Immunsystem

Stille Entzündungen – Krankheitsauslöser oder viel Lärm um nichts?

Veröffentlicht am:19.12.2025

7 Minuten Lesedauer

Stille Entzündungen sind ein großes Thema in den sozialen Medien und werden dort als Vorboten zahlreicher schwerer Erkrankungen diskutiert. Aber gibt es stille Entzündungen tatsächlich? Und woran erkennt man sie?

Eine Frau steht am Fenster eines Wohnzimmers. Ihr rechter Ellenbogen ist auf der Fensterbank abgestützt, während sie den Kopf in die rechte Hand stützt. Ihre Augen sind geschlossen. In der linken Hand hält sie eine Tasse.

© iStock / Dejan_Dundjerski

Was ist eine stille Entzündung?

Eine Entzündung ist eine natürliche Reaktion des Körpers auf Verletzungen, Reizungen oder Infektionen. Um den betroffenen Bereich zu schützen und Immunzellen an diese Stelle zu transportieren, wird er stärker durchblutet. Dadurch fühlt er sich wärmer an, schwillt an, rötet sich und wird oft schmerzempfindlich. Wenn sich die Haut sichtbar verändert, Schmerzen oder Fieber auftreten, bemerken wir eine Entzündung in der Regel recht schnell. Es gibt jedoch auch Entzündungen, die ohne deutliche Krankheitszeichen verlaufen und daher von uns unbemerkt bleiben.

Entzündungen erfüllen zwei Hauptaufgaben: Einerseits dienen sie der Abwehr von Krankheitserregern und andererseits der Reparatur von geschädigtem Gewebe. Viele akute Entzündungen klingen von selbst ab. Es kann jedoch auch passieren, dass eine Entzündung chronisch wird und länger fortbesteht, ohne dass sie schwere Symptome hervorruft. Mögliche Ursachen können sein, dass der Auslöser der Entzündung andauert oder dass Lebensstilfaktoren wie die Ernährung die Entzündungsprozesse weiter triggern. Genau darum geht es, wenn in den (sozialen) Medien von stillen Entzündungen die Rede ist: um einen andauernden, kaum merklichen Entzündungszustand.

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Keine eindeutigen Symptome, die auf eine stille Entzündung hindeuten

Das Konzept der stillen Entzündung ist noch recht jung. Im Englischen wird das Phänomen in der Regel als „Low-Grade Inflammation“ bezeichnet. Es handelt sich also um eine chronische, aber niedriggradige („low-grade“) Entzündung, die unterschiedliche Körperregionen betreffen kann. Da die Entzündung unterschwellig ist, geht sie nicht mit den typischen Entzündungssymptomen wie Rötung, Schwellung oder Schmerz einher. Betroffene berichten stattdessen von eher unspezifischen Symptomen wie:

  • Müdigkeit
  • Schlafstörungen
  • verminderter Leistungsfähigkeit
  • erhöhter Anfälligkeit für Infekte oder
  • anhaltenden Muskel-, Gelenk- und Kopfschmerzen

Bei diesen Symptomen die Diagnose einer stillen Entzündung zu stellen, greift jedoch zu weit. Denn stille Entzündungen sind für die medizinische Forschung noch Neuland. Sie sind nicht als eigenständige Krankheit anerkannt und es gibt keine allgemeingültige Definition einer stillen Entzündung. Weil das so ist, gibt es auch keine typischen Symptome, die klar auf eine stille Entzündung hinweisen. Außerdem sind Krankheitszeichen wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit nicht spezifisch. Das heißt, sie können auf ganz unterschiedliche körperliche Probleme hinweisen.

Ebenso wenig existieren bewährte Therapiemethoden oder gar bestimmte Medikamente gegen eine stille Entzündung. Wenn auf Social-Media-Kanälen oder in Internetangeboten das Gegenteil behauptet wird, ist das schlicht unseriös. Einig ist sich die Forschung hingegen darin, dass zwischen chronischen Entzündungen und chronischen Erkrankungen wie Stoffwechselerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs ein enger Zusammenhang bestehen kann.

Doc Felix erklärt im Video mögliche Ursachen chronischer Erschöpfung und ständiger Müdigkeit.

Mit zunehmendem Alter treten chronische Entzündungen häufiger auf

Ein entscheidender Faktor für das Entstehen einer chronischen stillen Entzündung ist das Alter. Mit fortschreitendem Alter wird unsere Immunabwehr unter anderem durch Veränderungen der Immunzellen schwächer. Diese sind dann weniger gut in der Lage, Erreger zu erkennen und mit den zahlreichen, äußerst komplexen Abwehrmechanismen unseres Körpers zusammenzuarbeiten. Das begünstigt Entzündungen im Körper. Tatsächlich lassen sich im Blut älterer Menschen im Vergleich zu jüngeren oft mehr sogenannte Entzündungsmarker wie zum Beispiel C-reaktives Protein (CRP) nachweisen.

Auch wenn die Entzündungen so schwach sind, dass sie für sich genommen noch nicht gefährlich sind, kann ein Zustand chronischer leichter und fortschreitender Entzündungen im Alter mit verschiedenen altersbedingten Krankheiten verbunden sein. So können viele Erkrankungen bei älteren Menschen mit einer höheren Entzündungslast häufiger auftreten. Die vorsichtige These lautet: Stille Entzündungen können langfristig bestimmte Erkrankungen begünstigen.

Krankheiten, die mit stillen Entzündungen in Verbindung stehen können

Die Wechselbeziehungen zwischen chronischen Entzündungen und chronischen Erkrankungen werden zunehmend erforscht.

  • Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

    Bei Menschen, die an Stoffwechsel- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, lassen sich oft erhöhte Entzündungsmarker nachweisen. Stille Entzündungen stehen im Verdacht, an der Entstehung von Typ-2-Diabetes beteiligt zu sein, seinen Verlauf zu verschlimmern oder zu beschleunigen und Komplikationen zu befördern.

    Wenn von dem Zusammenhang zwischen Entzündungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Rede ist, dann geht es in der Regel um kardiometabolische Erkrankungen. Dabei handelt es sich um Erkrankungen, die sowohl das Herz-Kreislauf-System (kardio-) als auch den Stoffwechsel (metabolisch) betreffen, da erhöhte Blutzuckerwerte Herz und Gefäße schädigen können.

  • Demenzerkrankungen

    Die Forschung hat einen Zusammenhang zwischen erhöhten Entzündungswerten im Blut und Demenz festgestellt. Chronische Entzündungen konnten somit als Merkmal mehrerer Demenzformen identifiziert werden. Dies betrifft sowohl leichte kognitive Störungen als auch die Alzheimer-Krankheit und vaskuläre Demenz. Das Risiko einer kognitiven Verschlechterung scheint bei hohen Entzündungswerten größer zu sein als bei niedrigen. Es gibt Hinweise für einen Zusammenhang zwischen chronischen Entzündungen und kognitivem Abbau im Alter, doch sind die Forschungsergebnisse nicht immer eindeutig. Die genauen Zusammenhänge bedürfen weiterer Forschung.

  • Krebs

    Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass bestimmte Entzündungsmarker mit der Entstehung von Krebs in Zusammenhang stehen. Generell gehen mehrere bösartige Tumorarten mit chronischen Entzündungen einher. Chronische Entzündungen wirken tumorfördernd, indem sie bestimmte Zellprozesse während der Tumorentstehung und des Tumorwachstums begünstigen. Das gezielte Vorgehen gegen Entzündungen könnte daher zukünftig eine größere Rolle bei der Prävention und Behandlung von Krebs spielen.

Das Henne-Ei-Problem

Stille Entzündungen sind nicht die direkte Ursache für eine bestimmte Krankheit. Das Thema ist komplexer. Es handelt sich um ein wechselseitiges Prinzip. Beim Krebs zum Beispiel gibt es zwar Hinweise darauf, dass bestimmte Entzündungswege an altersbedingten Krebserkrankungen beteiligt sind. Dennoch lässt sich nicht eindeutig nachweisen, wie Entzündungen konkret (oder ob sie überhaupt) zu Krebserkrankungen beitragen. Dabei ist auch zu bedenken, dass Tumoren selbst Entzündungen verursachen, die dann wiederum als Entzündungswerte nachweisbar sind.

Auch Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen Entzündungen. Wenn Entzündungen wiederum die Krankheiten befeuern, liegt ein sich selbst verstärkender Kreislauf vor. Dabei lassen sich Ursache und Wirkung sowie der jeweils stärker beeinflussende Faktor nicht immer klar bestimmen.

Die Hände einer Frau, die in der Küche vor der Arbeitsfläche steht. Auf der Arbeitsfläche liegen ein Schneidbrett sowie diverse Gemüse, darunter Karotten, Sellerie, Paprika, Zwiebeln und Tomaten. Im Hintergrund befinden sich ein Glas mit Kräutern, eine Flasche mit Essig und Öl, eine Pfeffermühle und weitere Küchenutensilien. Die Frau schneidet eine Karotte.

© iStock / fcafotodigital

Eine Ernährung mit viel Obst- und Gemüse senkt das Risiko für stille Entzündungen.

Was triggert Entzündungen im Körper und wie beuge ich vor?

Stille Entzündungen sind vor allem ein Phänomen des fortgeschrittenen Alters. Es besteht jedoch kein Automatismus, dass jeder Mensch im späteren Leben Probleme mit Entzündungen haben wird. Die Lebensweise spielt eine zentrale Rolle.

Risikofaktoren sind:

Andersherum bedeutet das, dass Sie stillen Entzündungen durch einen gesunden Lebensstil vorbeugen können, konkret mit:

Bei der Ernährung sollten Sie die oben genannten Produkte möglichst meiden und stattdessen pflanzlichen Eiweißen und Fetten den Vorrang in Ihrem Speiseplan geben. Gut für die Vorbeugung von Entzündungen und für die Gesundheit allgemein sind:

Einige Obst- und Gemüsesorten wie Zwiebeln, Brokkoli, Paprika und Zitrusfrüchte wirken besonders antioxidativ und entzündungshemmend.

Eine hundertprozentiger Schutz ist ein gesunder Lebensstil natürlich nicht – eine stille Entzündung kann trotzdem auftreten. Man kann aber das allgemeine Risiko der Entstehung durch einen gesunden Lebensstil reduzieren, und unabhängig davon wirkt er auch bei vielen anderen Erkrankungen vorbeugend.

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