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Gesundheitsmagazin

Verdauungssystem

Verdauung anregen: Lebensmittel und Hausmittel, die helfen

Veröffentlicht am:16.06.2023

7 Minuten Lesedauer

Wenn die Mahlzeiten wie ein Stein im Magen liegen und sich ein unangenehmes Völlegefühl breitmacht, braucht die Verdauung manchmal einen Anstupser. Was bringen dann Empfehlungen wie ein Verdauungsspaziergang oder der Trockenobst-Verzehr?

Eine Frau isst Joghurt mit Müsli und Beeren, um ihre Verdauung anregen.

© iStock / ArtistGNDphotography

Porträt von Dr. oec. troph. Petra Schulze-Lohmann, Leiterin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Sektion Schleswig-Holstein.

© privat

Dr. oec. troph. Petra Schulze-Lohmann ist Leiterin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Sektion Schleswig-Holstein und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Kiel. Sie erklärt im Interview, welche verdauungsfördernden Lebensmittel es gibt.

Ballaststoffe und achtsames Essen können Völlegefühl vorbeugen

Wie kommt es zu einem Völlegefühl nach dem Essen?

Das Hauptproblem ist, dass Menschen oft viel zu schnell essen und zu wenig kauen. Vor allem, wenn die Mittagspause recht kurz ist, neigen manche dazu, die Portionen hastig herunterzuschlingen. Nun ist es aber so, dass eine gewisse Verweildauer im Magen vorgesehen ist. Dadurch, dass der Nahrungsbrei, so wie von der Natur vorgesehen, nicht sofort in den Dünndarm „weiterrutscht“, kann sich bei Menschen, die in kurzer Zeit viel essen, ein unangenehmes Völlegefühl einstellen.

Das Tempo ist aber nur ein wichtiger Grund. Eine weitere Ursache ist die Speisezusammensetzung. Nicht nur Menschen, die viel essen, sondern auch jene, die sehr deftig essen, können unter Völlegefühl leiden. Insbesondere Speisen mit viel Fett und/oder Eiweiß können wie ein Stein im Magen liegen. Das liegt daran, dass sie eine höhere Verweildauer im Magen haben – Kohlenhydrate, die beispielsweise in Nudeln oder Brot enthalten sind, verlassen den Magen hingegen deutlich schneller. Auch die beliebten To-go-Gerichte, die häufig auf dem Weg zur Arbeit hastig verzehrt werden, können Völlegefühl begünstigen.

Wie können Ballaststoffe Völlegefühl vorbeugen?

Ballaststoffreiche Lebensmittel stehen am besten ganz oben auf der Einkaufsliste. Sie wirken nicht nur dem Völlegefühl entgegen, sondern sind auch wichtig bei der Vorbeugung von Erkrankungen, deren Entstehung mit der Ernährung zusammenhängen können, wie Darmkrebs, die koronare Herzerkrankung oder Bluthochdruck. Ballaststoffe, die beispielsweise in Gemüse, Vollkornprodukten oder Hülsenfrüchten enthalten sind, beschleunigen die Passagezeit durch den Darmtrakt. Das funktioniert, indem sie Wasser binden und das Bakterienwachstum im Darm erhöhen. Dadurch erhält der Körper eher den Reiz zur Ausscheidung.

Die beschleunigte Verdauung ist grundsätzlich für jeden gesunden Menschen wünschenswert. Schließlich fühlen wir uns besser, wenn die Verdauung reibungslos klappt. Ballaststoffe können aber nicht nur den Stuhlgang weich machen, sondern haben noch eine andere indirekte Wirkung: Menschen, die faserreiche Lebensmittel verzehren, sind fleißig mit dem Kauen beschäftigt und schneller satt – das beugt einer zu hohen Verzehrmenge und damit auch Völlegefühl vor. Eine ballaststoffreiche Ernährung und ein guter Stuhlgang beziehungsweise eine gute Verdauung sind also eng miteinander verknüpft – wichtig ist hier eine ausreichende Trinkmenge.

„Menschen, die faserreiche Lebensmittel verzehren, sind fleißig mit dem Kauen beschäftigt und schneller satt – das beugt einer zu hohen Verzehrmenge und damit auch Völlegefühl vor.“

Dr. oec. troph. Petra Schulze-Lohmann
Leiterin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Sektion Schleswig-Holstein und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Kiel

Ausgewählte Lebensmittel unterstützen eine gute Verdauung

Welche Lebensmittel unterstützen grundsätzlich eine gute Verdauung?

Neben ballaststoffreichen Lebensmitteln wie Vollkornbrot oder Linsen sind fermentierte Speisen wie Kimchi oder Joghurt sinnvoll, sie enthalten Milchsäurebakterien. Diese regen das Wachstum von nützlichen Bakterien im Darm an und unterstützen eine gesunde Darmflora. Fermentierte Lebensmittel können vom Körper leichter aufgenommen werden. Wenn sich der Darm nicht regelmäßig entleert, kann das durchaus zu Völlegefühl führen.

Gerichte mit vielen verschiedenen Küchenkräutern und Gewürzen regen die Verdauung an und wirken beruhigend. Sie sollten immer in den Speiseplan eingebaut werden. Gute Beispiele sind: Kurkuma, Kümmel, Anis, Fenchelsamen, Ingwer, Basilikum, Knoblauch und Kamille. Interessante Inhaltsstoffe sind außerdem die Bitterstoffe, die unter anderem in grünem Blattgemüse stecken. Sie zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen und haben den Ruf, die Bildung von Verdauungssäften und die Durchblutung der Verdauungsorgane anzuregen – beides kann die Verdauung unterstützen.

Inwieweit eignen sich abführende Lebensmittel wie Trockenpflaumen oder Milchzucker?

Um den Stuhlgang anzuregen, gibt es tatsächlich einige sinnvolle Lebensmittel. Ein Klassiker unter den Lebensmitteln gegen Verstopfung sind Trockenpflaumen. Sie enthalten viele Ballaststoffe und können so die Verdauung anregen. Insbesondere bei ballaststoffreichen Lebensmitteln ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr wichtig, denn nur so können die Helfer genügend aufquellen.

Das gilt auch für verdauungsfördernde Leinsamen in geschroteter Form oder Flohsamen. Betroffene mit Völlegefühl oder Verstopfung testen sich aber im besten Fall an die für sie richtige Ballaststoffmenge heran. Zu viele Ballaststoffe können die Darmschleimhaut nämlich reizen. Wer die Verdauung schnell anregen möchte, kann auch auf Milchzucker zurückgreifen. Er bindet Wasser und beschleunigt so die Ausscheidung.

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Verdauungsschnaps oder Cola bei Durchfall – was ist an Verdauungs-Mythen dran?

Ein Verdauungsschnaps hilft definitiv nicht bei Völlegefühl. Tatsächlich ist es so, dass Alkohol die Verdauung eher verlangsamt, weil er im Körper als Erstes abgebaut wird – die Verdauung von Lebensmitteln steht also hinten an. Ein weiterer Mythos besagt, dass Kaffee dem Körper Wasser entzieht. Das ist mittlerweile aber widerlegt. Tatsächlich kann Kaffee die Verdauung ankurbeln. Kaffee enhält Koffein. Dieses wirkt als milde Stimulans auf das zentrale Nervensystem und regt so die Verdauung an. Außerdem reagieren die Bitterrezeptoren im Magen auf die im Kaffee enthaltenen Bitterstoffe, in dem die Durchblutung gesteigert wird und die Darmperistaltik angeregt wird – täglich bis zu vier Tassen von dem beliebten Getränk sind vollkommen unproblematisch.

„Spätes Essen macht dick“ – bei diesem Mythos hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung eine andere Einschätzung. Demnach ist nicht die Uhrzeit, sondern die über den Tag aufgenommene Kalorienzufuhr entscheidend. Wer sich jedoch mit einem vollen Magen hinlegt, kann vermutlich schlecht einschlafen. Ein Verdauungsschläfchen hilft bei Völlegefühl übrigens nicht. Im Schlaf fährt der Stoffwechsel herunter, dementsprechend verzögert sich auch die Verdauung.

Ein älteres Paar stößt mit einem Glas Wasser an – ausreichend viel zu trinken hilft, die Verdauung anzuregen.

© iStock / RealPeopleGroup

Für eine intakte und regelmäßige Verdauung ist es wichtig, ausreichend viel Wasser über den Tag verteilt zu trinken. 1,5 Liter sollten es pro erwachsene Person sein.

Welche Alltagstipps helfen dabei, Völlegefühl zu vermeiden?

Das unangenehme Völlegefühl lässt sich vermeiden, indem Speisen gut durchgekaut werden. Jeden Bissen 30 bis 40 Mal durchzukauen, ist die gängige Empfehlung, sie ist für die meisten Menschen aber eher schwer umzusetzen. Tatsächlich reicht es aus, die Mahlzeiten so zu zerkauen, dass eine breiige Konsistenz im Mund entsteht. Sich bewusst Zeit für die Mahlzeiten zu nehmen und achtsam zu essen, ist ein weiterer Tipp. Wer vor dem Fernseher isst, nimmt oft gar nicht richtig wahr, wie viel gegessen wird. Daher ist es eine gute Empfehlung, sich an einen Tisch zu setzen und sich ausschließlich auf das Essen zu konzentrieren.

Um Völlegefühl vorzubeugen, ist es auch ratsam, dem Sättigungsgefühl eine Chance zu geben – dieses stellt sich etwa nach 20 Minuten ein. Menschen, die langsam essen, bemerken das Sättigungsgefühl und hören dementsprechend rechtzeitig auf zu essen. Die Lebensmittel mit Bedacht auszuwählen, kann ebenfalls Völlegefühl verhindern – eine ausgewogene Ernährung, die Rücksicht auf die Fettmenge nimmt, ist ratsam.

„Das unangenehme Völlegefühl lässt sich vermeiden, indem Speisen gut durchgekaut werden.“

Dr. oec. troph. Petra Schulze-Lohmann
Leiterin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Sektion Schleswig-Holstein und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Kiel

Gibt es Hausmittel bei Völlegefühl und solche, die die Verdauung anregen?

Die beste Möglichkeit ist immer noch, dem Völlegefühl mit den oben genannten Tipps vorzubeugen. Liegt bereits ein Völlegefühl vor, gibt es einige wenige Tipps, die eventuell als wohltuend empfunden werden. Einige Menschen berichten beispielsweise davon, dass ihnen Wärme auf dem Bauch guttut – eine Wärmflasche oder ein erwärmtes Kirschkernkissen sind also einen Versuch wert.

Auch ein Verdauungsspaziergang und grundsätzlich Bewegung sind ratsam. Dabei kommt der Kreislauf in Schwung, die bessere Durchblutung unterstützt auch die Verdauung. Außerdem wirkt Bewegung wie eine sanfte Massage auf den Unterbauch. Gegebenenfalls bietet sich auch das Führen eines Ernährungstagebuches an – hier können Betroffene ganz genau niederschreiben, welche Lebensmittel beziehungsweise Speisen sie in welcher Menge zu welcher Uhrzeit gegessen haben. Oft hilft das Dokumentieren dabei aufzudecken, welche Essgewohnheiten zu dem Völlegefühl führen. Am besten ist es, das tägliche Essverhalten über mindestens vierzehn Tage hinweg zu beobachten.

Medizinischer Rat ist in einigen Fällen sinnvoll und der Lebensstil spielt eine wichtige Rolle

Wann sollte ich mit Verdauungsproblemen medizinischen Rat einholen?

Verdauungsprobleme, die beispielsweise mit Völlegefühl einhergehen, stehen nicht immer im Zusammenhang mit einen ungünstigen Essverhalten. Womöglich gibt es zugrundeliegende Erkrankungen oder anderweitige körperliche Probleme, die die Verdauung beeinträchtigen. Bei Beschwerden, die nicht auf eine ballaststoffarme Ernährung oder lebensstilbedingte Gründe zurückgeführt werden können, ist eine ärztliche Untersuchung empfehlenswert, insbesondere bei Symptomen wie Sodbrennen, Magenschmerzen oder Durchfall.

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Wieso ist es wichtig, den gesamten Lebensstil zu hinterfragen und nicht nur die Ernährung?

Ganz einfach deshalb, weil Lebensmittel, die beispielsweise den Stuhlgang weicher machen, nur eine Möglichkeit sind, die Verdauung positiv zu beeinflussen. Regelmäßige Bewegung, mindestens 1,5 Liter am Tag trinken, ein zurückhaltender Genuss von Alkohol und eine entspannte Atmosphäre beim Essen – all das kann ebenfalls Verdauungsproblemen wie Völlegefühl vorbeugen. Da der Lebensstil von Menschen sehr unterschiedlich ist, gibt es verschiedene Ansatzpunkte für das eigene Wohlbefinden. Ein Außendienstmitarbeiter, der es gewohnt ist, sein Mittagessen im Auto zwischen zwei Terminen eilig zu verzehren, profitiert davon, zukünftig mehr Zeit für die Mahlzeiten einzuplanen. Sich Gedanken über das eigene Essverhalten zu machen, ist ein erster wichtiger Schritt.


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