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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.

Fixum
Fixum
Inhaltsübersicht
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Information
1. Allgemeines
Es ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer oft schwer, die richtige Vergütung zu finden. Neben unrealistischen Forderungen des Mitarbeiters wird eine sach- und leistungsgerechte Bezahlung oftmals von Tarifverträgen blockiert. Eine Lösung bietet sich zwischen den Extremen an. Zu einer flexiblen, erfolgsabhängigen Vergütung gehört unbedingt ein fester Gehaltsbestandteil, das sogenannte Fixum.
2. Grundsatz
Wo kein Tarifvertrag oder eine andere kollektive Vergütungsvorschrift Anwendung findet, müssen sich die Vertragspartner über die Vergütung einig werden. In der Regel wird ein festes Gehalt oder ein fester Lohn vereinbart. Das hat für den Mitarbeiter den Vorteil, dass er jeden Monat die gleiche Vergütung bekommt. Ob er die erwartete Leistung gebracht hat, ist dabei unerheblich. Er hat in jedem Fall Anspruch auf Bezahlung in der vereinbarten Höhe. Genauso ist es bei Tarifgehältern und Tariflöhnen.
Auch wenn eine leistungsunabhängige Vergütung vereinbart wird, kann dies für Seiten unbefriedigend sein. Starre Vergütungen lassen keine individuellen Lösungen zu und schaffen so Unzufriedenheit. Ein Weg, dieses Problem zu lösen, ist die Vereinbarung einer leistungsabhängigen Vergütung, z.B. einer Provision. Während es allgemein als unzulässig angesehen wird, die Arbeitnehmervergütung völlig auf Provisionsbasis zu stellen, hat es sich seit jeher eingebürgert, neben der Provision ein so genanntes Fixum zu zahlen.
Der Arbeitnehmer hat damit den Vorteil, dass ihm eine bestimmte Mindestvergütung monatlich garantiert ist. Der Arbeitgeber kann sein wirtschaftliches Risiko nämlich nicht völlig auf den Arbeitnehmer überwälzen. Nun gibt es keine gesetzliche Regelung darüber, wie die Höhe des Fixums zu bestimmen ist. Folgt man dem Gebot der Fairness, sollte es allerdings mindestens dem Sozialhilfesatz entsprechen (arg. ex Urteil ArbG Bremen, 30.08.2000 - 5 Ca 5152/00 u. 5 Ca 5198/00). Für den variablen Vergütungsbestandteil gibt es dann nach oben hin keine Grenzen mehr. Hier haben es die Vertragsparteien in der Hand, eine für ihr Arbeitsverhältnis passende Lösung zu finden. Sie orientiert sich an der Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Seit dem 01.01.2015 gibt es in der Bundesrepublik einen gesetzlichen Mindestlohn. Jeder Arbeitnehmer hat nach § 1 Abs. 1 MiLoG Anspruch auf diesen Mindestlohn, der aktuell ab dem 01.01.2021 9,50 EUR/h brutto beträgt (ab 01.07.2021: 9,60 EUR/h brutto, ab 01.01.2022: 9,82 EUR/h brutto und ab 01.07.2022: 10,45 EUR/h brutto). Der Mindestlohn ist unabdingbar, § 3 Satz 1 MiLoG. Arbeitgeber sind nach § 20 MiLoG verpflichtet,
"ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns nach § 1 Absatz 2 [MiLoG] spätestens zu dem in § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 [MiLoG] genannten Zeitpunkt zu zahlen."
Was der gesetzliche Mindestlohn für die Fixum-Diskussion bedeutet, ist offen. Hier muss die Rechtsprechung noch Klarheit bringen. Wahrscheinlich wird es so sein, dass Fixum plus garantierte Provision mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns anfallen müssen.
3. Fixum = Tarifgehalt?
Tarifgehälter sind Mindestgehälter. Das führt zu der Frage, ob das Tarifgehalt damit das Fixum ist und die Provision immer oben drauf gezahlt werden muss.
Beispiel:
Dieter D ist als Außendienstmitarbeiter der Gerhard G Großhandlung unterwegs. Gerhard und Dieter haben im Arbeitsvertrag ein Fixum von 1.800 EUR und eine Provision von 2 Prozent auf Dieters persönliche Umsätze vereinbart.
In den ersten beiden Jahren gehen die Geschäfte gut und Dieter verdient zwischen 4.000 und 5.000 EUR im Monat. Dann bröckelt die Kundschaft etwas ab und Dieter bekommt mit Fixum und Provision gerade mal noch knapp über 2.500 EUR. Das passt ihm nun gar nicht. Von einem Bekannten erfährt er, dass sein Tarifgehalt 2.200 EUR beträgt. Dieter meint, Gerhard müsse ihm diese 2.200 EUR als Fixum zahlen und die Provision oben drauf packen.
Zum Manteltarifvertrag des nordrhein-westfälischen Einzelhandels, der die Regelung "Bezieht ein Arbeitnehmer verschiedene Arten von Vergütungen (Fixum und Provision, ausgenommen Stück- oder ähnliche Prämien), so muss das monatliche Fixum mindestens dem monatlichen Tarifgehalt/lohn entsprechen" enthält, hat das BAG bereits vor Jahren entschieden: "Nach § 8 (heute: § 10!) Abs. 6 MTV Einzelhandel NW muss das monatliche Fixum des Angestellten der Höhe nach mindestens dem Tarifgehalt entsprechen. Dabei ist die Zusammensetzung des Fixums unbeachtlich. Der Tarifnorm wird daher auch dann entsprochen, wenn sich das Fixum aus einem Grundgehalt und einer garantierten Verkaufsprämie zusammensetzt (BAG, 29.10.1986 - 4 AZR 643/85)."
Beispiel:
Dieter im Beispiel oben hat eigentlich immer "über Tarif" verdient. Für Gerhard hätte es also genügt, Dieter eine "Garantieprovision" in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Tarifgehalt und dem vereinbarten Fixum zu versprechen. Ebenso hätte es ausgereicht, zu vereinbaren, dass monatlich mindestens das Tarifgehalt gezahlt wird.
Die Provision ist in der Regel eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers und stellt eine übertarifliche Zahlung dar (s. dazu die Stichwörter Außertarifliche Zulagen - Allgemeines ff. und wegen der Provisionszahlung im Krankheitsfall das Stichwort Entgeltfortzahlung - Provision). Der Arbeitgeber muss daher eigentlich bloß dafür sorgen, dass keineUnterschreitung destariflichen Mindestgehalts eintritt.
4. Das Fixum in der neuen BAG-Rechtsprechung
Während bereits nach der alten BAG-Rechtsprechung das Tarifgehalt gesichert war, wenn der Arbeitnehmer als "Fixum", d.h. als monatlich feststehendes Gehalt, mindestens das Tarifgehalt - und zwar unabhängig von der Zusammensetzung - bekam, reicht es nach der neueren BAG-Rechtsprechung aus, wenn das vertraglich vereinbarte Fixum und die Provision rein tatsächlichdastariflicheMindestentgelt erreichen. Eine besondere Garantie ist danach nicht mehr erforderlich.
Beispiel:
Dieter und Gerhard im Beispielsfall der Ziffer 2. hatten 1.800 EUR plus 2 Prozent Provision vereinbart. Während das tarifliche Mindestgehalt "nur" 2.200 EUR betrug, verdiente Dieter trotz rückläufiger Umsätze immerhin noch jeden Monat über 2.500 EUR. Er bekam also mehr als das Tarifgehalt. Die Vorgaben des BAG waren somit erfüllt. Gerhard muss also nicht noch jeden Monat 300 EUR darauf legen, damit Dieter sein Tarifgehalt von 2.200 EUR als Fixum "plus 2 Prozent Provision" bekommt.
Anders wäre es, wenn es Monate gibt, in denen die Umsätze so schwach sind, dass Dieter nicht einmal sein Tarifgehalt verdient. In diesen Monaten muss Gerhard ihm dann den Unterschiedsbetrag zahlen. Hat Dieter beispielsweise im September nur einen provisionsfähigen Umsatz von 20.000 EUR, bringt das eine Provision von mageren 400 EUR. Mit den 1.800 EUR Fixum führt das zu einem Septembergehalt von 2.200 EUR. Hier muss Gerard also noch 300 EUR Tarifgehalt zulegen.
Zur NRW-identischen Regelung im hessischen Manteltarifvertrag sagt das BAG:
"Wenn arbeitsvertraglich neben einer festen untertariflichen Vergütung auch Provisionszahlungen vereinbart sind, führt die Sicherung eines monatlichen festen Betrages (sog. "Fixum") i.H. des tariflichen Gehalts durch § 5 Nr. 6 MTV für den hessischen Einzelhandel nur dazu, dass monatlich unter Einbeziehung der Provisionszahlungen mindestens das tarifliche Gehalt, nicht aber, dass zusätzlich zu den Provisionen eine feste Vergütung i.H. des Tarifgehalts gezahlt werden muss (BAG, 19.01.2000 - 4 AZR 814/98)."
Praxistipp:
Um Missverständnissen von Anfang an vorzubeugen, empfiehlt es sich, diesen Punkt eindeutig im Arbeitsvertrag zu regeln. Das kann beispielsweise mit folgender Klausel geschehen:
"Soweit auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ein Tarifvertrag anwendbar ist, werden tarifliche Ansprüche auf Arbeitsentgelt mit Zahlung des vereinbarten Fixums und der vereinbarten Provision in der jeweils maßgeblichen Höhe erfüllt. Es besteht kein Rechtsanspruch darauf, die hier vereinbarte Provision zusätzlich auf das Tarifgehalt gezahlt zu bekommen."
Hinweis: Es kann Tarifverträge oder andere kollektive Vergütungsregeln geben, die das Verhältnis von Fixum und Provision anders regeln als hier dargestellt. Diese Regelungen sind grundsätzlich vorrangig zu berücksichtigen. Im Übrigen ist die Frage, wie Tarifgehalt, Fixum und Provision zu einander stehen, der individuellen Regelung im Arbeitsvertrag überlassen.
5. Mitbestimmung
§ 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG sagt: "Arbeitsentgelt und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein." § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG enthält eine Regelungssperre gegenüber tarifvertraglichen Bestimmungen. Diese tarifvertraglichen Bestimmungen muss es aber
entweder bereits geben oder
sie müssen üblich sein.
Die Betriebsparteien sollen die Tarifautonomie von Arbeitgebern, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften nicht gefährden. Als tarifüblich werden Regelungen angesehen, die Arbeitsbedingungen betreffen, die üblicherweise im räumlichen, betrieblichen und fachlichen Geltungsbereich durch Tarifvertrag geregelt werden. Ob das so ist, lässt sich nur durch eine genaue Betrachtung der tariflichen Regelungen der jeweiligen Branche erkennen. Eine Betriebsvereinbarung über Fixum und Provision wäre Ausfluss der freiwilligen Mitbestimmung. Der Betriebsrat hat kein Recht, sie zu erzwingen - der Arbeitgeber allerdings auch nicht.
Tarifgehälter sind Mindestgehälter. Insoweit ist eine Mitbestimmung ohnehin ausgeschlossen. Der Betriebsrat hat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG allerdings die allgemeine Aufgabe, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge durchgeführt werden.
Der Betriebsrat hat, soweit keine
gesetzliche oder
tarifliche Regelung
besteht, nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitzubestimmen in "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung". Das Gleiche gilt nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG für die "Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren". Hier handelt es sich - im Gegensatz zur freiwilligen Mitbestimmung - um ein zwingendes Mitbestimmungsrecht, dass sogar über die Einigungsstelle durchgesetzt werden kann (§ 87 Abs. 2 BetrVG). Aber: Die Fragen, ob, in welcher Höhe und zu welchem Zweck ein Arbeitgeber zusätzlich zum Tarifentgelt freiwillige Entgeltbestandteile zahlt, sind der Mitbestimmung entzogen.
Soweit es um Lohngestaltung und Entlohungsgrundsätze im Sinn des § 87 Abs. 1 Nr. 10 u. 11 BetrVG geht, soll die Mitbestimmung u. a.
die Arbeitnehmer vor einer einseitigen und nur an den Interessen des Unternehmens orientierten Lohngestaltung schützen,
die Transparenz des innerbetrieblichen Lohngefüges sichern und
die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit gewährleisten.
Nach BAG, 06.12.1988 - 1 ABR 44/87 - gilt: "zur Lohngestaltung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gehörten die Fragen, ob ein Lohn-(Gehalts-)Fixum und/oder Provisionen gezahlt werden, ferner die Arten der Provisionen, das Verhältnis der Provision zum Lohnfixum (Anrechenbarkeit) sowie das Verhältnis der Provisionen zueinander."
Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich nur auf die Regelung kollektiver Fragen, z.B. die Festlegung von Provisionsgruppen und Provisionspunkten. Die individuelle Entgeltgestaltung im Einzelfall ist dagegen mitbestimmungsfrei.
6. Rechtsprechungs-ABC
Nachfolgend finden Sie einige der wichtigsten Urteile zum Stichwort Fixum (und Provision) in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet:
6.1 Auskunftsanspruch
Besteht die durch Tatsachen begründete Befürchtung, dass der Arbeitgeber einen Mitarbeiter, der vertraglich am Umsatz beteiligt ist, bei der Zuteilung von Aufträgen benachteiligt, muss der Arbeitgeber dem Mitarbeiter Auskunft über die Auftragsverteilung geben (BAG, 21.11.2000 - 9 AZR 665/99).
6.2 Bonuszahlung
Hat sich der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag verpflichtet, eine zusätzliche variable Vergütung zu zahlen, die er nach Ertragslage und Arbeitnehmerleistung festsetzt, so muss er diese Festsetzung über § 315 BGB nach billigem Ermessen vornehmen. Die Festlegung eines allgemeinen Bonuspools oder -volumens ohne individuelle Festlegung einzelner Boni ist noch nicht die Ausübung billigen Ermessens. Der Arbeitgeber muss das festgelegte Bonusvolumen aber "als wesentlichen Umstand in die Ermessensentscheidung über den individuellen Bonus" einbeziehen. "Nur bei Vorliegen besonderer Umstände darf er von dem festgelegten Volumen abweichen" (BAG, 12.10.2011 - 10 AZR 746/10).
6.3 Mindestlohn
Der stark vereinfachte Fall: Ein Arbeitgeber zahlte einen Stundenlohn, der sich aus einem so genannten "Grundlohn" - das waren 8 Euro 10 - und einem Bonus zusammensetzte, der maximal einen Euro pro Stunde betragen konnte. Von diesem Bonus wurden 0,40 EUR pro Stunde fix gezahlt. Ein Verstoß gegen das MiLoG, das zurzeit (Stichtag 30.09.2015) einen Mindestlohn von 8 Euro 50 vorsieht? Das ArbG Düsseldorf meint nein. Unabhängig von der Bezeichnung der Leistung komme es auf das Verhältnis von geleisteter Arbeitszeit und dem tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelt an. Und da betrug die gezahlte Vergütung - 8,10 EUR "Grundlohn" + 0,40 EUR Fixbonus - hier genau die 8,50 EUR, die das MiLoG als Mindestlohn vorschreibt (ArbG Düsseldorf, 20.04.2015 - 5 Ca 1675/15).
6.4 Rückzahlung von Provisionsvorschüssen
Der Arbeitsvertrag eines Arbeitnehmers sah für die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen die Regelung "Voraussetzung für die Zahlung von Superprovision und Provision für Eigengeschäft ist, dass der Mitarbeiter die Provisionsbedingungen, insbesondere die Stornohaftungsbedingungen, der einzelnen Gesellschaften anerkennt und als vertragsgemäß akzeptiert." vor. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sieht eine unangemessene Benachteiligung bei einer Allgemeinen Geschäftsbedingung auch darin, "dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist." "Eine Vertragsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nicht näher benannte Provisions- und Stornohaftungsbedingungen in Bezug nimmt und den Provisionsanspruch daran knüpft, dass der Arbeitnehmer diese Bedingungen "anerkennt und als vertragsgemäß akzeptiert", hält einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 BGB nicht stand (BAG, 21.01.2015 - 10 AZR 84/14 - 1. Leitsatz).
6.5 Sittenwidrigkeit
Die Vereinbarung eines auf den Geschäftsabschluss bezogenen erfolgsabhängigen Entgelts - eine Vermittlungsprovision - ist grundsätzlich auch in Arbeitsverhältnissen möglich. So eine Vereinbarung ist allerdings nach § 138 BGB sittenwidrig, "wenn es dem .. [Arbeitnehmer] im Einzelfall nicht möglich ist, durch vollen Einsatz seiner Arbeitskraft ein ausreichendes Einkommen (...) zu erzielen." Auch bei einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ist eine sittenwidrige Vereinbarung anzunehmen. "Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB liegt vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eine in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns (...) bzw. des allgemeinen Lohnniveaus für die ausgeübte Tätigkeit im Wirtschaftsgebiet (...) erreicht" (BAG, 16.02.2012 - 8 AZR 242/11).
6.6 Tarifliche Verdienstsicherung
Provisionen sind in der Regel freiwillige Leistungen, die zusätzlich zu einem Fixum oder an dessen Stelle gezahlt werden. Für ältere Arbeitnehmer sehen einige Tarifverträge eine sogenannte Verdienstsicherungsklausel vor. Dabei handelt es sich nicht um eine tarifrechtlich unzulässige Effektiv- oder Effektivgarantieklausel. Hier werden regelmäßig keine Provisionen effektuiert, sondern lediglich Berechnungsgrundlagen für die Entgeltsicherung älterer Arbeitnehmer vereinbart (BAG, 16.06.2004 - 4 AZR 408/03 - zu § 6 MTV Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden).
6.7 Überhangprovision
Ein Handelsvertreter hat nach § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB einen Provisionsanspruch für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte gleicher Art geworben hat. Sein Provisionsanspruch besteht auch für solche Geschäfte, die vor der Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen wurden, aber erst danach vollständig abgewickelt werden (= Überhangprovision). Es spricht vieles dafür, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf eine Überhangprovision vertraglich nicht ausgeschlossen werden kann (BAG, 20.02.2008 - 10 AZR 125/07 - mit dem Hinweis, dass eine entsprechende Vertragsklausel gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt).
6.8 Urlaubsentgelt
"1. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG ... über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er nationalen Bestimmungen und Praktiken entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer, dessen Entgelt sich aus einem Grundgehalt und einer Provision zusammensetzt, deren Höhe sich nach den Verträgen bemisst, die vom Arbeitgeber aufgrund der vom Arbeitnehmer getätigten Verkäufe geschlossen wurden, hinsichtlich seines bezahlten Jahresurlaubs nur Anspruch auf ein Arbeitsentgelt hat, das ausschließlich aus seinem Grundgehalt besteht."
"2. Die Methoden der Berechnung der Provision , auf die ein Arbeitnehmer wie der Kläger des Ausgangsverfahrens hinsichtlich seines Jahresurlaubs Anspruch hat, sind vom nationalen Gericht anhand der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgestellten Regeln und Kriterien und im Licht des mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 verfolgten Ziels zu beurteilen" (EuGH, 22.05.2014 - C-539/12 - Leitsätze - Großbritannien).
6.9 Zahl unterstellter Mitarbeiter
Der variable Gehaltsbestandteil kann vom Umsatz und somit auch von der Zahl unterstellter Mitarbeiter (hier: Versicherungsberater eines Vertriebsleiters) abhängen. Auch wenn die variable Vergütung eng an die Organisationsstruktur des Arbeitgebers geknüpft ist: Er ist nicht verpflichtet, seine Organisationsmacht immer so auszuüben, dass sich die Höhe des erfolgsabhängigen variablen Entgelts einzelner Mitarbeiter nicht verändert. Insoweit kann der Gehaltseinbußen ausgesetzte Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber nicht für die entstandenen Entgeltdifferenzen in Anspruch nehmen (BAG, 16.02.2012 - 8 AZR 98/11).
6.10 Zielvereinbarung
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag neben einem festen Jahresbruttogehalt ein variables Bruttogehalt für den Fall, dass der Arbeitnehmer die von den Vertragspartnern gemeinsam jeweils für ein Jahr vereinbarten Ziele erreicht, schuldet der Arbeitgeber Schadensersatz, wenn die erforderliche Zielvereinbarung aus seinem Verschulden nicht zu Stande kommt. Weist der Arbeitgeber nach, dass er seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung nachgekommen ist, liegt keine zu Schadensersatz verpflichtende Handlung vor. Auch ein vom Arbeitnehmer nicht angenommenes Angebot zur Fortführung einer abgelaufenen Zielvereinbarung kann geeignet sein, das Verschulden des Arbeitgebers am Nichtzustandekommen einer neuen Zielvereinbarung auszuschließen (BAG, 10.12.2008 - 10 AZR 889/07).