Expertenforum - Regelmäßige Überstunden/Mehrarbeit und Lohnfortzahlung

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  • 01
    Regelmäßige Überstunden/Mehrarbeit und Lohnfortzahlung

    Wir würden gerne Überstunden korrekt abrechnen.


    Sachverhalt:

    Die Arbeitgeberin hat Mitarbeiterinnen, die eine vertragliche Arbeitszeit von 20 Stunden/Woche haben.

    Beide erbringen aber regelmäßig Überstunden. Dafür wird auf Grundlage des Vorquartals (medizinischer Bereich, d.h. es gibt vierteljährliche KV-Abrechnungen und die Berechnungsmethode steht im Arbeitsvertrag) ein monatlicher Betrag ausgezahlt, der alle drei Monate neu angepasst wird.

    Diese Überstunden werden durch uns bislang jeden Monat als Einmalbezüge abgerechnet (sv-pflichtig + U1 und U2+keine Lohnfortzahlung).


    Ist eine Mitarbeiterin krank, liegt dem Antrag auf Lohnfortzahlung bislang also nur das Gehalt zugrunde.


    Eine Mitarbeiterin ist nun mehrere Wochen krank.

    Sie hat mit der Arbeitgeberin gesprochen, daß Sie während dieser Zeit nicht nur ihr Grundgehalt sondern auch einen Ausgleich für die sonst regelmäßig erbrachten Überstunden erwartet.


    Hierzu finden wir keine vernünftige Begriffsbestimmung – also – was sind regelmäßig erbrachte Überstunden, wie werden diese im Krankheitsfall genau ermittelt? Im Arbeitsvertrag steht hierzu leider nichts.


    Bis zu diesem Punkt ist es ein arbeitsrechtliches Problem.


    Aber wir meinen, daß regelmäßige Überstunden, die bei Krankheit weitergezahlt werden, dann auch bei dem Antrag auf Lohnfortzahlung berücksichtigt werden müssten.

    Wäre es also richtig, wenn die monatlich ausgezahlten Überstunden weiterhin als Einmalbezüge abgerechnet werden, aber mit einer Lohnart sv-pflichtig + U1 und U2 pflichtig + Lohnfortzahlung=ja?

    Oder sollten wir nicht als Einmalbezug sondern als monatlichen Bezug abrechnen? Bislang haben wir das nicht getan, um eventuelle Schwankungen auszugleichen.

    (die Bruttogehälter für die 20 Stunden betragen rund 3.500-4.000 EUR, die Überstundenvergütungen bislang ca. 600-1.800 EUR monatlich)


    Es wäre prima, wenn Sie uns hierzu unterstützen könnten.

  • 02
    RE: Regelmäßige Überstunden/Mehrarbeit und Lohnfortzahlung

    Hallo u.kalus,
     
    Ihre Frage zur Ermittlung des weiterzuzahlenden Arbeitsentgelts während einer Arbeitsunfähigkeit der Mitarbeiterin betrifft das Arbeitsrecht und kann in diesem Forum nicht beantwortet werden.
     
    Antworten auf arbeitsrechtliche Fragen erhalten Sie u. a. von Arbeitgeberverbänden, Kammern (Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer) und Fachanwälten für Arbeitsrecht.
     
    Im Rahmen unseres Expertenforums können mittlerweile Fragen zum Arbeits- und Steuerrecht von externen Experten beantwortet werden, sofern Ihr Eintrag mit dem Cluster „Arbeitsrecht“ bzw. „Steuerrecht“ gekennzeichnet wurde.
     
    Daher haben wir Ihre Anfrage in die Rubrik Arbeitsrecht „umgeswitcht“. Sie erhalten somit eine Antwort/ Stellungnahme aus dem Bereich „Arbeitsrecht“.

    Für den Bereich der Sozialversicherung gilt bezüglich der Definition von Arbeitsentgelt und der Erstattung nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) im Rahmen des Umlageverfahrens U1 grundsätzlich folgendes:

    Einmalig gezahltes Arbeitsentgelte (Einmalzahlungen) sind Zuwendungen, die sich nicht auf die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum beziehen (vgl. § 23a SGB IV). Dazu gehören Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder Bonuszahlungen ohne Bezug auf bestimmte Entgeltabrechnungszeiträume und ähnliche Leistungen.

    Aus dieser Legaldefinition kann im Umkehrschluss gefolgert werden, dass es sich um laufendes Arbeitsentgelt handelt, wenn die Zuwendungen für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gewährt werden wie z.B. Überstunden.

    Zu den erstattungsfähigen Aufwendungen gehört nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG das nach § 3 Abs. 1 und 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) sowie das an Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 EFZG fortgezahlte Arbeitsentgelt, dessen Höhe sich nach den Grundsätzen des § 4 EFZG bestimmt.
     
    Die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts bestimmt § 4 Abs. 1 EFZG nach dem Entgeltausfallprinzip. Danach ist dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt, mithin grundsätzlich die volle Vergütung einschließlich etwaiger Zuschläge, fortzuzahlen.
     
    Die Methode zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts bzw. zur Bestimmung des fortgezahlten Arbeitsentgelts richtet sich nach den konkreten arbeitsrechtlichen Gegebenheiten, die für den Arbeitnehmer gelten.
     
    Die Erstattungsregelungen knüpfen an das vom Arbeitgeber nach dem EFZG fortgezahlte Arbeitsentgelt an, ohne dass das AAG weitere oder eigenständige Bestimmungen zur Ermittlung des Erstattungsbetrags enthält. Ob ein – auch der Höhe nach – rechtmäßiger Anspruch auf das fortgezahlte Arbeitsentgelt nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen besteht, ist in erster Linie eine arbeitsrechtlich zu klärende (Vor-)Frage.
     
    Das bedeutet, dass bei der AAG-Erstattung vom arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff – unabhängig von der beitragsrechtlichen Bewertung - auszugehen ist. Somit wird dem Arbeitgeber im Rahmen des U1-Verfahrens der nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen korrekt ermittelte und gezahlte Entgeltbetrag erstattet. Hier ist zu beachten, das einmalig gezahlte Arbeitsentgelte nicht erstattungsfähig sind.
     
    Mit freundlichen Grüßen
     
    Ihr Expertenteam
     
     
     
     
     

  • 03
    RE: Regelmäßige Überstunden/Mehrarbeit und Lohnfortzahlung

    Sehr geehrter Fragesteller,


    vielen Dank für Ihre Frage.


    Nach § 4 Abs. 1a EFZG unterfallen Überstunden nicht der Entgeltfortzahlung. Dies gilt sowohl für die Grundvergütung als auch für etwaig gewährte Überstundenzuschläge. Überstunden in diesem Sinne liegen aber nur dann vor, wenn die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers überschritten wird. Leistet der Arbeitnehmer allerdings ständig eine Arbeitszeit, die über die individuell vereinbarte Arbeitszeit hinausgeht, kann nicht mehr von Überstunden im Sinne des § 4 Abs. 1a EFZG gesprochen werden. Allerdings führt allein die auch über einen längeren Zeitraum hinweg erfolgende Überschreitung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten nicht dazu, dass es sich bei der „Mehrarbeit“ nicht mehr um Überstunden im Sinne des § 4 Abs. 1a EFZG handelt. Maßgeblich ist vielmehr, ob man davon ausgehen kann, dass beide Seiten jedenfalls stillschweigend und dauerhaft die ursprünglich vereinbarte Arbeitszeit von 20 Stunden abgeändert haben. Beruht danach die „Mehrarbeit“ darauf, dass der Arbeitnehmer regelmäßig bestimmte wiederkehrende Arbeitsleistungen zu erbringen hat, die dazu führen, dass die ursprünglich vereinbarte Arbeitszeit überschritten wird, kann nicht mehr von Überstunden im Sinne des § 4 Abs. 1a EFZG gesprochen werden. In diesem Fall ist hinsichtlich der Arbeitszeit der Durchschnitt der letzten zwölf Monate vor Beginn der Entgeltfortzahlung heranzuziehen (LAG Köln, Urteil vom 28. August 2019, 11 Sa 757/18).


    Sie müssten also im Einzelfall prüfen, ob es sich nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen noch um Überstunden im Sinne des § 4 Abs. 1a EFZG handelt oder ob die ursprünglich vereinbarte Arbeitszeit jedenfalls stillschweigend erhöht wurde. Im letzteren Fall hat die Arbeitnehmerin auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung hinsichtlich der „Mehrarbeit“. Wie mitgeteilt, ist dann der zwölf Monatsdurchschnitt zugrunde zu legen.


    Sollten Sie weitere Fragen haben, stehen wir gern zur Verfügung.


    Mit freundlichen Grüßen


    Ihr Fachexperte Arbeitsrecht

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