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    BAG 19.12.2024 - 6 AZR 129/23 - Förderung zum Flugkapitän - Seniorität - Gleichbehandlung

    Vorinstanz

    vorgehend ArbG Düsseldorf, 5. Mai 2022, Az: 12 Ca 154/22, Urteil
    vorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 17. Februar 2023, Az: 7 Sa 410/22, Urteil

    Tenor

    1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. Februar 2023 - 7 Sa 410/22 - wird zurückgewiesen.

    2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Tatbestand

    1

    Die Parteien streiten über die (Be-)Förderung des Klägers zum Kapitän und die dabei anzuwendenden tarifvertraglichen Senioritätsregelungen. Nach der Seniorität, einer branchenspezifischen Art der Betriebszugehörigkeit, richtet sich in Luftverkehrsunternehmen typischerweise die Reihenfolge bei der Besetzung ausgeschriebener Schulungen zum Kapitän (sog. Förderung bzw. Upgrading), aber auch - neben weiteren Kriterien - bei der Berücksichtigung von Urlaubsanträgen sowie der Vergabe bestimmter freier Tage.

    2

    Der Kläger ist nach seiner Tätigkeit als First Officer (Co-Pilot) bei der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden Air Berlin) nunmehr bei der Beklagten, die durch formwechselnde Umwandlung aus der Eurowings Luftverkehrs AG entstand, in gleicher Funktion beschäftigt. Seinen ersten kommerziellen Flug für die Beklagte erbrachte er am 23. Januar 2018.

    3

    In dem nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwendenden „Tarifvertrag Karriere … für das Cockpitpersonal der Eurowings“ (im Folgenden TV Karriere) finden sich ua. Regelungen für die Förderung zum Kapitän. Dieser Tarifvertrag trat ausweislich seines § 10 Abs. 1 mit seiner Unterzeichnung am 22. September 2021 in Kraft und ersetzte nahtlos den bis dahin geltenden „Tarifvertrag Wechsel und Förderung für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings Luftverkehrs AG“ vom 29. April 2008 (im Folgenden TV WeFö). Daneben galt der „Tarifvertrag Wachstum für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings GmbH“ vom 18. Dezember 2017 (im Folgenden TV Wachstum). Dieser enthielt ua. besondere Auswahlverfahrens-, Eingruppierungs- sowie Einstufungsregelungen für im Zeitraum Herbst 2017 bis Dezember 2018 eingestellte Beschäftigte des Cockpitpersonals. Die Beklagte stellte im vorgenannten Zeitraum ca. 300 Cockpitmitarbeiter von der ehemaligen Air Berlin nach den Maßgaben des TV Wachstum ein. Wegen des Inhalts der im vorliegenden Verfahren relevanten Bestimmungen dieser drei Tarifverträge nimmt der Senat Bezug auf deren Wiedergabe im führenden Parallelverfahren - 6 AZR 131/23 - Rn. 3 ff.

    4

    Noch auf Grundlage des TV WeFö erstellte die Beklagte am 1. Juli 2021 eine endgültige Senioritätsliste, auf der sich der Kläger auf Listenplatz 266 befand. Am 3. Dezember 2021 veröffentlichte die Beklagte eine auf Grundlage des TV Karriere erstellte vorläufige und am 9. März 2022 eine endgültige Senioritätsliste. Diese wiesen den Kläger auf Listenplatz 443 bzw. 452 aus.

    5

    Bereits am 29. November 2021 bewarb sich der Kläger auf die von der Beklagten am gleichen Tag veröffentlichte innerbetriebliche Stellenausschreibung 70/21, der zufolge sie zwölf Co-Piloten für das Upgrading zum Kapitän mit Ausbildungsbeginn 3. Januar 2022 suchte. Mit den am 6. bzw. 13. Dezember 2021 veröffentlichten innerbetrieblichen Stellenausschreibungen 75/21, 76/21 und 77/21 suchte die Beklagte nach weiteren jeweils zwölf Co-Piloten für das Upgrading zum Kapitän. Darin führte sie aus, dass erfolglose Bewerbungen von Mitarbeitern auf die Stellenausschreibung 70/21 mitberücksichtigt würden. Der Kläger erfüllte die in den Stellenausschreibungen jeweils benannten sonstigen Anforderungen.

    6

    Die Beklagte besetzte alle in den genannten vier Stellenausschreibungen ausgeschriebenen Stellen mit auf der Grundlage der vorläufigen Senioritätsliste vom 3. Dezember 2021 ausgewählten und nachfolgend über ca. zwei Monate mit erfolgreicher Prüfung ausgebildeten Bewerbern. Den Kläger berücksichtigte die Beklagte nicht. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wäre der Kläger bei Zugrundelegung der Senioritätsliste vom 1. Juli 2021 bei den Stellenausschreibungen berücksichtigt worden. Als Kapitän hätte er monatlich ein um 925,16 Euro brutto höheres Grundgehalt und eine um 600,00 Euro brutto höhere Flugzulage erhalten.

    7

    Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe auf Grundlage der tariflichen Regelungen in Verbindung mit den Stellenausschreibungen einen Anspruch auf Ausbildung und Förderung zum Kapitän. Die Auswahl habe noch nach der gemäß dem TV WeFö erstellten endgültigen Senioritätsliste vom 1. Juli 2021 und nicht nach der vorläufigen Senioritätsliste vom 3. Dezember 2021 gemäß dem TV Karriere erfolgen müssen. Da die Beklagte dem nicht nachgekommen sei, habe sie ihm die ab April 2022 entgangene Vergütung im Wege des Schadensersatzes zu ersetzen. Jedenfalls habe die Senioritätsliste vom 1. Juli 2021 der Auswahlentscheidung deshalb zugrunde gelegt werden müssen, weil die Regelungen des TV Karriere gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Rückwirkungsverbot verstießen und dieser vollständig, jedenfalls aber teilweise unwirksam sei, so dass der TV WeFö weitergelte.

    8

    Nachdem die Beklagte den Kläger mit Wirkung zum 1. März 2024 in Anwendung der Senioritätsregelungen des TV Karriere zum Kapitän befördert hatte, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. November 2024 seine bisherigen Anträge auf Ausbildung und Förderung zum Kapitän aufgrund der innerbetrieblichen Stellenausschreibungen 70/21, 75/21, 76/21 und 77/21 bzw. aufgrund der „nächsten innerbetrieblichen Stellenausschreibung“ in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Erledigungserklärung hat die Beklagte nicht widersprochen.

    9

    Der Kläger beantragt nach der Teilerledigung nunmehr noch,

            

    1.    

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab dem Monat April 2022 bis einschließlich zum Monat Februar 2024 monatlich zusätzlich ein Grundgehalt von 925,16 Euro brutto sowie zusätzlich eine Flugzulage von 600,00 Euro brutto jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweils Ersten des Folgemonats zu zahlen;

            

    2.    

    festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem Monat April 2022 monatlich eine Vergütung als Kapitän gemäß dem jeweils einschlägigen Vergütungstarifvertrag für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings GmbH, die im Falle einer Beförderung zum Kapitän im April 2022 geschuldet gewesen wäre, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweils Ersten des Folgemonats zu zahlen, soweit der sich hieraus ergebende Betrag den Anspruch gemäß dem Klageantrag zu 1. übersteigt;

            

    3.    

    die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, eine Senioritätsliste auf Grundlage des Tarifvertrags Karriere vom 22. September 2021 in Bezug auf den Kläger anzuwenden.

    10

    Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

    11

    Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Begehren mit Ausnahme der für erledigt erklärten Anträge weiter.

    Entscheidungsgründe

    12

    Die Revision ist, soweit sie dem Senat noch zur Entscheidung anfällt, zulässig, aber unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts insoweit zu Recht zurückgewiesen.

    13

    I. Der vom Kläger mit seinem Antrag zu 1. begehrte Schadensersatz aufgrund der - aus seiner Sicht zu Unrecht - nicht erfolgten Ausbildung und Förderung zum Kapitän mit Wirkung zum 1. April 2022 steht ihm nicht zu. Die Beklagte hat sich nicht pflichtwidrig verhalten. Sie musste den Kläger nicht (be-)fördern und hat ihre Auswahlentscheidungen zutreffend nicht anhand der Senioritätsliste vom 1. Juli 2021, sondern anhand der auf den Senioritätsregelungen des rechtswirksamen TV Karriere beruhenden vorläufigen Senioritätsliste vom 3. Dezember 2021 getroffen. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführungen in dem führenden Parallelverfahren - 6 AZR 131/23 - Rn. 23 ff.

    14

    II. Aus den gleichen Gründen ist der Feststellungsantrag zu 2. unbegründet.

    15

    III. Auch der Antrag zu 3. ist unbegründet. Die Beklagte hat die Anwendung einer auf Grundlage des TV Karriere erstellten Senioritätsliste nicht zu unterlassen. Der TV Karriere ist aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden. Seine Regelungen sind wirksam und beeinträchtigen den Kläger nicht in unzulässiger Weise. Das hat der Senat in dem führenden Parallelverfahren - 6 AZR 131/23 - Rn. 33 ff. ausführlich begründet und nimmt darauf Bezug. Damit ist für den Kläger die nach den Vorgaben des TV Karriere erstellte, jeweils aktuelle Senioritätsliste maßgeblich, was auch zu seiner Beförderung zum Kapitän ab dem 1. März 2024 geführt hat.

    16

    IV. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Bezüglich des noch rechtshängigen Teils des Rechtsstreits ergibt sich dies aus seinem Unterliegen in der Revisionsinstanz (§ 97 Abs. 1 ZPO). Bezüglich der in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Anträge wäre die Revision ebenfalls ohne Erfolg gewesen, wie sich aus der Entscheidung im Parallelverfahren - 6 AZR 131/23 - ergibt (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO).

            

        Spelge    

            

        Volk    

            

        Heinkel    

            

            

            

        M. Geyer    

            

        Claudia Nienaber    

                    


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