Expertenforum - Abgrenzung hauptberuflich selbst- oder nichtselbständig

Expertenforum

Experten antworten auf Ihre Fragen zur Sozialversicherung

Fragen Sie Experten zu allen Aspekten der Sozialversicherung – im Expertenforum der AOK. An Arbeitstagen bekommen Sie innerhalb von 24 Stunden eine Antwort.

Darüber hinaus können Sie sich im Expertenforum mit anderen Nutzern zu persönlichen Erfahrungen im Umgang mit der Sozialversicherung austauschen.

Profitieren Sie rund um den Jahreswechsel von einem besonderen Angebot. Stellen Sie auch Fragen zum Steuer- und Arbeitsrecht, die Bezug zum Sozialversicherungsrecht haben. Ihre Frage wird dann direkt von unseren externen Steuer- und Arbeitsrechtsexperten beantwortet.

Zur Übersicht
  • 01
    Abgrenzung hauptberuflich selbst- oder nichtselbständig

    Wir haben eine Mitarbeiterin (50 Jahre alt), die bei uns ab 01.04. mit 22 Std./ Woche beschäftigt ist und mtl. € 2.000,-- verdient. Zuvor war Sie Gesellschafter- Geschäftsführerin einer GmbH (Beteiligung am Stammkapital 55 %), die allerdings ihre Tätigkeit weitgehend einstellt (wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten) und nur noch minimal am Markt arbeitet. Künftig wird der zeitliche Aufwand insoweit bei 8 Std./ Woche liegen; der Verdienst bei rd. € 900,--.


    Wir sind der Auffassung, dass eine Pflichtversicherung in der GKV besteht , da die Mitarbeiterin hauptberuflich (zeitlich und wirtschaftlich überwiegend) nichtselbständig tätig ist.


    Die Mitarbeiterin gibt an, dass die frühere gesetzliche Krankenkasse (aktuell ist sie privatversichert) ihr telefonisch mitgeteilt hat, dass sie nicht pflichtversichert sein kann, da sie mehrheitlich an der GmbH beteiligt ist. Nur darauf käme es an.


    Kann das so zutreffen? Gibt es dazu ein rechtsverbindliches Verfahren? Wir als Arbeitgeber tragen ja sonst das Risiko, dass bei einer Prüfung ein anderes Ergebnis vertreten wird. So nur auf telefonischen Zuruf fühle ich mich damit unwohl.


    Ist tatsächlich das Beteiligungsverhältnis zur GmbH allein ausschlaggebend? Wo steht das? Denn wenn das urgendwo so verbindlich stehen würde, dann wäre das für mich klarer. So sehe ich halt das Risiko und weiß nicht, wie ich es "eindämmen kann".


    Danke für jede Unterstützung!





     

  • 02
    RE: Abgrenzung hauptberuflich selbst- oder nichtselbständig

    Hallo Tax01,
     
    in Ihrem Sachverhalt war zum Zeitpunkt der Beschäftigungsaufnahme zunächst vordergründig zu prüfen, inwiefern die weiterhin ausgeübte vom Umfang her reduzierte selbstständige Erwerbstätigkeit der Mitarbeiterin dann „haupt“- oder „nebenberuflich“ ausgeübt wird.
     
    § 5 Abs. 5 Sozialgesetzbuch (SGB) V schließt Personen, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, von der Krankenversicherungspflicht als Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V aus. Dadurch wird vermieden, dass ein hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätiger in einer sozialversicherungspflichtigen Nebenbeschäftigung grundsätzlich krankenversicherungspflichtig wird.
     
    Entscheidend für die Hauptberuflichkeit ist, ob die selbstständige Erwerbstätigkeit von der wirtschaftlichen Bedeutung und vom zeitlichen Umfang her die übrige Erwerbstätigkeit deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt.
     
    Dies beschränkt sich nicht nur auf Selbstständige als natürliche Personen (Einzelunternehmer), sondern gilt auch für Selbstständige, die ihre selbstständige Tätigkeit als Gesellschafter einer GmbH ausüben, unabhängig davon, ob sie selbst in der Gesellschaft mitarbeiten oder nicht. 
     
    Dabei stellt die Beschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer ein Indiz für den Umfang einer selbstständigen Tätigkeit dar. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der mit der Leitungsfunktion verbundene Zeitaufwand dem Selbstständigen als Arbeitgeber genauso zuzurechnen ist wie das wirtschaftliche Ergebnis der von ihm evtl. beschäftigten Arbeitnehmer.
     
    Nach wie vor gelten die vom GKV-Spitzenverband (GKV-SV) in seinen „Grundsätzlichen Hinweisen“ zur Abgrenzung einer hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit getroffenen Aussagen, nach denen eine mehr als halbtags ausgeübte selbstständige Tätigkeit anzunehmen ist, wenn der Zeitaufwand mehr als 20 Stunden wöchentlich beträgt.
    Bei einem Zeitaufwand von nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich ist die Annahme einer hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit dann nicht ausgeschlossen, wenn die daraus erzielten Einnahmen die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts bilden.
    Hinsichtlich der Frage, wie eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit einzuordnen ist, wenn sie neben einer anderen Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, hat der GKV-SV in seinen Grundsätzlichen Hinweisen ebenfalls Ausführungen getroffen, nach denen die Prüfung, ob die selbstständige Erwerbstätigkeit von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Umfang her die übrigen Erwerbstätigkeiten deutlich übersteigt, nicht schematisch, sondern im Rahmen einer Gesamtschau vorzunehmen ist.
     
    Eine abschließende und verbindliche schriftliche Beurteilung der Frage der hauptberuflichen Selbstständigkeit ist von der für die Mitarbeiterin zuständigen Krankenkasse im Rahmen einer Einzelfallentscheidung vorzunehmen.
     
    Dafür benötigt die Krankenkasse eine schriftliche Anfrage mit Anlagen. Als Anlagen sollten vom Arbeitgeber alle relevanten Dokumente, die das Beschäftigungsverhältnis betreffen (Arbeitsvertrag, eventuelle Zusatzvereinbarungen) und von der Mitarbeiterin die Nachweise, die im Zusammenhang mit der Selbstständigkeit stehen (Gewerbeanmeldung, Einkommensnachweise aus der selbstständigen Tätigkeit etc.) beigefügt werden.
     
    Da die Mitarbeiterin in Ihrem Fall privat krankenversichert ist, kann die „zuständige Krankenkasse“ entweder die letzte gesetzliche Krankenkasse vor dem Wechsel in die private Krankenversicherung oder eine zum jetzigen Zeitpunkt (bei Bestehen von Krankenversicherungspflicht) wählbare (ggf. auch eine vom Arbeitgeber gewählte) Krankenkasse sein.
     
    Liegt aufgrund der Prüfung durch die Krankenkasse keine hauptberufliche Selbstständigkeit vor, wird die Arbeitnehmerin neben der Versicherungspflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung grundsätzlich auch kranken- und pflegeversicherungspflichtig.
    Krankenversicherungsbeiträge aus den Einnahmen der selbstständigen Tätigkeit sind in einem solchen Fall nicht zu entrichten.
     
    Wir empfehlen Ihnen, sich mit der „zuständigen“ Krankenkasse in Verbindung zu setzen, um die Prüfung der „hauptberuflichen Selbständigkeit“ zu veranlassen.
     
    Mit freundlichen Grüßen
     
    Ihr Expertenteam
     

Zur Übersicht
Kontakt zur AOK
Grafik Ansprechpartner

Persönlicher Ansprechpartner

Ihr Ansprechpartner steht Ihnen gerne für Ihre Fragen zur Verfügung.
Grafik e-mail

E-Mail-Service

Melden Sie uns Ihr Anliegen, wir antworten umgehend oder rufen Sie zurück.