Expertenforum - Arbeitnehmer und Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit

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  • 01
    Arbeitnehmer und Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit

    Guten Tag sehr geehrtes Expertenteam,


    eine Mitarbeiterin hat mitgeteilt, dass sie eine nebenberufliche freiberufliche Tätigkeit aufnehmen wird.

    Sie ist bei uns mit 20 Stunden beschäftigt und verdient ca. 1900 € brutto.

    Der zeitliche Aufwand in der Nebenbeschäftigung und die Höhe der Einnahmen sind uns nicht bekannt (vermutlich ihr auch noch nicht)


    Müssen wir hier ein Statusfeststellungsverfahren bei der Krankenkasse anstoßen, ob hier ggf. eine hauptberufliche Selbstständigkeit vorliegt, da sie als Arbeitnehmerin nur 20 Stunden beschäftigt ist und weniger als 75 % der Bemessungsgrundlage verdient? Was müssen wir genau veranlassen oder muss sich die Arbeitnehmerin darum kümmern?


    Vielen Dank vorab.


    Mit freundlichen Grüßen

    Andrea


     

  • 02
    RE: Arbeitnehmer und Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit

    Hallo Frau Schmidt,
     
    vordergründig ist Ihrem Sachverhalt zu prüfen, ob bei der Arbeitnehmerin durch die Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit neben der Beschäftigung die Voraussetzungen einer „hauptberuflichen“ selbstständigen Erwerbstätigkeit vorliegen oder ob diese „nebenberuflich“ ausgeübt wird.
     
    Das Ergebnis hat entscheidende Auswirkungen auf die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung.  
     
    § 5 Abs. 5 Sozialgesetzbuch (SGB) V schließt Personen, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, von der Krankenversicherungspflicht als Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V aus. Dadurch wird vermieden, dass ein hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätiger in einer sozialversicherungspflichtigen Nebenbeschäftigung grundsätzlich krankenversicherungspflichtig wird.  
     
    Entscheidend für die Hauptberuflichkeit ist, ob die selbstständige Erwerbstätigkeit von der wirtschaftlichen Bedeutung und vom zeitlichen Umfang her die übrige Erwerbstätigkeit deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt.  
     
    Dabei stellt die Beschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer ein Indiz für den Umfang einer selbstständigen Tätigkeit dar. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der mit der Leitungsfunktion verbundene Zeitaufwand dem Selbstständigen als Arbeitgeber genauso zuzurechnen ist, wie das wirtschaftliche Ergebnis der von ihm (evtl.) beschäftigten Arbeitnehmer.  
     
    Nach wie vor gelten die vom GKV-Spitzenverband (GKV-SV) in seinen „Grundsätzlichen Hinweisen“ zur Abgrenzung einer hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit getroffenen Aussagen, nach denen eine mehr als halbtags ausgeübte selbstständige Tätigkeit anzunehmen ist, wenn der Zeitaufwand mehr als 20 Stunden wöchentlich beträgt. Bei einem Zeitaufwand von nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich ist die Annahme einer hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit dann nicht ausgeschlossen, wenn die daraus erzielten Einnahmen die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts bilden.
    Hinsichtlich der Frage, wie eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit einzuordnen ist, wenn sie neben einer anderen Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, hat der GKV-SV in seinen Grundsätzlichen Hinweisen ebenfalls Ausführungen getroffen, nach denen die Prüfung, ob die selbstständige Erwerbstätigkeit von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Umfang her die übrigen Erwerbstätigkeiten deutlich übersteigt, nicht schematisch, sondern im Rahmen einer Gesamtschau vorzunehmen ist.  
     
    Eine abschließende und verbindliche Beurteilung der Frage der hauptberuflichen Selbstständigkeit ist von der für die Mitarbeiterin „zuständigen“ Krankenkasse im Rahmen einer Einzelfallentscheidung vorzunehmen.
     
    Dafür benötigt die Krankenkasse eine schriftliche Anfrage mit Anlagen. Als Anlagen sollten vom Arbeitgeber alle relevanten Dokumente, die das Beschäftigungsverhältnis betreffen (Arbeitsvertrag, eventuelle Zusatzvereinbarungen) und von der Mitarbeiterin die Nachweise, die im Zusammenhang mit der Selbstständigkeit stehen (Gewerbeanmeldung bzw. Ummeldung von haupt- auf nebenberufliche Selbstständigkeit, Einkommensnachweise aus der selbstständigen Tätigkeit etc.) beigefügt werden.  
     
    Liegen die Voraussetzungen einer hauptberuflichen selbstständigen Erwerbstätigkeit vor,
    besteht in der Beschäftigung keine Kranken- und Pflegeversicherungspflicht. Da in der  Renten- und Arbeitslosenversicherung Versicherungspflicht vorliegt, sind die Beiträge an die einzugsberechtigte Krankenkasse zu übermitteln. Dabei findet der Beitragsgruppenschlüssel „0110“ und der Personengruppenschlüssel „101“ Anwendung.
     
    Sollte aufgrund der Prüfung durch die Krankenkasse keine hauptberufliche selbstständige Erwerbstätigkeit vorliegen, wird die Arbeitnehmerin neben der Versicherungspflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung grundsätzlich auch kranken- und pflege versicherungspflichtig. In einem solchen Fall wäre der Beitragsgruppenschlüssel „1111“ mit dem Personengruppenschlüssel „101“ zu verwenden. Krankenversicherungsbeiträge aus den Einnahmen der selbstständigen Tätigkeit sind hierbei nicht zu entrichten.
     
    Mit freundlichen Grüßen
     
    Ihr Expertenteam
     
     

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