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Gesundheitsmagazin

Psychologie

Nimmt die Angst vorm Sterben im Alter ab?

Veröffentlicht am:02.06.2022

5 Minuten Lesedauer

Was hat es mit der Angst vor dem Tod auf sich und wie kann man ihr begegnen? Liefert gerade das Alter eine Antwort? Studien zeigen, dass sich der Umgang mit diesem Thema mit der Lebenssituation verändert.

Eine Person hält die Hände einer sterbenden, alten Person mit einer roten Wolldecke.

© iStock / LPETTET

Was bedeutet Angst vor dem Tod?

Der Tod ist in unserer Gesellschaft immer noch ein Tabu-Thema, aber die Angst vor dem Tod sowie die Ungewissheit, was danach kommen wird, begleiten den Menschen seit jeher. Die Angst vor dem Tod ist so tiefgreifend, dass der Mensch alles tut, um sie zu vermeiden oder über das Thema „Sterben“ zu sprechen.

Zum Thema Angst vor dem Tod gibt es unterschiedliche Positionen und Interpretationen. Der Philosoph Sören Kierkegaard beispielsweise glaubte, dass die eigentliche Angst nicht den Tod, sondern das Nichts betrifft. Angst vor dem Tod bedeutet für ihn die Angst, sich selbst zu verlieren und zu Nichts zu werden.

Häufig wird auch zwischen den Begriffen „Todesangst“ und „Angst vor dem Tod“ unterschieden. So definiert der US-Psychologe und Psychotherapeut Rollo May Todesangst als emotionalen Zustand, der durch eine reale Gefahr ausgelöst wird (etwa eine Geiselnahme), während die Angst vor dem Tod eine Reaktion auf eine unspezifische Bedrohung ist, die die gesamte Existenz des Menschen betrifft.

Welche Faktoren können die Angst vor dem Tod beeinflussen?

Ob und wie stark Menschen Angst vor dem Tod haben, hängt von vielen Faktoren ab. Unter anderem spielen folgende Aspekte eine Rolle:

  • Psychische Störungen: Insbesondere bei Menschen mit psychischen Störungen spielt die Angst vor dem Tod eine große Rolle. So zeigte eine australische Studie, bei Teilnehmenden mit unterschiedlichen psychischen Erkrankungen, einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Angst vor dem Tod und dem Ausmaß der psychischen Erkrankung: je größer die Angst war, desto mehr Beschwerden traten auf und desto mehr Medikamentenverordnungen und mehr Krankenhausaufnahmen erfolgten. Insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit Angst- oder Zwangsstörungen werden erhöhte Todesangstwerte festgestellt. In Studien, die diese Patientinnen und Patienten mit ihrer Todesangst konfrontierten, reagierten sie mit einer verstärkten Symptomatik ihrer Angst- oder Zwangserkrankung. Deshalb vermuten einige Forschende, dass die Betroffenen ihre starke Todesangst unbewusst auf klar fassbare Angstobjekte projizieren oder versuchen, sie über Kontrollzwänge zu neutralisieren. Bei schizophren erkrankten Menschen finden sich erhöhte Todesangstwerte in akuten psychotischen Phasen, aber eine geringere Todesangst zwischen diesen Phasen. Bei älteren Menschen besteht ein Zusammenhang zwischen der Angst vor dem Tod und dem Auftreten von Depressionen. Menschen mit psychischen Erkrankungen erleben und verarbeiten die Angst vor dem Tod also ganz unterschiedlich.
  • Körperliche Erkrankungen: US-amerikanische Forschende haben den emotionalen Inhalt von Blog-Beiträgen unheilbar kranker Patientinnen und Patienten ausgewertet, die entweder an Krebs oder an amyotropher Lateralsklerose (ALS) – einer unheilbaren Erkrankung des Nervensystems – starben. Es zeigte sich, dass Blogbeiträge von unheilbar kranken Personen deutlich mehr Wörter mit positiven Emotionen enthielten als von denjenigen, die sich lediglich vorstellten, dass sie im Sterben liegen. Diese Studie legt daher die Vermutung nahe, dass der Tod seinen Schrecken verlieren könnte. Zudem hat eine Analyse verschiedener Studien mit Krebspatientinnen und -patienten gezeigt, dass ihre Angst vor dem Sterben eher moderat ist. Beeinflusst wird sie von verschiedenen Faktoren, etwa vom Geschlecht und vom Familienstand, aber auch von der Region, in der die Betroffenen leben, und von der Art des Krebses.
  • Glaube und Wertvorstellungen: Bei vielen Menschen mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung gewinnt Spiritualität an Bedeutung. Oft gibt der Glaube an Gott oder eine höhere Macht Halt und Stärke. Allerdings kann das Nahen eines ungewollten Lebensendes auch Unsicherheiten auslösen und das persönliche Glaubensgerüst ins Wanken bringen.

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Welche Rolle spielt das Alter bei der Angst vorm Sterben?

Ältere Menschen haben offenbar weniger Angst vor dem Sterben. Das konnten unter anderem Forschende der Universität Heidelberg bestätigen. Sie hatten 124 Menschen, in einem Ausgangsalter zwischen 87 und 97 Jahren, mehrmals in einem Zeitraum von 4 Jahren befragt. Dabei sollten die Teilnehmenden ihre Einstellungen gegenüber Krankheit, Tod und Sterben einschätzen. Die Akzeptanz von Tod und Sterben war bei den betagten Befragten überraschend hoch und nahm im Laufe des Untersuchungszeitraums noch weiter zu. Dagegen war die Angst vor dem Tod sehr niedrig und nahm im Laufe der Zeit eher ab. Der Grund für das Altern ohne Angst ist noch nicht eindeutig geklärt. Vermutlich spielt hierbei die Tatsache eine Rolle, dass Menschen dazu neigen, sich mit zunehmendem Alter mehr auf das Positive zu konzentrieren.

Ein älterer Mann spricht über seine Angst vor dem Tod mit einer jungen Frau, die ihn tröstet und ihm zuhört.

© iStock / Goodboy Picture Company

Es kann hilfreich sein, mit anderen Personen über die eigenen Gefühle und Vorstellungen des Sterbens zu sprechen.

Wie fühlt es sich an, zu sterben?

Die Frage, wie Menschen ihr Sterben erleben, kann niemand sicher beantworten. Es gibt jedoch wissenschaftliche Erkenntnisse dazu, wie man die Zeit kurz vor seinem Tod erlebt. So hat die Schweizer Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross dieses sensible Thema untersucht. Demnach durchlaufen Menschen fünf ineinander übergehende Phasen, wenn sie erfahren, dass sie aufgrund einer unheilbaren Erkrankung bald sterben werden. Die Phasen können unterschiedlich lange dauern, auch parallel ablaufen oder übersprungen werden:

  1. Nicht-Wahrhaben-Wollen und Rückzug beziehungsweise Isolation
  2. Zorn
  3. Verhandeln (mit dem Schicksal, etwa das Hoffen auf bisher unbekannte Behandlungen)
  4. Depression
  5. Akzeptanz

Andere Forschende kritisieren jedoch die Methodik der Untersuchung von Kübler-Ross und äußern Zweifel daran, dass Sterbende tatsächlich die fünf genannten Phasen durchlaufen.

Die Fragen „Hat man während des Sterbens Angst?“ beziehungsweise „Sind Sterbende traurig?“ beschäftigen viele Menschen. Hierzu liefern die Auswertungen von Blog-Beiträgen unheilbar kranker Patientinnen und Patienten sowie Häftlingen in der Todeszelle wichtige Erkenntnisse. Es zeigte sich, dass die Blogposts der Patientinnen und Patienten positiver wurden, je näher der Tod rückte. Auch die letzten Worte der zum Tode Verurteilten waren weniger negativ als die von Studien-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern, die sich nur vorstellten, dass sie sterben werden.

Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Erfahrung des Sterbens weniger furchteinflößend zu sein scheint, als man es sich vorstellt. Allerdings erfassen die Beiträge nicht die tatsächlichen letzten Minuten.

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Wie kann man mit der Angst vor dem Tod umgehen?

Viele unheilbar Kranke meiden das Thema, um Angehörige und Freunde nicht mit ihren Sorgen und Ängsten zu belasten. Dabei können Gespräche mit nahestehenden Menschen über Wertvorstellungen, Gefühle oder zukünftige Entscheidungen hilfreich sein und sowohl für Sterbende als auch für ihre Bezugspersonen entlastend wirken. Auch die Betreuung und Versorgung in Palliativ-Einrichtungen kann Sterbenden und ihren Angehörigen Ängste nehmen. Dort wird die letzte Lebensphase oftmals mit Seelsorge, Biografie-Arbeit oder medizinischen Therapien begleitet.

Telefon-Seelsorge

Bei psychischen Belastungen bietet die Telefon-Seelsorge Rat und Hilfe.

Die Telefon-Seelsorge ist bundesweit kostenlos unter den Rufnummern 0800/111 0 111, 0800/111 0 222 oder 116 123 erreichbar. In Konflikt- beziehungsweise Krisensituationen können Betroffene auch psychologische oder psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen.

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