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Gesundheitsmagazin

Gehirn & Nerven

Polyneuropathie erkennen und behandeln

Veröffentlicht am:06.12.2023

6 Minuten Lesedauer

Ein Gefühl, als würden Ameisen über die Beine laufen, Schmerzen oder fehlendes Temperaturempfinden in Händen oder Füßen – diese Symptome können Anzeichen für eine Polyneuropathie sein. So lassen sich die Beschwerden behandeln.

Eine Seniorin sitzt auf einer Untersuchungsliege, während ein Arzt ihre rechte Hand untersucht.

© iStock / ljubaphoto

Was ist eine Polyneuropathie?

Neuropathien sind Erkrankungen des peripheren Nervensystems, das alle Nerven und die zugehörigen Leitungsbahnen außerhalb von Gehirn und Rückenmark umfasst. Der Zusatz „Poly“ drückt aus, dass nicht nur ein einzelner Nerv, sondern mehrere Nerven oder ganze Nervenstrukturen geschädigt sind. Dadurch werden bei Betroffenen Reize zwischen Nerven, Rückenmark und Gehirn nicht mehr richtig weitergeleitet. Diese Funktionsstörung löst die typischen Beschwerden wie Schmerzen, Missempfindungen, Gefühlsstörungen oder Muskelschwäche aus. Über das periphere Nervensystem sind Organe und Gewebe mit dem zentralen Nervensystem verbunden. Das komplexe Nervengeflecht hat vielfältige Aufgaben. Es leitet etwa motorische Befehle an die Muskeln weiter oder überträgt Sinneseindrücke. Bewegungen auszuführen oder eine sanfte Berührung auf der Haut zu spüren, wäre ohne das periphere Nervensystem nicht möglich.

Was sind die Symptome einer Polyneuropathie?

Eine Polyneuropathie kann mit unterschiedlichen Symptomen einhergehen, je nachdem, welche Nerven von der Erkrankung betroffen sind. Mediziner und Medizinerinnen unterscheiden sensible, motorische und vegetative Polyneuropathien. Manche Menschen sind auch von mehreren Formen der Polyneuropathie gleichzeitig betroffen. Eine Polyneuropathie kann akut, sich schnell verschlechternd oder chronisch verlaufen.

  • Symptome der sensiblen Polyneuropathie: Sensible Nerven senden Informationen von der Haut zum Gehirn. Beeinträchtigungen können zu Empfindungsstörungen wie Ameisenlaufen, Brennen, Jucken, Taubheitsgefühlen oder Kribbeln führen. Auch ein vermindertes Temperatur- oder Schmerzempfinden ist möglich. Diese Form der Polyneuropathie merken Betroffene vor allem an Füßen oder Händen.
  • Symptome der motorischen Polyneuropathie: Die motorischen Nerven leiten Signale vom Gehirn zu den Muskeln weiter. Eine Nervenschädigung kann Muskelschwäche, Muskelschmerzen, Muskelzucken oder Muskelkrämpfe verursachen.
  • Symptome der vegetativen Polyneuropathie: Das vegetative Nervensystem ist Bestandteil des peripheren Nervensystems – es koordiniert automatisierte Körperfunktionen wie das Verdauen, Atmen oder Schwitzen. Eine vegetative Polyneuropathie steht unter anderem mit Beschwerden wie Schwindel, Blasenschwäche, Durchfall oder verstärktem Schwitzen in Verbindung – sie betrifft die Organfunktionen.

Die Nervenschädigung kann sich an einer oder beiden Körperhälften bemerkbar machen. Betroffene berichten neben körperlichen Symptomen auch von weiteren Beschwerden – Erschöpfungszustände sind bei einer Polyneuropathie ebenfalls möglich. Oft leiden Betroffene unter brennenden, schneidenden oder stechenden Schmerzen.

Was sind die Ursachen einer Polyneuropathie?

Polyneuropathie kann erblich bedingt oder im Laufe des Lebens erworben sein, was häufiger der Fall ist.

Schädigungen an den peripheren Nerven können etwa durch Entzündungsprozesse im Körper als Folge einer Autoimmunerkrankung oder einer Infektion mit bestimmten Viren beziehungsweise Bakterien auftreten. Dafür bekannte Erkrankungen sind unter anderem Borreliose, Diphtherie oder Gürtelrose.

Daraus resultieren Entzündungen, die die empfindliche Schutzschicht des Nervenzellfortsatzes, die sogenannte Myelinschicht, angreifen können. Oft steht die Polyneuropathie im Zusammenhang mit einer Diabeteserkrankung – dann handelt es sich um eine diabetische Polyneuropathie: Ein dauerhaft zu hoher Blutzuckerspiegel schädigt die Nerven und führt zu den Beschwerden. Eine weitere häufige Ursache ist die Abhängigkeit von Alkohol, wegen seiner nervenschädigenden Wirkung bei langjährigem hohen Konsum.

Weitere Polyneuropathie-Ursachen:

  • Erkrankungen der Leber
  • Mangelernährung, unter anderem bei Zöliakie
  • Vitaminmangel, z.B. Vitamin B12
  • Autoimmunerkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom oder rheumatoide Arthritis
  • Einnahme bestimmter Medikamente wie zum Beispiel die Antibiotika Nitrofurantoin oder Metronidazol
  • Kontakt mit giftigen Substanzen, etwa Schwermetalle
  • HIV-Infektionen
  • Erkrankungen, die auf Infektionen beruhen: Borreliose oder Syphilis
  • Krebserkrankungen, beispielsweise Brustkrebs oder Blutkrebs
  • hormonelles Ungleichgewicht, zum Beispiel ausgelöst durch eine Schilddrüsenunterfunktion
  • erbliche Veranlagung (hereditäre Neuropathien)

Wie wird eine Polyneuropathie diagnostiziert?

Eine neurologische Facharztpraxis ist die richtige Anlaufstelle bei Polyneuropathie. Betroffene können sich aber auch an den Hausarzt oder die Hausärztin wenden – diese erstellen eine Verdachtsdiagnose und überweisen zu einem Neurologen oder einer Neurologin. Um festzustellen, ob tatsächlich eine Polyneuropathie vorliegt, findet zuerst ein Gespräch statt. Dabei erkundigt sich der Mediziner oder die Medizinerin nach der Krankengeschichte und nach den vorliegenden Beschwerden. Von Interesse ist etwa, ob den Betroffenen das Gehen Probleme bereitet oder ob sie feinmotorische Einschränkungen der Hände oder Finger haben. Relevant ist auch, ob die Betroffenen Schmerzen haben und wie stark die Schmerzen sind. Auch eine körperliche Untersuchung ist wichtig. Dabei prüft der Mediziner oder die Medizinerin, ob Muskeln gelähmt oder geschwächt sind. Einschränkungen beim Reizempfinden oder eine Beeinträchtigung der Reflexe können bei der körperlichen Untersuchung ebenfalls auffallen. Um den Ursachen auf den Grund zu gehen und um herauszufinden, welche Nerven wie stark geschädigt sind, gibt es zahlreiche Untersuchungsmethoden.

  • Elektroneurographie: Bei der Elektroneurographie wird ein Elektrodenset im Gebiet des Nervenverlaufs auf die Haut geklebt – so lassen sich die elektrischen Impulse der Nerven messen. Die Untersuchung hilft dabei, herauszufinden, wie die Nervensignale transportiert und im Körper verteilt werden – Nervenschädigungen führen zu einem auffälligen Ergebnis und geben Hinweise zur Abgrenzung der Nervenausfälle.
  • Elektromyographie: Macht deutlich, ob und wie stark die Muskeln auf die Nervensignale ansprechen. Bei dieser Untersuchung werden dünne Nadelelektroden durch die Haut in den entsprechenden Muskel eingeführt.
  • Untersuchungen von Urin, Gehirnwasser, Blut oder Gewebeproben sowie genetische Tests und bildgebende Verfahren: Diese Methoden sind sinnvoll, wenn etwa Diabetes und Alkoholkrankheit als Ursache unwahrscheinlich sind und das Beschwerdebild sowie elektrophysiologische Untersuchungsbefunde weiteren Abklärungsbedarf ergeben. Auch wenn die Symptome sehr plötzlich auftreten, kann eine zusätzliche Diagnostik sinnvoll sein.

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Wie wird eine Polyneuropathie behandelt?

Bei einer Polyneuropathie gibt es verschiedene Behandlungsansätze:

  1. Auslöser vermeiden und behandeln: Um weitere Schäden zu verhindern und um die Beschwerden zu lindern, wird die zugrunde liegende Ursache beseitigt oder behandelt. Liegt etwa eine unbehandelte Diabeteserkrankung vor, muss der Blutzucker richtig eingestellt werden. Alkoholabhängige Menschen profitieren von einer Suchttherapie. Bei einem Vitaminmangel können Betroffene durch Ernährungsumstellungen einen Ausgleich schaffen. Führen Infektionen oder Entzündungen zu den Nervenschäden, können Antibiotika oder Kortison sinnvoll sein.
  2. Schmerzen lindern: Eine begleitende Schmerztherapie verschafft Betroffenen Linderung. Zum Einsatz kommen Antidepressiva und bestimmte Medikamente, die ursprünglich für Epilepsien entwickelt wurden (Antikonvulsiva). Durch die Einnahme von Antidepressiva produziert der Körper vermehrt Botenstoffe – diese dämpfen die Weiterleitung von Schmerzsignalen. Antikonvulsiva sind meist die erste Wahl, sie bremsen die Erregbarkeit der Nerven, was schmerzlindernd wirkt. Bei ausgeprägten Schmerzen sind womöglich Opioide angezeigt. Da diese zu einer Abhängigkeit führen können, verschreiben Mediziner und Medizinerinnen sie nur für kurze Zeit.
  3. Begleitende Therapien: Je nach vorliegender Nervenschädigung können weitere Behandlungsansätze hilfreich sein, etwa Physio- oder Ergotherapie – sie unterstützen bei ungünstigen Bewegungsabläufen oder Gleichgewichtsstörungen sowie bei der Regeneration akuter Polyneuropathien. Spezielle Schienen, sogenannte Orthesen, helfen Betroffenen mit Muskellähmungen dabei, Hände und Füße beweglich zuhalten.
Eine Frau sitzt auf dem Boden und fasst mit Beiden Händen um ihren schmerzenden rechten Fuß.

© iStock / Sorapop

Ein Brennen, Schmerzen oder Taubheitsgefühle in den Füßen können Hinweise auf eine Polyneuropathie sein.

Wie verläuft eine Polyneuropathie und verkürzt sie die Lebenserwartung?

Eine Polyneuropathie ist in der Regel nicht heilbar – die Nervenschädigungen lassen sich also meist nicht rückgängig machen. Bei Diabeteserkrankten können die Schädigungen an den Sinnesnerven langsam zunehmen, wenn der Blutzucker nicht richtig eingestellt ist. Halten Erkrankungen eine Polyneuropathie aufrecht , kann diese sich auch in Schüben äußern. Bei Zellgiften wie Alkohol kommt es auf die aufgenommene Menge an – ein ausgeprägter Konsum belastet die Nerven entsprechend stärker als eine gelegentliche Aufnahme von Alkohol. Spezielle Programme zur Früherkennung gibt es nicht. Der Gesundheits-Check-up, eine Vorsorgeuntersuchung, die in der Hausarztpraxis stattfindet, kann aber Risikofaktoren wie einen erhöhten Blutzuckerspiegel und frühe Symptome aufdecken. Eine pauschale Aussage zur Lebenserwartung bei Polyneuropathie gibt es nicht – hier kommt es maßgeblich auf die Ursache der Krankheit an.

Tipps für die Vorsorge und mehr Lebensqualität bei Polyneuropathie

Eine Polyneuropathie bedeutet manchmal eine Einschränkung der Lebensqualität. Diese Tipps können das Wohlbefinden steigern und Risiken minimieren:

  • Blutzucker kontrollieren: Menschen mit Diabetes kontrollieren am besten regelmäßig ihren Blutzucker und nehmen ärztlich verordnete Medikamente ein. Schließlich kann eine suboptimale Blutzuckereinstellung das Risiko für die Entstehung und einen raschen Fortschritt der Erkrankung erhöhen.
  • Füße kontrollieren: Eine Polyneuropathie an Beinen oder Füßen erhöht das Risiko für Fußgeschwüre – eine regelmäßige Kontrolle auf Wunden ist also wichtig.
  • Bewegen: Menschen mit Polyneuropathie können bei Schmerzen und Missempfindungen von verschiedenen Angeboten wie Aquagymnastik oder Gehtraining profitieren.

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