Gehirn & Nerven
Ist „Cortisol-Detox“ sinnvoll?
Veröffentlicht am:28.08.2025
4 Minuten Lesedauer
Ein Social-Media-Trend bewirbt „Cortisol-Detox“. Was ist dran an den Empfehlungen – und was können wir wirklich tun, um das Level des Stresshormons zu senken?

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Gefährlicher Social-Media-Trend
Ein Trend auf TikTok und anderen sozialen Medien beschäftigt viele Menschen: Unter dem Hashtag „Cortisol-Detox“ werben Influencerinnen und Influencer für eine „Entgiftung“ von Cortisol. Die Botschaft: Weniger Cortisol helfe gegen Bauchfett, Müdigkeit, Haarausfall, vorzeitige Hautalterung und Konzentrationsstörungen. Neben Tipps wie Sport, Entspannung und gesunde Ernährung werden dabei häufig auch kostenpflichtige Selbsttests und Nahrungsergänzungsmittel beworben.
Was ist dran an den Empfehlungen? Was genau ist eigentlich Cortisol? Ist es wirklich giftig, sodass wir uns entgiften sollten? Sind Hormon-Selbsttests sinnvoll? Und kann man den Cortisolspiegel überhaupt beeinflussen?
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Wofür brauchen wir eigentlich Cortisol?
Cortisol ist ein Hormon, das in unseren Nebennieren produziert wird. Oft reden wir von Cortisol als Stresshormon, aber es ist auch für sehr viele andere Vorgänge im Körper enorm wichtig. Zum Beispiel ist es an der Regulierung des Blutzuckers und des Blutdrucks beteiligt und verringert Entzündungsreaktionen. Ohne Cortisol könnten wir nicht leben.
Wie bei allen Hormonen kommt es auf die Menge an: Die Ausschüttung von Cortisol wird bei gesunden Menschen so gesteuert, dass wir immer genau die richtige Menge des Hormons haben, um etwa Stoffwechselprozesse und Entzündungsvorgänge nach Bedarf zu regulieren. Dauerhaft zu hohe Cortisolspiegel führen unter anderem zu hohem Blutzucker und Blutdruck, Muskelschwäche, Gewichtszunahme am Bauch und im Gesicht („Mondgesicht“) sowie bläulichen Striae am Bauch. Diese Symptome kommen bei Krankheiten wie dem Cushing-Syndrom vor, bei dem der Körper zu viel Glukokortikoide produziert, oder bei einer längeren Therapie mit hochdosierten Corticoiden.
Zu niedrige Cortisolspiegel sind ebenfalls nicht gesund und können sogar lebensbedrohlich sein. Typische Symptome sind extreme Müdigkeit (Fatigue), unbeabsichtiger Gewichtsverlust, Appetitmangel und niedriger Blutdruck. Solche Beschwerden treten auf, wenn die körpereigene Cortisolproduktion gestört ist.
Feintuning: der Regelkreislauf der Hormone
Ohne Hormone würde bei uns gar nichts laufen. Die Feintuner der komplizierten, ineinandergreifenden Vorgänge in unserem Körper sorgen dafür, dass das System funktioniert. Dafür müssen auch sie selber reguliert werden. Das funktioniert bei den meisten in einem dreistufigen System.
Beispiel Cortisol: Das Hormon wird in den Nebennieren produziert. Sinkt der Cortisolspiegel im Blut, reagiert der Hypothalamus im Gehirn mit einem Steuerhormon: dem Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH). CRH stimuliert in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) die Ausschüttung von Adrenocorticotropem Hormon (ACTH). Dieses wiederum regt die Cortisolproduktion und -ausschüttung in den Nebennieren an. Wenn dann der Cortisolspiegel im Blut steigt, werden die Steuerungshormone gedrosselt.
Dieser Feedback-Mechanismus sorgt bei gesunden Menschen dafür, dass die Hormonproduktion immer dem Bedarf angepasst wird.
Wann steigt der Cortisolspiegel
Die Ausschüttung von Cortisol folgt einem Tagesrhythmus: Morgens ist der Spiegel am höchsten, um den Körper für den Tag zu aktivieren, abends fällt er ab – Zeit für Entspannung und Schlaf. Das Feintuning kann aber auch auf besondere Situationen reagieren, etwa bei Stress die Ausschüttung hochfahren; der Körper ist dann quasi in Alarmbereitschaft. Das ist sinnvoll. Bei chronischem Stress gerät das fein austarierte Regulierungssystem aber aus dem Gleichgewicht.
Selber testen und entgiften?
Expertinnen und Experten warnen deshalb vor dem auf TikTok und anderen sozialen Medien propagierten „Cortisol-Detox“. Der Trend verkenne, dass es sich bei Cortisol um ein lebensnotwendiges Hormon handle, das den Körper überhaupt erst lebensfähig mache, erklärte die Endokrinologin PD Dr. Birgit Harbeck im März 2025 auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des Deutschen Kongresses für Endokrinologie. „Eine Entgiftung von einem überlebenswichtigen Hormon ist nicht möglich und auch nicht das, was wir wollen.“ Cortisol mache den Körper leistungsfähiger, um den Alltag zu bewältigen.
Von Hormon-Selbsttests, die einige Influencerinnen und Influencer bewerben, rät die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) ab. Die Qualität sei unklar und die Ergebnisse hängen unter anderem von der Tageszeit der Messung ab. Auch Harbeck warnt vor Cortisol-Selbsttests. Sie seien „nicht valide, irreführend und ungenau und führen dazu, dass wir verängstigte Patientinnen und Patienten in den Praxen sehen, die glauben, dass sie einen Überschuss haben.“ Wer wirklich befürchte, zu viel Cortisol zu produzieren, solle sich an die Hausärztin oder den Hausarzt wenden.

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Wie kann man den Cortisolspiegel senken?
Ein gezieltes Senken des Cortisolspiegels ist also nicht sinnvoll – außer bei einer krankhaften Erhöhung des Hormonlevels. Wir müssen unseren Körper nicht von lebenswichtigen Hormonen entgiften.
Für gesunde Menschen kann es aber sinnvoll sein, einen guten Umgang mit Stress zu üben. Denn eine chronische Stressbelastung kann müde und krank machen – und dabei sowohl den Cortisolspiegel als auch andere Regulationsmechanismen im Körper aus der Balance bringen.
Fachleute empfehlen fürs Stressmanagement und einen guten Cortisolspiegel:
- guten Schlaf
- Bewegung
- Atemübungen mit tiefem, ruhigem Atem
- Lachen und Aktivitäten, die Spaß machen
- Beziehungen, die einem gut tun
Gerade in Bezug auf den Cortisolspiegel rät auch die DGE zu Bewegung. Menschen, die sich regelmäßig bewegen, haben nämlich oft weniger Stress – und eine Cortisolkurve, die dem natürlichen Tagesrhythmus des Hormons entspricht. Vor allem moderate Sportarten wie Radfahren, Spazierengehen, Schwimmen und Yoga tragen zur mentalen Gesundheit und einem gesunden Hormonspiegel bei. Wichtig: Die Bewegung soll anstrengen, aber vor allem Spaß machen.
Genuss und Gesundheit kommen auch bei folgendem Tipp zum Einsatz: dunkle Schokolade. Das liegt an ihrem Polyphenolgehalt. In einer Studie hatten Teilnehmende, die täglich 25 Gramm der dunklen Süßigkeit mit einem hohen Polyphenolanteil aßen, signifikant niedrigere Cortisolkonzentrationen im Speichel.
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