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BFH, 22.07.2003 - IX R 59/02 - Verhältnis einer vereinbarten verbilligten Miete zwischen Angehörigen zur ortsüblichen Martkmiete; Negative Überschußprognose bei Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht; Aufteilungsverbot des § 21 Abs. 2 S. 2 Einkommensteuerrecht (EStG); Aufteilung der Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil; Steuerrechtliche Anerkennung eines Mietvertrages
Bundesfinanzhof
Urt. v. 22.07.2003, Az.: IX R 59/02
Miete unter 50% spart weniger Abgaben
Wer eine Wohnung (hier: an einen Angehörigen) zu weniger als 50 % der ortsüblichen Miete vermietet, der kann seinen Aufwand für die Wohnung nur insoweit vom steuerpflichtigen Einkommen abziehen, als es dem Prozentsatz der Vergleichsmiete entspricht. In solchen Fällen ist dann nicht mehr zu prüfen, ob der Vermieter in den kommenden 30 Jahren überhaupt noch einen Gewinn aus der Vermietung erwartet.
Quelle: Wolfgang Büser
Verhältnis einer vereinbarten verbilligten Miete zwischen Angehörigen zur ortsüblichen Martkmiete; Negative Überschußprognose bei Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht; Aufteilungsverbot des § 21 Abs. 2 S. 2 Einkommensteuerrecht (EStG); Aufteilung der Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil; Steuerrechtliche Anerkennung eines Mietvertrages
Verfahrensgang:
vorgehend:
FG Hessen - 20.12.2001 - AZ: 1 K 1419/96
Rechtsgrundlagen:
§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO
§ 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
§ 21 Abs. 2 S. 2 EStG
Fundstellen:
BFHE 202, 566 - 570
BB 2003, 2165 (amtl. Leitsatz)
BB 2003, 2273-2274 (Volltext mit amtl. LS)
BFH/NV 2003, 1493-1494 (Volltext mit amtl. LS)
BStBl II 2003, 806-807 (Volltext mit amtl. LS)
BTR 2003, 301
DB 2003, VI Heft 40 (amtl. Leitsatz)
DB 2003, 2263-2264 (Volltext mit amtl. LS)
DStR 2003, 1742-1743 (Volltext mit amtl. LS)
DStRE 2003, 1367
DStZ 2003, 747 (Kurzinformation)
EStB 2003, 415 (Volltext mit amtl. LS)
FR 2003, 1180-1181
GStB 2003, 50
HFR 2003, 1053-1054
ImmoStR 2004, 80
INF 2003, 766
KÖSDI 2003, 13934-13935 (Kurzinformation)
NJW 2004, 1408 (amtl. Leitsatz) "Vergunstmiete/ Fremdvergleich"
NWB 2005, 1669-1670 (Kurzinformation)
NWB 2003, 3185
NZM 2004, 33-34 (Volltext mit amtl. LS)
stak 2003
StBW 2003, 3
SteuerBriefe 2003, 1404-1406
StuB 2003, 904
ZfIR 2003, 1007-1008 (Volltext mit amtl. LS)
BFH, 22.07.2003 - IX R 59/02
Amtlicher Leitsatz:
Wird die Nutzungsüberlassung in den Fällen des § 21 Abs. 2 EStG in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt, so ist das in der verbilligten Vermietung liegende nicht marktgerechte Verhalten des Steuerpflichtigen für die Prüfung seiner Einkünfteerzielungsabsicht im Rahmen des entgeltlichen Teils ebenso wenig bedeutsam wie für den Fremdvergleich (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 5. November 2002 IX R 48/01, BFHE 201, 46).
Gründe
1
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (1992) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Sie erwarben im September 1991 von der Mutter der Klägerin ein 1982 mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück für 500.000,00 DM. Einen Teilbetrag von 120.000,00 DM hatten die Kläger nach dem Vertrag bereits vorab gezahlt. Einen weiteren Teilbetrag von 5.000,00 DM hatten die Kläger durch Ablösung einer Darlehensschuld erbracht. Den Restbetrag von 375.000,00 DM stundete die Mutter der Klägerin darlehensweise gegen eine Verzinsung. Die Tilgung betrug ab dem 1. Oktober 1992 monatlich 1.500,00 DM.
2
Ab Oktober 1991 vermietete der Kläger das Haus an die Eltern der Klägerin für einen monatlichen Mietzins von 500,00 DM ohne Nebenabgaben (4,02 DM pro qm). Entsprechend der von ihm den Mietern gegenüber eingegangenen Verpflichtung ließ der Kläger überdies eine Küche für 26.422,00 DM einbauen.
3
Im Streitjahr erklärte der Kläger bei 6.000,00 DM Einnahmen aus der Vermietung des Hauses einen Werbungskostenüberschuss von 53.116,00 DM - wie auch in den Folgejahren zwischen 21.400,00 DM und 51.200,00 DM, bis 1999 zusammen ca. 280.000,00 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging davon aus, die ortsübliche Marktmiete für das Objekt belaufe sich auf 10,00 DM pro qm zuzüglich eines Zuschlags von 10 v.H. für die Einbauküche und berücksichtigte deshalb die geltend gemachten Werbungskosten in dem Verhältnis, das der vereinbarten Miete zu der ortsüblichen Marktmiete entspreche, also in Höhe von 36,1 v.H. (21.341,00 DM).
4
Im Einspruchverfahren stritten die Beteiligten vornehmlich um die Höhe der vertraglichen sowie um den Ansatz einer ortsüblichen Miete. Das FA wies den Einspruch zurück. Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) verneinte die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger. Es ließ dahinstehen, ob das Mietverhältnis steuerrechtlich überhaupt anzuerkennen sei und auch, in welchem Verhältnis die vereinbarte Miete zur Marktmiete konkret stehe. Im Streitfall sei die Annahme gerechtfertigt, die vereinbarte Miete betrage erheblich weniger als die Hälfte der ortsüblichen Miete. Aber auch dann, wenn man davon ausgehe, die gezahlte Miete belaufe sich auf 58 v.H. der ortsüblichen Miete, lägen besondere Umstände vor, die gegen die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger sprächen. Ein Einnahmeüberschuss sei erst nach 22 Jahren bei schon erwirtschafteten Werbungskostenüberschüssen von 281.000,00 DM erreichbar; der Prognose-Zeitraum von 20 bis 25 Jahren sei dann praktisch bereits abgelaufen.
5
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts, und zwar insbesondere im Hinblick auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. November 2002 IX R 48/01 (BFHE 201, 46).
6
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 1992 vom 1. November 1993 die Einkommensteuer auf 35.608,00 DM herabzusetzen.
7
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8
II.
Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
9
Die Vorentscheidung verletzt § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Streitjahres.
10
a)
Vereinbaren Angehörige eine verbilligte Miete und beträgt die vertraglich vereinbarte Miete mindestens 50 v.H. der ortsüblichen Marktmiete, so ist nach § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG grundsätzlich von einem voll entgeltlichen Geschäft auszugehen.
11
Führt eine wegen der verbilligten Miete veranlasste Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht (die nach den Grundsätzen in den BFH-Urteilen vom 6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, und vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422 [BFH 09.07.2002 - IX R 57/00] vorzunehmen ist) zu einer negativen Überschussprognose, so ist die Vertragsmiete trotz des in § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG angeordneten Aufteilungsverbots im Wege einer teleologischen Reduktion dieser Vorschrift in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen (BFH-Urteil in BFHE 201, 46 [BFH 05.11.2002 - IX R 48/01]).
12
Beträgt der Mietzins weniger als 50 v.H. der ortsüblichen Marktmiete, sind die mit der Vermietungstätigkeit zusammenhängenden Werbungskosten gemäß § 21 Abs. 2 EStG insoweit abziehbar, als sie anteilig auf den entgeltlichen Teil der Vermietung entfallen.
13
b)
Wird die Nutzungsüberlassung danach in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt, so ist das in der verbilligten Vermietung liegende nicht marktgerechte Verhalten des Steuerpflichtigen für die Prüfung seiner Einkünfteerzielungsabsicht ebenso wenig bedeutsam wie für den Fremdvergleich (BFH in BFHE 201, 46 [BFH 05.11.2002 - IX R 48/01], unter II. 1. b a.A. a.E. und c; BFH-Urteil vom 5. November 2002 IX R 32/02, BFH/NV 2003, 599 [BFH 05.11.2002 - IX R 32/02]). Denn die Aufteilung ist Rechtsfolge dieses nicht marktgerechten Verhaltens; sie führt bei teilentgeltlichen Rechtsgeschäften zu einer steuerrechtlichen Aufspaltung des zivilrechtlich einheitlichen Rechtsgeschäfts in einen steuerbaren entgeltlichen und in einen nicht steuerbaren unentgeltlichen Teil. Das Gesetz regelt damit die Auswirkungen eines Verzichts des Steuerpflichtigen auf mögliche Einnahmen und unterwirft die Nutzungsüberlassung nur insoweit der Besteuerung, als der Steuerpflichtige sich marktgerecht verhält. Soweit er dies nicht tut und seine Immobilie unentgeltlich nutzen lässt, wird er von vornherein nicht steuerbar tätig und kann deshalb auch seine damit zusammenhängenden Aufwendungen nicht als Werbungskosten abziehen. Soweit er sein bebautes unbewegliches Vermögen indes entgeltlich und auf Dauer überlässt, ist --wie bei jeder anderen voll entgeltlichen Vermietungstätigkeit auch-- grundsätzlich davon auszugehen, dass er beabsichtigt, einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften. Die Ausnahmefälle, die dann noch zur Prüfung seiner Einkünfteerzielungsabsicht führen können (vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771), umfassen nicht wiederum den Umstand des verbilligten Vermietens, der ja gerade die Aufteilung des Rechtsgeschäfts herbeigeführt hatte.
14
Deshalb spricht es entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht gegen die Einkünfteerzielungsabsicht, wenn die vereinbarte Miete nicht einmal ein Drittel der (ungekürzten) Werbungskosten erreicht. Zwar hatte der BFH darin eine besondere Art der Nutzung gesehen, die für sich allein Beweisanzeichen für eine private, nicht mehr mit dem Erzielen von Einkünften zusammenhängende Veranlassung sein kann (BFH-Urteile vom 25. Januar 1994 IX R 139/92, BFH/NV 1995, 11, und in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771 [BFH 30.09.1997 - IX R 80/94], unter 2. d a.E.). Indes ging er in seiner Entscheidung in BFH/NV 1995, 11 davon aus, die Werbungskosten seien auch dann nicht zu kürzen, wenn teilweise unentgeltlich vermietet wird. An dieser Rechtsprechung hat er aber im Rahmen der Auslegung des § 21 Abs. 2 EStG in seinem Urteil in BFHE 201, 46 [BFH 05.11.2002 - IX R 48/01], unter II. 1. b cc nicht mehr festgehalten.
15
c)
Nach diesen Maßstäben ist die Vorentscheidung revisionsrechtlich zu beanstanden; denn das FG hätte nicht offen lassen dürfen, in welchem Verhältnis die im Streitfall vereinbarte Miete zur ortsüblichen Marktmiete steht. Überdies entspricht die Prognose zur Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht den Anforderungen im Urteil des BFH in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 [BFH 06.11.2001 - IX R 97/00]).
16
aa)
Beträgt die zwischen dem Kläger und den Eltern der Klägerin vereinbarte Miete --wovon das FA bereits bei Erlass des angefochtenen Einkommensteuerbescheids ausgegangen ist-- unter 50 v.H. der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Die geltend gemachten Aufwendungen sind insoweit zu berücksichtigen, als sie auf den entgeltlichen Teil entfallen. In diesem Fall darf die Einkünfteerzielungsabsicht nicht mehr in Bezug auf die verbilligte Miete geprüft werden.
17
bb)
Beträgt die zwischen den Mietparteien vereinbarte Miete mindestens 50 v.H. und mehr, jedoch weniger als 75 v.H. der ortsüblichen Marktmiete, so kommt es entgegen der Auffassung des FG auch dann zu einer Aufteilung des Mietverhältnisses und damit zu einer teilweisen Berücksichtigung von Werbungskosten, wenn die Ertragsprognose negativ ist. Bei der Prognose zur Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht ist entgegen der Auffassung des FG von einem Zeitraum von 30 Jahren nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 [BFH 06.11.2001 - IX R 97/00] auszugehen.
18
d)
Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann wegen fehlender Feststellungen des FG zur Höhe der ortsüblichen Marktmiete sowie zur Vertragsmiete nicht selbst entscheiden. In einer neuen Verhandlung und Entscheidung wird das FG die fehlenden Feststellungen nachzuholen haben.
19
Es wird ferner die bisher offen gelassene Frage zu prüfen haben, ob der Mietvertrag einem Fremdvergleich standhält oder nicht. Entspricht der Vertrag nämlich --abgesehen von dem Umstand der verbilligten Vermietung-- nicht dem, was fremde Dritte vereinbart hätten, wäre der Vertrag steuerrechtlich nicht anzuerkennen. Es käme dann nicht mehr darauf an, ob und inwieweit das Entgelt aufgeteilt werden müsste.
20
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