anderen Beschäftigung eine Selbstständigkeit geworden.

    Da die MA bei unserem Mandanten unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze der KV liegt, stellt sich nun die Frage, ob sie weiter privatversichert bleiben kann oder automatisch in die KV-Pflicht fällt.

    Was ist bei der Beschäftigung unseres Mandanten zu beachten bei

    a) Hauptberuflich selbstständig? SV-Schlüssel dann 0110 ohne AG-zuschuß für die PKV?

    b) Nebenberuflich selbstständig? Kann MA privatversichert bleiben mit AG-Zuschuß? Oder wird sie pflichtig in der gesetzl. KV und muss sich eine gesetzliche KV wählen?


    Wer übernimmt in diesem Fall die Prüfung, ob sie als Haupt- oder Nebenberuflich Selbstständig gilt?

    Vielen Dank im Voraus!

    UKoerner

  • 02
    RE: aus sv-pflichtiger 2. Beschäftigung wird Selbstständigkeit, welche Auswirkungen auf die andere Beschäftigung?

    Hallo U.Koerner,

    vordergründig ist Ihrem Sachverhalt zu prüfen, ob durch die Umstellung der zweiten Beschäftigung auf eine selbstständige Tätigkeit die Voraussetzungen einer „hauptberuflichen“ selbstständigen Erwerbstätigkeit vorliegen oder ob diese „nebenberuflich“ ausgeübt wird.
    Das Ergebnis hat entscheidende Auswirkungen auf die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung.  

    § 5 Abs. 5 Sozialgesetzbuch (SGB) V schließt Personen, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, von der Krankenversicherungspflicht als Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V aus. Dadurch wird vermieden, dass ein hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätiger in einer sozialversicherungspflichtigen Nebenbeschäftigung grundsätzlich krankenversicherungspflichtig wird.  

    Entscheidend für die Hauptberuflichkeit ist, ob die selbstständige Erwerbstätigkeit von der wirtschaftlichen Bedeutung und vom zeitlichen Umfang her die übrige Erwerbstätigkeit deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt.  

    Dabei stellt die Beschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer ein Indiz für den Umfang einer selbstständigen Tätigkeit dar. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der mit der Leitungsfunktion verbundene Zeitaufwand dem Selbstständigen als Arbeitgeber genauso zuzurechnen ist, wie das wirtschaftliche Ergebnis der von ihm (evtl.) beschäftigten Arbeitnehmer.  

    Nach wie vor gelten die vom GKV-Spitzenverband (GKV-SV) in seinen „Grundsätzlichen Hinweisen“ zur Abgrenzung einer hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit getroffenen Aussagen, nach denen eine mehr als halbtags ausgeübte selbstständige Tätigkeit anzunehmen ist, wenn der Zeitaufwand mehr als 20 Stunden wöchentlich beträgt. Bei einem Zeitaufwand von nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich ist die Annahme einer hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit dann nicht ausgeschlossen, wenn die daraus erzielten Einnahmen die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts bilden.

    Hinsichtlich der Frage, wie eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit einzuordnen ist, wenn sie neben einer anderen Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, hat der GKV-SV in seinen Grundsätzlichen Hinweisen ebenfalls Ausführungen getroffen, nach denen die Prüfung, ob die selbstständige Erwerbstätigkeit von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Umfang her die übrigen Erwerbstätigkeiten deutlich übersteigt, nicht schematisch, sondern im Rahmen einer Gesamtschau vorzunehmen ist.  

    Eine abschließende und verbindliche Beurteilung der Frage der hauptberuflichen Selbstständigkeit ist von der für die Mitarbeiterin „zuständigen“ Krankenkasse im Rahmen einer Einzelfallentscheidung vorzunehmen.

    Dafür benötigt die Krankenkasse eine schriftliche Anfrage mit Anlagen. Als Anlagen sollten vom Arbeitgeber alle relevanten Dokumente, die das Beschäftigungsverhältnis betreffen (Arbeitsvertrag, eventuelle Zusatzvereinbarungen) und von der Mitarbeiterin die Nachweise, die im Zusammenhang mit der Selbstständigkeit stehen (Gewerbeanmeldung bzw. Ummeldung von haupt- auf nebenberufliche Selbstständigkeit, Einkommensnachweise aus der selbstständigen Tätigkeit etc.) beigefügt werden.  

    Da die Mitarbeiterin in Ihrem Fall privat krankenversichert ist, kann die „zuständige Krankenkasse“ entweder die letzte gesetzliche Krankenkasse vor dem Wechsel in die private Krankenversicherung oder eine zum jetzigen Zeitpunkt (bei Bestehen von Krankenversicherungspflicht) wählbare (ggf. auch eine vom Arbeitgeber gewählte) Krankenkasse oder die Krankenkasse sein, an die die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung entrichtet werden.  

    Sofern die betreffende Arbeitnehmerin in Ihrem Sachverhalt hauptberuflich selbstständig erwerbstätig und somit nicht kranken- und pflegeversicherungspflichtig sein sollte, besteht aus der Beschäftigung kein Anspruch auf einen beitragsfreien Arbeitgeberzuschuss zu einer  privaten Kranken- und Pflegeversicherung, da hauptberuflich selbstständige Personen nicht zu den in § 257 SGB V genannten Personenkreisen gehören. Es wären demzufolge nur Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung aus der Beschäftigung an die zuständige Krankenkasse zu entrichten.

    Liegt aufgrund der Prüfung durch die Krankenkasse keine hauptberufliche Selbstständigkeit vor, wird die betreffende Person – sofern das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt 538,00 € übersteigt - neben der Versicherungspflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung grundsätzlich auch kranken- und pflegeversicherungspflichtig.

    Krankenversicherungsbeiträge aus den Einnahmen der selbstständigen Tätigkeit wären in einem solchen Fall nicht zu entrichten.

    Ferner ist in Fällen der von Ihnen geschilderten Art auch zu prüfen, ob ggf. die Regelungen des § 6 Abs. 3a SGB V zur Anwendung kommen. Danach bleiben Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres dem Grunde nach krankenversicherungspflichtig werden, versicherungsfrei, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Krankenversicherungspflicht nicht gesetzlich krankenversichert waren. Weitere Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass diese Personen mindestens die Hälfte dieser Zeit (also 2,5 Jahre) krankenversicherungsfrei, von der Krankenversicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs. 5 SGB V als hauptberuflich selbstständig Tätige nicht krankenversicherungspflichtig waren.
     
    Mit freundlichen Grüßen

    Ihr Expertenteam
     

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