Gehirn & Nerven
Nootropika: Wie sinnvoll sind „Smart Drugs” zur Steigerung der Gehirnleistung?
Veröffentlicht am:15.10.2025
13 Minuten Lesedauer
In der modernen Arbeitswelt sind Konzentrationsfähigkeit und schnelle Informationsverarbeitung gefragte Kompetenzen. Nootropika sollen dabei helfen. Doch was ist dran an diesen Versprechen und wie riskant ist das „Hirndoping“?

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Was sind Nootropika?
Nootropika sind eine vielfältige Gruppe von Substanzen sowohl natürlichen als auch synthetischen Ursprungs. Ihnen wird eine gemeinsame Eigenschaft zugeschrieben: Sie sollen das Denken, das Lernen, das Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit verbessern. Deshalb werden sie auch „Smart Drugs“ genannt. Der Fachbegriff „Nootropikum“ geht auf die beiden altgriechischen Wörter noûs für „Verstand“ und trépein für „drehen“ zurück – der Name verrät also bereits, worum es geht: nämlich etwas in unserem Kopf zu verändern.
So unterschiedlich wie die Nootropika selbst sind auch ihre jeweiligen Wirkmechanismen. Die ihnen zugeschriebenen gesundheitlichen Effekte ähneln sich jedoch: Sie sollen die Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Gehirns verbessern, das Gehirngewebe schützen und den Hirnstoffwechsel anregen. Die meisten Nootropika zeigen jedoch nach einer Einzeldosis keine Wirkung, so dass in jedem Fall – egal ob natürlich oder synthetisch – eine längere Anwendungsdauer erforderlich ist.
Verschreibungspflichtige Medikamente und Lifestyle-Mittel
Grundsätzlich gibt es bei Nootropika zwei verschiedene Kategorien und Anwendungsbereiche:
- Arzneimittel zur Behandlung von kognitiven Störungen oder psychischen Erkrankungen (meist synthetisch)
- Nahrungsergänzungsmittel ohne nachgewiesene gesundheitliche Wirkung, die jedoch im Sinne eines „Hirndopings“ oder „Neuroenhancement“ die mentale Leistungsfähigkeit verbessern sollen
Die Mehrheit der Nootropika ist natürlichen Ursprungs und rezeptfrei als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich. Viele synthetische Präparate sind hingegen verschreibungspflichtig und kommen bei der Behandlung von zum Teil schweren Erkrankungen zum Einsatz.
Erkrankungen, bei denen Nootropika helfen können
Zu den Störungen und Erkrankungen, für deren Behandlung Nootropika verschrieben werden, zählen:
- Gedächtnis- und Lernstörungen
- Aufmerksamkeitsstörungen wie ADHS
- Demenzerkrankungen wie Alzheimer
Zwei verschreibungspflichtige Medikamente, die als Nootropika wirken und in Deutschland bei psychischen Erkrankungen eingesetzt werden, sind beispielsweise Ritalin (ein Amphetamin mit dem Wirkstoff Methylphenidat) und Modafinil.
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Die missbräuchliche Einnahme verschreibungspflichtiger Nootropika ist riskant
Grundsätzlich gilt für natürliche wie für synthetische Mittel: Nootropika sind wirksamer, wenn die kognitive Funktion tatsächlich beeinträchtigt ist. Trotzdem wecken sie aufgrund ihrer potenziellen Fähigkeit, die Leistungsfähigkeit des Gehirns zu steigern, auch bei vielen gesunden Menschen großes Interesse. Verschreibungspflichtige Nootropika sind dafür jedoch absolut ungeeignet und nicht zugelassen. Es handelt sich hierbei um Medikamente, die für spezielle Erkrankungen entwickelt wurden und Nebenwirkungen haben. Diese werden im Rahmen einer medizinisch erforderlichen Therapie nach ärztlicher Erwägung in Kauf genommen.
Dabei ist es sogar umstritten, wie gut Nootropika zur Behandlung kognitiver Beeinträchtigungen tatsächlich geeignet sind. Manche Forschende schätzen die Wirk“ung der beiden wichtigsten synthetischen Wirkstoffe, Methylphenidat (Ritalin) und Modafinil, gegenüber dem gesundheitlichen Risiko durch Nebenwirkungen als zu hoch ein. Eine sorgfältige individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung durch den behandelnden Arzt oder Ärztin ist beim Einsatz von Nootropika also immer erforderlich.
Zur Steigerung der kognitiven Leistung bei gesunden Menschen sind die verschreibungspflichtigen Arzneimittel Ritalin und Modafinil nicht zugelassen und es gibt auch keine wissenschaftlich belegte Wirkung. Der nicht nachgewiesenen Wirkung stehen zahlreiche Nebenwirkungen gegenüber. Dazu zählen bei Ritalin und Modafinil unter anderem:
- Schlafstörungen
- Unruhe und Nervosität
- Konzentrationsstörungen
- Kopfschmerzen
- Benommenheit und Schwindel
- Herzklopfen und Herzrasen
- Bluthochdruck
- Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall
Außerdem machen viele synthetische Nootropika und insbesondere Ritalin und Modafinil bei unsachgemäßer Anwendung schnell abhängig. Fazit: „Hirndoping“ mit verschreibungspflichtigen Nootropika ist nicht nur Medikamentenmissbrauch, sondern auch sehr gefährlich.
Natürliche Nootropika im Überblick
Weniger problematisch sind natürliche Nootropika. Dabei bedeutet „natürlich“ oder „pflanzlich“ jedoch nicht automatisch „gut verträglich“. Auch natürliche Substanzen haben Nebenwirkungen. Diese variieren von Mittel zu Mittel. Besondere Vorsicht ist generell bei Kindern, Schwangeren und Stillenden geboten. Gleiches gilt für Menschen, die mehrere unterschiedliche Medikamente einnehmen. Für diese Personengruppen sind die Substanzen oft nicht zugelassen, ausreichend getestet oder sie sind für sie schlichtweg gefährlich. Eine Rücksprache mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin ist hier immer erforderlich.
Es gibt zahlreiche natürliche Nootropika. Zu den gängigsten zählen die folgenden:
Koffein und Guaraná Ginseng Ginkgo (Ginkgo biloba) Rhodiola rosea (Rosenwurz) Ashwagandha (Withania somnifera) Kreatin
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Wie sinnvoll und wie sicher sind Nootropika als Nahrungsergänzungsmittel
Ein bestimmtes Nootropikum kann möglicherweise Ihre kognitiven Funktionen steigern oder den altersbedingten Rückgang der geistigen Leistungsfähigkeit verlangsamen. Die erhoffte Wirkung kann jedoch auch ausbleiben.
Bei Nahrungsergänzungsmitteln sollten Sie nicht alles glauben, was versprochen wird. Das trifft insbesondere auf Produkte zu, die die Gesundheit des Gehirns unterstützen sollen. Für viele als Nootropika beworbene Substanzen gibt es nicht genügend Belege für eine positive Wirkung auf die Gehirnleistung. Und dies gilt sowohl für gesunde Menschen als auch für Menschen mit Demenz oder anderen neurodegenerativen Erkrankungen.

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Keine Kenntnisse zur langfristigen Anwendung
Abgesehen davon, dass Nootropika möglicherweise nicht die gewünschte Wirkung erzielen, bestehen auch Sicherheitszweifel. Zwar gelten natürliche Nootropika als relativ unbedenkliche Nahrungsergänzung. Da Nootropika jedoch ein vergleichsweise neues Phänomen sind, weiß die Forschung wenig über die Sicherheit einer langfristigen Einnahme. Was unmittelbare Nebenwirkungen betrifft, so treten diese besonders häufig bei Überdosierung auf. Verwenden Sie Nootropika nur wie auf der Packung angegeben und lassen Sie sich am besten von Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin oder in Ihrer Apotheke beraten.
Alternative Strategien für bessere geistige Leistungsfähigkeit
Bevor Sie versuchen, Ihre geistigen Fähigkeiten mit Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln zu verbessern, können Sie vielleicht zunächst auf bewährte Methoden setzen, die garantiert nebenwirkungsfrei sind, zum Beispiel:
- ausgewogene Ernährung
- ausreichend Bewegung
- ausreichend Schlaf
- Achtsamkeit im Berufsalltag mit ausreichenden Pausen
- Übungen zum Stressmanagement
All diese Faktoren fördern unser körperliches und psychisches Wohlbefinden und tragen auch zur Förderung und zum Erhalt unsere kognitiven Fähigkeiten bei.
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