Psychologie
Vom Hobby zur Selbstfürsorge: Kann Stricken gegen Ängste helfen?
Veröffentlicht am:22.12.2025
4 Minuten Lesedauer
Masche für Masche zur inneren Ruhe: Das Hobby Stricken kann mehr als nur Zeit vertreiben. Studien zeigen, dass Stricken Stress abbaut, meditativ wirkt und Ängste mindert. Bei Menschen mit Angstzuständen kann es das Selbstwertgefühl steigern.

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Warum ist Stricken gesund?
Mit Stricken gesund und glücklich werden? Das klingt nach Klischee, wird aber zunehmend durch Studien gestützt: Tatsächlich soll das Hobby besonders förderlich für die kognitiven Fähigkeiten sein. So stärkt Stricken die räumliche und die visuelle Wahrnehmung, sorgt für verbesserte Konzentration und reduziert die Ablenkbarkeit.
Doch auch die Psyche profitiert von der Beschäftigung: Vor allem die sich laufend wiederholende, rhythmisch gleichförmige Bewegung der Hände erfordert die Koordination beider Gehirnhälften, setzt Serotonin frei und wirkt meditativ. Das
Stricken hebt also die Stimmung. Das liegt auch an der sensorischen und ästhetischen Komponente der Handarbeit: Die Beschäftigung mit leuchtenden Farben und das Berühren der weichen Wolle beruhigt und macht Freude.
Zudem sorgt die Beschäftigung mit Maschen und Mustern dafür, dass die Gedanken nicht abschweifen: Der Fokus ist auf das Strickprojekt gerichtet, was Ängsten und Sorgen weniger Raum bietet. Die Gedanken sind klarer und sortierter. Gerade bei Menschen mit Angststörungen kann das Stricken laut einer Studie zur Ablenkung gegen Grübeln beitragen. Das fertige Strickstück ist dann mehr als nur ein Gebrauchsgegenstand – es wird zum greifbaren Beweis der eigenen Fähigkeiten und symbolisiert den Erfolg.
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Stricken als Therapiemöglichkeit bei Angstzuständen
In den letzten zwanzig Jahren gelangte die Zusammenwirkung von Handarbeit und Gesundheit vermehrt in den Fokus. Es gibt jedoch kaum evidenzbasierte Untersuchungen zur Frage, wie oft oder wie lange Handarbeiten wie Stricken in Therapieformen eingesetzt werden sollen. Auch Langzeitstudien zu positiven Effekten fehlen bisher. Viele Studien berichten jedoch von kurzfristigen positiven Effekten, die Stricken auf die mentale Gesundheit haben kann: Es hilft bei Depressionen, Ängsten oder Schmerzen.
Natürlich kann Stricken bei Angstzuständen in keinem Fall eine adäquate Therapie ersetzen, in Absprache mit Therapeuten und Therapeutinnen kann es allerdings eine geeignete Ergänzung sein und als Praxis der Selbstfürsorge unterstützend wirken.
Denn im Alltag ist Stricken besonders praktisch: Die Materialien nehmen nicht viel Raum ein und können leicht mitgenommen werden. So ist Stricken überall möglich: zuhause, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Wartezimmern. Das Hobby ist gesellschaftlich für alle Altersgruppen akzeptiert. Betroffene können es deshalb in potentiell angstauslösende Situationen oder an Orte mitnehmen und dort präventiv gegen aufkommende Ängste einsetzen.
Da die Hände beim Stricken bereits beschäftigt sind, kann die Handarbeit zudem helfen, selbstverletzendes Verhalten oder ungesunde Strategien wie Essen zur Angstbewältigung zu vermeiden.

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Was macht Stricken mit der Psyche?
Neue Fähigkeiten können Selbstwirksamkeit verbessern
Besonders für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Angstzuständen kann das Erlernen einer neuen Fähigkeit wie Stricken zu mehr Selbstwirksamkeit führen: Ein Erfolgserlebnis lässt das Vertrauen in eigene Kompetenz und Fähigkeiten wachsen – und damit das Selbstwertgefühl.
Doch bei einem missglücktem Strickprojekt kann auch das Gegenteil passieren, denn das Frustrationspotential, dass das Erlernen neuer Muster mit sich trägt, ist hoch. Fehler können Gefühle des Versagens auslösen und somit Ängste und negative Gefühle verstärken.
Oft haben Handarbeitsfans daher mehrere unterschiedlich schwierige Projekte gleichzeitig in Arbeit: Das ermöglicht es, je nach Tagesform zu entscheiden, auf welche Herausforderung sie sich einlassen möchten, damit das Stricken ein positives Erlebnis bleibt. Wem Stricken zu schwer ist, kann sich alternativ am Häkeln versuchen: Das ist einfacher zu lernen und hat ähnliche gesundheitliche Effekte.
Stricken als kreative Ausdrucksform und Selbstidentität
Stricken macht kreativ: Bereits bei der Auswahl von Nadeln und Farben werden individuelle Entscheidungen getroffen, die Emotionen und persönlichen Stil ausdrücken. Auch die Tätigkeit selbst dient als Ventil und Ausdruck für eine Bandbreite von Gefühlen.
Stricken ermöglicht es Menschen nicht nur, eine Tagesroutine aufzubauen, sondern auch eine neue Selbstidentität zu entwickeln – als kreative Person abseits von etablierten Rollen wie als Mutter, Angestellte oder Freundin, die etwas Sinnhaftes hinterlässt.
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Stricken in der Gruppe gegen soziale Isolation
Besonders beim Stricken in Gruppen ist der positive Effekt groß: Das Hobby wirkt dann gegen soziale Isolation, ohne Interaktion vorauszusetzen. So muss in Strickgruppen während der Arbeit am Strickprojekt weder Augenkontakt mit anderen gehalten noch gesprochen werden – dennoch sind alle Teil der Gemeinschaft.
Die Unterstützung und Motivation von anderen federn zudem die Frustrationen des Lernprozesses ab, während Erfolge direkt anerkannt werden und so als Bestätigung der Fähigkeiten dienen. Wenn Betroffene ihr Können weitergeben und andere anleiten, stärkt das ihr Selbstvertrauen zusätzlich.
In der Gruppe entsteht ein Safe Space, in dem über Ängste gesprochen werden kann. Zudem können durch das gemeinsame Hobby Freundschaften entstehen, die helfen können, zukünftige Lebenskonflikte zu bewältigen. Das gilt auch für virtuelle Räume und Gruppen: Hier kann durch die geteilte Passion ein Gefühl von Zusammengehörigkeit entstehen, das einen großen Einfluss auf die emotionale Gesundheit von Menschen hat.
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