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BSG, 28.04.1987 - 12 RK 41/85 - Ermäßigung des Beitrages; Heilfürsorge; Anspruch auf Heilfürsorge
Bundessozialgericht
Urt. v. 28.04.1987, Az.: 12 RK 41/85
Ermäßigung des Beitrages; Heilfürsorge; Anspruch auf Heilfürsorge
Verfahrensgang:
vorgehend:
SG Reutlingen - 24.07.1985 - AZ: S 1 Kr 649/85
Fundstelle:
SozR 2200 § 393b Nr 2
BSG, 28.04.1987 - 12 RK 41/85
Amtlicher Leitsatz:
Die Ermäßigung des Beitrages eines freiwillig Versicherten mit Anspruch auf Heilfürsorge (§ 313 Abs 5 RVO) berechtigt nicht zur entsprechenden Ermäßigung des dem Beitragssatz als KVdR-Finanzierungsanteil zuzuschlagenden Vomhundertsatzes des Grundlohns.
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat
ohne mündliche Verhandlung
am 28. April 1987
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Juli 1985 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand und Entscheidungsgründe
1
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Beitrages, den der Kläger als freiwillig versichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse mit einem nach § 313 Abs 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ermäßigten Beitragssatz unter Berücksichtigung des Finanzierungsanteils zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nach § 393b Abs 2 RVO ab 1. Januar 1985 zu entrichten hat.
2
Der Kläger ist seit dem 22. Juni 1978 freiwilliges Mitglied der Beklagten. Als Polizeibeamter hat er nach dienstrechtlichen Vorschriften Anspruch auf Heilfürsorge, so daß gemäß § 313 Abs 5 Satz 1 RVO sein eigener Anspruch auf Leistungen der Beklagten ruht und ihm gemäß § 313 Abs 5 Satz 2 RVO nur Familienhilfe zusteht. Aufgrund des § 313 Abs 5 Satz 4 RVO hatte die Beklagte in der Satzung den ermäßigten Beitragssatz bis Ende 1984 auf 3,1% des Grundlohnes festgesetzt, während der Beitragssatz der übrigen freiwillig Versicherten ohne Anspruch auf Krankengeld 10,3% betragen hatte. Bis dahin hatte die Beklagte im Einvernehmen mit dem Landesaufsichtsamt für die Sozialversicherung bei den unter § 313 Abs 5 RVO fallenden Versicherten auch eine entsprechende Kürzung des auf sie entfallenden KVdR-Finanzierungsanteils vorgenommen.
3
Nachdem das Landesaufsichtsamt mit Rundschreiben vom 27. Juli 1984 von seiner bisherigen Auffassung abgerückt war, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Januar 1985 den Beitrag des Klägers ab 1. Januar 1985 auf 3,9% des Grundlohns fest. Dabei ging sie mit dem Landesaufsichtsamt davon aus, daß bei der Ermittlung und Abstufung der erforderlichen Beitragssätze auch bei unterschiedlichem Leistungsbedarf weder eine Erhöhung noch eine Kürzung der anteiligen Beteiligung einer Versichertengruppe an der Finanzierung des KVdR-Defizits in Betracht komme. Den Beitragssatz für die gemäß § 313 Abs 5 RVO Versicherten erhöhte die Beklagte aus Gründen des Vertrauensschutzes jedoch zunächst noch nicht um den vollen Finanzierungsanteil zur KVdR (3.03 vH) auf 5,02% des Grundlohns, sondern nur auf 3,9% des Grundlohns. Den Widerspruch des Klägers leitete die Widerspruchsstelle der Beklagten gemäß § 85 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) dem Sozialgericht (SG) Reutlingen als Klage zu.
4
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. Juli 1985). Es hat die Ansicht der Beklagten geteilt, daß der Kläger mit dem vollen Finanzierungsanteil zur KVdR heranzuziehen sei. Für eine unterschiedliche, am Versicherungsrisiko orientierte Staffelung des Finanzierungsanteils sei nach der zwingenden gesetzlichen Regelung kein Raum. Sie wäre auch systemwidrig, denn das Beitragsbemessungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung orientiere sich aus Gründen des sozialen Ausgleichs grundsätzlich nur am Einkommen und nicht am Versicherungsrisiko. Die in § 313 Abs 5 RVO vorgesehene Beitragsermäßigung sei eine eng auszulegende Ausnahme von diesem Grundsatz, eine entsprechende Anwendung komme nicht in Betracht. Die von der Beklagten bisher vorgenommene anteilmäßige Kürzung des KVdR-Finanzierungsanteils sei rechtswidrig gewesen, so daß der Kläger hieraus keine Rechte herleiten könne. Die gleichmäßige Belastung aller Beitragszahler mit demselben Vomhundertsatz als KVdR-Finanzierungsanteil verstoße auch nicht gegen Verfassungsrecht. Die Regelung verletze weder die Eigentumsgarantie nach Art 14 Abs 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) noch verstoße sie gegen das Rechts- und Sozialstaatsprinzip des Art 20 GG. Auch der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.
5
Mit der - vom SG im Urteil zugelassenen - Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung des § 393b RVO sowie der Art 3, 14 und 20 GG. Nach seiner Auffassung läßt es sich mit dem Wortlaut des § 393b RVO nicht in Einklang bringen, daß alle Pflicht- und freiwillig Versicherten einer Krankenkasse an dem Finanzierungsausgleich für die KVdR in gleichem Maße zu beteiligen seien. Wäre dies die Absicht des Gesetzgebers gewesen, so hätte es nahegelegen, es ausdrücklich in die Regelung aufzunehmen. Die Auslegung des SG widerspreche aber auch Verfassungsgrundsätzen. Ihm werde ein Beitrag für eine Leistung zugemutet, in deren Genuß er selbst niemals kommen könne. Dadurch werde er gegenüber dem Mitglied der Krankenkasse benachteiligt, das in den Genuß der KVdR kommen könne. Das widerspreche dem in der Krankenversicherung geltenden Versicherungsprinzip und auch dem Solidarprinzip. Zwar sei das Beitragsbemessungssystem grundsätzlich am Einkommen, nicht am Versicherungsrisiko orientiert. Gemeint sei dabei jedoch das spezielle Versicherungsrisiko einer Krankheit, nicht das allgemeine Versicherungsrisiko für einen ganzen Zeitraum. Die Beitragserhöhung von 3,1% auf 5,02% sei so exorbitant, daß sie gegen den Vertrauensgrundsatz nach dem Rechtsstaatsprinzip verstoße. Der Vertrauensschutz sei auch dadurch verletzt worden, daß aufgrund einer umfassenden Werbetätigkeit seit Beginn des Jahres 1983 Polizeibeamte Mitglied bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) geworden seien. Dabei seien private Krankenversicherungen aufgegeben worden, was nicht zuletzt darauf beruht habe, daß den einzelnen zukünftigen Mitgliedern der günstige Beitragssatz schmackhaft gemacht und darüber hinaus lediglich von angemessenen Beitragserhöhungen gesprochen worden sei. Die Entscheidung des SG verstoße auch gegen Art 14 GG. Die krankenversicherungsrechtliche Position eines Polizeibeamten, der bei Ruhen seines eigenen Anspruchs Versicherungsleistungen zugunsten seiner Familienangehörigen in Anspruch nehme, sei durch Art 14 Abs 1 Satz 1 GG insofern geschützt, als keine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widersprechende Beitragserhöhungen vorgenommen werden dürften. Schließlich sei auch das Sozialstaatsprinzip verletzt, wenn der Kläger ohne Rücksicht auf den Leistungsbedarf und das Solidarinteresse gleich einem Pflichtversicherten zur Finanzierung des Defizits der KVdR beitragen müsse. Hier verlangten schon strukturelle Gründe, daß zum sozialen Ausgleich innerhalb der - Sozialversicherung freiwillig Versicherte anders behandelt würden als Pflichtversicherte.
6
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten vom 2. Januar 1985 aufzuheben.
7
Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
8
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
9
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
10
Das SG hat zu Recht den angefochtenen Beitragsbescheid der Beklagten bestätigt. Die von der Beklagten ab 1. Januar 1985 vorgenommene Erhöhung des Beitrags des Klägers entspricht den gesetzlichen Vorschriften über den Belastungsausgleich in der KVdR und ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
11
Die Verpflichtung des Klägers, den - zunächst um 0,8% des Grundlohns - erhöhten Beitrag zu entrichten, ergibt sich aus § 393b RVO. Nach dieser durch Art 1 § 1 Nr 46 des Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung - Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz -KVKG- vom 27. Juni 1977 (BGBl I, 1069) neu gefaßten und danach noch mehrfach, zuletzt durch Art 1 Nr 11 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I, 1532) geänderten Vorschrift werden die Leistungsaufwendungen für die in § 165 Abs 1 Nr 3 RVO und in § 19 Abs 1 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) bezeichneten Versicherten einerseits durch Beiträge nach § 381 Abs 2 RVO, soweit sie von den Pflichtversicherten zu tragen sind, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, und im übrigen durch einen Finanzierungsanteil der Krankenkassen, Ersatzkassen und der Bundesknappschaft gedeckt (Abs 1 Satz 1). Der Finanzierungsanteil wird von den Krankenkassen, Ersatzkassen und der Bundesknappschaft gemeinsam getragen, er ist mit den Beiträgen ohne die in Satz 1 genannten und die nach § 381a RVO zu erhebenden Beiträge in einem Vomhundertsatz des Grundlohns aufzubringen, der dem Verhältnis der durch Beiträge nicht gedeckten Leistungsaufwendungen aller Kassen für die in Satz 1 bezeichneten Versicherten zur Grundlohnsumme der Mitglieder aller Kassen entspricht (Abs 1 Satz 2). Das Bundesversicherungsamt (BVA) ermittelt den Vomhundertsatz nach Abs 1 Satz 2 und gibt ihn bekannt. Es stellt jeweils im voraus für ein Kalenderhalbjahr den Vomhundertsatz vorläufig fest. Bei der Berechnung der monatlich auf sie entfallenden Finanzierungsanteile legen die Krankenkassen, die Ersatzkassen und die Bundesknappschaft diesen Vomhundertsatz, die voraussichtlichen Leistungsaufwendungen für die in § 165 Abs 1 Nr 3 RVO und in § 19 Abs 1 RKG bezeichneten Versicherten und die voraussichtliche Grundlohnsumme zugrunde (Abs 2 Sätze 1 bis 3).
12
Mit § 393b RVO idF des KVKG wurde erstmals ein grundlohnorientierter Belastungsausgleich der nicht durch Beiträge der Rentenversicherung bzw (seit 1983) nicht durch Beiträge der pflichtversicherten Rentner gedeckten Leistungsaufwendungen in der KVdR geschaffen. Danach wird das KVdR-Defizit von allen Krankenkassen (mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen) gemeinsam als Finanzierungsanteil der Krankenversicherung aus dem Beitragsaufkommen der "Allgemeinversicherten", dh der Kassenmitglieder ohne die pflichtversicherten Rentner und die in § 381a RVO genannten Versicherten, in Höhe eines bundeseinheitlichen Vomhundertsatzes des Grundlohns getragen. Grundlohn in diesem Sinne ist die Summe der Grundlöhne der Versicherten für einen bestimmten Zeitraum, und zwar bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze. Die Grundlohnsumme wird aus dem Beitragssoll bzw den tatsächlichen Beitragseinnahmen und dem maßgeblichen Beitragssatz ermittelt (Beitragssoll x 100 : Beitragssatz). Berücksichtigt werden sämtliche Beitragsforderungen ohne die in den KVdR-Belastungsausgleich einfließenden Rentnerbeiträge und ohne die nach § 381 Abs 3 Satz 2 RVO von den Rentenantragstellern sowie nach § 381a RVO von Studenten, Praktikanten und Examenskandidaten zu zahlenden Beiträge (vgl Kierstein/Krückel, KVdR, Abschn 287, Erl zu §§ 1 und 2 der KVdR-Ausgleichsverordnung). Die Grundlohnsumme ist jeweils getrennt für die einzelnen Mitgliedergruppen mit dem entsprechenden Beitragssatz zu ermitteln; die Summe der Einzelergebnisse ergibt dann die gesamte Grundlohnsumme (vgl zu allem auch Hungenberg/Steffens, KVdR, 4. Aufl, in Fortbildung und Praxis, Bd 51, S 121, 123).
13
Für das 1. Kalenderhalbjahr 1985 setzte das BVA den vorläufigen Vomhundertsatz auf 3,07012 und für das 2. Kalenderhalbjahr auf 3,05730 fest (BAnz 1985 Nr 1, S 3; Nr 116, S 6828). Demnach wäre die Beklagte an sich berechtigt gewesen, den Beitragssatz des Klägers unter Berücksichtigung dieser Vomhundertsätze vom 1. Januar 1985 bereits auf 5,02 vH zu erhöhen. Daß sie es aus Gründen des Vertrauensschutzes zugunsten des Klägers zunächst bei einer Erhöhung auf nur 3,9 vH beließ, bedarf insoweit keiner revisionsgerichtlichen Würdigung.
14
Entgegen der Auffassung des Klägers läßt sich dem Wortlaut des § 393b RVO nicht entnehmen, daß einzelne Gruppen von Krankenkassenmitgliedern mit einem an der Höhe ihres jeweiligen Beitragssatzes orientierten und damit unterschiedlichen Vomhundertsatz ihres Grundlohns am KVdR-Belastungsausgleich zu beteiligen seien. Das Gesetz spricht nur von "einem" (einheitlichen) Vomhundertsatz (§ 393b Abs 1 Satz 2 RVO). Das entspricht auch dem aus den Gesetzesmaterialien zum KVKG ersichtlichen Willen des Gesetzgebers (vgl BT-Drucks 8/166, S 31, zu § 1 Nr 41: "Damit jeder Beitragszahler den gleichen Anteil an der Finanzierung der KVdR mitträgt, wird der Finanzierungsanteil als Vomhundertsatz des Grundlohns ausgedrückt und ermittelt"; Kierstein/Krückel aaO Abschn 286, Erl 2.4 zu § 393b RVO). Hieraus ergibt sich zunächst, daß die Mitfinanzierung der KVdR nicht im Sinne einer pauschalen Beteiligung der Kassen in Höhe eines bestimmten Anteils ihres Beitragsaufkommens geregelt werden sollte. Dazu hätte es der Rückführung auf die Grundlohnsumme als Berechnungsgrundlage nicht bedurft. Außerdem ist in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auf "jeden Beitragszahler" abgehoben und nicht auf die Kassen als solche. Gerade daraus, daß mittels der für die einzelnen Versichertengruppen geltenden Beitragssätze die Grundlohnsumme aus dem Beitragsaufkommen rückzurechnen ist und nach ihr der Vomhundertsatz des KVdR-Finanzierungsanteils bestimmt wird, erhellt aber auch, daß der Gesetzgeber den Finanzierungsanteil nicht von den unterschiedlichen Beiträgen der einzelnen Mitglieder abhängig machen wollte. Ein solches am individuellen Beitrag orientiertes Verfahren ließe sich auch kaum in einer den Bedürfnissen einer Massenverwaltung gerecht werdenden Weise praktizieren.
15
Indem der Gesetzgeber den Kassenmitgliedern den von ihnen zu tragenden KVdR-Finanzierungsanteil ohne Rücksicht auf ihre individuellen Leistungsansprüche oder auf ihre Aussicht auf eine spätere Zugehörigkeit zur KVdR mit einem einheitlichen Vomhundertsatz ihres Grundlohns auferlegt hat, hat er - in einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Weise - auch das System der KVdR-Finanzierung auf das die gesamte Sozialversicherung beherrschende Solidaritätsprinzip gestützt. Nach diesem Prinzip muß nicht jeder Beitragspflichtige auch uneingeschränkt unmittelbarer Nutznießer der Versicherung sein und nicht jedes Entgelt, das für die Beitragsberechnung herangezogen wird, in einer entsprechenden Leistung oder Leistungsanwartschaft seinen Niederschlag finden (Gagel, AFG § 167 Anm 9); insbesondere ist in der gesetzlichen Krankenversicherung der Beitrag grundsätzlich nicht am Umfang des Leistungsanspruchs, sondern an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten, die in dessen Grundlohn zum Ausdruck kommt, ausgerichtet. Die Vorschrift des § 313 Abs 5 Satz 4 RVO, die eine Beitragsermäßigung als Folge einer Leistungseinschränkung vorschreibt, ist, wie das SG zu Recht erkannt hat, eine dem System der gesetzlichen Krankenversicherung an sich fremde und deshalb einer analogen Anwendung auf andere vom Solidaritätsprinzip erfaßte Bereiche nicht zugängliche Ausnahmevorschrift.
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Die Einbindung des KVdR-Finanzierungsausgleichs in das Solidaritätsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Diese Verfassungsvorschrift verbietet, wesentlich Gleiches ohne zureichende sachliche Gründe ungleich und wesentlich Ungleiches ohne solche Gründe gleich zu behandeln; damit enthält Art 3 Abs 1 GG über ein Willkürgebot hinaus die an Gesetzgebung und Rechtsprechung gerichtete Verpflichtung, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nicht anders ("ungleich") zu behandeln, falls zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (vgl BVerfGE 55, 72, 88 f). Welche Elemente des zu regelnden Sachverhalts dabei so bedeutsam sind, daß ihrer Gleichheit oder Verschiedenheit bei der Ausgestaltung der Regelung Rechnung getragen werden muß, hat grundsätzlich der Gesetzgeber zu entscheiden, sofern nicht schon die Verfassung selbst Wertungen enthält, die dann auch den Gesetzgeber binden. Im übrigen kann nur die Einhaltung bestimmter äußerster Grenzen überprüft und ihre Überschreitung beanstandet werden. Der Gesetzgeber hat demnach weitgehende Gestaltungsfreiheit (BVerfGE 49, 260, 271; 61, 138, 147). Dadurch, daß der Gesetzgeber bei der Regelung des KVdR-Belastungsausgleichs in § 393b RVO den Umfang des Leistungsanspruchs der einzelnen Versicherten außer acht gelassen, sich vielmehr am Grundlohn und damit an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und deren Unterschiedlichkeiten orientiert hat, hat er sein Gestaltungsermessen nicht überschritten. Er war dabei insbesondere berechtigt, Pflichtmitglieder und freiwillige Mitglieder der Krankenkassen gleich zu behandeln. Durch die Aufnahme in die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung sind freiwillig Versicherte dem Solidarprinzip in gleicher Weise unterworfen wie Pflichtversicherte.
17
Art 20 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Durch das Sozialstaatsprinzip wird die Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers lediglich insoweit eingeschränkt, als die einzelne Entscheidung den Anforderungen sozialer Gerechtigkeit genügen muß (vgl BVerfGE 40, 121, 133 f; BSG SozR 2200 § 1268 Nr 6). Da die angegriffene Regelung auf dem das Sozialversicherungsrecht beherrschenden Solidaritätsprinzip beruht und der dem einzelnen Versicherten zugeordnete Ausgleichsanteil von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bestimmt wird, kann dies nicht als sozial ungerecht eingestuft werden. Desgleichen kann eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips nicht angenommen werden. Die Erhöhung des Beitrags des Klägers ab 1. Januar 1985 war aufgrund der gesetzlichen Regelung geboten. Die bis dahin von der Beklagten geübte Praxis, den KVdR-Finanzierungsanteil der Versicherten mit ermäßigtem Beitragssatz ebenfalls entsprechend zu ermäßigen, war durch das Gesetz nicht gedeckt; auf die Fortdauer dieses gesetzwidrigen Zustands durfte der Kläger nicht vertrauen. Wenn trotzdem die Beklagte auf eine rückwirkende Berichtigung verzichtet hat und auch für die Zukunft nur eine stufenweise Angleichung An die Rechtslage vornehmen will, dann ist sie dem Kläger in einer nicht zu beanstandenden Weise entgegengekommen. Ein der angefochtenen Entscheidung der Beklagten entgegenstehender Vertrauensschutz ist für den Kläger auch nicht durch die von ihm erwähnten Werbeaktionen der Beklagten im Jahre 1983 geschaffen worden. Dies scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger zu dieser Zeit schon längst Mitglied der Beklagten war.
18
Die Auffassung des Klägers, die Beitragserhöhung verstößt auch gegen Art 14 GG, geht ebenfalls fehl. Die Auferlegung von Zwangsbeiträgen stellt nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich keine Verletzung des Eigentums dar. Die Erhöhung des vom Kläger aufzubringenden Beitrags von bisher 3,1 vH des Grundlohns auf zunächst 3,9 vH und in der Folge voraussichtlich auf etwa 5 vH bedeutet keine übermäßige Belastung. Bei einem.(angenommenen) Grundlohn in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze im Jahre 1985 von monatlich 4.050,-- DM würde die monatliche Mehrbelastung zunächst etwa 32,-- DM und später etwa 80,-- DM betragen. Selbst wenn dabei für den Kläger unter Außerachtlassung des Solidaritätsprinzips auf seine konkrete Leistungserwartung abgestellt würde, bestünde zu der Höhe seines Beitrags kein unerträgliches Mißverhältnis. Im übrigen stehen dem Kläger bei einem Beitrag, der nicht ganz die Hälfte desjenigen der übrigen freiwillig Versicherten ohne Anspruch auf Krankengeld erreicht, immerhin - aufgrund des sich hier zu seinen Gunsten auswirkenden Solidaritätsprinzips - die vollen Familienhilfeleistungen für seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen zu, die die Leistungen eines Versicherten ohne Familienangehörige (der den vollen Beitrag zu zahlen hat) deutlich übersteigen können. Schließlich ruhen seine eigenen Leistungsansprüche gemäß § 313 Abs 5 RVO nur, solange er nach dienstrechtlichen Vorschriften Anspruch auf Heilfürsorge hat; sie bleiben also dem Grunde nach bestehen und leben nach Wegfall dieses Anspruchs wieder auf.
19
Letztlich trifft auch das Argument des Klägers, Versicherte wie er könnten niemals in den Genuß der KVdR kommen, nicht allgemein zu. Auch für den Kreis der unter § 313 Abs 5 RVO fallenden Versicherten ist der Zugang zur Rentenversicherung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Das gilt auch für Polizeibeamte; sie müssen nicht ausnahmslos ohne vorherige rentenversicherungspflichtige Beschäftigung in das versicherungsfreie Beamtenverhältnis übernommen worden sein und können deshalb ebenfalls zur freiwilligen Versicherung nach § 1233 Abs 1a RVO (= § 10 Abs 1a des Angestelltenversicherungsgesetzes) berechtigt sein.
20
Die Revision des Klägers muß sonach als unbegründet zurückgewiesen werden.
21
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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