#Gesundheit am 13.01.2023

Gute Vorsätze: Wie finde ich Motivation und Durchhaltevermögen?

Eine Frau trainiert mit einer Langhantel.
iStock / svetikd

Der Jahresbeginn ist für viele Menschen auch die Zeit der guten Vorsätze. Das Ziel, im kommenden Jahr mehr Sport zu treiben, steht dabei häufig ganz oben auf der Liste. Was hilft dabei, die Bewegung endgültig in den Alltag zu integrieren – und woraus lässt sich Motivation schöpfen?

Dipl. Psych. Rolf Wachendorf ist psychologischer Psychotherapeut und Psychotherapeut für Kinder und Jugendliche in Esslingen. Im Interview erklärt er, wie Neujahrsvorsätze zu Zielen werden können, welche Rolle Motivation dabei spielt und wie mit Rückschlägen umgegangen werden kann.

Viele Menschen setzen sich Neujahrsvorsätze. Wie realistisch ist das?

Es gibt einen großen Unterschied zwischen Vorsatz und Ziel – da ist es zunächst wichtig, zu unterscheiden. So ein Neujahrsvorsatz hat für viele Menschen einen Charakter von wegen „Das wär’ mal nett“, für andere ist es ein konkretes Ziel. Und je konkreter die Dinge formuliert sind, umso verbindlicher werden sie. Es ist also ein großer Unterschied, ob es ein unverbindlicher Vorsatz ist, oder ob sich jemand wirklich ein Ziel setzt. 

Ein Ziel dann tatsächlich zu erreichen, hat wenig mit Willenskraft zu tun. Es gibt Menschen, die ihren Willen trainieren, und es gibt Menschen, die das Gegenteil tun: ihren Willen untergraben. Wenn ich ein Ziel habe, aber nichts dafür tue, untergrabe ich sozusagen die Wahrscheinlichkeit, es beim nächsten Ziel zu tun.

Jedes Ziel, das ich tatsächlich umsetze, erhöht hingegen diese Wahrscheinlichkeit. Je mehr man es also gewohnt ist, Dinge nicht umzusetzen, die man sich vornimmt, desto unwahrscheinlicher wird es. Je normaler es ist, dass ich das, was ich mir vornehme, auch tue, umso wahrscheinlicher wird es. Das ist ein richtiger Lernprozess, der über Jahre gehen kann.

Sollte man sich demnach zunächst kleinere Ziele setzen?

Kleiner ist sicher einfacher zu erreichen. Einen Marathon zu laufen – das ist ein großes Ziel, wenn ich nicht einmal einen Kilometer weit rennen kann. Wichtiger ist es aber, die Ziele so konkret wie möglich zu fassen. Sich mehr bewegen zu wollen, ist ein sehr unkonkretes Ziel, denn es ist nicht messbar. Wer hingegen sagt „Ich möchte am Samstag fünf Kilometer spazieren gehen“, kann sichergehen, sein Ziel zu erreichen.

Je messbarer ein Ziel ist, desto leichter fällt es, es auch umsetzen. Die wenigsten Leute haben einen schwachen Willen. Sie legen sich nur Steine in den Weg, die das Umsetzen erschweren. Sie machen es nicht messbar, sie machen es unkonkret, sie ignorieren Motivations- oder Zielkonflikte. Dabei hängt das Erreichen eines Zieles von genau diesen Faktoren ab.

Die Frage ist also: „Wie erleichtere ich es mir, das zu tun, was ich möchte?“ Eigentlich liegt das auf der Hand – wenn ich nicht weiß, was ich möchte, kann ich es auch nicht erreichen. Wenn ich aber genau weiß: Ich will fitter werden – und fitter heißt, ich kann zehn Kilometer Radfahren oder fünf Minuten mit 100 Watt auf dem Hometrainer trainieren – dann erreiche ich diese Ziele auch leichter. 

Wieso nutzen Menschen gerade Neujahr für ihre Zielsetzungen?

Übergangszeiten werden gerne dafür genutzt, um zu überlegen: „Wie war es bis jetzt – und wie soll es in Zukunft werden? Wo bin ich gerade und wo möchte ich hin?“ Ob das nun Neujahr ist, nach dem Führerschein oder vor einem neuen Jobantritt. Während dieser Übergänge hat man häufig die Zeit, sich über diese Dinge Gedanken zu machen.

Zwischen den Jahren haben die Menschen um einen herum meistens auch eine Ruhepause und sind daher vielleicht in einer ähnlichen Situation. Der Austausch erhöht dann den Ansporn. Schlussendlich ist der Zeitpunkt für einen guten Vorsatz aber nicht so wichtig – Vorsätze kann man sich immer machen. Ob dann ein Ziel daraus wird, liegt an der Art der Verbindlichkeit und wie ich das Thema angehe. 

Wie schafft man es, an seinen Zielen dranzubleiben?

Nehmen wir als Beispiel Menschen, die wenig Sport betreiben und sich für das neue Jahr vornehmen, aktiver zu werden. Das Hauptproblem bei diesen Menschen ist die fehlende Gewohnheit. Wenn ich eine Gewohnheit habe – zum Beispiel, weil ich jeden Dienstag in den Sportverein gehe – ist der Sport in etwa so wie Zähneputzen. Man denkt nicht darüber nach, es ist gesetzt.

Geht man aber zum ersten Mal am Dienstag zum Sport, ist es ein richtiger Aufwand. Man muss sich bewusst dafür entscheiden, Zeit finden, Platz schaffen. Und das so lange, bis es zur Gewohnheit wird. Das kostet Energie. Es gibt jedoch verschiedene Möglichkeiten, dieses „zur Gewohnheit machen“ zu erleichtern.

Das Wichtigste dabei ist soziale Unterstützung – zum Beispiel Bekannte oder ein Verein. Wenn nämlich jemand auf einen wartet, werden die meisten Menschen sich aufraffen, auch wenn sie nicht wirklich Lust haben. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Regelmäßigkeit. Es hilft, den Sport immer zum selben Zeitpunkt zu machen, anstatt nach Lust und Laune.

Ein Problem bei Menschen, die Sport nicht gewöhnt sind, ist, dass sie nach ein, zwei Trainings wieder aufhören. Warum? Weil sie sich gerade nicht danach fühlen, weil es ihnen gerade schwerfällt. Hier zeigt sich auch der Unterschied zwischen Vorsatz und Ziel. Habe ich ein feststehendes Ziel, gehe ich joggen, egal ob es gerade regnet. Schließlich ist es schon entschieden.

Habe ich einen lockeren Vorsatz, können alle möglichen Hindernisse die Entscheidung wieder umwerfen. Steht eine Gewohnheit, wird die Entscheidung nicht mehr hinterfragt. Da mache ich dienstags Sport – auch wenn ich wegen Regen ins Fitnessstudio gehen muss oder gerade etwas schlapp bin. Der Sport wird zu einem feststehenden Termin, dessen Ausfall negative Konsequenzen hätte. Diese werden größer, wenn andere Menschen sich auf mein Kommen verlassen. Daher ist die soziale Komponente ein großer Motivationsfaktor. 

Woraus kann man außerdem Motivation schöpfen?

Das vorhin erwähnte Messbarmachen kann hilfreich sein, die Motivation zu behalten. Es gibt in dieser Hinsicht jedoch einen entscheidenden Unterschied: Habe ich Freude am Sport, tut mir die Bewegung gut – oder ist es bloß die Lösung für etwas anderes, wie etwa Gewichtsverlust? Ist der Sport nur Mittel zum Zweck, ist die Ausführung störbarer, als wenn ich merke: Er tut mir gut, ich genieße es.

Das heißt: Je mehr Sie positive Dinge mit dem Sport verbinden können, umso mehr wächst die Motivation. Das können viele Kleinigkeiten sein, die man sich selbst vor Augen führt. Ich bin an der frischen Luft, ich treffe eine Freundin, ich habe abends Muskelkater, der mir zeigt, was ich gemacht habe. Vielleicht geht man nach dem Sport immer noch eine Kleinigkeit essen oder etwas trinken.

All das steigert und festigt die Motivation. Genauso wie das Durchhalten: Wer seine Ziele verfolgt, egal was kommt, wird dadurch bestätigt. Das macht kräftiger und widerstandsfähiger. Menschen haben dann das Gefühl, Schwierigkeiten im Leben besser überwinden zu können. Und das an sich ist schon motivierend.

Trotzdem kann es zu Rückschlägen kommen. Wie kann man damit umgehen?

Angenommen, mein Ziel war es, in zwei Monaten zehn Kilometer am Stück laufen zu können. Ich habe wöchentlich zusammen mit einem Freund trainiert, habe den Sport mit positiven Ereignissen verknüpft, habe versucht, mich von Mal zu Mal zu steigern. Nun sind die zwei Monate vergangen, ich kann zehn Kilometer laufen – aber lange nicht in der Zeit, in der ich sie eigentlich schaffen wollte.

Dann stehe ich vor der Frage: Behalte ich das Ziel oder war es unrealistisch? Und wie sorge ich jetzt dafür, nicht komplett aufzugeben? Da gilt es, sich andere Dinge vor Augen zu führen. Zum Beispiel: Was hat mir mein Durchhaltevermögen gebracht, auch wenn ich das Ziel nicht wie geplant erreicht habe? Ich habe mich bewegt, ich habe Selbstvertrauen gewonnen, meine Gewohnheiten geändert, gute Gespräche geführt.

Anschließend versuchen Sie, das Ziel neu zu fassen. Viele verfallen in ein „Alles oder Nichts“-Denken – dabei haben sie das Ziel zu 90 Prozent erreicht und viele andere Dinge in ihrem Leben zum Positiven verändert. Nehmen wir zum Beispiel an, jemand nimmt sich vor, weniger zu rauchen oder weniger Alkohol zu trinken und hat nach drei Monaten einen Rückfall.

Sagen Sie dann – das war umsonst, ich fange wieder an zu rauchen, zu trinken? Oder sehen Sie es als kleinen Rückschlag an und verfolgen Ihr Ziel weiterhin? Das ist der gleiche Mechanismus wie beim Sport. Ich habe mein Ziel nur zu 90 Prozent erreicht, aber es bringt mir ja etwas, weiterzumachen. Vielleicht überdenken Sie Ihr ursprüngliches Ziel und sagen: Das, was ich jetzt erreicht habe, möchte ich als Gewohnheit beibehalten. Wenn Sie weggehen von dem „Alles oder Nichts“ und den positiven Unterschied betrachten, dann bleibt die Motivation. 

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