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BFH, 27.11.1956 - I 94/56 U - Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach Entscheidung des Senats
Bundesfinanzhof
Beschl. v. 27.11.1956, Az.: I 94/56 U
Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach Entscheidung des Senats
Fundstellen:
BFHE 64, 80 - 82
BStBl III 1957, 30
NJW 1957, 520 (Volltext mit amtl. LS)
BFH, 27.11.1956 - I 94/56 U
Amtlicher Leitsatz:
Einem Antrag auf mündliche Verhandlung (§ 294 AO) kann nicht mehr entsprochen werden, wenn bei Eingang des Antrags das Urteil bereits von allen Richtern unterzeichnet war.
Zusammenfassung:
Einem Antrag auf mündliche Verhandlung (§294 AO) kann nicht mehr entsprochen werden, wenn bei Eingang des Antrags das Urteil bereits von allen Richtern unterzeichnet war
Tatbestand
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Der Senat hatte in der Sitzung vom 25. September 1956 über die Rechtsbeschwerde der Beschwerdeführerin (Bfin.) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden. Nachdem das Urteil von allen mitwirkenden Richtern unterschrieben war und die Ausfertigung des Urteils vorbereitet wurde, ging beim Bundesfinanzhof am 18. Oktober 1956 der Antrag der Bfin. ein, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Mit Schreiben vom 31. Oktober 1956 teilte der Vorsitzende des Senats der Bfin. mit, daß der Antrag auf mündliche Verhandlung verspätet gestellt sei; gleichzeitig wurde ihr die Ausfertigung des Urteils zugestellt. In ihrem am 14. November 1956 beim Bundesfinanzhof eingegangenen Schreiben erklärte die Bfin., daß sie das Urteil des Senats vom 25. September 1956 als Vorbescheid im Sinne des § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) ansehe. Die Bfin. ist der
2
Auffassung, daß ein Rechtsmittelführer die Anberaumung der mündlichen Verhandlung bis zur Zustellung des Urteils beantragen könne.
Entscheidungsgründe
3
Dem Antrag der Bfin. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung muß der Erfolg versagt werden.
4
Nach § 294 AO ist über die Rechtsbeschwerde mündlich zu verhandeln, wenn ein Beteiligter es beantragt. Das Gesetz bestimmt nicht ausdrücklich, bis zu welchem Zeitpunkt ein solcher Antrag gestellt werden kann. Der Antrag ist an keine Frist gebunden. Er braucht auch nicht gleichzeitig mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde oder innerhalb der Begründungsfrist gestellt zu werden, sondern kann auch später nachgeholt werden. Nach Auffassung des Fachschrifttums verliert aber der Rechtsmittelführer den Anspruch auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nach § 294 Abs. 1 AO bzw. auf Erlaß eines Bescheides nach § 294 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn sein Antrag erst eingeht, nachdem der Senat entschieden hat (vgl. kühn, 4. Auflage Anm. 2 zu § 294 AO; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Anm. 1 zu § 294 AO). Der Zeitpunkt der Entscheidung ist nicht, wie die Bfin. meint, der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung. Wie Becker (7. Auflage, Anm. 3 zu § 67 AO a. F.) bemerkt, entscheidet eine Kollegialbehörde durch Abstimmung.
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Es kann dahingestellt bleiben, wie Anträge auf mündliche Verhandlung zu behandeln sind, die erstmalig in der Zeit zwischen der Abstimmung und der Unterzeichnung des Urteils durch alle mitwirkenden Richter eingehen. Denn Anträgen, die, wie im Streitfall, nach diesem Zeitpunkt eingehen, kann jedenfalls nicht stattgegeben werden. Nach § 253 Satz 1 AO kann ein Rechtsmittel zurückgenommen werden, bis die Rechtsmittelentscheidung unterzeichnet ist. Wird mündlich verhandelt, so kann ein Rechtsmittel bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung, auf Grund deren entschieden wird, zurückgenommen werden. Im schriftlichen Verfahren verliert also der Rechtsmittelführer mit der Unterzeichnung des Urteils die Befugnis, dem Rechtsstreit durch Rücknahme des Rechtsmittels die Grundlage zu entziehen; er ist insoweit nicht mehr Herr des Verfahrens. Die Unterzeichnung des Urteils ist eine bedeutsame Rechtshandlung im Zuge des Verfahrens, die eine prozessuale Schlechterstellung für den Rechtsmittelführer mit sich bringt. Wollte man einen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nach der Unterzeichnung des Urteils noch zulassen, so widerspräche das dem Grundgedanken des § 253 Satz 1 AO. Denn in diesem Fall hätte der Rechtsmittelführer die Möglichkeit, bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung das Rechtsmittel zurückzunehmen. Er würde durch die Anberaumung der mündlichen Verhandlung eine prozessuale Möglichkeit zurückgewinnen, die er bereits mit der Unterzeichnung des Urteils kraft Gesetzes unwiderruflich verloren hatte. Das kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen.
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Zu Unrecht nimmt die Bfin. an, daß diese Rechtsauslegung der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs widerspreche. Der Reichsfinanzhof hat, soweit feststellbar, über die Streitfrage nicht entschieden. Die von der Bfin. angeführten Entscheidungen betreffen andere Fälle.