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Herz & Kreislauf

Von-Willebrand-Syndrom – wenn das Blut nicht richtig gerinnt

Veröffentlicht am:02.06.2023

4 Minuten Lesedauer

Beim Von-Willebrand-Syndrom ist die Blutgerinnung beeinträchtigt. Es kommt zu Nasenbluten oder längeren Blutungen bei nur leichten Verletzungen. Die Erkrankung ist nicht heilbar, lässt sich aber therapeutisch gut kontrollieren.

Mädchen hat Nasenblutung, ihre Mutter tupft vorsichtig das Blut weg.

© iStock / Zinkevych

Was ist das Von-Willebrand-Syndrom?

Das Von-Willebrand-Syndrom ist eine angeborene Blutgerinnungsstörung mit erhöhter Blutungsneigung. Unter den vererbten Störungen der Blutstillung, zu denen auch die Hämophilie oder die Bluterkrankheit zählt, ist es die häufigste: Ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland ist vom Von-Willebrand-Syndrom betroffen – oft ohne Symptome und ohne es zu wissen. Benannt ist die Krankheit nach dem finnischen Internisten Adolf von Willebrand. Weitere Namen für die Erkrankung sind Angiohämophilie und Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom.

Menschen mit Von-Willebrand-Syndrom haben in ihrem Blut entweder zu wenig von einem wichtigen Eiweiß, dem so genannten Von-Willebrand-Faktor, oder es ist fehlerhaft gebildet. Der Von-Willebrand-Faktor ist für eine normale Blutgerinnung unverzichtbar. Er sorgt dafür, dass die Blutplättchen bei einer Blutung zusammenkleben und sich an den Gefäßwänden anlagern. Normalerweise verklumpen Blutplättchen nicht, damit Blutgefäße nicht verstopfen. Dies geschieht nur bei einer Verletzung. Der Von-Willebrand-Faktor ist einer von vielen Gerinnungsfaktoren – zusammen spielen sie bei einer Verletzung eine entscheidende Rolle. Wenn nicht genug vom Von-Willebrand-Faktor vorhanden ist oder er nicht richtig funktioniert, dauert es länger, bis eine Blutung aufhört.

Ursachen und Formen des Von-Willebrand-Syndroms

Das Von-Willebrand-Syndrom wird von den Eltern vererbt. Je nach Typ müssen beide Eltern den Gendefekt in sich tragen (rezessive Vererbung) oder es reicht aus, dass nur ein Teil Genträger ist (dominante Vererbung). Die Schwere der Erkrankung bei den Eltern erlaubt keine Rückschlüsse auf die Erkrankung bei den Kindern.

In äußerst seltenen Fällen ist das Syndrom nicht vererbt, sondern auf andere zugrundeliegende Krankheiten zurückzuführen.

Es gibt unterschiedliche Schweregrade des Von-Willbrand-Syndroms:

  • Von-Willebrand-Syndrom Typ 1: Der mildeste Typ betrifft 60 bis 70 Prozent der Erkrankten. Menschen mit Typ 1 haben zu wenig Von-Willebrand-Faktor im Blut. Oft verursacht Typ 1 keine merklichen Probleme. Er wird dominant vererbt und manchmal nur zufällig bei Routineuntersuchungen entdeckt.
  • Von-Willebrand-Syndrom Typ 2: Er kommt bei 15 bis 20 Prozent der Betroffenen vor. Beim Typ 2 funktioniert der Von-Willebrand-Faktor nicht richtig, manchmal gibt es zusätzlich zu wenig davon. Typ 2 hat verschiedene Untertypen, von denen die meisten dominant und wenige rezessiv vererbt werden. Blutungen sind häufiger und stärker als bei Typ 1, so dass Typ 2 oft schon bei kleinen Kindern diagnostiziert wird.
  • Von-Willebrand-Syndrom Typ 3: Am schwersten Typ erkranken weniger als ein Prozent aller Betroffenen. Beim Typ 3 fehlt der Von-Willebrand-Faktor völlig. Die Vererbung ist rezessiv, wobei die Eltern selbst oft keine auffällige Blutungsneigung zeigen.

Von-Willebrand-Syndrom: Symptome

Die Symptome beim Von-Willebrand-Syndrom reichen von kaum spürbar (Typ 1) bis hin zu ausgeprägt und schwerwiegend (Typ 3). Das Leitsymptom ist eine verstärkte und verlängerte Blutung, etwa an den Nasenschleimhäuten.

Die wichtigsten Krankheitszeichen sind:

  • häufiges und anhaltendes Nasenbluten
  • bei Frauen und Mädchen: auffällig starke und lange Regelblutungen
  • Zahnfleischbluten
  • Neigung zu Hämatomen
  • starke und anhaltende Blutungen nach einer Zahnentfernung oder Operationen im Nasenrachenraum
  • längeres Nachbluten aus oberflächlichen Wunden
  • Blutungen in Verdauungstrakt, Blase, Harnröhre und Gebärmutter

Zu schmerzhaften Gelenk- und Muskelblutungen nach einer Verletzung kommt es selten und nur bei Typ 3, bei dem alle Symptome stärker ausgeprägt sind.

Bei operativen Eingriffen oder einer Geburt kann es auch bei einem milden Von-Willebrand-Syndrom der Typen 1 und 2 zu starken Blutungen kommen, wenn keine vorbeugenden Maßnahmen getroffen worden sind – hierin liegt eine Gefahr eines nicht erkannten Von-Willebrand-Syndroms. Wichtig ist daher, dass Betroffene ihre Erkrankung und ihren Typ kennen. Nur so kann der erhöhten Blutungsneigung mit den richtigen Maßnahmen kurzfristig entgegen gewirkt werden.

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Wie wird das Von-Willebrand-Syndrom diagnostiziert und behandelt?

Wenn aufgrund der Familiengeschichte oder einer auffälligen Blutungsneigung eine Blutgerinnungsstörung vermutet wird, sind meist mehrere Blutuntersuchungen erforderlich. Von Interesse ist dabei:

  • Menge, Aktivität und Funktionalität des Von-Willebrand-Faktors und anderer Gerinnungsfaktoren,
  • Gerinnungszeit
  • Anzahl der Blutplättchen
  • Nachweis des entsprechenden Gendefekts

Das Von-Willebrand-Syndrom kann nicht geheilt, aber mit Medikamenten und bestimmten Verhaltensmaßnahmen kontrolliert werden. Es gibt Medikamente, die das Hormon Vasopressin enthalten und die Konzentration des Von-Willebrand-Faktors im Blut steigern können. Solche Medikamente eignen sich sowohl zur Stillung akuter Blutungen und zur Vorbeugung von Blutungen bei medizinischen Eingriffen als auch zur regelmäßigen Einnahme bei einem schweren Von-Willebrand-Syndrom. Eine häufige Verabreichungsform beim regelmäßigen Gebrauch ist Nasenspray. Gut behandelt hat das Von-Willebrand-Syndrom keinen Einfluss auf die Lebenserwartung.

Es gibt aber auch andere Medikamente, die beim Von-Willebrand-Syndrom eingesetzt werden, sogenannte Antifibrinolytika. Sie verstärken die Blutgerinnung und kommen vor allem bei Schleimhautblutungen oder einer verlängerten Menstruation zum Einsatz – sowohl vorbeugend als auch zur Blutstillung.

Bei stärkeren Blutungen können auch beide miteinander kombiniert werden. Ein Beispiel für ein Antifibrinolytikum ist der Wirkstoff Tranexamsäure. Er ist als Tablette oder als Infusion verfügbar.

Eine Ärztin bereitet in ihrer Praxis den Arm eines kleinen Mädchens für eine Blutentnahme vor.

© iStock / YakobchukOlena

Das Von-Willebrand-Syndrom lässt sich durch Untersuchungen von Blutproben nachweisen.

Wichtig beim Von-Willebrand-Syndrom: Verletzungsrisiko reduzieren

Menschen mit Von-Willebrand-Syndrom oder einer Hämophilie sollten Körperkoordination und Muskulatur durch Bewegung trainieren, um ihr Unfallrisiko zu verringern. Sport ist auch mit Von-Willebrand-Syndrom möglich, wobei die Eignung einzelner Sportarten von Schwere und Typ der Krankheit abhängig ist und vom Risiko der Sportart. Menschen mit dem schweren Typ 3 sollten keine Kontakt- und Ballsportarten betreiben. Außerdem ist das ständige Mitführen eines Notfallausweis dringend geboten, in dem der genaue Typ und weitere wichtige Informationen angegeben sind.

Von Willebrand Syndrom: „verbotene“ Medikamente

Wegen ihrer Wirkung auf die Blutgerinnung müssen blutverdünnende Medikamente, die Acetylsalicylsäure enthalten, unbedingt vermieden werden. Das sind zum Beispiel Aspirin, Alka-Seltzer oder Thomapyrin. Außerdem ist von entzündungshemmenden Medikamenten wie Ibuprofen (sogenannte nichtsteroidale Antirheumatika) abzuraten. Betroffene müssen die Angaben auf den Beipackzetteln von Medikamenten immer sehr genau beachten.

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