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BAG, 20.06.2000 - 3 AZR 620/99 - Nachträgliche Verschlechterung der gesetzlichen Rente bei Frühverrentungsmodellen; Verpflichtung des Arbeitgebers zum Ausgleich von Einbußen wegen langandauernder Arbeitslodsigkeit bei vorgezogenem Eintritt in den Ruhestand ; Auswirkung einer fehlenden Regelung wegen Einbußen aufgrund des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes; Nichtvorliegen einer Gesamtbetriebsvereinbarung trotz Mitunterzeichnung einer internen Mitteilung durch ein Mitglied des Gesamtbetriebsrats; Fehlen einer rechtsgeschäftlichen Zusage für Ausgleich von Renteneinbußen
Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 20.06.2000, Az.: 3 AZR 620/99
Altersteilzeit: Arbeitgeber muss neue Nachteile nicht ausgleichen
Scheidet ein Arbeitnehmer im Rahmen der Altersteilzeit aus dem Arbeitsverhältnis aus und sagt der Arbeitgeber zu, ihm Nachteile, die aus der Rentenkürzung wegen Rentenbeginns vor dem 65. Geburtstag entstehen, auszugleichen, so muss er keine zusätzlichen Zahlungen leisten, wenn sich das Recht bis zur ersten Rentenzahlung erneut verschlechtert (hier: weitere Kürzungen, die bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar waren).
Quelle: Wolfgang Büser
Nachträgliche Verschlechterung der gesetzlichen Rente bei Frühverrentungsmodellen; Verpflichtung des Arbeitgebers zum Ausgleich von Einbußen wegen langandauernder Arbeitslodsigkeit bei vorgezogenem Eintritt in den Ruhestand ; Auswirkung einer fehlenden Regelung wegen Einbußen aufgrund des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes; Nichtvorliegen einer Gesamtbetriebsvereinbarung trotz Mitunterzeichnung einer internen Mitteilung durch ein Mitglied des Gesamtbetriebsrats; Fehlen einer rechtsgeschäftlichen Zusage für Ausgleich von Renteneinbußen
Verfahrensgang:
vorgehend:
ArbG Braunschweig - 18.11.1997 - 1 Ca 788/97
LAG Niedersachsen - 16.06.1999 - AZ: 6 Sa 623/98
Rechtsgrundlage:
Fundstellen:
ARST 2000, 263-264
AuA 2000, 385
DB 2000, 1414
FA 2000, 260
NWB 2000, 2611
ZAP EN-Nr. 0/2000
BAG, 20.06.2000 - 3 AZR 620/99
In dem Rechtsstreit
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke,
die Richter am Bundesarbeitsgericht Kremhelmer und Bepler,
den ehrenamtlichen Richter Dr. Kaiser und
die ehrenamtliche Richterin Frehse
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 16. Juni 1999 - 6 Sa 623/98 - wird zurückgewiesen.
- 2.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger bei vorgezogenem Eintritt in den Ruhestand wegen langandauernder Arbeitslosigkeit die Einbußen an der gesetzlichen Rente auszugleichen, die auf Grund des Gesetzes zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 25. September 1996 eintreten werden.
2
Bei der Beklagten werden seit Jahren Frühverrentungsmodelle, sogenannte 55er-Regelungen, praktiziert. Arbeitnehmer scheiden nach Vollendung des 55. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus und nehmen nach Zeiten der Arbeitslosigkeit, in denen sie auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung Zuschüsse der Beklagten erhalten, mit Vollendung des 60. Lebensjahres die vorgezogene gesetzliche Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach § 237 SGB VI und Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in Anspruch.
3
Hintergrund des Konfliktes der Parteien, der auch in zahlreichen Parallelprozessen ausgetragen wird, ist die Entwicklung der gesetzlichen Regelungen für die Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Mit dem Rentenreformgesetz 1992 war eine schrittweise Erhöhung der bis dahin geltenden Altersgrenzen von 60 und 63 Jahren bis zur Regelaltersgrenze 65 festgelegt worden. Hiernach war zwar auch weiterhin eine vorgezogene Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente möglich. Sie war jedoch für die Geburtsjahrgänge ab 1941 mit Abschlägen verbunden. Arbeitnehmer des Jahrgangs 1941 mußten je nach genauem Geburtstag einen Abschlag zwischen 0,3 und 0,9 % hinnehmen, sollten sie die Rente bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch nehmen. Im Herbst 1995 begann die öffentliche Diskussion um das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand (Altersteilzeitgesetz) mit dem eine sozialverträgliche Alternative zur bisherigen Frühverrentungspraxis angestrebt wurde. Auch durch dieses am 23. Juli 1996 verkündete Gesetz wurde die Möglichkeit, mit Vollendung des 60. Lebensjahres wegen Arbeitslosigkeit Altersrente in Anspruch zu nehmen, nicht beseitigt. Für Arbeitnehmer des Jahrgangs 1941 wurde die Altersgrenze des § 237 SGB VI jedoch in einem Zug auf die Vollendung des 63. Lebensjahres heraufgesetzt. Für jeden Monat der vorgezogenen Pensionierung mußte dann ein Abschlag von 0,3 % hingenommen werden, der sich auf insgesamt bis zu 10,8 % belaufen konnte. Am 10. Mai 1996 schließlich wurde der Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung eingebracht. Von diesem am 25. September 1996 verabschiedeten Gesetz hatte die Öffentlichkeit am 25. April 1996 erfahren. Das Gesetz sah für alle Altersrenten eine stufenweise Heraufsetzung des Rentenalters auf die Vollendung des 65. Lebensjahres vor. Für den Jahrgang 1941 wurde die Altersgrenze des § 237 SGB VI wie folgt angehoben: Je nach Geburtsmonat belief sich die Altersgrenze auf 64 Jahre und einen Monat (Geburtsmonat: Januar) bis 65 Jahre (Geburtsmonat: Dezember). Mit dieser Gesetzesänderung sind weitere Rentenminderungen bei einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab Alter 60 für den Jahrgang 1941 in einem Umfang von 3,9 % bis 7,2 % verbunden.
4
Der am 12. November 1941 geborene Kläger war seit 1964 bei der Beklagten in deren Werk Baunatal beschäftigt. Seit 1993 war er freigestelltes Betriebsratsmitglied. Für die Jahre 1995/1996 war bei der Beklagten eine Frühverrentung des Jahrgangs 1941 geplant. Nach einer im einzelnen zwischen den Parteien streitigen Vorgeschichte vereinbarten die Parteien am 14. November 1995 die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 1998. Weiter heißt es in der schriftlichen Bestätigung der Vereinbarung durch die Beklagte, der Kläger werde bis zum 30. November 2001 eine Überbrükkungsbeihilfe entsprechend der Betriebsvereinbarung "Altersregelung 1994" und der dazugehörigen Protokollnotizen erhalten. Über die Leistungen nach Ablauf des Überbrückungszeitraumes erhalte der Kläger zu gegebener Zeit eine gesonderte Nachricht.
5
In einem von zwei Vorstandsmitgliedern der Beklagten unterzeichneten Schreiben an den Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats vom 15. November 1995 heißt es ua.:
" Altersregelung 1995 - Ausgleich evtl. Rentenverluste
1.
Sofern die beabsichtigte Gesetzesänderung bei der gesetzlichen Altersrente zu Rentenabschlägen führt, die über die im Rentenreformgesetz 1992 festgelegten Abschläge hinausgehen, wird die Volkswagen AG die ggf. eintretende Minderung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung ausgleichen. Dieser Ausgleich wird ab Bezugszeitpunkt der gesetzlichen Altersrente monatlich gezahlt ..."
6
Mit Schreiben vom 16. November 1995 versandte der Leiter des zentralen Personalwesens eine mit dem Gesamtbetriebsrat abgestimmte und von dessen Vorsitzenden mit abgezeichnete Handlungsanweisung an die Personalsachbearbeiter, dem das Schreiben vom 15. November 1995 beigefügt wurde, und in dem es ua. heißt:
" Altersregelung 1995
Auf Basis des beigelegten Briefes des Vorstandes an den Gesamtbetriebsrat (Anlage 1) haben wir mit dem Gesamtbetriebsrat Einvernehmen hinsichtlich der Vorgehensweise zu o.a. Sachverhalt erzielt ... Es sind folgende Maßnahmen festgelegt:
...
3)
Sofern für diese Personenkreise über das RRG 92 hinausgehende Minderungen eintreten könnten, werden diese im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung ausgeglichen. Wir bitten, die betroffenen Werksangehörigen auf diesen Sachverhalt (einschließlich der Auswirkungen RRG 92) ausdrücklich hinzuweisen. Hinsichtlich der möglichen steuerlichen und sozialversicherungsrelevanten Auswirkungen bitten wir, in den Erläuterungen auf die beiliegenden Beispielsrechnungen (Anlage 2) zurückzugreifen ..."
7
Im März 1996 vereinbarte die Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat eine Ergänzung der Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung. Sie sieht vor, daß die Beklagte bei Arbeitnehmern, die nach dem 13. Februar 1996 das 55. Lebensjahr vollenden, die Abschläge in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgleicht, die auf Grund des Gesetzes zur Förderung des gleitenden Übergangs in den Ruhestand eintreten. Daraus ergibt sich ein Ausgleich von Rentenkürzungen bis zu 10,8 %.
8
Mit Schreiben vom 25. September 1996 informierte die Beklagte den Kläger über diese Gesamtbetriebsvereinbarung sowie darüber, daß die weitere mit dem Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz verbundene Rentenkürzung, die sich für den Kläger auf 6,9 % belaufen wird, nicht von der Beklagten ausgeglichen werde. Der Kläger verlangte auf Grund dieses Hinweises auch dann nicht seine Wiedereinstellung, als die Beklagte sie ihm in Aussicht stellte.
9
Der Kläger hat behauptet, der Mitarbeiter S... der Beklagten habe im Rahmen einer Informationsveranstaltung am 9. oder 10. November 1995, an der er teilgenommen habe, versichert, Rentenminderungen könnten bei Abschluß der vorgeschlagenen Aufhebungsvereinbarungen nicht eintreten. Die Beklagte werde etwa in Zukunft eintretende Rentenminderungen ausgleichen. Entsprechend sei der Aufhebungsvertrag vom 14. November 1995 auszulegen. Hilfsweise müsse er wegen einer Änderung der Geschäftsgrundlage angepaßt werden.
10
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab Rentenbeginn ab dem 1. Dezember 2001 nicht nur die auf Grund des Gesetzes zur Förderung des gleitenden Übergangs in den Ruhestand, sondern auch die auf Grund des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes erfolgenden Abschläge von der gesetzlichen Rente in vollem Umfang auszugleichen.
11
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Sie hat die Klage bereits für unzulässig gehalten, weil ihr das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehle. Im übrigen seien von dem Mitarbeiter S... der Beklagten bei der Informationsveranstaltung Hinweise auf die möglichen Auswirkungen des Altersteilzeitgesetzes und die Bereitschaft der Beklagten gegeben worden, hier möglicherweise entstehende Abschläge vom gesetzlichen Rentenanspruch auszugleichen. Vertragliche Zusagen habe es nicht gegeben. Auch ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liege nicht vor. Im übrigen habe sie dem Kläger im Dezember 1996, als er wegen der mit der Rentenkürzung für ihn verbundenen Härte bei ihr vorgesprochen habe, angeboten, weiterhin für sie tätig zu sein. Der Kläger habe darauf aber lediglich erklärt, er behalte sich weitere Schritte vor.
13
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Gründe
14
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Ausgleich der durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz voraussichtlich eintretenden Minderung seiner mit Vollendung des 60. Lebensjahres wegen Arbeitslosigkeit in Anspruch genommenen Altersrente.
15
a)
Die Klage ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger das hierfür erforderliche besondere Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es für die Entscheidung des Klägers, Altersrente wegen Arbeitslosigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in Anspruch zu nehmen, von einiger Bedeutung ist, wie hoch seine Altersversorgung insgesamt sein wird. Er hat deshalb ein schützenswertes Interesse an der Feststellung einer etwaigen Ausgleichspflicht der Beklagten.
16
b)
Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Ausgleichszahlungen gegenüber der Beklagten.
17
1.
Der Kläger hat keine kollektivrechtliche Grundlage für den von ihm geltend gemachten Anspruch.
18
Die bei der Beklagten geltende Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung sieht zwar Ausgleichsleistungen im Hinblick auf die Verschlechterung des gesetzlichen Rentenanspruchs aus § 237 SGB VI durch das Altersteilzeitgesetz vor. Für die Einbußen auf Grund des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes fehlt aber eine entsprechende Regelung.
19
Ein solcher Ausgleichsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben des Vorstandes der Beklagten an den Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates vom 15. November 1995 und dem Schreiben des Leiters des zentralen Personalwesens an die Personalsachbearbeiter vom 16. November 1995.
20
Bei der internen Mitteilung vom 16. November 1995 handelt es sich trotz der Mitunterzeichnung durch ein Mitglied des Gesamtbetriebsrats nicht um eine Gesamtbetriebsvereinbarung. Das schriftlich Niedergelegte ist keine Vereinbarung zwischen Gesamtbetriebsrat und Geschäftsleitung, sondern eine Arbeitsanweisung für die Personalsachbearbeiter. Es ist auszuschließen, daß die Betriebspartner bei einem Unternehmen wie dem der Beklagten für eine Gesamtbetriebsvereinbarung eine solche Form gewählt haben. Der Mitteilung mag eine Regelungsabrede zwischen Gesamtbetriebsrat und Geschäftsleitung der Beklagten zugrunde gelegen haben, die später nach einer weiteren Verfestigung und Konkretisierung des damals vom Gesetzgeber Geplanten in einer die Gesamtbetriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung ergänzenden Betriebsvereinbarung umzusetzen sein würde, wie dies dann auch tatsächlich geschehen ist. Eine Anspruchsgrundlage für den Kläger enthalten die genannten Anschreiben nicht.
21
Den Schreiben kann im übrigen auch nicht die vom Kläger angestrebte Festlegung entnommen werden, daß alle auf Grund von Gesetzesänderungen in Zukunft eintretenden Verschlechterungen der gesetzlichen Rente bei einem Bezug ab Vollendung des 60. Lebensjahres nach § 237 SGB VI durch die Beklagte auszugleichen wären. Das Schreiben der Beklagten an den Gesamtbetriebsrat vom 15. November 1995 nimmt ausdrücklich auf die beabsichtigte Gesetzesänderung bei der gesetzlichen Altersrente Bezug, also auf das, was zum Zeitpunkt der Abfassung des Schreibens in der politischen und öffentlichen Diskussion war. Dies war nur das Altersteilzeitgesetz. Das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz gehörte hierzu nicht. Die dort verfolgten Regelungsziele hat der Gesetzgeber erst im Frühjahr 1996 in die öffentliche Diskussion gebracht. Hiernach sollten Renten- und Arbeitslosenversicherung allgemein entlastet werden, indem man die Altersgrenzen für die Altersrente für Frauen und für langjährig Versicherte früher als im Rentenreformgesetz 1992 vorgesehen anheben wollte und letztlich auch angehoben hat (BT-Drucks. 13/4610 S 19).
22
In dem vom Gesamtbetriebsrat mit abgezeichneten Schreiben vom 16. November 1995 ist zwar etwas allgemeiner formuliert. Es werden die "über das Rentenreformgesetz 1992 hinausgehenden" Rentenminderungen als ausgleichsfähig bezeichnet. Dadurch, daß das Schreiben des Vorstandes der Beklagten vom 15. November 1995 in Bezug genommen und beigefügt wurde, wurde jedoch deutlich gemacht, daß es nur um den Ausgleich der Verschlechterungen im Zuge der anstehenden Gesetzesänderung, also des geplanten Altersteilzeitgesetzes, gehen sollte.
23
2.
Der Kläger hat auch keinen einzelvertraglichen Erfüllungsanspruch auf die geltend gemachten Ausgleichszahlungen. Die Beklagte hat im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses des Klägers keine darauf gerichtete rechtsgeschäftliche Verpflichtung übernommen.
24
Die Beklagte hat dem Kläger bei der Informationsveranstaltung am 9. oder 10. November 1995 keine entsprechende rechtsgeschäftliche Zusage gemacht. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, welche Erklärungen der Mitarbeiter S... der Beklagten bei dieser Informationsveranstaltung im einzelnen abgegeben hat.
25
Es konnte aus der Sicht der Arbeitnehmer der Beklagten nicht zweifelhaft sein, daß die Mitarbeiter der Personalleitung nur das erläutern wollten, was noch in der gebotenen Form im einzelnen zwischen den Betriebspartnern geregelt werden würde. Daß in einem Unternehmen wie dem der Beklagten im Rahmen einer Informationsveranstaltung rechtsgeschäftliche Erklärungen an alle Zuhörer abgegeben würden, noch dazu in einer dem Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats unterliegenden Angelegenheit, konnte kein langjährig beschäftigter Arbeitnehmer der Beklagten annehmen. Das gilt um so mehr, als kein Vorstandsmitglied anwesend war, und es sich nur um eine Teilversammlung in einem von mehreren Werken der Beklagten handelte, bei dem eine mündliche Zusage nur einen Teil der möglichen von der Gesamtmaßnahme Betroffenen erreichen würde.
26
Der Kläger hat auch keinen solchen Anspruch aus dem Aufhebungsvertrag vom 14. November 1995.
27
Der von der Beklagten schriftlich bestätigte Aufhebungsvertrag nimmt lediglich die bei seinem Abschluß bestehende Rechtslage in der gesetzlichen Rentenversicherung in Bezug. Er legt nicht fest, daß die Beklagte durch Zuschußleistungen sicherstellen wird, daß der Kläger im Ergebnis nie weniger erhalten wird, als er nach der derzeitigen Gesetzeslage erhalten wird. Im Aufhebungsvertrag findet sich auch kein Hinweis darauf, daß die Parteien zusätzliche Leistungspflichten der Beklagten im Hinblick auf etwaige weitere Änderungen der Rentengesetze auch nur erwogen haben. Damit fehlt auch jede Rechtfertigung für eine ergänzende Auslegung des Aufhebungsvertrages in dem vom Kläger angestrebten Sinne.
28
Der geltend gemachte Erfüllungsanspruch kann sich auch nicht auf dem Weg über eine Anpassung des Aufhebungsvertrages wegen Änderung der Geschäftsgrundlage ergeben.
29
Dabei sind unter Geschäftsgrundlage die bei Abschluß eines Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei zu verstehen oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen (Nicht-)Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut An eine Änderung der Geschäftsgrundlage des Aufhebungsvertrages vom 14. November 1995 könnte man denken, weil es möglicherweise entgegen der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien nach streitloser Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einer weiteren Verschlechterung der Rentensituation für die Bezieher von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gekommen ist. Eine solche Änderung der Ausgangslage könnte aber allenfalls dann zu einer Anpassung des Abwicklungsvertrages führen, wenn die eingetretene Veränderung nicht dem Risikobereich des Klägers zuzuweisen wäre. Diese Voraussetzung ist jedoch nicht erfüllt. Wenn der Gesetzgeber den Empfängern der gesetzlichen Altersrente für den Fall einer vorgezogenen Inanspruchnahme bestimmte Nachteile aufbürdet, haben sie diese selbst zu tragen und können sie regelmäßig nicht auf den Arbeitgeber abwälzen (BAG 14. März 2000 - 9 AZR 493/99 - nv.). Eine Korrektur dieses Ergebnisses mit Hilfe der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist ausgeschlossen. Allein der Umstand, daß der Arbeitgeber es übernommen hat, bestimmte andere den künftigen Rentner treffende Nachteile auszugleichen, rechtfertigt es nicht, ihm zusätzliche Ausgleichspflichten aufzuerlegen.
30
(BAG 9. Juli 1986 - 5 AZR 44/85 - BAGE 52, 273,). Entfällt die Geschäftsgrundlage infolge späterer Ereignisse oder wird sie wesentlich erschüttert, kann ein Anspruch auf Anpassung der Vertragsbedingungen entstehen.
31
Der Kläger kann die geltend gemachten Ausgleichszahlungen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung als Schadensersatz von der Beklagten verlangen.
32
Es ist schon zweifelhaft, ob dem Mitarbeiter S... der Beklagten im Zusammenhang mit seinen Äußerungen auf der Informationsveranstaltung am 9. oder 10. November 1995 eine - der Beklagten nach § 278 BGB zuzurechnende - Vertragsverletzungshandlung vorgeworfen werden kann. Aber selbst wenn man zugunsten des Klägers annähme, er sei auf der Informationsveranstaltung falsch informiert worden, so folgte daraus nicht der geltend gemachte Anspruch. Der Kläger hätte dann lediglich einen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, wie er ohne die Pflichtverletzung gestanden hätte (§ 249 BGB). Dabei ist schon fraglich, ob der Kläger ohne die angeblichen Falschinformationen wirklich vom Abschluß des Aufhebungsvertrages Abstand genommen hätte. Dies hat der Kläger nicht substantiiert behauptet. Dies wäre erforderlich gewesen, weil es um eine innere Tatsache geht, für die angesichts der ansonsten beteiligten gewichtigen Interessen keine überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht.
33
3.
Darüber hinaus wäre die Rechtsfolge aber auch nur, daß der Kläger so zu stellen wäre, als wäre der Abwicklungsvertrag nicht zustande gekommen (§ 249 BGB). Unter diesen Umständen hätte der Kläger also möglicherweise einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gehabt. Einen Anspruch darauf, so behandelt zu werden, als wäre der Abwicklungsvertrag mit günstigeren als den tatsächlich festgelegten Bedingungen zustande gekommen, nämlich mit einer weitergehenden Nachteilsausgleichspflicht der Beklagten, hätte der Kläger in keinem Falle.
Reinecke
Kremhelmer
Bepler
Kaiser
H. Frehse
Kaufhold, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle