Kurzarbeit und Sozialversicherung

Während des Bezugs von Kurzarbeitergeld besteht das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis der Beschäftigten fort. Bei der Berechnung und Aufbringung der Beiträge ergeben sich aber zahlreiche Besonderheiten.

Ist-Entgelt als Beitragsbemessungsgrundlage bei Kurzarbeit

Beziehen Beschäftigte in einem Entgeltabrechnungszeitraum auch Kurzarbeitergeld oder Saison-Kurzarbeitergeld, werden die Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zunächst von dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt, dem Ist-Entgelt, berechnet.

Beispiel: Berechnung des Ist-Entgelts

Arbeitnehmer Frank Müller ist kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversicherungspflichtig.

MonatMärz 2024
Tarifliche Arbeitszeit176 Stunden
Tatsächliche Arbeitszeit120 Stunden
Kurzarbeit56 Stunden
Lohn je Stunde18 €
Kurzarbeitergeld je Ausfallstunde8 €

Das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt (Ist-Entgelt) von Frank Müller beträgt (120 Stunden x 18 €) 2.160 €. Es ist beitragspflichtig zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Auch für Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin ausschließlich Kurzarbeitergeld oder Saison-Kurzarbeitergeld erhält, sind Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu zahlen. Da es Geldleistungen der Agentur für Arbeit sind, entfällt aber hier die Berechnung eines Beitrags zur Arbeitslosenversicherung.

Das Ist-Entgelt ist die einzige Bemessungsgrundlage für die Berechnung der

  • Beiträge zur Arbeitslosenversicherung,
  • Umlagen zur Finanzierung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit und Mutterschaft (U1 und U2),
  • Insolvenzgeldumlage,
  • Beiträge des Arbeitgebers zur gesetzlichen Unfallversicherung.

Fiktives Arbeitsentgelt als Beitragsbemessungsgrundlage

Die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für Zeiten der Kurzarbeit im Entgeltabrechnungszeitraum werden aus einer fiktiven Bemessungsgrundlage berechnet: 80 Prozent des Unterschiedsbetrags zwischen dem Soll- und dem Ist-Entgelt.

Ausgangsbasis für die Ermittlung dieses fiktiven Arbeitsentgelts ist das durch die Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitslosenversicherung gedeckelte Soll-Entgelt, also das Bruttoarbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer beziehungsweise die Arbeitnehmerin ohne den Arbeitsausfall im Anspruchszeitraum erzielt hätte. Anschließend wird die Differenz zwischen dem Soll-Entgelt und dem Ist-Entgelt festgestellt (Unterschiedsbetrag) und schließlich auf 80 Prozent reduziert.

Fällt in einem Entgeltabrechnungszeitraum die Arbeit wegen Kurzarbeit oder Schlechtwetter aus, ergibt sich die Bemessungsgrundlage zur Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge daher durch Addition des Ist-Entgelts und des Fiktiventgelts (Summe = Sozialversicherungsentgelt).

Berechnung der Bemessungsgrundlage aus dem fiktiven Arbeitsentgelt

Arbeitnehmer Frank Müller ist kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversicherungspflichtig.

MonatMärz 2024
Tarifliche Arbeitszeit176 Stunden
Tatsächliche Arbeitszeit120 Stunden
Kurzarbeit56 Stunden
Lohn je Stunde18 €
Kurzarbeitergeld je Ausfallstunde8 €

Neben dem Ist-Entgelt (2.160 €) ist auch ein Fiktiventgelt bei der Berechnung der Beiträge für Frank Müller beitragspflichtig, allerdings lediglich zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. 

Das Soll-Entgelt beträgt (176 Stunden x 18 €) 3.168 €.

Das Ist-Entgelt beträgt (120 Stunden x 18 €) 2.160 €.

Die Differenz (Unterschiedsbetrag) beläuft sich auf 1.008 €;

80 % von 1.008 € ergeben 806,40 € (Fiktiventgelt).

Die Bemessungsgrundlage zur Berechnung der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge aus dem Fiktiventgelt beträgt 806,40 €. Hieraus fallen keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung an. Das Sozialversicherungsentgelt beträgt (2.160 € + 806,40 € =) 2.966,40 €.

Beiträge bei Überschreiten der Bemessungsgrundlage während Kurzarbeit

Die Beitragsbemessungsgrenzen in der Kranken- und Pflegeversicherung beziehungsweise in der Renten- und Arbeitslosenversicherung gelten auch für die Berechnung der Beiträge bei Bezug von konjunkturellem Kurzarbeitergeld oder Saison-Kurzarbeitergeld. Die Begrenzung auf die Beitragsbemessungsgrenze hat allerdings nur für die Beitragsbemessungsgrundlage in der Kranken- und Pflegeversicherung tatsächlich Relevanz. Wegen der identischen Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosenversicherung und in der Rentenversicherung findet eine etwaige Reduzierung bereits durch die Deckelung des Soll-Entgelts statt.

Übersteigen die Beträge, die im Entgeltabrechnungszeitraum insgesamt für die Bemessung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zugrunde zu legen sind, die Beitragsbemessungsgrenze, sind die Beiträge zunächst vom Ist-Entgelt zu berechnen. Das Fiktiventgelt wird nur insoweit für die Beitragsberechnung herangezogen, als diese Beitragsbemessungsgrenze noch nicht durch das Ist-Entgelt ausgeschöpft ist.

Beispiel: Beiträge bei Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenze

Arbeitnehmer Werner Schmitz ist kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversicherungspflichtig.

MonatSeptember 2024
Tarifliche Arbeitszeit176 Stunden
Tatsächliche Arbeitszeit120 Stunden
Kurzarbeit56 Stunden
Lohn je Stunde seit 1.7.202432 € (bis 30.6.2024 – 27 €)
Kurzarbeitergeld je Ausfallstunde15 €

Das Ist-Entgelt für Werner Schmitz beträgt 3.840 €. Es ist beitragspflichtig zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Das Soll-Entgelt beträgt 5.632 €. Die Differenz zwischen Soll- und Ist-Entgelt beträgt 1.792 €; 80 % hiervon sind 1.433,60 € (Fiktiventgelt).

Die Addition des Ist-Entgelts und des Fiktiventgelts (Sozialversicherungsentgelt) ergibt 5.273,60 €. Diese Summe überschreitet die monatliche Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung (5.175,00 €). In diesen beiden Zweigen ist daher das Fiktiventgelt lediglich in Höhe von 1.335,00 € als Grundlage für die Beitragsberechnung heranzuziehen.

In der Rentenversicherung überschreitet die Addition von Ist-Entgelt und Fiktiventgelt (5.273,60 €) nicht die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (7.550 €). In diesem Zweig ist daher das gesamte Fiktiventgelt beitragspflichtig.

Zur Arbeitslosenversicherung fallen aus dem Fiktiventgelt keine Beiträge an.

Berechnen der Beitragsbemessungsgrenze

Der Bezug von Kurzarbeitergeld oder Saison-Kurzarbeitergeld führt nicht zur Beitragsfreiheit. Daher sind auch die Beitragsbemessungsgrenzen für die Beitragsberechnung nicht wegen dieser Leistungszeiten zu kürzen.

Beitragspflicht besteht auch für die Zeit, in der dem Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit neben der Entgeltfortzahlung auch Kurzarbeitergeld oder Saison-Kurzarbeitergeld gezahlt wird. Dagegen sind volle Tage des Bezugs von Krankengeld beitragsfrei, selbst dann, wenn dieses in Höhe des Kurzarbeitergelds oder Saison-Kurzarbeitergelds gezahlt wird.

Bei der Ermittlung der anteiligen Jahresbeitragsbemessungsgrenze wird für Zeiten, in denen Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld oder Saison-Kurzarbeitergeld beziehen, als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt neben dem Ist-Entgelt auch das Fiktiventgelt berücksichtigt. Dies gilt nicht nur für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, sondern auch für die Arbeitslosenversicherung, obwohl in diesem Zweig der Sozialversicherung vom Fiktiventgelt gar keine Beiträge berechnet werden.

Beitragssätze Sozialversicherung bei Kurzarbeitergeld

Für die Berechnung der Beiträge aus dem Ist- und Fiktiventgelt sind die im Entgeltabrechnungszeitraum geltenden Beitragssätze maßgebend.

Für die Krankenversicherungsbeiträge gilt also in aller Regel der allgemeine Beitragssatz von 14,6 Prozent. Hinzu kommt der von der jeweiligen Krankenkasse festgesetzte Zusatzbeitrag. Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung beträgt seit 1. Juli 2023 3,4 Prozent (Basisbeitragssatz), für kinderlose Beschäftigte ab Beginn des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollenden 4,0 Prozent. Für Eltern mit mehreren Kindern unter 25 Jahre gibt es seit dem 1. Juli 2023 gestaffelte Beitragsabschläge nach Kinderanzahl. Der Beitragssatz zur Rentenversicherung beträgt 18,6 Prozent und zur Arbeitslosenversicherung seit 1. Januar 2023 2,6 Prozent.

Keine Versicherungspflicht bei Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze wegen Kurzarbeit

Ein vorübergehend geringeres Arbeitsentgelt wegen Kurzarbeit löst keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Das gilt auch, wenn der tatsächliche Verdienst unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegt. Der GKV-Spitzenverband hat klargestellt, dass diese Gehaltseinbußen als vorübergehend anzusehen sind. Das Unterschreiten der JAE-Grenze  (2024: 69.300 Euro) beziehungsweise der besonderen JAE-Grenze von 62.100 Euro bleibt ohne Auswirkungen auf den krankenversicherungsrechtlichen Status. Das heißt, eine vor Bezug von Kurzarbeitergeld bestehende Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung bleibt bestehen.

Dabei ist die Dauer des Arbeits- und Entgeltausfalls durch Kurzarbeit unbedeutend. Selbst bei Ausschöpfen der Kurzarbeitergeld-Höchstanspruchsdauer von grundsätzlich 12 Monaten ist die Entgeltminderung als vorübergehend anzusehen. Im Normalfall (siehe Rundschreiben vom 20. März 2019, Ziff 5.1, Absatz 3) gilt eine Entgeltminderung – etwa durch eine vorübergehende Teilzeitbeschäftigung mit einem Arbeitsentgelt unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze – nur in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten als vorübergehend.

Stand

Zuletzt aktualisiert: 01.01.2024

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