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Diabetische Polyneuropathie: Nervenschäden früh erkennen und behandeln

Veröffentlicht am:18.07.2025

5 Minuten Lesedauer

Die diabetische Polyneuropathie ist eine mögliche Folge eines Diabetes. Durch einen falsch eingestellten Blutzucker sterben Nerven ab, was schwere gesundheitliche Folgen haben kann. Worauf Diabetikerinnen und Diabetiker achten sollten.

Eine Frau mittleren Alters im Wohnzimmer auf einer hellen Couch. Sie hält sich mit beiden Händen den rechten Fuß und schaut dabei besorgt.

© iStock / Victor_69

Was ist eine diabetische Polyneuropathie?

Die diabetische Polyneuropathie ist eine weit verbreitete Folgeerkrankung des Diabetes mellitus, im Volksmund auch als Zuckerkrankheit bezeichnet. Zur Häufigkeit liegen zwar unterschiedliche Daten vor, aber ungefähr jeder zweite bis dritte Mensch, der unter Diabetes Typ 1 oder Typ 2 leidet, erkrankt im Lauf der Zeit an einer diabetischen Polyneuropathie. Ein dauerhaft erhöhter Blutzucker schädigt das periphere Nervensystem – also die Nerven, die außerhalb von Gehirn und Rückenmark verlaufen und viele Funktionen im Körper wie Bewegungen, Empfindungen oder die Verdauung steuern. Der Begriff „Neuropathie“ bezeichnet eine Nervenschädigung im Allgemeinen, der Zusatz „poly“ (=viel) bedeutet, dass zahlreiche Nerven betroffen sind.

Die Beschwerden der diabetischen Polyneuropathie können unterschiedliche Formen annehmen, je nachdem, welche Nerven im Körper geschädigt sind:

  • sensorisch: Betrifft die Empfindungsnerven und äußert sich beispielsweise durch Kribbeln, Taubheitsgefühl oder Missempfindungen (Dysästhesien).
  • motorisch: Beeinträchtigt die Nerven des Bewegungssystems, was zu Störungen verschiedener motorischer Abläufe führen kann.
  • autonom: Befällt das autonome periphere Nervensystem, auch als vegetatives Nervensystem bezeichnet. Dies regelt unbewusste Körperfunktionen, die wir also nicht selbst steuern können, beispielsweise in Magen, Darm und im Herzen.

Fachleute unterscheiden die sensomotorische und die autonome oder vegetative Polyneuropathie. Besonders Diabetiker und Diabetikerinnen mit einem zu hoch eingestellten oder schlecht kontrollierten Blutzucker können eine diabetische Polyneuropathie entwickeln. Die Erkrankung kann jederzeit auftreten, ist aber häufig mit zunehmendem Alter und einer längeren Diabetesdauer verbunden. Eine diabetische Polyneuropathie ist zwar nicht heilbar; wird sie früh erkannt, lässt sich ihr Fortschreiten jedoch eindämmen.

Symptome: Wie zeigt sich eine diabetische Polyneuropathie?

Am häufigsten sind die langen Nerven in den Beinen und Armen betroffen. Meist machen sich dort die ersten Krankheitszeichen bemerkbar, beispielsweise durch Kribbeln, Brennen oder Taubheitsgefühl in den Füßen.

Die Symptome entwickeln sich in der Regel schleichend und über Jahre; oft werden sie von den Betroffenen anfangs nicht ernst- oder wahrgenommen. Das verzögert die Diagnose und auch die Behandlung.

Typische sensomotorische Anzeichen sind:

  • Kribbeln oder „Ameisenlaufen“ an Händen und Füßen
  • brennende oder stechende Schmerzen an den Füßen oder Wadenkrämpfe
  • Taubheitsgefühle, fehlendes Schmerzempfinden oder Unempfindlichkeit gegenüber Temperaturunterschieden, vor allem an den Füßen
  • Überempfindlichkeit bei Berührungen
  • Muskelschwäche an Füßen, Händen oder Unterschenkeln

Hinzukommen können Beschwerden, die durch Schäden am autonomen peripheren Nervensystem entstehen:

  • Herz-Kreislauf-Probleme
  • Schwindel und Ohnmacht beim Aufstehen
  • Probleme mit der Verdauung (Verstopfung, Durchfall)
  • Inkontinenz oder Schwierigkeiten, die Blase zu leeren
  • Erektionsprobleme
  • heftiges Schwitzen
  • Sehstörungen

Circa die Hälfte der Erkrankten hat zwar keine Beschwerden, es kann aber trotzdem zu gesundheitlichen Komplikationen kommen. Rund 70 Prozent der Erkrankten wissen gar nicht, dass sie an einer diabetischen Polyneuropathie leiden.

Verlauf und mögliche Folgen der diabetischen Polyneuropathie

Menschen mit diabetischer Polyneuropathie bemerken in der Anfangsphase meist nur leichte Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühle in den Füßen.

Im weiteren Verlauf können Schmerzen, Muskelschwäche oder eine eingeschränkte Beweglichkeit hinzukommen. In vielen Fällen verstärken sich die Schmerzen in nächtlichen Ruhephasen.

Aufgrund der Taubheitsgefühle und Muskelschwäche in den Füßen haben Betroffene oft auch Probleme beim Gehen, besonders bei Dunkelheit, viele stürzen häufiger.

Die Empfindung für Temperatur, Berührung oder Schmerz an den Füßen kann stark nachlassen – was das Risiko für Verletzungen und Druckgeschwüre erhöht. Bei einer gestörten Schmerzwahrnehmung spüren die Betroffenen oft Wunden oder Blasen an den Füßen schlechter oder gar nicht. Bleiben diese Verletzungen unbehandelt, kann es zu Infektionen kommen, die schwer abheilen und chronisch werden können. Ungefähr ein Drittel aller Diabetikerinnen und Diabetiker leidet unter diesem sogenannten diabetischen Fußsyndrom, bei dem im schlimmsten (aber seltenen) Fall sogar eine Amputation erforderlich ist.

Wegen der schwächer werdenden Muskeln fehlt den Gliedmaßen der Halt und es kann zu Fehlstellungen, beispielsweise des Fußgewölbes, kommen. Da Betroffene auch diese Fehlstellungen nicht als schmerzhaft empfinden, sind bei dauerhaft falscher Belastung des Fußes oft unbemerkte Stressfrakturen, auch Ermüdungsbrüche genannt, die Folge.

Wegen der Beschwerden und der eingeschränkten Lebensqualität leiden Betroffene als indirekte Folge oft auch an Depressionen und Gewichtsverlust.

Was erhöht das Risiko für eine diabetische Polyneuropathie?

Der Verlauf einer diabetischen Polyneuropathie ist individuell unterschiedlich und hängt stark von der Blutzuckereinstellung, Begleiterkrankungen und dem Lebensstil ab, denn auch Rauchen, ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel erhöhen das Risiko für Folgeerkrankungen. Eine konsequente Therapie kann das Fortschreiten der Erkrankung jedoch deutlich verlangsamen und sogar zum Stillstand bringen.

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Diagnose: Wie lässt sich eine diabetische Polyneuropathie erkennen?

Je früher eine diabetische Polyneuropathie erkannt wird, desto besser kann man einen schweren Verlauf vermeiden. Der Hausarzt oder die Hausärztin ist in der Regel die erste Anlaufstelle, wenn Beschwerden neu auftreten. Bei Auffälligkeiten erfolgt eine Überweisung an eine Praxis für Neurologie oder Diabetologie.

Für Menschen mit einem diagnostizierten Diabetes ohne bekannte Folge- oder Begleiterkrankungen sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen vorgesehen. Diese erfolgen alle ein bis zwei Jahre, bei erhöhtem Risiko jährlich oder auch öfter. Die Ärztin oder der Arzt untersucht auf mögliche Symptome einer diabetischen Polyneuropathie und fragt nach typischen Beschwerden. Er oder sie fragt auch gezielt nach solchen Krankheitszeichen, die Patientinnen oder Patienten vielleicht aus Scham nicht selbstständig erwähnen würden, beispielsweise Inkontinenz oder Erektionsstörungen.

Bei konkretem Verdacht auf diabetische Polyneuropathie erfolgt die Diagnose in der Regel durch eine gründliche klinische Untersuchung. Zu den möglichen Methoden gehören:

  • Untersuchung beider Beine und Füße
  • Test der Berührungsempfindlichkeit (zum Beispiel mit einem Nylonfaden)
  • Vibrationswahrnehmung mit einer Stimmgabel
  • Test des Temperatur- und Schmerzempfindens
  • Reflexprüfung der Achillessehne
  • Messung der Nervenleitgeschwindigkeit
  • EKG (Elektrokardiogramm) zur Messung der elektrischen Herzströme
  • Ultraschalluntersuchung der Harnblase
  • Blutuntersuchungen zum Ausschluss anderer Krankheiten
Doc Felix erklärt Diabetes mellitus Typ 2

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Ein etwa 60-jähriger Mann mit leichtem Bauchansatz auf einem Waldweg. Er trägt einen Rucksack und Walkingstöcke. Ihm gegenüber steht eine Frau, ebenfalls mit Walkingausrüstung. Beide scheinen in einem angeregten Gespräch. Der Mann lächelt die Frau an.

© iStock / LordHenriVoton

Regelmäßige Bewegung wie Spaziergänge oder Nordic Walking, fördert die Durchblutung und stärkt die Muskeln. Das hilft, Folgeerkrankungen der diabetischen Polyneuropathie zu vermeiden oder Symptome zu lindern.

Therapie: Wie wird die diabetische Polyneuropathie behandelt?

Wichtig ist, ein Fortschreiten der diabetischen Polyneuropathie zu verhindern. Ein optimal eingestellter Blutzucker durch sogenannte Antidiabetika oder Insulin kann helfen, weitere neurologische Schäden zu vermeiden.

Bluthochdruck, Übergewicht und Störungen im Fettstoffwechsel sind ebenfalls Risikofaktoren für Folgeerkrankungen bei Diabetes. Deswegen sprechen die Ärztinnen und Ärzte mit den Betroffenen auch über ihren Lebensstil, wie etwa Ernährung, Alkoholkonsum oder Bewegungsgewohnheiten.

Eine Behandlung mit Medikamenten kann bei verschiedenen Beschwerden wie Kribbeln, Schmerzen oder Taubheit die Symptome in den Füßen verringern. Bei Schmerzen kommen oft Medikamente zum Einsatz, die auch bei Depressionen und Epilepsie genutzt werden. Diese verhindern, dass der Schmerzreiz an das Gehirn weitergeleitet wird. Physio- und Bewegungstherapien fördern die Durchblutung, stärken die Muskeln und können helfen, Stürzen vorzubeugen.

Was Patientinnen und Patienten selbst tun können:

  • regelmäßige Blutzuckerkontrollen und ärztliche Check-ups
  • strikte Einhaltung der Diabetestherapie
  • gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung
  • Rauchstopp und Verzicht auf Alkohol
  • tägliche Kontrolle der Füße auf Verletzungen, etwa mit einem Spiegel
  • gutsitzendes, bequemes Schuhwerk tragen

Wichtig ist darüber hinaus die regelmäßige Kontrolle der Symptome einer diabetischen Polyneuropathie. Je nachdem, wie weit die Erkrankung vorangeschritten ist, sind Kontrolluntersuchungen im Abstand von drei Monaten bis zu einem Jahr vorgesehen.

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