Entsendungen innerhalb EU/EWR/Schweiz/Vereinigtes Königreich

Um bei einer Entsendung ins europäische Ausland die Anwendung unterschiedlicher Rechtssysteme zu vermeiden, hat die EU ein überstaatliches Sozialversicherungsabkommen getroffen. Damit wird geregelt, wann für Beschäftigte das Rechtssystem welches Mitgliedstaats gilt. Dabei geht es nicht um die versicherungsrechtliche Beurteilung einer oder eines Beschäftigten, sondern welches Rechtssystem anzuwenden ist.

Doppelversicherungen vermeiden

Bei grenzüberschreitenden Beschäftigungen innerhalb der EU, des EWR, in der Schweiz und dem Vereinigten Königreich regeln die europäischen Verordnungen zur Koordinierung der sozialen Sicherheit, welche Rechtsvorschriften gelten. Ziel dieser Verordnungen ist es, Doppelversicherungen oder Lücken in der sozialen Sicherung zu vermeiden („Kollisionsnormen“).

Nach Brexit: A1-Bescheinigung weiter möglich

Das Vereinigte Königreich hat die EU zum 31. Januar 2020 verlassen. Seit 1. Januar 2021 gilt zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich ein Handels- und Kooperationsabkommen, das vorsieht, die bislang geltenden Regelungen bis zu 15 Jahre weiter anzuwenden. Auch für Entsendungen in das Vereinigte Königreich können daher weiterhin A1-Bescheinigungen auf Grundlage der üblichen Voraussetzungen beantragt werden. Das elektronische A1-Antrags- und Bescheinigungsverfahren ist weiterhin anwendbar.

Bei zeitlich befristeten Auslandseinsätzen innerhalb Europas aufgrund eines in Deutschland fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses handelt es sich um Entsendungen. In der Regel gilt das deutsche Recht weiter, was über die A1-Entsendebescheinigung nachgewiesen wird.

Voraussetzungen für eine Entsendung

Für eine Entsendung in die EU/EWR/Schweiz/Vereinigtes Königreich müssen folgende vier Voraussetzungen vorliegen:

1. Der oder die Beschäftigte muss bei einem Unternehmen, das gewöhnlich in einem EU/EWR-Mitgliedstaat beziehungsweise in der Schweiz oder im Vereinigten Königreich tätig ist, beschäftigt sein und vom Unternehmen dorthin entsandt werden. 

Besonderheit: Gewöhnliche Erwerbstätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten

Mehrfach Erwerbstätige sind Personen, die gewöhnlich in zwei oder mehr EU/EWR-Mitgliedstaaten oder der Schweiz beschäftigt oder selbstständig tätig sind. 

Für sie gilt das Sozialversicherungsrecht des Staats, in dem sie wohnen, wenn sie einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit auch im Wohnstaat ausüben. Als wesentlich gilt hierbei bereits ein Anteil von mindestens 25 Prozent der gesamten Arbeitszeit beziehungsweise des gesamten Arbeitsentgelts.

Ist dies nicht der Fall, gelten die Vorschriften des Staats, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.

Entscheidungen über das anzuwendende Recht für mehrfach Erwerbstätige, die in Deutschland wohnen, trifft grundsätzlich die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA). Sie stellt die A1-Bescheinigung aus.

2. Die voraussichtliche Dauer dieser Tätigkeit darf 24 Monate nicht überschreiten. Nach europäischem Recht der Verordnung (EG) 883/2004 gilt das Recht des Heimatstaats im Rahmen einer Entsendung nur fort, wenn die voraussichtliche Einsatzdauer 24 Monate nicht überschreitet. Dazu muss eine konkrete Befristung im Voraus vorliegen. Sie kann sich aus vertraglichen Regelungen zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten oder aus vertraglichen Regelungen zwischen den beteiligten Unternehmen in den EU/EWR-Mitgliedstaaten/in der Schweiz oder aus der Eigenart der Aufgabe, zum Beispiel Fertigstellung eines Bauprojekts, ergeben.

Beispiel: Befristung auf 24 Monate

Ein Unternehmen in Deutschland schickt eine Beschäftigte vom 1.7.2024 bis 30.6.2025 nach Belgien. Vom 1.7.2025 bis 30.6.2026 wird die Arbeitnehmerin in den Niederlanden eingesetzt. In der Zeit vom 1.7.2026 bis 30.6.2027 arbeitet die Beschäftigte in Portugal.

Im gesamten Zeitraum vom 1.7.2024 bis 30.6.2026 gelten die deutschen Rechtsvorschriften für die Arbeitnehmerin, weil es sich um jeweils neue Entsendungen handelt.

Stellt sich bei einer Entsendung von unter 24 Monaten im Lauf der Zeit heraus, dass der Einsatz der Beschäftigten im Ausland länger dauern wird als ursprünglich vorgesehen, kann der Entsendezeitraum auf maximal 24 Monate korrigiert werden.

Ausnahmevereinbarung

Ab dem Beginn des 25. Monats sind die Rechtsvorschriften des Entsendestaats (Heimatstaats) grundsätzlich nicht mehr anzuwenden. Eine Verlängerung des Entsendezeitraums über 24 Monate hinaus ist generell nicht möglich. m einen Wechsel der anzuwendenden Rechtsvorschriften zu vermeiden, gibt es allerdings die Möglichkeit, eine Ausnahmeregelung zu vereinbaren.

Dafür wendet sich der Arbeitgeber an die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA), damit diese eine eventuelle Ausnahmevereinbarung in die Wege leiten kann.

3. Der Beschäftigte darf keine andere entsandte Person ablösen.

Entsendet der Arbeitgeber nach dem Ende des Entsendezeitraums eine oder einen anderen Beschäftigten, um die Stelle des oder der zuvor Entsandten zu übernehmen, beginnt kein neuer Entsendezeitraum. Dieses Ablöseverbot verhindert die unzulässige Verlängerung der Entsendezeiträume, durch die Dauerarbeitsplätze errichtet werden könnten. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn infolge Krankheit oder Kündigung der ursprünglich entsandten Beschäftigten eine Ablösung durch andere Beschäftigte erfolgt. Dann darf der ursprünglich vorgesehene Entsendezeitraum der abgelösten Person nicht überschritten werden.

Beispiel: Ablöseverbot

Beispiel:

Frau A. wird als Ingenieurin von einem deutschen Unternehmen für die Zeit vom 1.7.2026 bis 30.6.2027 nach Estland entsandt. Ab 1.7.2027 übernimmt Herr B. für das deutsche Unternehmen die Aufgaben in Estland.

Für Herrn B. gilt ab 1.7.2027 estnisches Recht. Eine Entsendung für Herrn B. liegt nicht vor, weil die Ablösung einer entsandten Person nicht zulässig ist.

4. Es darf keine unzulässige Entsendung vorliegen.

Aussetzung, Unterbrechung und Verlängerung einer Entsendung

Im Fall von Entsendungen können verschiedene Ursachen (Urlaub, Krankheit, Weiterbildung) dazu führen, dass ein Einsatz im Ausland verschoben oder unterbrochen wird. Wird eine Entsendung für voraussichtlich nicht länger als zwei Monate unterbrochen und verschiebt sich das Ende des Auslandseinsatzes nicht nach hinten, bleibt die ausgestellte A1-Bescheinigung gültig. Eine Information durch den Arbeitgeber über die Unterbrechung ist nicht erforderlich.

Verschiebt sich das Ende des Entsendezeitraums oder beträgt der Unterbrechungszeitraum mehr als zwei Monate, ist in der Regel eine neue Entsendebescheinigung zu beantragen. Auch ein Abbruch einer Entsendung ist dem zuständigen Sozialversicherungsträger, der die A1-Bescheinigung ausgestellt hatte, zu melden. Ebenso, wenn eine geplante Entsendung nicht durchgeführt wurde.

Beispiel: Verlängerung einer Entsendung

Ein Unternehmen in Deutschland schickt einen Beschäftigten für die Zeit vom 1.9.2025 bis 31.8.2026 nach Spanien. Im Juli 2026 stellt sich heraus, dass das Projekt erst zum Jahresende abgeschlossen werden kann.

Im gesamten Zeitraum vom 1.9.2025 bis 31.12.2026 gelten die deutschen Rechtsvorschriften für den Arbeitnehmer. Im Juli 2025 wird für den Zeitraum vom 1.9.2025 bis 31.12.2026 eine neue digitale A1-Bescheinigung ausgestellt.

Umlagen

Beschäftigte, die während eines vorübergehenden Auslandsaufenthalts bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben und deren Arbeitsverhältnis im Inland aufrecht erhalten wird, werden bei der Ermittlung der Arbeitnehmeranzahl für die Umlage U1 berücksichtigt.

Für die Bemessung der Umlagen zu U1 und U2 sowie für die Insolvenzgeldumlage sind auch die Entgelte entsandter Beschäftigter zu berücksichtigen, wenn für sie die deutschen Rechtsvorschriften zur sozialen Sicherung gelten.

Entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen

Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen für Entsendungen regelt das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AentG). Aufgrund des Prinzips „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ sind deutsche Unternehmen, die Beschäftigte ins EU-Ausland entsenden, an die Lohnvorschriften und Arbeitsbedingungen des Aufnahmestaats oder Gastlandes gebunden. Dieser Grundsatz gilt umgekehrt entsprechend für nach Deutschland entsandte Beschäftigte. Davon ausgenommen ist nur der Straßenverkehrssektor, da für Mitarbeitende im Speditionswesen gesonderte Regelungen gelten.

In Deutschland müssen daher allgemeinverbindliche Tarifverträge, die höhere Tariflöhne als die Mindestentgelte in den Branchen vorsehen, auch für von ausländischen Unternehmen entsandte Beschäftigte angewandt werden.

Weitere Regelungen bei nach Deutschland entsendeten Beschäftigten

  • EU-Unternehmen, die in Deutschland aktiv werden, sind verpflichtet, die entsendebedingten Kosten für Unterkunft, Reisekosten oder Verpflegung nach den Regeln des Herkunftslandes zu tragen.
  • Aufwandserstattungen oder Entsendezulagen, also alle Zahlungen, die die Beschäftigten erhalten, um tatsächlich angefallene entsendebedingte Kosten auszugleichen, dürfen nicht mehr auf den Lohn angerechnet werden.
  • Damit entsandte Arbeitskräfte unter angemessenen Bedingungen untergebracht werden, gelten Mindeststandards der Arbeitsstättenverordnung auch für ausländische Beschäftigte.

Dauert eine Entsendung länger als zwölf Monate, gelten nach Ablauf dieser Zeit für Beschäftigte alle in Deutschland (oder im jeweiligen EU-Gastland) vorgeschriebenen Arbeitsgesetze mit Ausnahme der betrieblichen Altersversorgung. Das gilt auch für tarifvertraglich verbindliche Arbeitsbedingungen. In begründeten Ausnahmefällen können Arbeitgeber eine Fristverlängerung bei der zuständigen Behörde der Zollverwaltung um sechs Monate auf dann insgesamt 18 Monate beantragen. Diese Vorgabe hängt nicht mit der sozialversicherungsrechtlich möglichen Entsendedauer von 24 Monaten innerhalb der EU zusammen.

Im Übrigen gelten die Regelungen des AEntG auch für Leiharbeitnehmer mit Ausnahme von Erstmontage- und Einbauarbeiten, die nur bis zu acht Tage dauern.

 

Informationspflichten für Arbeitgeber bei Entsendungen

Sofern Beschäftigte ihre Arbeitsleistung länger als 4 aufeinanderfolgende Wochen im Ausland erbringen, müssen sie in einer Niederschrift informiert werden über

  • das Land (beziehungsweise die Länder), in dem die Arbeit geleistet wird sowie
  • die geplante Dauer,
  • die Währung, in der die Entlohnung erfolgt,
  • sofern vereinbart, mit dem Auslandsaufenthalt verbundene Geld- oder Sachleistungen, insbesondere Entsendezulagen und zu erstattende Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten, die Angabe, ob eine Rückkehr des Beschäftigten vorgesehen ist und gegebenenfalls die Bedingungen der Rückkehr.

Weitere Informationspflichten

Diese Vorgaben sind auch dann zu erfüllen, wenn der Auslandseinsatz in mehreren Ländern erfolgt, solange keine zeitliche Unterbrechung eintritt. Kurze Inlandsaufenthalte außerhalb der Arbeitsleistungserbringung (wie zum Beispiel Wochenendaufenthalte am Wohnsitz in Deutschland) gelten hierbei nicht als zeitliche Unterbrechung und sind unerheblich.

Wenn die Entsendung in den Anwendungsbereich der EU-Entsenderichtlinie fällt, müssen zusätzlich noch folgende Informationen zur Verfügung gestellt werden:

  • die Entlohnung, auf die der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin nach dem Recht des Staates beziehungsweise der Staaten, in dem beziehungsweise in denen die Arbeit geleistet wird, Anspruch hat,
  • der Link zu der offiziellen nationalen Webseite des Aufnahmestaates nach dem Binnenmarkt-Informationssystem (IMI).

Haben Beschäftigte aufeinanderfolgende Arbeitsaufträge in unterschiedlichen Ländern, können diese zusätzlichen Angaben bezüglich aller Arbeitsaufträge zusammengefasst werden.

Besondere Meldepflichten bei Entsendungen in Europa

Eine Reihe Staaten in Europa hat besondere Regeln erlassen, die Arbeitgeber zu beachten haben, wenn sie Beschäftigte in diese Länder entsenden.

Meldepflicht in Belgien

In Belgien müssen alle ausländischen Beschäftigten, Selbstständigen und Personen im Praktikum ihre Tätigkeit über das Internetportal limosa.be registrieren. Jede Entsendung nach Belgien muss vor Beginn der Tätigkeit auf diesem Portal angemeldet werden.

Unmittelbar danach wird eine LIMOSA-1-Empfangsbescheinigung ausgestellt. Die Meldepflichtigen müssen diese Bescheinigung in Belgien stets mit sich führen und auf Verlangen jederzeit vorlegen können. Dauert die Tätigkeit länger als gemeldet, muss eine neue Meldung vorgenommen werden, die vor Ablauf der ursprünglich gemeldeten Dauer erfolgen muss. Die LIMOSA-Meldepflicht ist gesetzlich vorgeschrieben, befreit den ausländischen Arbeitgeber aber nicht von der Verwendung des A1-Formulars zur Klärung der Frage, welches Sozialversicherungsrecht anzuwenden ist.

Entsendungen nach Schweden

Nach Schweden entsandte Personen und eine Kontaktperson müssen beim schwedischen Amt für Arbeitsschutz gemeldet werden. Seit dem 30. Juli 2020 muss jeder Arbeitseinsatz spätestens am Tag der Arbeitsaufnahme in Schweden gemeldet werden. Die Regelung, dass Arbeiten im Umfang von bis zu fünf Tagen nicht gemeldet werden müssen, entfällt.

Kontrollen in Österreich

In Österreich werden in der Transport- und Beförderungsbranche verstärkt Kontrollen durchgeführt, bei denen die Vorlage der A1-Bescheinigung gefordert wird. Konnte die A1-Bescheinigung nicht rechtzeitig beschafft werden, ist ein Nachweis, dass sie beantragt wurde, zusammen mit anderen Unterlagen, aus denen die Anmeldung zur deutschen Sozialversicherung ersichtlich ist, vorzulegen.

Kontrollen in Frankreich

Vor Beginn eines grenzüberschreitenden Einsatzes in Frankreich ist vom Arbeitgeber eine Onlinemeldung vorzunehmen. Außerdem muss für die Dauer der Entsendung ein Vertreter in Frankreich benannt werden, der die Verbindung zu den Behörden gewährleistet.

In Frankreich können Geldstrafen verhängt werden, wenn die Rechtsvorschriften eines anderen EU-Mitgliedstaats gelten und dies nicht durch Vorlage einer A1-Bescheinigung nachgewiesen werden kann. Von der Geldstrafe wird abgesehen, wenn nachgewiesen wird, dass die Bescheinigung bereits beantragt wurde. Sie ist dann innerhalb von zwei Monaten nach Durchführung der Kontrolle vorzulegen.

Stand

Zuletzt aktualisiert: 01.01.2025

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