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Gesundheitsmagazin

Krebs

Umgang mit dem Tod für Eltern und Kinder

Veröffentlicht am:26.05.2021

6 Minuten Lesedauer

Eine Krebserkrankung belastet nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche. Eine besondere Herausforderung für Eltern ist es, eine unheilbare Krebserkrankung im fortgeschrittenen Stadium mit ihrem Kind zu thematisieren. Spätestens durch einen bevorstehenden Sterbeprozess rücken auch Fragen zum Thema Tod in den Vordergrund. Fragen, die für Eltern sehr schmerzhaft sind. Eine Auseinandersetzung ist jedoch sinnvoll, wie Diplom-Psychologin Beate Hornemann weiß.

Zwei Personen halten sich an den Händen. Sie halten zusammen, denn jemand ist schwerkrank – Umgang mit dem Tod.

© iStock / eclipse_images

Beate Hornemann, Psychoonkologin und Psychologische Psychotherapeutin am Universitätsklinikum Dresden

© privat

Psychoonkologin und Psychologische Psychotherapeutin Beate Hornemann arbeitet an der Uniklinik Dresden.

Im Interview erläutert sie, wie der Umgang mit dem Tod für Eltern und Kinder erleichtert werden kann.

Wie man mit Kindern über den nahenden Tod spricht

Wie spreche ich bei meinem Kind am besten an, dass die Krebserkrankung unheilbar voranschreitet?

Prinzipiell sollte jedes Kind altersgemäß ab Beginn der Diagnose einbezogen werden. Therapieschritte und Nebenwirkungsfolgen und Veränderungen, die das Kind betreffen, sollten erläutert werden. Zunehmende körperliche Schwäche oder andere Symptome bleiben dem Kind auch nicht verborgen und können einen Einstieg in das Gespräch darstellen.

Sichtbare Veränderungen, wie Gewichtsabnahme, Anlegen einer Schmerzpumpe oder schon die Versorgung durch ein Pflegeteam lassen sich anschaulich erklären. Schrittweise orientiert man sich dann am weiteren Bedarf des Kindes. Entzieht sich das Kind, indem es zum Beispiel unruhig wird oder das Zimmer verlassen will, ist das in der Regel kein Zeichen seines Desinteresses.

Vielmehr ist das als Signal zu verstehen, dass es zunächst genug Informationen hat, also als eine Art Schutzmechanismus der kindlichen Seele vor Überforderung. In dem Fall vertagt man weitere Inhalte auf ein nächstes Mal. Ebenso wie Erwachsene brauchen auch Kinder Zeit, Tatsachen zu realisieren.

„Die Kinder sollten ab Beginn der Diagnose in die Krankheit einbezogen werden.“

Dipl.-Psych. Beate Hornemann
Psychoonkologin und Psychologische Psychotherapeutin

Woran erkenne ich, ob mein Kind Redebedarf hat?

Kinder haben feine Antennen dafür, dass etwas nicht stimmt, aber fragen nicht immer von selbst nach. Einem eventuellen Redebedarf vorrangig ist das Bedürfnis, einbezogen zu werden. Das Kind von seinen Tageserlebnissen berichten zu lassen, schafft Nähe und Vertrauen.

Es gilt, sie zum Fragen zu ermutigen, indem man beispielsweise eine Brücke baut: „Ich war zu Besuch im Krankenhaus, darf ich Dir erzählen, was ich dort erlebt habe?“ Jüngeren Kindern fehlt der Wortschatz, das Erlebte zu berichten. Fühlen sie sich belastet, reagieren sie eher körperlich durch Veränderungen im Schlaf-, Ess- oder Spielverhalten.

Manchmal zieht es sie nachts wieder in das elterliche Bett, obwohl sie diese Phase schon überwunden hatten. Dann reicht es manchmal, miteinander zu schweigen und den Moment zu genießen.

Soll ich meinem Kind sagen, dass alles gut wird?

„Gut werden“ hat unterschiedliche Bedeutungen für den Einzelnen. In der Regel sagen Erwachsene das schneller, als Kinder danach fragen. Grundsätzlich muss ein Kind nicht zu jedem Zeitpunkt alles erfahren – das, was es erfährt, sollte aber stimmen. Das heißt auch, keine Versprechen zu geben, die nicht verlässlich zu halten sind.

An dieser Stelle ist es wichtig, das Vertrauen des Kindes in die Bezugspersonen zu halten. Ein Vertrauensbruch wiegt langfristig schwerer als die Herausforderung der Verarbeitung einer schwierigen Wahrheit. Orientieren Sie sich auf die aktuelle Situation. Das Kind kann es schon als beruhigend und „gut“ erleben, wenn der Erkrankte keine Schmerzen hat und ruhig schläft.

Ein späteres Glück nach dem Verlust des Elternteils sollte als Vision erhalten werden. Kinder brauchen das Signal, dass es weitergeht und dass es für sie Personen gibt, die sich ihnen widmen.

Ein Kind ist auf dem Arm genommen und traurig – jemand in der Familie ist schwerkrank. Wie man mit dem Tod umgeht.

© iStock / Nadezhda1906

Emotionen teilen – Freiräume lassen

Darf ich vor meinem Kind weinen?

Eigene Betroffenheit gänzlich zu verbergen, ist nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Kinder brauchen eine Erklärung für die Tränen und vor allem die Versicherung, dass es mit ihrem Verhalten nichts zu tun hat. Tränen aus Traurigkeit, Rührung oder Zorn sind verständlich. Das Kind lernt, es ist erlaubt, Gefühle zu zeigen, es darf hören, dass diese auch sehr unterschiedlich sein können.

Mit Berührungen bzw. Umarmungen erlebt sich auch das Kind als hilfreich. Vielleicht ist es selbst eher wütend oder ängstlich, auch das sind mögliche und erlaubte Gefühle. Trotzdem muss nicht aller Kummer vor oder mit dem Kind ausgetragen werden. Den Kindern, vor allem auch älteren, hilft es zu erleben, dass sich die Erwachsenen Hilfe suchen, wenn sie Unterstützung brauchen. Dies kann ein wichtiges Modell für den eigenen Umgang mit schwierigen Situationen sein. 

„Tränen und Traurigkeit sind durchaus erlaubt – dennoch sollte nicht jeder Kummer mit dem Kind geteilt werden.“

Dipl.-Psych. Beate Hornemann
Psychoonkologin und Psychologische Psychotherapeutin

Wie bereite ich mein Kind darauf vor, dass ein Elternteil oder ein naher Verwandter stirbt?

Dazu ist es wichtig, dass das Kind den Prozess begleiten kann und einbezogen wird. Allerdings sollte es dabei stets den Freiraum bekommen, zu entscheiden, wie oft und wie nah es sich konfrontieren möchte. Man kann nach gemeinsamen Besuchen eigene Beobachtungen am Erkrankten thematisieren und seine zunehmende Schwäche beschreiben.

Das Kind kann eingeladen werden, eigene Gedanken und eigene Wahrnehmungen einzubringen oder Fragen zu stellen. Dies kann helfen zu verstehen: Der Kranke „macht sich nicht einfach aus dem Staub, sondern das Leben ist für ihn unter den Bedingungen, die ihm die Krankheit stellt, eine große Belastung.“

Wie erkläre ich meinem Kind, was nach dem Tod geschieht?

Kinder unterschiedlichen Alters haben verschiedene Vorstellungen vom Tod, auch für Erwachsene gilt das noch. Glauben, Religionen und Spiritualität sind höchst individuell. Jede Familie hat oft eigene Glaubenssymbole. In der akuten Belastungssituation ist es wichtig, gemeinsam mit dem Kind eine Antwort zu finden, die der kindlichen Seele hilft.

Auch dazu kann man mit dem arbeiten, was das Kind an Ideen bereits in sich trägt. Was hat das Kind für eine Vorstellung hierzu? Kann man diese Idee stehenlassen oder muss man dies korrigieren? Warum dann nicht vom Kind genannte Bilder, wie beispielsweise Engel oder Sterne mit einbeziehen? Der kindlichen Seele muss es helfen. Wenn das Kind keine Idee hat, kann man tragfähige Fantasien oder Worte anbieten. 

Abschied mit Begleitung

Wie kann ich meinem Kind die Angst nehmen?

Dass man vor Sterben und Tod Angst haben muss, ist der Gedanke der Erwachsenen. Zunächst gilt hier die Frage zu beantworten, wovor könnte das Kind denn Angst entwickeln? Was Endlichkeit bedeutet, ist wiederum abhängig vom Alter. Kleinere Kinder sind viel mehr im Hier und Jetzt verankert, ältere Kinder stellen sich schon vor, dass verschiedene Lebensabschnitte ohne den Verstorbenen stattfinden oder Alltagsbedingungen der Familie stark verändert sein werden. Das kann Verunsicherung und Traurigkeit auslösen.

Der Prozess von Sterben und Abschied macht Angst, wenn er nicht gut begleitet wird. Hilflose Erwachsene sind für Kinder bedrohlich. Dadurch könnten sich alltägliche kindliche Ängste intensivieren, beispielsweise vor der Dunkelheit oder vor dem Alleinsein. Kinder brauchen Nähe und Bindung.

Ich kann den Ängsten des Kindes begegnen, indem ich gewohnte Abläufe wie Kita, Schule und Freizeitaktivitäten aufrechterhalte und selbst Hilfe annehme, wenn ich sie brauche. Das alles sorgt für Stabilität im Alltag.

Gibt es Personen, die mich auf schwierige Gespräche vorbereiten können?

Krebserkrankte werden häufig in der letzten Phase ihrer Erkrankung von spezialisierten Palliativteams betreut. Ärzte und Pflegende in diesen Teams sind besonders geschult, um mit dem Betroffenen und den Angehörigen stützende Gespräche zu führen. Psychoonkologen in Kliniken, Palliativstationen oder Krebsberatungsstellen können ebenfalls Gesprächspartner sein. Ambulante Hospizdienste halten zum Beispiel sozialpädagogische Angebote zur Beratung Betroffener vor.

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Die AOK unterstützt die Trauerbewältigung

Trauer ist sehr individuell, sowohl in der Ausprägung als auch mit Blick auf die Dauer. Deshalb ist es wichtig, dass Betroffene eine maßgeschneiderte Lösung erhalten, um wieder Kraft für den Alltag schöpfen zu können. Die AOK bietet ihre Hilfe an, indem sie Rehabilitationsmaßnahmen und ambulante therapeutische Angebote ermöglicht. Trauern ist ein wichtiger Prozess, kann jedoch auch zu psychologischen Problemen bis hin zu Depressionen führen. Dann ist Hilfe von Experten gefragt, um die Folgen abzufangen. 

Im Familiencoach Krebs , der ab dem 1. Juni 2021 allen Interessierten kostenfrei und anonym zur Verfügung steht, erfahren Sie unter anderem, wie man mit Kindern und Jugendlichen über schwerwiegende Erkrankungen und auch den möglichen Tod einer nahestehenden Person sprechen kann. Sie erhalten weiterführende Informationen und Unterstützungsangebote, die Eltern und Kindern in einer solchen schwierigen Lebenssituation weiterhelfen können. 

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