Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Die Inhalte des Bereichs „Fachwissen SV“ geben Ihnen kostenlos Auskunft zu allen Themen der Sozialversicherung. Sie sind ein exklusives Angebot für eingeloggte Nutzer.
Jetzt einloggen:
Sie sind noch nicht registriert?
BAG, 31.01.1996 - 2 AZR 629/95 - Verspätete Urteilsabsetzung als absoluter Revisionsgrund; Formelle Anforderungen an eine ordnungsgemäße Urteilsabsetzung
Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 31.01.1996, Az.: 2 AZR 629/95
Verspätete Urteilsabsetzung als absoluter Revisionsgrund; Formelle Anforderungen an eine ordnungsgemäße Urteilsabsetzung
Verfahrensgang:
vorgehend:
LAG Hamm - 27.10.1994 - AZ: 4 Sa 79/94
Rechtsgrundlage:
BAG, 31.01.1996 - 2 AZR 629/95
In dem Rechtsstreit
hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts
gemäß § 128 Abs. 2 ZPO
in der Sitzung am 31. Januar 1996
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Etzel,
die Richter Bitter und Bröhl sowie
die ehrenamtlichen Richter Strümper und Piper
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Oktober 1994 - 4 Sa 79/94 - aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom 10. Mai 1993, die die Beklagte darauf stützt, die Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin als Sekretärin/Sachbearbeiterin sei infolge von Einsparungsmaßnahmen entfallen.
2
Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten gewandt. Sie hat u.a. geltend gemacht, die Kündigung verstoße gegen § 102 BetrVG, weil die Anhörung des Betriebsrats zu der Kündigung und die Beschlußfassung des Betriebsrats anläßlich einer gemeinsamen Sitzung zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung erfolgt seien.
3
Die Klägerin hat, soweit für die Revisionsinstanz noch von Interesse, beantragt,
- 1.
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 10. Mai 1993 nicht aufgelöst ist,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
4
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
5
Sie hat vorgebracht, in der gemeinsamen Sitzung seien allen Betriebsratsmitgliedern die Kündigungsgründe vorgetragen worden. Der Betriebsratsvorsitzende habe nach entsprechender Beschlußfassung erklärt, ein Widerspruch gegen die Kündigung werde nicht erhoben, der Betriebsrat werde sich mit der Sache nicht weiter beschäftigen, diese sei erledigt. Die Kündigung sei aus betrieblichen Gründen erforderlich gewesen. Infolge eines drastischen Umsatzrückgangs sei eine Reduzierung der Verwaltungsarbeit und der Organisationsaufgaben eingetreten. Der Prokurist, für den die Klägerin bisher größtenteils Schreibarbeiten erledigt habe, werde keine innerbetrieblichen Tätigkeiten mehr ausüben, sondern Vertriebsaufgaben übernehmen. Damit sei der Arbeitsplatz der Klägerin weggefallen. Andere Beschäftigungsmöglichkeiten seien nicht vorhanden.
6
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das am 27. Oktober 1994 verkündete Urteil ist mit den Unterschriften der Richter versehen am 3. August 1995 zur Geschäftsstelle gelangt. Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 551 Nr. 7 ZPO.
Gründe
7
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, weil der absolute Revisionsgrund gem. § 571 Nr. 7 ZPO vorliegt. Das angefochtene Urteil ist als Urteil ohne Entscheidungsgründe anzusehen.
8
I.
Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat mit Beschluß vom 27. April 1993 (- GmS-OGB 1/92 - AP Nr. 21 zu § 551 ZPO) erkannt, daß abweichend von der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefaßtes Urteil i.S.v. § 551 Nr. 7 ZPO als nicht mit Gründen versehen anzusehen ist, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen (BAG Urteil vom 4. August 1993 BAGE 74, 44 = AP Nr. 22 zu § 551 ZPO; Senatsurteile vom 7. Oktober 1993 - 2 AZR 293/93 -, n.v. und vom 12. Januar 1995 - 2 AZR 408/94 - SGb 1995, 250).
9
II.
Das angefochtene Urteil vom 27. Oktober 1994 ist erst am 3. August 1995 ordnungsgemäß unterzeichnet zur Geschäftsstelle gelangt, wie sich aus dem Aktenvermerk des Landesarbeitsgerichts (Bl. 237 R der VorA) ergibt. Das angefochtene Urteil, das danach nicht innerhalb von fünf Monaten nach seiner Verkündung mit Tatbestand und Entscheidungsgründen von allen Richtern unterschrieben zur Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts gelangt ist, gilt nach dem Beschluß des Gemeinsamen Senats des obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts i.S.v. § 551 Nr. 7 ZPO als nicht mit Gründen versehen. Es ist deshalb auf die entsprechende ordnungsgemäße Verfahrensrüge der Beklagten hin ohne weitere Sachprüfung gem. §§ 564, 565 ZPO aufzuheben. Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Etzel
Bitter
Bröhl
Piper
Strümper
Von Rechts wegen!