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BAG, 25.03.1992 - 7 ABR 65/90 - Gewerkschaft; Betriebsvertretung; Beweiswürdigung; Mitwirkungspflicht
Bundesarbeitsgericht
Beschl. v. 25.03.1992, Az.: 7 ABR 65/90
Gewerkschaft; Betriebsvertretung; Beweiswürdigung; Mitwirkungspflicht
Verfahrensgang:
vorgehend:
LAG Nürnberg - 22.08.1990 - AZ: 5 TaBV 41/89
nachgehend:
Rechtsgrundlagen:
§ 20 Abs. 1 BNotO
Fundstellen:
BAGE 70, 85 - 103
AuR 1993, 27 (amtl. Leitsatz)
AuR 1993, 88-91 (Volltext mit amtl. LS)
BB 1992, 2295 (Kurzinformation)
DB 1993, 95-97 (Volltext mit amtl. LS)
DStR 1993, 810 (amtl. Leitsatz)
JR 1993, 220
MDR 1993, 358-359 (Volltext mit amtl. LS)
NJW 1993, 612
NZA 1993, 134-137 (Volltext mit amtl. LS)
RdA 1992, 399-400 (amtl. Leitsatz)
ZfPR 1993, 57 (amtl. Leitsatz)
BAG, 25.03.1992 - 7 ABR 65/90
Amtlicher Leitsatz:
1. Eine Gewerkschaft ist dann im Betrieb vertreten, wenn ihr mindestens ein Arbeitnehmer des Betriebs angehört, der nicht zu den leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG zählt.
2. Die Gewerkschaft kann den erforderlichen Beweis auch durch mittelbare Beweismittel, z.B. durch notarielle Erklärungen führen, ohne den Namen ihres im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigten Mitglieds zu nennen. Ob diese Beweisführung ausreicht, ist eine Frage der freien Beweiswürdigung. Die Tatsachengerichte müssen dem geringeren Beweiswert mittelbarer Beweismittel durch besonders sorgfältige Beweisführung und Begründung ihrer Entscheidung Rechnung tragen.
3. Das frühere Verhalten eines Verfahrensbeteiligten kann sich auf Umfang und Inhalt seiner Mitwirkungspflicht nach § 83 Abs. 1 Satz 2 ArbGG auswirken. Eine Verletzung der prozessualen Mitwirkungspflicht kann dazu führen, daß sich das erforderliche Beweismaß verringert.
Tatbestand:
1
Die antragstellende Gewerkschaft begehrt Zutritt zum Werk 2 der Arbeitgeberin in F, um die Einladung zu einer Betriebsversammlung, in der nach § 17 Abs. 1 BetrVG ein Wahlvorstand gewählt werden soll, aushängen zu können. In diesem Werk der Arbeitgeberin, in dem über 600 Arbeitnehmer beschäftigt werden, besteht kein Betriebsrat. Die Beteiligten streiten darüber, ob die antragstellende Gewerkschaft im Sinne von § 2 Abs. 2, § 17 Abs. 2 BetrVG im Betrieb vertreten ist.
2
Die antragstellende Gewerkschaft hat behauptet, eines ihrer Mitglieder sei im Werk 2 der Arbeitgeberin in F beschäftigt. Sie ist jedoch nicht bereit, den Namen des Mitglieds anzugeben und diesen Arbeitnehmer als Zeugen zu benennen. Sie hat die Beweisführung vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht auf notarielle Erklärungen gestützt. Die dem Landesarbeitsgericht in der mündlichen Anhörung vom 18. Juli 1990 vorgelegte notarielle Erklärung datiert vom 17. Juli 1990. In ihr hat Notar O bescheinigt, vor ihm sei eine Person mit einem Sekretär der antragstellenden Gewerkschaft erschienen und habe die eidesstattliche Versicherung abgegeben, daß sie derzeit im Werk 2 der Arbeitgeberin in F beschäftigt sei und in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehe. Diese Person habe ihm einen gültigen, mit Namen, Geburtsdatum und Lichtbild versehenen Reisepaß sowie einen bankverbuchten Überweisungsträger vorgelegt, bei dem es sich nach Form und Gestaltung um eine Lohnabrechnung handele. Der Überweisungsträger, der den Juni 1990 betreffe, enthalte Angaben zur Personalnummer, zur Steuerklasse, zum Lohnsatz, zur Sozialversicherung etc. Als Auftraggeber der Banküberweisung sei die R AG + Co. und als Empfänger der Gutschrift der Name des erschienenen Arbeitnehmers angegeben.
3
Die antragstellende Gewerkschaft hat die Auffassung vertreten, sie habe ihr bei der Arbeitgeberin beschäftigtes Mitglied nicht namentlich bezeichnen müssen, zumal ihr dies angesichts des bisherigen gewerkschaftsfeindlichen Verhaltens der Arbeitgeberin unzumutbar gewesen sei. Auch ohne Namensangabe habe sie schlüssig dargelegt, im Werk 2 der Arbeitgeberin in F vertreten zu sein. Ebensowenig begegne die Nichtbenennung ihres Mitglieds als Zeugen und die Verwendung mittelbarer Beweismittel prozessualen oder verfassungsrechtlichen Bedenken.
4
Die antragstellende Gewerkschaft hat beantragt,
5
die Arbeitgeberin zu verpflichten, Beauftragten der antragstellenden Gewerkschaften während der Betriebszeiten ungehindert Zutritt zum Werk 2 der Arbeitgeberin in F zu gewähren, soweit dies zum Zwecke der Aushängung einer Einladung zu einer Betriebsversammlung erforderlich ist.
6
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ohne Angabe des Namens des Gewerkschaftsmitglieds, das als Arbeitnehmer im Werk 2 in F beschäftigt sein solle, sei der Vortrag der antragstellenden Gewerkschaft unschlüssig, so daß bereits aus diesem Grunde eine Beweisaufnahme unzulässig sei. Im übrigen stelle die Beschränkung der Beweisaufnahme auf mittelbare Beweismittel und die Geheimhaltung des im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten Gewerkschaftsmitglieds ein Geheimverfahren dar, das im geltenden Verfahrensrecht nicht vorgesehen sei. Bei einem derartigen Verfahren übertrage das Gericht die Durchführung der Beweisaufnahme und die Entscheidung von Rechtsfragen Dritten, insbesondere dem Notar. Der Arbeitgeberin würden die gesetzlich vorgesehenen Beweismittel entzogen. Sie werde zum bloßen Objekt des Verfahrens. Eine Beweisführung, bei der das im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigte Gewerkschaftsmitglied anonym bleibe, sei weder prozeßrechtlich noch verfahrensrechtlich zulässig. Eine derartige Beweisaufnahme sei mit den Grundsätzen der Unmittelbarkeit (§ 58 Abs. 1 ArbGG; § 355 Abs. 1 ZPO), der Öffentlichkeit (§ 52 ArbGG), der Parteiöffentlichkeit (§ 357 Abs. 1 ZPO) und der freien Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1 ZPO) unvereinbar. Sie verstoße gegen die im Beschlußverfahren geltende Amtsermittlungspflicht (§ 83 Abs. 1 ArbGG) und schränke das Fragerecht der Arbeitgeberin (§ 397 ZPO) unzulässig ein. Durch dieses Verfahren werde der Anspruch der Arbeitgeberin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und effektiven Rechtsschutz, der Grundsatz des fairen Verfahrens sowie die prozessuale Waffengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) mißachtet. Art. 9 Abs. 3 GG rechtfertige dieses Geheimverfahren nicht. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, daß dem Gewerkschaftsmitglied bei Nennung seines Namens tatsächlich und konkret eine Kündigung gedroht habe, hätten nicht vorgelegen. Im übrigen werde das Gewerkschaftsmitglied rechtlich davor geschützt, daß ihm aus der koalitionsmäßigen Betätigung Nachteile entstünden. Wenn ein Arbeitgeber dagegen verstoße, müsse das Gewerkschaftsmitglied die Drohung mit einer rechtlich unzulässigen Maßnahme aushalten und gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen.
7
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat nach Einvernahme des Notars O und des Gewerkschaftssekretärs M als Zeugen die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter, während die Gewerkschaft Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt.
Entscheidungsgründe
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B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht das von der antragstellenden Gewerkschaft geltend gemachte Zutrittsrecht bejaht.
9
I. Nach § 2 Abs. 2 BetrVG ist den Beauftragten der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften zur Wahrnehmung der im Betriebsverfassungsgesetz genannten Aufgaben und Befugnisse Zugang zum Betrieb zu gewähren. Das Aushängen der Einladung zu einer Betriebsversammlung im Werk 2 der Arbeitgeberin in F ist eine betriebsverfassungsrechtliche Aufgabe der in diesem Betrieb vertretenen Gewerkschaften. Besteht, wie im vorliegenden Fall, in einem Betrieb, der die Voraussetzungen des § 1 BetrVG erfüllt, kein Betriebsrat, so wird in einer Betriebsversammlung ein Wahlvorstand gewählt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Zu dieser Betriebsversammlung kann nach § 17 Abs. 2 BetrVG eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen. Die antragstellende Gewerkschaft ist im Werk 2 der Arbeitgeberin in F vertreten.
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1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß eine Gewerkschaft dann im Betrieb vertreten ist, wenn ihr mindestens ein Arbeitnehmer des Betriebs angehört (BAGE 10, 154, 156 f. [BAG 04.11.1960 - 1 ABR 4/60] = AP Nr. 2 zu § 16 BetrVG, zu 2 b der Gründe; ebenso die herrschende Meinung in der Literatur: Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 2 Rz 21; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 2 Rz 26; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 2 Rz 36; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 2 Rz 61 a; Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 2 Rz 20; Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., § 2 Rz 9; Trümner in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 3. Aufl., § 2 Rz 29).
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In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, daß die fachliche Zuständigkeit einer Gewerkschaft für den Betrieb ausreiche (Erdmann/Jürging/Kammann, BetrVG, § 2 Rz 4; zu dieser Ansicht neigt auch Grunsky, AuR 1990, 105, 106, der aber einräumt, daß seine Argumente die herrschende Meinung nicht widerlegen). Diese Begriffserweiterung entspricht aber weder dem Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck noch der Entstehungsgeschichte.
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Die Formulierung "im Betrieb vertreten" setzt bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine personelle Präsenz durch eigene Mitglieder im Betrieb voraus. § 2 Abs. 2 BetrVG räumt den Gewerkschaften kein allgemeines, verselbständigtes Zugangsrecht ein, sondern macht es von den betriebsverfassungsrechtlichen Unterstützungsaufgaben der Gewerkschaften abhängig. Diese Unterstützungsfunktion kommt nach der bestehenden Rechtslage nicht allen Gewerkschaften zu. Die Gewerkschaften werden erst dadurch, daß sie in der Arbeitnehmerschaft des Betriebs repräsentiert sind, zur betriebsverfassungsrechtlichen Mitwirkung legitimiert.
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Bereits das Betriebsverfassungsgesetz 1952 hat das Erfordernis, daß die Gewerkschaft im Betrieb vertreten ist, enthalten. Auch damals hatte das Bundesarbeitsgericht dieses Tatbestandsmerkmal dahingehend ausgelegt, daß die Gewerkschaft wenigstens einen einzigen Betriebsangehörigen zu ihren Mitgliedern zählen muß (vgl. BAGE 10, 154, 156 f. [BAG 04.11.1960 - 1 ABR 4/60] = AP Nr. 2 zu § 16 BetrVG, zu 2 b der Gründe). Bei Erlaß des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 hat der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Rechtsprechung die frühere Formulierung unverändertübernommen. Selbst wenn die Zweckmäßigkeitserwägungen Grunskys zutreffen, ändert dies nichts daran, daß der Gesetzgeber sie nicht aufgegriffen hat und ihnen nicht im Wege der Auslegung, sondern nur durch eine Gesetzesänderung Rechnung getragen werden kann.
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2. Das Landesarbeitsgericht hat richtig erkannt, daß es nicht ausreicht, wenn nur leitende Angestellte des Betriebs (§ 5 Abs. 3 BetrVG) Mitglieder der Gewerkschaft sind. Das Gewerkschaftsmitglied muß zu der vom Betriebsrat repräsentierten Belegschaft gehören (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 2 Rz 21; Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 2 Rz 21). Auf leitende Angestellte findet jedoch das Betriebsverfassungsgesetz grundsätzlich keine Anwendung (§ 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Ihre Belange werden vom Sprecherausschuß vertreten (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SprAuG).
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II. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin mußte das Landesarbeitsgericht den Antrag nicht als unschlüssig abweisen.
16
Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, zu welchen Anforderungen an den Sachvortrag des Antragstellers im Beschlußverfahren einerseits der Untersuchungsgrundsatz (§ 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) und andererseits die Mitwirkungspflicht der Beteiligten (§ 83 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) führen. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, das Vorbringen der antragstellenden Gewerkschaft halte auch einer Schlüssigkeitsprüfung stand, läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Vorbringen der Gewerkschaft ist schlüssig, wenn sie sämtliche zur Begründung ihres Zutrittsrechts erforderlichen Tatsachen dargelegt hat. § 2 Abs. 2 BetrVG setzt lediglich voraus, daß die Gewerkschaft mit irgendeinem Mitglied im Betrieb vertreten ist. Da der Name ihres Mitglieds keine rechtliche Bedeutung hat, ist der Sachvortrag bereits dann ausreichend substantiiert und einer Beweisaufnahme zugänglich, wenn er sich auf eine bestimmte Person bezieht und diese Person nach den dargelegten Tatsachen sowohl Mitglied der antragstellenden Gewerkschaft ist als auch im Betrieb der Arbeitgeberin als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG beschäftigt wird (ebenso Grunsky, AuR 1990, 105, 106 f. und 111 f.; a.A. Prütting/Weth, DB 1989, 2273, 2276 f. und AuR 1990, 269, 273).
17
III. Aufgrund der notariellen Erklärung vom 17. Juli 1990 und der Aussagen der Zeugen M und O ist das Landesarbeitsgericht zu der Überzeugung gelangt, daß der Sachvortrag der antragstellenden Gewerkschaft zutrifft und die Voraussetzungen des Zutrittsrechts nach § 2 Abs. 2 BetrVG erfüllt sind. Die gegen die Beweisaufnahme erhobenen Verfahrensrügen der Arbeitgeberin greifen nicht durch. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht der herrschenden Meinung gefolgt, daß die Gewerkschaft den erforderlichen Beweis führen kann, ohne den Namen ihres im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten Mitglieds zu nennen (LAG Baden-Württemberg Beschluß vom 20. September 1973 - 7 TaBV 5/73 - ARSt 1974, 88; LAG Düsseldorf Beschluß vom 6. April 1978 - 14 TaBV 123/77 - DB 1979, 110 f.; LAG Düsseldorf Beschluß vom 5. Dezember 1988 - 4 TaBV 140/88 - NZA 1989, 236; LAG Köln Beschluß vom 6. Oktober 1989 - 9 TaBV 49/89 - LAGE § 2 BetrVG 1972 Nr. 7; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 2 Rz 26; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 2 Rz 23; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 2 Rz 37; Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., § 2 Rz 9; Trümner in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 3. Aufl., § 2 Rz 30; Trümner, BetrR 1989, 145 ff.; Grunsky, AuR 1990, 105 ff.; a.A. Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 2 Rz 20; Prütting/Weth, DB 1989, 2273 ff. und AuR 1990, 269 ff.).
18
1. Die Beweisführung muß nicht unmittelbar auf die Tatsachen gerichtet sein, die den gesetzlichen Tatbestand des geltend gemachten Rechts ausfüllen. Auch die Beweisführung durch Indizien, aus denen auf die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale geschlossen werden kann, ist prozeßrechtlich zulässig (vgl. u. a. BGH Urteil vom 10. Mai 1984 - III ZR 29/83 - NJW 1984, 2039, 2040; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 50. Aufl., Einf. § 284, Anm. 3 C b; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 284 Rz 8; Thomas/Putzo, ZPO, 17. Aufl., Vorbem. § 284, Anm. 4 d; Zöller/Stephan, ZPO, 17. Aufl., § 286 Rz 9 a, jeweils m. w. N.). Sowohl das Arbeitsgerichtsgesetz als auch die Zivilprozeßordnungüberlassen es den Prozeßbeteiligten, wie sie das Gericht überzeugen (vgl. u. a. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 284 Rz 33).
19
2. Entgegen der von der Arbeitgeberin im Anschluß an Prütting/Weth (DB 1989, 2273, 2276) vertretenen Ansicht verletzt die Beweisführung mit einer notariellen Erklärung nicht die Grundsätze der Unmittelbarkeit, der Öffentlichkeit und der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme (§ 87 Abs. 2 i. V. m. § 64 Abs. 7, § 52 ArbGG; § 355 Abs. 1 und § 357 Abs. 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat die Beweisaufnahme nicht dem Notar überlassen, sondern die notarielle Erklärung im Wege des Urkundenbeweises über Hilfstatsachen verwertet. Dies ist in einer öffentlichen mündlichen Anhörung, an der die Beteiligten teilnehmen konnten, geschehen. Das Landesarbeitsgericht hat sowohl den Beweiswert der mittelbaren Beweismittel als auch die dadurch festgestellen Indizien selbständig und eigenverantwortlich beurteilt.
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3. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die notarielle Erklärung als öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO behandelt.
21
a) Nach § 415 Abs. 1 ZPO liegt dann eine öffentliche Urkunde vor, wenn sie von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen ist. Mit öffentlichem Glauben versehene Personen sind diejenigen, die durch Gesetz allgemein oder beschränkt zu Beurkundungen ermächtigt sind. Dazu zählen insbesondere die Notare. Zu den Amtsbefugnissen der Notare gehört die Erstellung einer Tatsachenbescheinigung der vorliegenden Art. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BNotO sind die Notare zuständig, Beurkundungen jeder Art vorzunehmen. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Ausstellung einer Bescheinigung über amtlich von ihnen wahrgenommene Tatsachen (§ 20 Abs. 1 Satz 2 BNotO). Die Wahrnehmung ist amtlich, wenn der Notar auftragsgemäß in seiner Eigenschaft als Notar tätig geworden ist. Zu den von ihm wahrgenommenen Tatsachen zählen auch nichtrechtsgeschäftliche Erklärungen (vgl. Göttlich, Die Amtsführung der Notare, 2. Aufl., D VIII 1 a; Seybold/Hornig, BNotO, 4. Aufl., Anh. § 20 Rz 161 und 162).
22
b) Das Landesarbeitsgericht hat die Beweiskraft öffentlicher Urkunden nicht verkannt. Nach § 415 Abs. 1 ZPO begründet eine öffentliche Urkunde den vollen Beweis des von Notar O beurkundeten Vorganges. Damit stand für das Landesarbeitsgericht fest, daß am 17. Juli 1990 eine Person vor dem Notar erschien, eine Erklärung mit dem in der Tatsachenbescheinigung aufgeführten Inhalt abgab, den Reisepaß vorlegte und eine Banküberweisung übergab, die zugleich die für eine Lohnabrechnung typischen Angaben enthielt. Das Landesarbeitsgericht hat die beurkundeten Vorgänge zutreffend als Hilfstatsachen für einen Indizienbeweis angesehen.
23
4. Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin ist keiner ihrer Beweisanträge rechtsfehlerhaft zurückgewiesen oder übergangen worden.
24
a) Zum Beweis für die Behauptung, der dem Notar vorgelegte Überweisungsträger sei gefälscht, hat die Arbeitgeberin die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten. Diese Beweisaufnahme ist unmöglich gewesen, weil der Überweisungsträger dem Gericht nicht zur Verfügung gestanden hat. Der Überweisungsträger konnte auch nicht im Wege des Urkundenbeweises in das Beschlußverfahren eingeführt werden. Die Gewerkschaft und der Notar waren weder nach bürgerlichem Recht noch prozessual zur Vorlage dieses Schriftstückes verpflichtet (§§ 422, 423 ZPO). Eine prozessuale Vorlagepflicht hätte nach § 423 ZPO vorausgesetzt, daß die Gewerkschaft im Beschlußverfahren zur Beweisführung auf diese Urkunde Bezug genommen hätte. Die Gewerkschaft hat jedoch von Anfang an davon abgesehen, den Überweisungsträger zum Urkundenbeweis zu verwenden. Im vorliegenden Fall hat die Gewerkschaft zur Beweisführung nicht auf den Überweisungsträger selbst, sondern lediglich auf die notarielle Tatsachenbescheinigung Bezug genommen.
25
b) Den Antrag der Arbeitgeberin, sämtliche Arbeitnehmer des Werkes 2 in F als Zeugen zu der Behauptung zu vernehmen, daß keiner der in diesem Werk beschäftigten Arbeitnehmer Mitglied der antragstellenden Gewerkschaft sei, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht nicht als ordnungsgemäß angesehen. Die als Zeugen zu vernehmenden Personen sind nach § 373 ZPO so zu benennen, daß sie individualisiert werden können. Dazu müssen die ladungsfähigen Personalien angegeben werden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht eine vollständige, aktuelle Liste der in Frage kommenden Mitarbeiter der Arbeitgeberin verlangt. Ein entsprechendes Beweisangebot der Arbeitgeberin hat gefehlt.
26
aa) Die Arbeitgeberin kann sich nicht darauf berufen, die erforderlichen persönlichen Daten der zu vernehmenden Arbeitnehmer hätten sich aus den Unterschriftslisten ergeben, die der von ihr vorgelegten notariellen Bescheinigung vom 18. Juli 1990 beilagen. Diese Unterschriften datieren größtenteils aus dem Jahre 1989. Die Arbeitgeberin hat selbst vorgetragen, daß allein im Juni 1990 27 Arbeitnehmer eingestellt worden seien. Eine entsprechend hohe Zahl von Unterschriften nach dem 1. Juni 1990 fehlt jedoch in den Unterschriftslisten. Außerdem hat sich die Arbeitgeberin im Anhörungstermin vom 18. Juli 1990 nicht darauf berufen, daß bereits aus diesen Unterschriftslisten alle im Werk 2 beschäftigten Arbeitnehmer ausreichend zu ersehen seien. Im Gegenteil: Mit Verfügung vom 12. März 1990 hatte der Vorsitzende des Landesarbeitsgerichts der Arbeitgeberin aufgegeben, "zum Anhörungstermin eine aktuelle Liste mit Namen und Geburtsdaten der im Werk 2 beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG mitzubringen". Der Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin hat im Anhörungstermin vom 18. Juli 1990 erklärt, er habe die angeforderte Liste mitgebracht; er hat sie jedoch nicht in das Verfahren eingeführt. Die Arbeitgeberin hat sich vielmehr geweigert, diese Beschäftigtenliste dem Zeugen O zur Einsicht vorzuhalten, mit der Begründung, auf dieser Liste seien häufig identische Namen enthalten, so daß ausreichende Rückschlüsse nicht möglich seien. Wenn die Mitarbeiterliste jedoch nicht zur Individualisierung der Arbeitnehmer ausgereicht hat, gilt dies mindestens ebensosehr für die Unterschriftslisten, in denen ebenfalls nur die Namen der Arbeitnehmer aufgeführt waren und bei denen zudem nicht von der gebotenen Aktualisierung ausgegangen werden konnte.
27
bb) Entgegen der Auffassung der Revision war das Landesarbeitsgericht nicht nach § 139 Abs. 1 ZPO verpflichtet, auf eine Ergänzung des Beweisangebots der Arbeitgeberin hinzuwirken. Die anwaltschaftlich vertretene Arbeitgeberin hat sich trotz der verfahrensleitenden Verfügung vom 12. März 1990 nicht bereit erklärt, die auch ihrer Ansicht nach bestehenden Unklarheiten über die zur Arbeitnehmerschaft ihres Werks 2 gehörenden Personen zu beseitigen, obwohl sie allein dazu in der Lage gewesen wäre. Der im Beschlußverfahren geltende Amtsermittlungsgrundsatz (§ 83 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) ändert nichts daran, daß das Landesarbeitsgericht auf die Mitwirkung der Arbeitgeberin angewiesen war und zum Gegenbeweis eine aktuelle, vollständige Liste der Arbeitnehmer des Werkes 2 erforderlich gewesen wäre.
28
c) Das Landesarbeitsgericht hat zwar die Arbeitgeberin vor Erlaß des angegriffenen Beschlusses nicht ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, daß ein Notar, ohne die Namen etwaiger Gewerkschaftsmitglieder preisgeben zu müssen, die Erklärungen aller Arbeitnehmer des Werkes 2 in F zu der Frage entgegennehmen könne, ob sie der antragstellenden Gewerkschaft als Mitglieder angehören, und hierüber der Arbeitgeberin eine zum Urkundenbeweis geeignete Tatsachenbescheinigung ausstellen könne. Die darauf gestützte Aufklärungsrüge der Arbeitgeberin greift aber nicht durch. Abgesehen davon, daß diese Beweisführung nahelag, zumal sie der von der antragstellenden Gewerkschaft gewählten und vom Beschwerdegericht gebilligten entsprach, hat die Arbeitgeberin mittelbare Beweismittel, mit der die Anonymität etwaiger Gewerkschaftsmitglieder gewahrt wird, vehement abgelehnt. Unter diesen Umständen durfte das Landesarbeitsgericht, ohne § 139 Abs. 1 ZPO zu verletzen, einen näheren Hinweis für überflüssig erachten.
29
d) Das Beweisangebot der Arbeitgeberin, den Personalleiter H als Zeugen zu der Behauptung zu vernehmen, daß der in der notariellen Tatsachenbescheinigung ohne Namensnennung erwähnte Arbeitnehmer nicht bei ihr beschäftigt sei, ist nicht rechtswidrig übergangen worden. Ohne Angabe des Namens dieses Arbeitnehmers hat ein der Beweisaufnahme zugängliches Beweisthema gefehlt. Das Landesarbeitsgericht war auch nicht verpflichtet, den Namen aufgrund der Fragen, die die Arbeitgeberin an den Zeugen M richten wollte, oder von Amts wegen zu ermitteln.
30
5. Ohne das Fragerecht der Arbeitgeberin nach § 397 Abs. 1 ZPO zu verletzen, hat es das Landesarbeitsgericht dem Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin nicht gestattet, den als Zeugen vernommenen Gewerkschaftssekretär M nach dem Namen des vor dem Notar erschienenen Gewerkschaftsmitglieds zu fragen. Da diese Frage nicht zum Beweisthema gehörte, war sie unzulässig. Der Zeuge M ist darüber vernommen worden, ob die Person, auf die sich die notarielle Erklärung vom 17. Juli 1990 bezog, Mitglied der antragstellenden Gewerkschaft ist. Für dieses Beweisthema kam es auf den Namen der Person nicht an.
31
6. Der Untersuchungsgrundsatz des § 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG verpflichet zwar das Gericht, den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen zu erforschen. Diese Aufklärungspflicht zwingt das Gericht aber nicht zu einer unbegrenzten Amtsermittlungstätigkeit und Beweisaufnahme. Beweise sind immer dann zu erheben, wenn die Wahrheit einer entscheidungserheblichen Tatsache nicht feststeht. Angebotene Gegenbeweise dürfen nicht übergangen werden (vgl. u. a. BAGE 53, 119, 129 f. = AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972, zu II 4 der Gründe). Das Gericht ist allerdings nur an einen förmlichen Beweisantrag gebunden, der sowohl das Beweisthema als auch das Beweismittel spezifiziert bezeichnet. Dagegen führt der Untersuchungsgrundsatz nicht dazu, daß Beweisermittlungsanträgen unabhängig vom bisher erzielten Beweisergebnis stattgegeben werden muß.
32
Das Gericht kann jedenfalls dann von der beantragten Beweisermittlung absehen und sich mit der mittelbaren Beweisführung begnügen, wenn die bisherige Beweisaufnahme zur Überzeugungsbildung ausreicht und die auf mittelbare Beweismittel gestützte Beweisführung eines Beteiligten objektiv dazu dient, die Beeinträchtigung verfassungsrechtlich geschützter Rechtspositionen zu verhindern. Die Gewerkschaft hat den Namen ihres im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten Mitglieds nicht angegeben, um diesen Arbeitnehmer vor Nachteilen in seinem Arbeitsverhältnis zu bewahren und die personelle Grundlage ihres betriebsverfassungsrechtlichen Betätigungsrechts im Betrieb der Arbeitgeberin nicht zu gefährden. Nach § 75 Abs. 1 BetrVG gehört es zu den tragenden betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen für die Behandlung der Betriebsangehörigen, daß sich Arbeitnehmer ohne Furcht vor Repressalien des Arbeitgebers gewerkschaftlich betätigen dürfen. Art. 9 Abs. 3 GG schützt sowohl die Koalition als solche und den Kernbereich ihrer koalitionsmäßigen Betätigung als auch das Recht des einzelnen, einer Gewerkschaft beizutreten und an ihrer verfassungsrechtlich geschützten Tätigkeit teilzunehmen (ständige Rechtsprechung des BVerfG und des BAG, vgl. u. a. BVerfGE 19, 303, 312 = AP Nr. 7 zu Art. 9 GG, zu I 2 a der Gründe; BVerfGE 50, 290, 367 = AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG, zu C IV 1 der Gründe; BAGE 19, 217, 222 = AP Nr. 10 zu Art. 9 GG, zu 2 der Gründe; BAGE 54, 353, 359 = AP Nr. 49 zu Art. 9 GG, zu III 1 der Gründe). Die Gewerkschaft muß nicht zur Durchsetzung ihrer Betätigungsrechte im Betrieb ihr dort beschäftigtes Mitglied Risiken in seinem Arbeitsverhältnis aussetzen und dadurch die Koalitionsfreiheit gefährden, obwohl dies zur Wahrheitsfindung nicht erforderlich erscheint.
33
Im vorliegenden Fall bestand bei Offenlegung des Namens des Gewerkschaftsmitglieds entgegen der Auffassung der Revision die ernsthafte Gefahr, daß durch Gegenmaßnahmen der Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis des Gewerkschaftsmitglieds belastet werde. Die Arbeitgeberin hat in der von ihr verfaßten Broschüre "das R-Personalkonzept" u. a. ausgeführt:
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"Im Mittelpunkt steht der Mensch
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Nicht das Kollektiv, sondern der einzelne Mensch steht bei R im Vordergrund. Ihm sind persönliche Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz zu verschaffen und zu erhalten. Sachfremde Einflüsse von außen sind zu unterbinden. Dies fällt schwer in einer Zeit, in der kollektives Handeln und Denken vorherrscht und in der von Gesetzgebung und Rechtsprechung - speziell im Arbeitsleben - Kollektive als alleinige Garanten und Hüter der Ordnung angesehen werden.
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R teilt diesen Zeitgeist nicht. Denn in Wahrheit führt kollektives Handeln und Denken oft nur zur Polarisierung von Kollektiven. Die Einzelpersönlichkeit wird mehr eingeengt und eingezwängt, je stärker sie in Abhängigkeit zum jeweiligen Kollektiv gerät.
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Der einzelne soll selbst bestimmen
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R als Unternehmen selbst frei von Verbandszwängen, hat in der Vergangenheit versucht, ein Maximum an Selbstbestimmung offenzuhalten. Kein Druck aus einem Kollektiv soll den einzelnen beherrschen. R hat für ihn eigene Wege und Institutionen geschaffen, sich selbst abzugrenzen, verständlich zu machen oder Hilfe zu erhalten."
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Daraus hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei abgeleitet, es bestehe die Gefahr, daß ein Arbeitnehmer bei Bekanntwerden seiner Gewerkschaftszugehörigkeit Belastungen in seinem Arbeitsverhältnis ausgesetzt werde, die ihn von der Ausübung seines Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG abhalten könnten. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß der rechtliche Schutz vor Repressalien nicht verhindern könne, daß dem Arbeitnehmer erhebliche tatsächliche Nachteile entstünden. Auch tatsächliche Nachteile können die Koalitionsfreiheit beeinträchtigen. Die Gewerkschaft hat eine Beweisführung gewählt, die diese Gefahren vermeidet.
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7. Die durchgeführte Beweisaufnahme ist entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) führt nicht dazu, daß die Vorinstanzen auf eine Offenlegung des Namens des Gewerkschaftsmitglieds hinwirken mußten und sich nicht mit den mittelbaren Beweismitteln begnügen durften.
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aa) Art. 103 Abs. 1 GG verlangt, daß einer gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten (BVerfGE 57, 250, 274 [BVerfG 26.05.1981 - 2 BvR 215/81]; BVerfGE 64, 135, 144 [BVerfG 17.05.1983 - 2 BvR 731/80], jeweils m. w. N.). Die Beteiligten hatten Gelegenheit, sich zu den Grundlagen des angefochtenen Beschlusses zu äußern. Sie haben diese Möglichkeit in ausführlichen Schriftsätzen und durch Vorlage von Rechtsgutachten genutzt. Mit ihren Argumenten und Beweisanträgen hat sich das Landesarbeitsgericht auch rechtsfehlerfrei auseinandergesetzt.
43
bb) Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht nicht die Rechtsauffassung Dritter ungeprüft übernommen, sondern den festgestellten Sachverhalt unter die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale subsumiert. Ob diese Rechtsanwendung dem materiellen Recht entspricht, ist keine Frage des rechtlichen Gehörs. Im übrigen sind die anzuwendenden betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften im angefochtenen Beschluß richtig ausgelegt und angewandt worden.
44
Dem Beschwerdegericht ist auch bei der Prüfung der Frage, ob die vor dem Notar erschienene Person Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG oder leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG ist, kein Rechtsfehler unterlaufen. Das Landesarbeitsgericht ist zu dem revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Beweisergebnis gelangt, daß der Monatsverdienst der vor dem Notar erschienen Person unter 4.000,- DM liegt. Bei dieser Verdiensthöhe durfte das Landesarbeitsgericht davon ausgehen, daß dieser Arbeitnehmer keine unter § 5 Abs. 3 BetrVG fallende herausragende Stellung innehatte, zumal die Arbeitgeberin selbst nicht behauptet hat, daß sie ihre Spitzenkräfte so gering entlohnt.
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cc) Eine Verpflichtung des Landesarbeitsgerichts, für die Mitteilung des Namens der vor dem Notar erschienenen Person und die Einvernahme dieser Person als Zeugen zu sorgen, läßt sich nicht daraus ableiten, daß Art. 103 Abs. 1 GG nicht nur die Gelegenheit garantiert, auf den minderen Beweiswert mittelbarer Beweismittel hinzuweisen und dadurch auf eine zurückhaltende Würdigung durch das Gericht hinzuwirken, sondern auch die Möglichkeit verbürgt, durch entsprechende Anträge auf die Beschaffung sachnäherer Beweismittel zu dringen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt indessen weder ein Recht auf ein bestimmtes Beweismittel noch auf bestimmte Arten von Beweismitteln (BVerfGE 57, 250, 274 [BVerfG 26.05.1981 - 2 BvR 215/81] unter Hinweis auf BVerfGE 1, 418, 429) [BVerfG 18.09.1952 - 1 BvR 612/52]. Mit der Beschränkung der Beweisaufnahme auf die verfügbaren, mittelbaren Beweismittel hat das Landesarbeitsgericht zu Recht die Auswirkungen der von der Arbeitgeberin angeregten Beweisermittlung auf die betriebsverfassungsrechtlich und grundgesetzlich geschützte Rechtsstellung der Gewerkschaft und ihrer Mitglieder berücksichtigt, ohne die Wahrheitsfindung zu vernachlässigen. Die Arbeitgeberin hat, ohne die ihr offenstehenden Möglichkeiten des Gegenbeweises zu nutzen, ihre Einwände gegen die mittelbaren Beweismittel vorgebracht und zum Beweisergebnis Stellung genommen. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit den Argumenten der Arbeitgeberin eingehend auseinandergesetzt.
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b) Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht den Anspruch der Arbeitgeberin auf effektiven Rechtsschutz verletzt. Dieser Anspruch ist auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle gerichtet (BVerfGE 42, 128, 130; BVerfGE 44, 302, 305). Dazu gehört, daß der Richter - bezogen auf das geltend gemachte Recht - eine hinreichende Prüfungsbefugnis über die tatsächliche und rechtliche Seite des Rechtsschutzbegehrens hat (BVerfGE 61, 82, 111) [BVerfG 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80]. Die Verteidigung eines Verfahrensbeteiligten darf nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht Rechnung getragen.
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aa) Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin konnte das Landesarbeitsgericht aufgrund des Indizienbeweises den Sachverhalt eigenverantwortlich ermitteln und rechtlich beurteilen. Der Entscheidungsfindung im angefochtenen Beschluß liegt auch eine sorgfältige tatsächliche und rechtliche Prüfung zugrunde.
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bb) Da sich die antragstellende Gewerkschaft auf mittelbare Beweismittel beschränkte und den Namen des vor dem Notar erschienenen Gewerkschaftsmitglieds nicht preisgab, konnte zwar die Arbeitgeberin diese Person nicht als Zeugen benennen. Die mittelbare Beweisführung der Gewerkschaft war jedoch zum Schutz der Koalitionsfreiheit geboten und der Arbeitgeberin nicht unzumutbar. Die Arbeitgeberin hatte Möglichkeiten, den Beweiswert der mittelbaren Beweismittel zu entkräften und Gegenbeweis zu führen. Von den bestehenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten hat die Arbeitgeberin aber keinen Gebrauch gemacht.
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c) Der Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf ein faires Verfahren, der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) i. V. m. der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) ergibt, steht einer mittelbaren Beweisführung grundsätzlich nicht entgegen (vgl. BVerfGE 57, 250, 292 ff.) [BVerfG 26.05.1981 - 2 BvR 215/81]. Die Arbeitgeberin ist durch den Indizienbeweis nicht bloßes Objekt des Beschlußverfahrens geworden. Ihr ist auch nicht der Mindestbestand an aktiven verfahrensrechtlichen Befugnissen entzogen worden. Ebensowenig hat das Landesarbeitsgericht das zentrale Anliegen des Beschlußverfahrens, die Ermittlung des wahren Sachverhalts, aus den Augen verloren.
50
aa) Das Landesarbeitsgericht hat im angefochtenen Beschluß zutreffend aufgezeigt, wie sich die Arbeitgeberin hätte verteidigen können und trotz Anonymität des Gewerkschaftsmitglieds den Indizienbeweis hätte entkräften können. Insbesondere hätte die Arbeitgeberin dem als Zeugen vernommenen Notar eine Liste ihrer im Werk 2 in F beschäftigten Arbeitnehmer vorhalten können. Die Arbeitgeberin ist indessen nicht bereit gewesen, sich auf die mittelbare Beweisführung der antragstellenden Gewerkschaft einzulassen und sich entsprechend zu verteidigen.
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bb) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die mittelbare Beweisführung der antragstellenden Gewerkschaft zur Wahrung verfassungsrechtlich geschützter Belange für geboten erachtet. Die Arbeitgeberin schuf durch ihr Verhalten eine Lage, die eine Bekanntgabe des Namens des in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmers zu einer Gefahr für die Koalitionsfreiheit werden ließ. Jedenfalls unter diesen Umständen verstößt es nicht gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens, daß sich die Gewerkschaft auf eine mittelbare Beweisführung beschränkt hat und das Landesarbeitsgericht dies hingenommen hat.
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cc) Wenn mittelbare Beweismittel verwertet werden und das im Betrieb beschäftigte Gewerkschaftsmitglied anonym bleibt, stellt zwar der Grundsatz des fairen Verfahrens hohe Anforderungen an die Beweiswürdigung und die Begründung der tatrichterlichen Entscheidung (vgl. BVerfGE 57, 250, 277) [BVerfG 26.05.1981 - 2 BvR 215/81]. Die Gründe des angefochtenen Beschlusses ergeben jedoch, daß sich das Landesarbeitsgericht der besonderen Problematik bei der Verwertung mittelbarer Beweismittel bewußt war und sich aufgrund einer sorgfältigen Prüfung aller Indizien des vorliegenden Falles seine Überzeugung gebildet hat.
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d) Ebensowenig verstößt das durchgeführte Beweisverfahren gegen die prozessuale Waffengleichheit, die als Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes im Prozeß zu verstehen ist (vgl. BVerfGE 52, 131, 144; BVerfGE 54, 117, 124 f. m. w. N.). Im gerichtlichen Verfahren gewährleistet der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) die Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Verfahrensbeteiligten vor dem Richter und gebietet Gleichheit der Rechtsanwendung durch den Richter im Interesse der materiellen Gerechtigkeit (BVerfGE 54, 117, 125; BVerfGE 69, 248, 254). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Landesarbeitsgericht der Gewerkschaft keine "Privilegien eingeräumt, die das Arbeitsgerichtsgesetz und die Zivilprozeßordnung nicht vorsehen". Die antragstellende Gewerkschaft hat zur Sicherung der verfassungsrechtlich geschützten Koalitionsfreiheit die prozessual nicht zu beanstandende Möglichkeit einer mittelbaren Beweisführung genutzt. Das Landesarbeitsgericht ist verfahrensrechtlich nicht verpflichtet, sich mit dieser auf triftigen Gründen beruhenden Beweisführung nicht zu begnügen, obwohl es die mittelbaren Beweismittel zur Wahrheitsfindung für ausreichend gehalten hat. Die Führung des Hauptbeweises mit mittelbaren Beweismitteln und die Ablehnung der von der Arbeitgeberin beantragten Beweisermittlung haben zwar verhindert, daß die vor dem Notar erschienene Person als Zeuge vernommen und ihre Aussage als zusätzliches Erkenntnismittel bei der Überzeugungsbildung des Gerichts berücksichtigt werden konnte. Für diese Beschränkung der Beweisführung lagen aber die von der Arbeitgeberin selbst gesetzten sachlichen Gründe vor.
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8. Es spielt keine Rolle, ob dem Beschwerdegericht dadurch ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, daß es dem Notar die Mitgliederliste der Gewerkschaft zur Einsichtnahme außerhalb des Sitzungssaales übergeben und ihn anschließend darüber vernommen hat, ob sich die vor ihm erschienene Person auf dieser Liste befunden habe. Selbst wenn insoweit Rechtsverstöße vorlägen, hätten sie sich nicht auf die Entscheidung ausgewirkt. Die Zweifel an der Identität der Person wurden nach den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auf Seite 16 unten und Seite 17 des angegriffenen Beschlusses nicht durch die Aussage des Notars, sondern durch die Aussage des Gewerkschaftssekretärs ausgeräumt.
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IV. Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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1. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht weder die Beweisaufnahme dem Notar überlassen noch von einer eigenen Beweiswürdigung abgesehen. Das Landesarbeitsgericht hat auf den vom Notar beurkundeten Vorgang abgestellt, diesem Vorgang zutreffend eine Indizwirkung beigemessen und den Beweiswert aufgrund einer einzelfallbezogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der zusätzlich im Beschwerdeverfahren durchgeführten Zeugeneinvernahme beurteilt.
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2. Auch im Beschlußverfahren gilt nach § 80 Abs. 2 i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1 ZPO). Die freie Stellung der Tatsachengerichte bei der Auswahl und Würdigung der Beweismittel führt dazu, daß die Anwendung des § 286 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte nur darauf überprüft werden kann, ob die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 Abs. 1 ZPO beachtet sind, insbesondere ob der gesamte Inhalt der Verhandlung berücksichtigt worden ist, ob alle erhobenen Beweise gewürdigt worden sind und ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei und frei von Verstößen gegen die Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist (BAG Urteil vom 30. Mai 1984 - 4 AZR 146/82 - AP Nr. 2 zu § 21 MTL II, zu III 3 der Gründe; BAG Urteil vom 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - AP Nr. 18 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, zu I 2 der Gründe; BAGE 55, 78, 87 = AP Nr. 81 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Der angegriffene Beschluß weist keinen derartigen Rechtsfehler auf.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat den Beweiswert der einzelnen Beweismittel näher geprüft und die Aussagekraft der Indizien eingehend erörtert. Die angefochtene Entscheidung enthält eine umfassende und logisch einwandfreie Begründung der gerichtlichen Überzeugungsbildung.
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b) Das Landesarbeitsgericht stützt sein Beweisergebnis auf die notarielle Erklärung vom 17. Juli 1990 und die Aussagen der Zeugen O und M. Mit den Beweiseinreden der Arbeitgeberin hat sich das Landesarbeitsgericht näher befaßt, insbesondere damit, ob die dem Notar vorgelegten Unterlagen gefälscht sein könnten, ob die dem Notar übergebene Banküberweisung sich nicht auf den gesamten Juni, sondern nur auf zehn Tage bezogen habe, ob die vor dem Notar erschienene Person zwischenzeitlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei und ob diese Person und das im Gewerkschaftsausweis angegebene Mitglied identisch seien. Das Arbeitsgericht hat aufgrund der Zeugenaussage des Gewerkschaftssekretärs M ohne Rechtsfehler die Gewerkschaftszugehörigkeit der vor dem Notar erschienenen Person für bewiesen erachtet. Ebensowenig ist es revisionsgerichtlich zu beanstanden, daß das Beschwerdegericht nach einer Gesamtbetrachtung aller Indizien zu der Überzeugung gelangt ist, daß dieses Gewerkschaftsmitglied als Arbeitnehmer im Werk 2 in F tätig sei, die von der Arbeitgeberin geltend gemachten Zweifel lediglich theoretisch seien und die mittelbaren Beweismittel zur Wahrheitsfindung ausreichten. Da eine absolute Gewißheit ohnehin nicht zu erreichen ist, genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewißheit und damit ein für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, daß er den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. u. a. BGHZ 53, 245, 256; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 50. Aufl., § 286 Anm. 2 C; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 286 Rz 4; Thomas/Putzo, ZPO, 17. Aufl., § 286 Anm. 2 a; Zöller/Stephan, ZPO, 17. Aufl., § 286 Rz 13, jeweils m. w. N.). Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht berücksichtigen dürfen, daß die verbliebenen sehr geringen Restzweifel nur deshalb nicht ausgeräumt werden konnten, weil sich die Arbeitgeberin geweigert hatte, sich auf die mittelbare Beweisführung einzulassen und das Gericht zur weiteren Sachverhaltsklärung auf ihre Mitwirkung angewiesen war. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich aus Art. 9 Abs. 3 GG eine Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers nach § 83 Abs. 1 Satz 2 ArbGG unabhängig von seinem früheren Verhalten ableiten läßt. Jedenfalls soweit sich das frühere Verhalten eines Verfahrensbeteiligten auf die Prozeßführung der übrigen Beteiligten auswirkt, kann dies für Umfang und Inhalt der prozessualen Mitwirkungspflicht von Bedeutung sein. Die Arbeitgeberin hat zumindest durch ihre Broschüre "DAS R-PERSONALKONZEPT" den Eindruck einer gewerkschaftsfeindlichen Haltung erweckt und selbst Anlaß dazu gegeben, daß sich die antragstellende Gewerkschaft zum Schutze der Koalitionsfreiheit auf mittelbare Beweismittel beschränkt und die Anonymität ihres Mitglieds gewahrt hat. Unter diesen Umständen durfte sich die Arbeitgeberin nicht weigern, sich auf die mittelbare Prozeßführung einzulassen und in diesem Rahmen zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen. Da die Arbeitgeberin dies ohne stichhaltigen Grund ablehnte, verletzte sie ihre Mitwirkungspflicht nach § 83 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß sich dadurch das Beweismaß verringert hat und sich die Arbeitgeberin auf die letztlich von ihr selbst verursachten, lediglich geringfügigen Zweifel nicht berufen kann.
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3. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht die von der Arbeitgeberin übergebenen notariellen eidesstattlichen Versicherungen der elf Vorgesetzten des Werkes 2 in F und die in Form von Unterschriftslisten beigefügten Erklärungen der Mitarbeiter dieses Werks, die größtenteils aus dem Jahre 1989 datierten, gewürdigt. Die Vorgesetzten haben nach der vorgelegten notariellen Tatsachenbescheinigung gegenüber dem Notar folgendes erklärt:
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"Wir bestätigen hiermit, daß auf Grund von Rückfragen, auch in den letzten Tagen, bei allen Arbeitnehmern im Werk F 02 der R AG & Co. dieselben alle erklärt haben, daß bei ihnen keine Mitgliedschaft bei der IG Chemie-Papier-Keramik besteht, bzw. keine solche Mitgliedschaft mehr besteht. Wir beziehen uns dabei auch auf die Unterschriftslisten derselben Mitarbeiter, in welchen diese bestätigt haben, nicht Mitglied der IG Chemie-Papier-Keramik zu sein ..."
62
Nahezu alle beigefügten Erklärungen der Mitarbeiter lauteten übereinstimmend wie folgt:
63
"Die Gewerkschaft soll uns endlich in Ruhe lassen. Ich stehe voll hinter dem R-Personalkonzept. Ich bin auch nicht Mitglied der Gewerkschaft."
64
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß die Vorgesetzten die ihnen unterstellten Arbeitnehmer nicht nach ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit befragen durften und die Arbeitnehmer nicht zu einer wahrheitsgemäßen Beantwortung der Frage verpflichtet waren. Da die Arbeitnehmer, die der Gewerkschaft angehörten, schon aufgrund des R-Personalkonzepts der Arbeitgeberin und des Wortlauts der abverlangten Erklärungen Belastungen ihres Arbeitsverhältnisses befürchten mußten, konnte nicht mit wahrheitsgemäßen Antworten aller Arbeitnehmer gerechnet werden. Einem derartigen Gegenbeweis mußte das Landesarbeitsgericht keinen entscheidenden Beweiswert zuerkennen.