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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

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Arbeitskampf - Wellenstreik
Arbeitskampf - Wellenstreik
Inhaltsübersicht
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Information
Der gewerkschaftliche Arbeitskampf muss nicht gleich flächendeckend das ganze Tarifgebiet erfassen. Die feine Dosierung von gezielten Kampfeinsätzen an strategisch wichtigen Punkten kann viel effektiver sein. Das bekommen Arbeitgeber häufig bei sogenannten Wellenstreiks zu spüren. Sie haben hier kaum eine Möglichkeit, sinnvoll vorzubeugen oder effektiv Abhilfe zu schaffen.
1. Begriff
Während der normale Arbeitskampf die ganze Branche und dort besonders die großen und empfindlichen Betriebe als Ziele trifft, ist die Taktik bei einem Wellenstreik anders. Wellenstreik ist ein Arbeitskampf, der
in vielen Einzelbetrieben und/oder
Betriebsabteilungen und/oder Schichten eines oder mehrerer Betriebe
für kurze Zeiträume von unterschiedlicher Dauer
räumlich wechselnd
als punktuelle und überraschende, für den Arbeitgeber schwer voraussehbare Aktion
immer wieder zu Arbeitsniederlegungen führt
Die Streikwellen machen es dem bestreikten Arbeitgeber oder den bestreikten Arbeitgebern nicht leicht, Abwehrmaßnahmen zu treffen und für die streikbedingten Arbeitsausfälle vorzusorgen.
Beispiel:
Die Tecklenburger Allgemeine wird im Druckhaus Brochterbeck & Co. produziert. Die Tarifpartner der Druckindustrie führen einen Arbeitskampf. Am Freitag ist das Druckhaus Brochterbeck & Co. dran. Die Mitarbeiter der Zeitungsrotation streiken ab 16:00 Uhr. Der Andruck der Samstagszeitung mit ihrem großem Anzeigenteil ist in Gefahr. Selbst wenn die Arbeitnehmer hier nur für vier Stunden die Arbeit niederlegen würden, setzen sie ihren Arbeitgeber unter Druck. Wenn sie die Arbeit dann möglicherweise kurzfristig wieder aufnehmen, nützt das unter Umständen nichts. Die Zeitung kann nicht mehr pünktlich hergestellt werden..
Wellenstreiks sind besonders wegen ihrer Unvorhersehbarkeit gefährlich: Sie können mit einem minimalen Aufwand zu einem Maximum an Schaden führen (MiniMax-Taktik). Vor allem störungsanfällige Betriebe werden hier empfindlich getroffen.
2. Zulässigkeit und Arbeitskampfrisiko
Ein Wellenstreik ist ein Arbeitskampf wie andere auch. Seine Zulässigkeit orientiert sich an den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen (Arbeitskampf - Zulässigkeit). Der Wellenstreik ist keine privilegierte Arbeitskampfform. Er ist ein echter Erzwingungsstreik.
Für die Gewerkschaften gilt der Grundsatz der freien Kampfmittelwahl (so schon BAG, 28.01.1955 - GS 1/54). Sie kann sich also für einen
Flächenstreik
Warnstreik oder
Wellenstreik
entscheiden.
Während der Arbeitgeber im Regelfall das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko trägt, gilt dieser Grundsatz bei einem Wellenstreik nur eingeschränkt.
Beispiel:
Die Mitarbeiter des Druckhauses Brochterbeck & Co. führen ihren Wellenstreik planmäßig durch. Bernhard Brochterbeck, der Mitglied der Verhandlungskommission des Arbeitgeberverbandes ist, hat den Arbeitskampf in seinem Betrieb vorausgesehen. Bei einem befreundeten Verlag, der nicht bestreikt wird, hat er einige "Aushilfen" angeheuert, die kurzfristig den Job ihrer streikenden Kollegen übernehmen und die Rotationsmaschinen für den Druck in Betrieb setzen. Kaum laufen die Maschinen wieder, brechen die Streikenden ihren Arbeitskampf ab und bieten ihrer Arbeitskraft an. Sie wollen für die restliche Schichtzeit ihren Lohn.
In diesen Fällen ist es so, dass die Arbeitnehmer das Lohnrisiko tragen, soweit die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit ihrer Beschäftigung in einem
engen zeitlichen und
organisatorischen Rahmen mit
der Abwehrmaßnahme
steht, die der Arbeitgeber als zwingend ansehen durfte (s. Arbeitskampf - Arbeitskampfrisiko).
3. Rechtsprechungs-ABC
Hier sind in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet einige der wichtigsten Entscheidungen zum Thema Arbeitskampf - Wellenstreik aufgelistet:
3.1 Auskunftsanspruch
Für den Arbeitgeber ist es sinnvoll, während eines Wellenstreiks zu erfahren, inwieweit sich seine Mitarbeiter an zukünftigen Arbeitskampfmaßnahmen beteiligen werden. Die Mitarbeiter sind indes nicht verpflichtet, darüber Auskunft zu geben. Die Unsicherheit über Streikbereitschaft und Streikteilnahme kann allerdings im Zusammenhang mit der Verteilung des Lohnrisikos bei der Frage der Zumutbarkeit des Einsatzes eine Rolle spielen (BAG, 12.11.1996 - 1 AZR 364/69).
3.2 Lohnrisiko - 1
Muss der Druck einer Tageszeitung zu Beginn der Nachtschicht erfolgen, ist die Entscheidung des von einem Wellenstreik betroffenen Arbeitgebers, mithilfe einer Ersatzmannschaft eine Notausgabe drucken zu lassen, eine Abwehrmaßnahme. Bei dieser Abwehrmaßnahme tragen die Streikenden das Beschäftigungs- und Lohnrisiko auch dann, wenn sie ihren Arbeitskampf zwar noch während der Schicht beenden, vom Arbeitgeber aber nicht mehr zur Arbeit herangezogen werden, weil der eine erneute Arbeitsniederlegung fürchtet (BAG, 15.12.1998 - 1 AZR 216/98).
3.3 Lohnrisiko - 2
Lohnzahlung aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges wird geschuldet, wenn der Streik bedrohte Arbeitgeber vorsorglich Arbeiten an ein Fremdunternehmen vergibt, der Streikaufruf dann aber ausbleibt. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber bereits von Wellenstreiks betroffen war und die Fremdvergabe nur der Vorsorge diente. Die Zuordnung des Lohnrisikos hängt nicht von der speziellen Wettbewerbssitution des Betriebes oder den untypischen Besonderheiten eines speziellen Produkts ab (BAG, 15.12.1998 - 1 AZR 289/98).
Siehe auch
Arbeitskampf - Arbeitskampfrisiko
Arbeitskampf - Arbeitslosengeld
Arbeitskampf - Arbeitsverhältnis
Arbeitskampf - Friedenspflicht
Arbeitskampf - Sozialversicherung