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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Altersgrenze - Rechtsschutz
Altersgrenze - Rechtsschutz
Inhaltsübersicht
- 1.
- 2.
- 3.Rechtsprechungs-ABC
- 3.1
- 3.2
- 3.3
- 3.4
- 3.5
- 3.6
- 3.7
- 3.8
- 3.9
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Information
1. Allgemeines
Der Arbeitnehmerschutz wäre nur unvollkommen, wenn Mitarbeiter die automatische Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens einer gewissen Altersgrenze wehrlos schlucken müssten. Die Rechtsordnung bietet ihnen daher die Möglichkeit, ein vorzeitiges automatisches Ausscheiden auf den Prüfstein stellen zu dürfen. Das ist nicht immer von Erfolg gekrönt. Bei Regelungen, die das automatische Ende ans Erreichen des Alters für die so genannten Regelaltersrente knüpfen, haben Arbeitgeber und Personaler meist die besseren Karten. Und trotzdem: Altergrenzen dürfen nicht willkürlich vereinbart werden - sie müssen sachlich gerechtfertigt sein.
Praxistipp:
Wer als Arbeitgeber tarifgebunden ist, kann sich in der Regel darauf verlassen, dass die Tarifvertragsparteien beim Tarifabschluss alles richtig gemacht haben und die im Tarifvertrag vereinbarte Altergrenze hält. Wer nicht tarifgebunden ist, muss sein Glück mit eigenen Altersgrenzenvereinbarungen versuchen. Das ist ohne ausreichende Kenntnis der rechtlichen Hintergründe und Zusammenhänge eine Herausforderung. Sinnvoller ist da, die Regelung aus dem Branchen-Tarifvertrag 1 : 1 in den Arbeitsvertrag zu übernehmen.
Das Zauberwort für Arbeitehmer heißt: "Entfristungsklage" (s. dazu nachfolgend Gliederungspunkt 2.). Nach heute herrschender Auffassung handelt es sich bei den Vereinbarungen, nach denen Arbeitsverhältnisse bei Erreichen einer individual- oder kollektivrechtlich vereinbarten Altergrenze automatisch enden sollen, um eine Befristungsvereinbarung. So eine Befristungsvereinbarung erfordert einen sachlichen Grund (s. BAG, 08.12.2010 - 7 AZR 438/09 - und BAG, 21.09.2011 - 7 AZR 134/10). Fehlt der Sachgrund oder scheitert die automatische Beendigung aus anderen Gründen, läuft das Arbeitsverhältnis bei rechtzeitiger Klageerhebung unbefristet weiter. Es gibt keine willkürliche "Zwangsverrentung". Einzelfragen werden im Rechtsprechungs-ABC – Gliederungspunkt 5. – beantwortet.
2. Entfristungsklage
§ 17 Satz 1 TzBfG sieht vor, dass gegen den Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende Klage erhoben werden muss. Nach der neueren BAG-Rechtsprechung ist die sogenannte Entfristungsklage auch gegen das automatische Ende eines Arbeitsvertrages in Folge der Vereinbarung einer Altersgrenze zu erheben (BAG, 14.08.2002 - 7 AZR 469/01 - noch zu § 1 BeschFG, heute § 17 TzBfG).
Beispiel:
David L. Gosserer, Carl Meys Fahrer für die Touren in die Türkei, soll am 23.07. den Schlüssel zur Fahrerkabine abgeben. "Du bist heute 60 geworden, David", sagt Carl, "nach unserem Arbeitsvertrag ist damit heute dein letzter Tag." David muss nun gegen Carl etwas unternehmen und innerhalb von drei Wochen beim Arbeitsgericht eine Klage einreichen, wenn er nicht vorzeitig draußen sein möchte.
Wird die Entfristungsklage nicht oder nicht rechtzeitig erhoben, riskiert der betroffene Arbeitnehmer, dass die Fiktionswirkung des § 7 KSchG eintritt: Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt dann als von Anfang an wirksam.
Praxistipp:
Beide Vertragsparteien sollten ihren Arbeitsvertrag sorgfältig auf vorhandene Vereinbarungen von Altersgrenzen prüfen. Für Arbeitnehmer ist es wichtig, sich unmittelbar vor oder nach dem automatischen Aus noch einmal rechtlich beraten zu lassen. Die vertraglichen Absprachen mit dem Arbeitgeber müssen nicht in jedem Fall wirksam sein. Umgekehrt ist es für Arbeitgeber und Personaler sinnvoll, die von ihnen verwendeten Vertragsklauseln von Zeit zu Zeit fachkundig prüfen zu lassen.
Selbstverständlich kann man bei einer angreifbar vereinbarten Altersgrenze auch nach eine einvernehmliche Lösung suchen. Nur: Es dauert oft eine gewisse Zeit, bis die Parteien ihren Weg dahin gefunden haben. Während sie verhandeln, läuft die Frist des § 17 Satz 1 TzBfG gnadenlos weiter.
Praxistipp:
Selbst wenn beide Vertragspartner es ernsthaft und aus guten Gründen - beispielsweise um eine teure Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht zu vermeiden - für sinnvoll halten: Die 3-wöchige-Klagefrist ist nicht verhandelbar (s. dazu auch das Stichwort Kündigungsschutzklage - Klagefrist). Sie kann nicht in gegenseitigem Einvernehmen hinausgeschoben oder bis zum endgültigen Scheitern der Verhandlungen auf Eis gelegt werden.
Und worauf noch hinzuweisen ist: Das TzBfG gilt für jedes Arbeitsverhältnis. Das Erfordernis eines Sachgrundes in § 14 Abs. 1 TzBfG und die 3-Wochen-Frist des § 17 Satz 1 TzBfG sind weder an eine bestimmte Arbeitnehmerzahl noch an eine mehr als sechsmonatige Betriebszugehörigkeit geknüpft.
Beispiel:
Im Handwerksbetrieb von Tischlermeister Theo Thieck sind acht Gesellen (m/w/d) beschäftigt. Seiner Betriebsstätte schräg gegenüber liegt das Autohaus der Dreiff & Kruhs GmbH. Dort sind einschließlich Werkstatt mehr als 50 Mitarbeiter tätig. Das Kündigungsschutzgesetz - mehr als 10 Arbeitnehmer i. S. d. § 23 KSchG - greift nur dort. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz dagegen findet in beiden Betrieben Anwendung - ist also auch zu beachten, wenn in einem Klein- oder Kleinstbetrieb Altersgrenzen vereinbart werden.
Ohne rechtsgültige Regelung im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Tarifvertrag ist niemand verpflichtet, bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. So stellt auch das 65. bzw. das 67. Lebensjahr für die Geburtsjahrgänge ab 1964 allein keinen Grund dar, die aktive Laufbahn aufzustecken und in Rente zu gehen. Es gibt keine willkürliche Zwangsverrentung. Wer will, kann ohne anders lautende - wirksame - Regelung bis zum Tod weiterarbeiten. Mehr zur Entfristungsklage im Stichwort Befristung - Rechtsschutz).
3. Rechtsprechungs-ABC
Hier werden in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet einige interessante Entscheidungen der letzten Jahre zum Thema Rechtsschutz gegen Altersgrenzen vorgestellt:
3.1 Altersrente
Soll ein Arbeitsverhältnis nach einer einzelvertraglich vereinbarten Altersgrenze mit Erreichen des gesetzlichen Rentenalters enden, ist diese Vereinbarung nicht zu beanstanden, wenn der Mitarbeiter nach Inhalt und Dauer seines Arbeitsvertrags eine gesetzliche Altersrente erwerben kann oder bereits erworben hat (BAG, 27.07.2005 - 7 AZR 443/04 mit dem Hinweis, dass die Vereinbarung einer Altersgrenze unter der Überschrift "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" keine überraschende Klausel i. S. des § 305c Abs. 1 BGB ist).
3.2 Beamte auf Lebenszeit
"Die Richtlinie 2000/78/EG ... steht einem Gesetz wie dem Hessischen Beamtengesetz ..., das die zwangsweise Versetzung von Beamten auf Lebenszeit, im vorliegenden Fall Staatsanwälten, in den Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahres vorsieht, wobei sie höchstens bis zum vollendeten 68. Lebensjahr weiterarbeiten dürfen, wenn es im dienstlichen Interesse liegt, nicht entgegen, sofern das Gesetz zum Ziel hat, eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen, um die Einstellung und die Beförderung von jüngeren Berufsangehörigen zu begünstigen, die Personalplanung zu optimieren und damit Rechtsstreitigkeiten über die Fähigkeit des Beschäftigten, seine Tätigkeit über ein bestimmtes Alter hinaus auszuüben, vorzubeugen, und es die Erreichung dieses Ziels mit angemessenen und erforderlichen Mitteln ermöglicht" (EuGH, 21.07.2011 - C-159/10 und C-160/10 1. Leitsatz - Deutschland).
3.3 Benachteiligung Schwerbehinderter
Der Tarifvertrag über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr – TV UmBw – bestimmt in § 17 Abs. 1 Satz 1: „Ansprüche aus Abschnitt I dieses Tarifvertrags enden mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Kalendermonat, in dem die/der Beschäftigte die Voraussetzungen nach dem SGB VI für den Bezug einer ungekürzten Vollrente wegen Alters oder einer entsprechenden Leistung einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI oder der Zusatzversorgung erfüllt.“
Der TV UmBw sieht in § 11 – Härtefallregelung – eine monatliche Ausgleichszahlung in Fällen vor, in denen Beschäftigten kein Arbeitsplatz angeboten werden kann. Mit diesen Mitarbeitern kann dann eine Ruhensregelung vereinbart werden – aber was ist mit schwerbehinderten Arbeitnehmern, die früher in Rente gehen können? „Der in § 17 Abs. 1 Satz 1 TV UmBw vorgesehene Anspruchsausschluss ist unwirksam, soweit er bei schwerbehinderten Beschäftigten die Ausgleichszahlung gemäß § 11 TV UmBw bereits ab dem Zeitpunkt entfallen lässt, ab dem diese vor Erreichen der Regelaltersgrenze die Möglichkeit zum Bezug einer ungekürzten Altersrente (§§ 37, 236a SGB VI) haben. § 17 Abs. 1 Satz 1 TV UmBw benachteiligt schwerbehinderte Menschen wegen ihrer Schwerbehinderung“ (BAG, 05.09.2019 – 6 AZR 533/18).
3.4 Berufsunfähigkeit
Sieht ein Tarifvertrag vor, dass ein Arbeitsverhältnis automatisch bei Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit endet, wird diese Automatik nicht ausgelöst, wenn der Arbeitnehmer auf seinem bisherigen oder einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann. Vorausgesetzt natürlich, der Arbeitnehmer verlangt seine Weiterbeschäftigung vor Zustellung des Rentenbescheids (BAG, 31.07.2002 - 7 AZR 118/01).
3.5 Darlegungs- und Beweislast
Sieht der Arbeitsvertrag eine Altersgenze vor, trägt der Arbeitnehmer die Beweislast für seine Behauptung, die Parteien hätten - abweichend von der im schriftlich Vertragstext fixierten - Vereinbarung gar keine Altersgrenzenregelung treffen wollen. Gegenteiliges i. S. einer Beweislastumkehr ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NachwG. Selbst wenn der Arbeitnehmer - nach seiner Behauptung - kein Exemplar des schriftlichen Arbeitsvertrags bekommen hat, heißt das nicht, dass der Arbeitgeber nun darlegungs- und beweispflichtig für die Tatsache wäre, dass der Arbeitgeber-Geschäftsführer ihm eine unbefristete Beschäftigung zugesichert hat. Zwar trägt der Arbeitgeber nach den rechtlichen Vorgaben die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Befristungsvereinbarung vorliegt. Darum geht es im Fall einer abweichenden Vereinbarung jedoch gerade nicht. Hier ist der Arbeitnehmer für das Vorliegen der von ihm behaupteten anderslautenden Individualvereinbarung beweisbelastet (BAG, 25.10.2017 - 7 AZR 632/15).
3.6 Drei-Jahres-Frist
Die Berechnung der Drei-Jahres-Frist des § 41 Satz 1 SGB VI erfolgt nicht von dem Zeitpunkt an, in dem der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet. Ausgangsbasis ist der mit dem Arbeitnehmer vereinbarte Zeitpunkt des Ausscheidens (BAG, 17.04.2002 - 7 AZR 40/01 - hier noch zu § 41 Abs. 4 Satz 2 SGB VI a.F.).
3.7 Evangelische Kirche
§ 32 Abs. 1 lit. a) des am 01.07.2007 in Kraft getretenen Bundes-Angestelltentarifvertrags im Bereich der Evangelischen Kirche Rheinland, Westfalen und Lippe sah vor: "Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem die/der Mitarbeitende das Lebensalter zum Anspruch auf eine Regelaltersrente (§ 35 SGB VI) erreicht hat." Das bedeutet für Arbeitnehmer, die vor dem 01.01.1947 geboren sind, dass die tarifliche Regelung an die für diese Mitarbeiter geltende Regelung in § 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI anknüpft - und damit wirksam ist. Die Regelung ist auch keine wegen Alters benachteiligende Bestimmung - sie verfolgt ein auch nach der EuGH-Rechtsprechung (z.B. in EuGH, 12.10.2010 - C-45/09; 18.11.2010 - C-250/09, C-268/09; EuGH 05.07.2012 - C-141/11) legitimes Ziel (BAG, 12.06.2013 - 7 AZR 917/11).
3.8 Feststellungsklage
Wehrt sich ein befristet eingestellter Arbeitnehmer gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses infolge einer unwirksamen Befristung, muss er gemäß § 17 Satz 1 TzBfG eine Befristungskontrollklage erheben. § 17 Satz 1 TzBfG erfasst aber nicht jeden Unwirksamkeitsgrund. Beruft sich der Arbeitnehmer zusätzlich auf einen Verstoß gegen § 41 Satz 2 SGB VI, ist das kein Gegenstand einer Befristungskontrollklage i. S. des § 17 Satz 1 TzBfG. Diesen Unwirksamkeitsgrund kann der Arbeitnehmer in einer (mit der Befristungskontrollklage kombinierten) allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO geltend machen (BAG, 18.01.2017 - 7 AZR 236/15).
3.9 Gesamtbetriebsvereinbarung
Der vereinfachte Fall: § 22 Abs. 3 einer Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) sah vor: "Das Arbeitsverhältnis endet spätestens mit Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung oder mit Ablauf des Monats, in dem eine Rente wegen Alters in voller Höhe gewährt wird." Arbeitnehmer A wurde mit Bescheid vom 20.04.2011 ab dem 01.07.2011 eine Altersrente für Schwerbehinderte gewährt. Er wehrte sich gegen das automatische Ende seines Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2011, nachdem Arbeitgeber G ihm zuvor am 29.06.2011 mitgeteilt hatte, dass sein Arbeitsverhältnis jetzt nach § 22 Abs. 3 GBV mit dem 30.06.2011 ende. A's Bedingungskontrollklage ging erst am 27.12.2011 bei Gerichte ein und wurde G am 06.01.2012 zugestellt.
Bedingungskontrollklagen müssen innerhalb der 3-Wochen-Frist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG erhoben werden. Die Frist beginnt nicht schon mit dem Eintritt der Bedingung, sondern erst zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitgebers über den Bedingungseintritt - hier also mit dem 13.07.2011. Bei nicht rechtzeitiger Klageerhebung gilt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses als wirksam. Hier liegt kein Fall des § 41 Satz 2 SGB VI vor. § 41 Satz 2 SGB VI betrifft nur die einzelvertraglich vereinbarte Altersgrenze vor Vollendung des Regelalters (so: BAG, 13.10.2015 - 1 AZR 853/13) - also keine Gesamtbetriebsvereinbarung. Außerdem knüpft die zweite Alternative des § 22 Abs. 3 BAV nicht an den Zeitpunkt an, in dem die Möglichkeit besteht, vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Alters zu beantragen (BAG, 04.11.2015 - 7 AZR 851/13 - mit dem Ergebnis Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 13.07.2011).
3.10 GmbH-Geschäftsführer - 1
Auch der Dienstvertrag eines GmbH-Geschäftsführers kann befristet sein. Gründe, diesen befristeten Dienstvertrag nicht fortzusetzen, gibt es viele. Einer davon kann das Alter des Geschäftsführers sein - mit der Wirkung einer AGG-widrigen Diskriminierung. Dabei ist § 6 Abs. 3 AGG zu beachten: "Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Vorschriften dieses Abschnitts für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer ... und Vorstände, entsprechend". Insoweit ist eine Anknüpfung an das Alter zur Beendigung eines Geschäftsführervertrags nach § 10 Satz 1 und 2 AGG unzulässig, wenn damit kein legitimes Ziel verfolgt wird (OLG Köln, 29.07.2010 - 18 U 196/09).
3.11 GmbH-Geschäftsführer - 2
Bei Geschäftsführer-Verträgen wird zweigleisig verfahren: zum einen gibt es den Anstellungsvertrag zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer, zum anderen die Organstellung des Angestellten als Geschäftsführer der GmbH. Beruft die Gesellschaft den Geschäftsführer ab, führt das nach Recht und Gesetz nicht gleich dazu, dass auch der Anstellungsvertrag endet. So behält der abberufene Geschäftsführer unter Umständen weiter seine Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag. Hat ein 1953 geborener Geschäftsführer vor seiner einvernehmlichen Abberufung immer wieder erklärt, dass er mit Ausscheiden aus dem Amt als Geschäftsführer in den Ruhestand treten und seine Tätigkeit mit Erreichen der Regelaltersrente beenden wolle, kann das für einen entsprechenden Beendigungswillen sprechen. Zusammen mit weiteren Indizien führt das dann zu dem Ergebnis, dass zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft einvernehmlich die Beendigung des Anstellungsvertrags mit Erreichen der Regelaltersgrenze vereinbart war und der Anstellungsvertrag daher konkludent endet (LG Osnabrück, 18.03.2020 - 18 O 428/18).
3.12 Innenreinigerin - 1
"Eine in einem Tarifvertrag enthaltene Befristung des Arbeitsverhältnisses auf den Zeitpunkt des Erreichens des Regelrentenalters ist sachlich gerechtfertigt i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG, wenn der Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben kann oder bei Vertragsschluss bereits die für den Bezug einer Altersrente erforderliche rentenrechtliche Wartezeit erfüllt hat. Eine solche Regelung genügt den sich bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ergebenden Vorgaben des Gemeinschaftsrechts" (BAG, 18.06.2008 - 7 AZR 116/07 - Leitsätze - zu § 19 Nr. 8 des allgemeinverbindlichen Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 04.10.2003, der ein Ausscheiden mit Erreichen des Rentenalters, spätestens aber mit Vollendung des 65. Lebensjahres vorsieht).
3.13 Innenreinigerin - 2
"Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ist dahin auszulegen, dass er einer Maßnahme wie der in § 19 Nr. 8 des Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung enthaltenen Klausel über die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das Rentenalter von 65 Jahren erreicht haben, nicht entgegensteht. Die Art. 1 und 2 der Richtlinie 2000/78/EG sind dahin auszulegen, dass es ihnen nicht zuwiderläuft, dass ein Mitgliedsstaat einen Tarifvertrag wie den im Ausgangsverfahren in Frage stehenden für allgemeinverbindlich erklärt, soweit dieser Tarifvertrag den in seinen Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmern nicht den Schutz nimmt, den ihnen diese Bestimmungen gegen Diskriminierungen wegen des Alters gewähren" (EuGH, 12.10.2010 - C-45/09 - Leitsätze 2. und 3.).
3.14 Kabinenpersonal - 1
Die tarifvertragliche Altersgrenze von 55 Jahren für Kabinenpersonal ist unwirksam. Es gibt keinen sachlichen Grund, der diese Grenze rechtfertigt (BAG, 31.07.2002 - 7 AZR 140/01). Genügt ein tarifvertraglich geregelter Sachgrund dagegen den Maßstäben der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle, wird das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht unangemessen eingeschränkt (BAG, 27.11.2002 - 7 AZR 414/01 - mit dem Hinweis, dass das auch für die in § 19 MTV-Bordpersonal CF festgesetzte Altersgrenze von 60 Jahren für Flugzeugführer gilt, und zugleich Bestätigung und Weiterführung von BAG, 11.03.1998 - 7 AZR 700/96 und BAG, 31.07.2002 - 7 AZR 140/01; genauso: BAG, 27.11.2002 - 7 AZR 655/01).
3.15 Kabinenpersonal - 2
Der EuGH hatte mit der so genannten "Mangold-Entscheidung" (EuGH, 22.11.2005 - C 144/04) die frühere Regelung zur Altersbefristung in § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG a. F. als EU-widrig gekippt. Das BAG hat nun dem EuGH die Rechtsfrage vorgelegt, ob auch § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG a. F. möglicherweise gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. Es geht um die Frage, ob die maximale Befristung des Arbeitsverhältnisses einer Flugbegleiterin auf das 60. Lebensjahr zulässig ist, wenn keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass das altersbedingte Nachlassen der Leistungsfähigkeit von Mitgliedern des Kabinenpersonals zu einer Gefährdung für Leben und Gesundheit der Flugzeuginsassen oder Personen in den überflogenen Gebieten führen kann (BAG, 16.10.2008 - 7 AZR 253/07).
3.16 Kabinenpersonal - 3
Eine in der Luftfahrt bestimmte Altersgrenze von 60 Jahren für Kabinenpersonal ist nicht durch Sachgründe i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG gerechtfertigt und daher unwirksam. Die 60er-Altersgrenze für Kabinenpersonal ist auch nach dem AGG nicht gerechtfertigt - sie stellt eine unzulässige unmittelbare Altersdiskriminierung dar. Eine feste Altersgrenze wie in § 47 MTV Nr. 11 Kabinenpersonal wird jedenfalls dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach § 10 AGG nicht gerecht, denn die Leistungsfähigkeit eines Flugbegleiters kann auch über die derzeit durchgeführte zweijährige ärztliche Untersuchung hinaus durch eine zusätzliche ärztliche Tauglichkeits- und Belastungsuntersuchung geklärt werden (LAG Düsseldorf, 05.11.2008 - 12 Sa 860/08 - im Ergebnis vom Bundesarbeitsgericht (BAG, 23.06.2010 - 7 AZR 1021/08) bestätigt).
3.17 Pilot - 1
Eine arbeitsvertragliche Regelung für das automatische Ausscheiden eines B 747-Piloten mit Erreichen des 60. Lebensjahres, die auf die "Betriebsordnung für Luftfahrtgerät" Bezug nimmt, ist unwirksam. Grund: "§ 41 Abs. 1 der Betriebsordnung ... findet seit dem 01.09.1998 auf den Betrieb von Großflugzeugen wie der B 747 keine Anwendung mehr" (BAG, 23.01.2002 - 7 AZR 586/00 u. BAG, 23.01.2002 - 7 AZR 587/00- mit dem Hinweis, dass es wegen der eindeutigen Bezugnahme auf die "Betriebsordnung ..." nicht mehr darauf ankam, die Wirksamkeit der einzelvertraglichen Abmachung zu prüfen). Damit fehlt in diesen Fällen die Rechtsgrundlage für das vorzeitige Ausscheiden.
3.18 Pilot - 2
Entgegen der unter Pilot-1 zitierten Entscheidung für die Zeit ab dem 01.09.1998 ist die "Betriebsordnung für Luftfahrtgerät" bis zum 31.08.1998 wirksam gewesen. Das wiederum führt dazu, dass das automatische Ende eines Arbeitsverhältnisses mit einem B 747-Piloten bei Erreichen des 60. Lebensjahres im März 1998 nicht zu beanstanden ist (BAG, 20.02.2002 - 7 AZR 748/00).
3.19 Pilot - 3
Tarifliche Altersgrenzen für Flugzeugführer, die ein automatisches Ende des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des 60. Lebensjahres vorsehen, sind wirksam, wenn sie der Sicherheit des Flugverkehrs dienen und damit dem Umstand Rechnung tragen, dass mit zunehmendem Lebensalter das Risiko unerwarteter Fehlreaktionen und Ausfallerscheinungen zunimmt (BAG, 21.07.2004 - 7 AZR 589/03).
3.20 Pilot - 4
Auch unter Berücksichtigung des AGG bestehen keine Bedenken gegen eine tarifliche Regelung, die das Ende des Arbeitsverhältnisses eines Piloten mit Ablauf des Monats vorsieht, in dem der Arbeitnehmer das 60. Lebensjahr vollendet. Auch wenn ein höheres Sicherheitsrisiko bei Piloten, die älter als 60 sind, empirisch nicht belegt ist, gibt es doch auch keine Untersuchungen, die das Gegenteil belegen. Solange dieses Gefährdungsrisiko für Personen in den überflogenen Gebieten, Passagieren und Besatzung nicht ausgeschlossen werden kann, ist die Altersbegrenzung durch ein legitimes Ziel sachlich gerechtfertigt (LAG Hessen, 15.10.2007 - 17 Sa 809/07 - mit dem Hinweis, dass die angegriffene Tarifklausel nicht dadurch unwirksam wird, dass Tarifverträge anderer Konzerngesellschaften keine entsprechende Regelung enthalten).
3.21 Pilot - 5
"Eine tarifliche Betriebsnorm, die für ein Luftfahrtunternehmen das Höchstalter für die Einstellung von in anderen Luftfahrtunternehmen ausgebildeten Piloten auf 32 Jahre und 364 Tage festlegt, ist unwirksam. Die für das Luftfahrtunternehmen errichtete Personalvertretung kann daher die Zustimmung zur Einstellung eines Piloten nicht mit der Begründung verweigern, dieser sei zu alt" (BAG, 08.12.2010 - 7 ABR 98/09 - Leitsatz).
3.22 Pilot - 6
"Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG ... ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedsstaaten über Ermächtigungsvorschriften den Sozialpartnern gestatten können, Maßnahmen im Sinne dieses Art. 2 Abs. 5 auf den in dieser Bestimmung genannten Gebieten, die in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen fallen, zu treffen, vorausgesetzt, diese Ermächtigungsvorschriften sind hinreichend genau, damit gewährleistet wird, dass die genannten Maßnahmen die in Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie genannten Anforderungen beachten. Eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Altersgrenze, ab der Piloten ihrer beruflichen Karriere nicht mehr nachgehen dürfen, auf 60 Jahre festlegt, während die nationale und die internationale Regelung dieses Alters auf 65 festlegen, ist keine Maßnahme, die für die öffentliche Sicherheit und den Schutz der Gesundheit im Sinne dieses Art. 2 Abs. 5 notwendig ist" (EuGH, 13.09.2011 - C-447/09 1. Leitsatz - Deutschland - zum Manteltarifvertrag für das Cockpitpersonal der Deutschen Lufthansa).
3.23 Pilot - 7
"Die Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa i.d.F vom 14. Januar 2005, wonach das Arbeitsverhältnis von Flugzeugführern mit dem Ende des Monats der Vollendung des 60. Lebensjahres endet, verstößt gegen das Benachteiligungsverbot wegen Alters in § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG. Sie ist nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam" (BAG, 18.01.2012 - 7 AZR 112/08 Leitsatz).
3.24 Pilot - 8
§ 19 des Manteltarifvertrags für das Condor-Cockpitpersonal sieht die Regelung "Das Arbeitsverhältnis endet - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter das 60. Lebensjahr vollendet". Diese Altersgrenze verstößt gegen das Benachteiligungsverbot wegen Alters aus § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. § 1 AGG und ist nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Arbeitnehmer die das 60. Lebensjahr erreicht haben, erfahren mit dem automatischen Ende ihres Arbeitsverhältnisses eine weniger günstige Behandlung i. S. des § 3 Abs. 1 AGG als vergleichbare jüngere Arbeitnehmer - und diese Ungleichbehandlung ist hier sachlich nicht gerechtfertigt (BAG, 18.01.2012 - 7 AZR 211/09).
3.25 Pilot - 9
Die Regelung in § 19 Nr. 1 MTV Condor-Cockpitpersonal stellt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Merkmals Alter dar. Die Altersgrenze von 60 Jahren begründet eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung i. S. von Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2000/78/EG (s. dazu auch EuGH, 13.09.2011 - C-447/09 - Deutschland). "Die Altersgrenze in § 19 Abs. 1 MTV Nr. 1 ist wegen der von JAR-FCL 1.060 Buchst. a vorgesehenen Möglichkeit eines doppelt besetzten (Co-)Pilotencockpits jedenfalls nicht erforderlich, um das Ziel der Flugsicherheit zu erreichen" (BAG, 15.02.2012 - 7 AZR 946/07).
3.26 Privatversorgung
Die gesetzliche Regelaltersrente ist als Anknüpfungspunkt für eine vertraglich vereinbarte Altersgrenze durchaus als sachlicher Grund i.S.d. § 14 Abs. 1 TzBfG anzuerkennen. Bestand beim Vertragsschluss die Möglichkeit zum Aufbau einer Altersrente, ist die Vereinbarung auch dann wirksam, wenn der Arbeitnehmer eine andere Versorgungsform wählt (BAG, 27.07.2005 - 7 AZR 443/04 - hier: Journalist mit Altersversorgung durch das Presseversorgungswerk).
3.27 Richter
Das Dienstverhältnis eines Richters endet im Bundesland Hessen automatisch mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Diese Regelung stellt als starre Altersgrenze zwar eine Diskriminierung wegen des Merkmals Alter dar, sie ist aber sachlich gerechtfertigt. Ziel der gesetzlichen Altersgrenze ist es ua., eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen, um die Einstellung und Beschäftigung jüngerer Berufsangehöriger zu begünstigen, die Personalplanung zu optimieren und dieses Ziel mit angemessenen und erforderlichen Mitteln zu erreichen. Insoweit ist es auch nicht zu beanstanden, dass der hessische Gesetzgeber im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern nicht von der im Deutschen Richtergesetz vorgesehenen Öffnungsklausel Gebrauch gemacht hat (VG Frankfurt am Main, 27.01.2014 - 9 K 15223/13.F).
3.28 Sachverständige
Das BVerwG hatte die Klage eines Sachverständigen, der sich gegen die automatische satzungsmäßige Beendigung seiner Bestellung mit Vollendung des 71. Lebensjahres wehrte, abgewiesen (BVerwG, 26.01.2011 - 8 C 46.09) - ohne zuvor die maßgebliche EU-Rechtsfrage zu klären. Dazu sagt das BVerfG: Das BVerwG hat das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter verletzt, "Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zugrunde gelegt hat, ohne zuvor dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob diese Vorschrift dahingehend auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die mit dem Ziel der Gewährleistung eines geordneten Rechtsverkehrs eine Altersgrenze von 71 Jahren für öffentlich bestellte Sachverständige vorsieht. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht Art. 267 Abs. 3 AEUV in einer Weise angewendet, die bei verständiger Würdigung unhaltbar ist"indem es seinem Urteil die von ihm vertretene Auslegung des (BVerfG, 24.10.2011 - 1 BvR 1103/11 - mit dem Ergebnis, dass es die BVerwG-Entscheidung aufgehoben hat und das BVerwG die Unzulässigkeit der Altersgrenze inzwischen bestätigt hat, BVerwG, 01.02.2012 - 8 C 24/11).
3.29 Soziale Absicherung
Die automatische Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Regelrentenalters wird grundsätzlich für zulässig gehalten. Dabei ist die Anbindung an die rentenrechtliche VersorgungBestandteil des Sachgrunds - ohne dass es auf die konkrete wirtschaftliche Absicherung des Mitarbeiters bei Erreichen der Altersgrenze ankommt. Wichtig in diesem Zusammenhang: "Die für die sachliche Rechtfertigung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Altersgrenze maßgebliche Absicherung des Arbeitnehmers durch eine gesetzliche Altersrente kann nicht durch eine Ausgleichszahlung des Arbeitgebers oder eine betriebliche Altersversorgung ersetzt werden" (BAG, 18.01.2017 - 7 AZR 236/15).
3.30 Suspendierungsrecht
Sieht ein Tarifvertrag vor, dass ein Arbeitnehmer, der das 57. Lebensjahr vollendet hat und dessen Arbeitsplatz innerhalb eines fest umrissenen Zeitraums wegfällt, von der Arbeitsleistung freigestellt werden kann, begründet das ein einseitiges Suspendierungsrecht des Arbeitsgebers (BAG, 27.02.2002 - 9 AZR 562/00 - hier: § 8a des Tarifvertrages über eine Vorruhestandsregelung beim Südwestfunk vom 20.07.1998).
3.31 Tarifliche Regelung - 1
"Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf konkretisierte Verbot jeglicher Diskriminierung wegen des Alters ist dahin gehend auszulegen, dass es einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens nicht entgegensteht, die in Tarifverträgen enthaltenen Klauseln über die Zwangsversetzung in den Ruhestand für gültig erklärt, in denen als Voraussetzung lediglich verlangt wird, dass der Arbeitnehmer die im nationalen Recht auf 65 Jahre festgesetzte Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand erreicht hat und die übrigen sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer beitragsbezogenen Altersrente erfüllt, sofern diese Maßnahme, auch wenn sie auf das Alter abstellt, objektiv und angemessen ist und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, das in Beziehung zur Beschäftigungspolitik und zum Arbeitsmarkt steht, gerechtfertigt ist und die Mittel, die zur Erreichung dieses im Allgemeininteresse liegenden Ziels eingesetzt werden, nicht als dafür unangemessen und nicht erforderlich erscheinen"Das in der (EuGH, 16.10.2007 - C-411/05 Leitsatz).
3.32 Tarifliche Regelung - 2
Auch tarifliche Regelungen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen aufgrund von Befristungen unterliegen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle. Zu diesen tariflichen Regelungen gehören auch tarifliche Altersgrenzen. Sie müssen, um wirksam zu sein, durch einen Sachgrund gerechtfertigt werden. Für die in § 19 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 3 des Lufthansa-Manteltarifvertrags enthaltene Altersgrenze - "In jedem Fall endet das Arbeitsverhältnis - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem der Kabinenmitarbeiter das 60. Lebensjahr vollendet" - gibt es keinen sachlichen Grund (BAG, 16.10.2008 - 7 AZR 253/07).
3.33 Türkische Arbeitnehmer
In der Türkei haben Versicherte die Möglichkeit, ihr Geburtsdatum ändern zu lassen. Sie können damit früher Rente beziehen. Lehnt ein deutscher Rentenversicherer - hier die LVA (heute: Deutsche Rentenversicherung) - die Berichtigung des Geburtsdatums ab, bleibt es bei dem zuerst angegebenen Tag. Danach endet auch das Beschäftigungsverhältnis aufgrund einer Betriebsvereinbarung, die an das Erreichen des gesetzlichen Rentenalters knüpft (BAG, 14.08.2002 - 7 AZR 329/01).
3.34 Urlaub und Altersgrenze
Der vereinfachte Fall: Der hier maßgebliche Manteltarifvertrag sah für Urlaub die Regelung "Scheiden Beschäftigte innerhalb des Urlaubsjahres wegen Erreichung der Altersgrenze aus, so haben sie Anspruch auf den vollen Jahresurlaub." vor. Arbeitnehmer N, dessen Beschäftigungsverhältnis mit dem 31.03.2016 endete, bezog seit dem 01.04.2016 eine ungekürzte Altersrente für besonders langjährig Versicherte (= 63 + X). Arbeitgeber A meinte, N stünde der volle Jahresurlaub nicht zu. "Altersgrenze" i. S. d. Tarifvertrags meine "Regelaltersrente" (= 65 + X).
Der anzuwendende Tarifvertrag enthält keine eigene Begriffsbestimmung von "Altersgrenze". Er sieht auch keine Altersgrenze vor, mit deren Erreichen ein Arbeitsverhältnis automatisch enden soll. Also ist der Tarifvertrag nach den üblichen BAG-Regeln für die Auslegung von Tarifverträgen auszulegen. Und hier lässt sich "Altersgrenze" nur als Oberbegriff verstehen, nicht als "Regelaltersgrenze". Die tarifliche Regelung hat den Zweck, eine langjährige Betriebstreue zu honorieren. Sie stellt einen Zusammenhang zwischen Ausscheiden und Erreichen der Altersgrenze her. Und hier war der Arbeitnehmer tatsächlich "wegen Erreichung der Altersgrenze" ausgeschieden (BAG, 19.06.2018 - 9 AZR 564/17 - mit dem Ergebnis, dass N hier den vollen Urlaubs(abgeltungs)anspruch hatte).
3.35 Vereinbarung
Die Vereinbarung, dass ein Arbeitsverhältnis bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters enden soll, ist eine kalendermäßige Befristung. Diese kalendermäßige Befristung setzt einen sachlichen Grund voraus. Die Regelung in § 41 Abs. 4 Satz 2 SGB VI a. F. allein ist nicht der sachliche Grund, mit dem die Befristung zu rechtfertigen ist (BAG, 19.11.2003 - 7 AZR 296/03 - mit Hinweisen zur sachlichen Rechtfertigung einer Altersgrenzenvereinbarung).
3.36 Verfassungsrechtliche Anforderungen
Auch wenn eine Altersgrenzenregelung den Anforderungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG genügt, kann sie Vorgaben der Verfassung zuwiderlaufen. Das tut sie, wenn sie gegen das Gebot des Vertrauensschutzes verstößt. Arbeitgeber und Betriebsrat sind - wie der Gesetzgeber - bei ihrer betrieblichen Normsetzung an das aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip - Art. 20 Abs. 3 GG - hergeleiteten Vertrauensschutzgebot gebunden (s. dazu für Tarifpartner BAG, 20.09.2016 - 3 AZR 273/15). Bei der erstmaligen Einführung einer Altersgrenze via Betriebsvereinbarung verlangt der rechtsstaatliche Vertrauensschutz, "auf die Interessen der bei Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung bereits rentennahen Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen" (s. dazu auch BVerfG, 13.06.2006 - 1 BvL 9/00).
Die rentennahen Arbeitnehmer profitieren "von den mit der Einführung einer betrieblichen Altersgrenze üblicherweise verbundenen Vorteilen - Verbesserung der Aufstiegschancen durch das altersbedingte Ausscheiden anderer Arbeitnehmer - in der Regel nur eingeschränkt." Dem steht gegenüber, dass diese Personengruppe typischerweise ein zu schützendes Interesse daran hat, noch "über eine angemessene Zeit zu verfügen, um sich auf eine veränderte rechtliche Lage einzustellen und ihre Lebensführung oder -planung gegebenenfalls an diese anzupassen." Für rentennahe Arbeitnehmerjahrgänge ist daher grundsätzlich eine Übergangsregelung vorzusehen. Den Inhalt dieser Übergangsregelung bestimmen die Betriebspartner im Rahmen des ihnen zustehenden Gestaltungsspielraums - z. B. durch Einführung individueller Verlängerungsmöglichkeiten oder Vereinbarung einer finanziellen Abfederung (BAG, 21.02.2017 - 1 AZR 292/15).
3.37 Versorgungszusage
Eine Altersregelung kann auch in einer Versorgungszusage getroffen werden: "Dem Versorgungsberechtigten wird Altersrente gewährt, wenn das Dienstverhältnis zum ... bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres dauert. In diesem Fall geht das Dienstverhältnis automatisch am Ende des Monats, in dem der Versorgungsberechtigte das 65. Lebensjahr vollendet, in das Altersrentenverhältnis über." Das BAG sieht in dieser Regelung keine überraschende Klausel i. S. der AGB-Bestimmungen und keinen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG (BAG, 06.08.2003 - 7 AZR 9/03 - mit dem Ergebnis, dass die Vertragsklausel dahingehend auszulegen ist, dass das Arbeitsverhältnis hier mit Erreichen des 65. Lebensjahres endet).