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Gehirn & Nerven

Trigeminusneuralgie: Was hilft gegen den Schmerz?

Veröffentlicht am:12.08.2021

7 Minuten Lesedauer

Aktualisiert am: 30.04.2024

Ein Windhauch reicht oft schon aus und ein elektrisierender Schmerz fährt wie ein Blitz durchs Gesicht. Die Attacken einer Trigeminusneuralgie zählen zu den stärksten Schmerzen, die es gibt. Was es damit auf sich hat und welche Therapien es gibt, lesen Sie hier.

Frau leidet unter starken Gesichtsschmerzen weil sie eine Trigeminusneuralgie hat.

© iStock / Pheelings Media

Was ist eine Trigeminusneuralgie?

Betroffene einer Trigeminusneuralgie berichten von extremen Gesichtsschmerzen, die plötzlich spontan oder auch bei der kleinsten Bewegung oder Berührung auftreten können – ein Windhauch kann oft schon ausreichen. Durch diese Schmerzen erleben sie viele alltägliche Vorgänge, wie zum Beispiel Sprechen, Kauen oder Schlucken, als belastende Herausforderungen, die sie lieber vermeiden würden. Sie beschreiben die Schmerzen als:

  • blitzartig einschießend
  • extrem intensiv
  • elektrisierend
  • stechend
  • scharf

Die Schmerzen gehen ohne eine äußere Schädigung des Körpers oder des Kopfes einher. Sie entstehen vielmehr im Versorgungsgebiet eines bestimmten Nervs, dem sogenannten Trigeminusnerv. Er ist der fünfte Hirnnerv, auch Drillingsnerv genannt, und ist mit seinen sensiblen Ästen für die Wahrnehmung und Weiterleitung von Berührungs- und Schmerzreizen im Bereich des Gesichts verantwortlich. Die Schmerzen sind dabei meist auf das Versorgungsgebiet des zweiten oder dritten Astes oder auch auf beide gemeinsam begrenzt und auf eine Gesichtshälfte beschränkt. Nur selten ist der Stirnast beteiligt.

Grafik zur Veranschaulichung der Versorgungsgebiete des Trigeminus.

© AOK

Der Trigeminusnerv ist für die Wahrnehmung von Reizen im Bereich des Gesichts verantwortlich.

Welche Ursachen hat eine Trigeminusneuralgie?

Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (International Headache Society, IHS) unterscheidet drei Formen der Trigeminusneuralgie:

  • Klassische Trigeminusneuralgie
    Nach heutigem Wissensstand geht die Medizin davon aus, dass für die klassische Trigeminusneuralgie eine Verengung des Trigeminusnervs durch ein Blutgefäß ursächlich ist. Das heißt, ein Blutgefäß engt den Nerv im Bereich des Hirnstamms derart ein, dass er nicht mehr wie gewohnt funktionieren kann. Es kommt zu einer Nervenschädigung, bei der die Signale der Reize, die eigentlich nicht schmerzhaft sind, auf Schmerzfasern umgeleitet werden. Für den Patienten oder die Patientin äußert sich das dann mit Schmerzanfällen.
  • Sekundäre Trigeminusneuralgie
    Die Trigeminusneuralgie kann das Symptom einer anderen Erkrankung sein. Dabei kann es sich beispielsweise um eine Multiple Sklerose, einen Hirntumor, Hirnmetastasen oder auch um eine Gefäßmissbildung handeln. Besonders bei jüngeren Patienten und Patientinnen sollte bei starken Schmerzen im Gesicht immer auch an eine Multiple Sklerose gedacht werden, da die Häufigkeit der Trigeminusneuralgie bei MS-Patientinnen und -Patienten bei etwa ein bis zwei Prozent liegt, während sie in der Gesamtbevölkerung nur etwa 0,04 Prozent beträgt.
  • Idiopathische Trigeminusneuralgie
    Liegen wiederkehrende anfallsartige einseitige Gesichtsschmerzattacken vor, die die Kriterien für eine Trigeminusneuralgie erfüllen, und wird weder eine klassische noch eine symptomatische Diagnose bestätigt, so spricht man von einer idiopathischen Form. Als idiopathisch werden Erkrankungen ohne bekannte Ursache bezeichnet.

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Was löst die Schmerzen aus und wie lange dauern sie an?

Minimale Reize wie Sprechen, Rasieren, Kauen, Zähneputzen, eine Berührung, kaltes Wasser oder ein kalter Luftzug können die Schmerzen auslösen (auch Triggerfaktoren genannt). Aber auch Stress kann dafür verantwortlich sein. Das macht die Krankheit zum ständigen Begleiter der Betroffenen und deren Familien. Tanzen mit der Freundin, kuscheln mit dem Partner, toben mit den Kindern – schöne Momente werden zum Risiko für eine Schmerzattacke. Auch die Produktivität der Arbeit leidet, sofern Erkrankte sie überhaupt noch ausüben können.

Die heftigen Schmerzattacken sind dabei kurzanhaltend. Sie dauern einige Sekunden bis wenige Minuten, können aber mehrmals pro Tag dicht hintereinander auftreten. Eine Trigeminusneuralgie tritt episodisch auf. Betroffene können über Wochen und Monate häufig Schmerzattacken haben und darauf über Wochen und Monate eine schmerzfreie Phase erleben.

Schmerztagebuch bei Trigeminusneuralgie

Kalte Luft, Stress oder einfach nur Zähneputzen: Bei einer Trigeminusneuralgie treten die Schmerzen in unterschiedlichen Situationen auf. Mithilfe eines Schmerztagebuchs, zum Beispiel von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgeschaft, können Betroffene genau dokumentieren, in welchen Situationen die Attacken aufgetreten sind, wie intensiv der Schmerz war und wie gut die Medikamente gewirkt haben. Dies kann eine wichtige Säule für die weitere Behandlung bilden. Zudem hilft ein solches Tagebuch, in Zukunft bestimmte Triggerfaktoren zu umgehen, um eine Attacke zu vermeiden.

Welche Folgen kann eine Trigeminusneuralgie haben?

Da die Schmerzattacken heftig sind, verweigern manche Betroffene die Nahrungsaufnahme oder nehmen nur noch Flüssiges mit einem Strohhalm zu sich, um mögliche Schmerzen zu vermeiden. Die Folgen können ein Gewichtsverlust und Flüssigkeitsmangel sein. Die starken Schmerzen sind auch eine enorme psychische Belastung und können mit depressiven Verstimmungen einhergehen.

Wer ist betroffen?

Die Trigeminusneuralgie ist eine seltene Erkrankung. In der Regel tritt sie erst ab dem 50. Lebensjahr auf. Frauen leiden häufiger als Männer unter dem Gesichtsschmerz. Pro Jahr erkranken 5 von 100.000 Frauen neu an einer Trigeminusneuralgie – und 3 von 100.000 Männern.

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Wie wird die Trigeminusneuralgie-Diagnose gestellt?

Aufgrund der charakteristischen Symptomatik ist eine Trigeminusneuralgie für einen Neurologen beziehungsweise eine Neurologin in der Regel leicht zu diagnostizieren. In einem ausführlichen Gespräch erkundigt sich der Arzt oder die Ärztin unter anderem über den Verlauf, die Dauer und Ausprägung sowie über die Auslöser der Gesichtsschmerzen. Es folgt eine neurologische Untersuchung. Hier wird die Trigeminusneuralgie von Erkrankungen mit ähnlichen oder nahezu gleichen Symptomen abgegrenzt – dazu zählen Clusterkopfschmerzen, Erkrankungen im Bereich des Kiefers und der Nebenhöhlen, anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz oder auch eine Post-Zoster-Neuralgie.

Eine Frau hält eine Tablette in der einen und ein Glas Wasser in der anderen Hand.

© iStock / PeopleImages

Bei einer Trigeminusneuralgie wird meist erst einmal versucht, die Beschwerden mit Medikamenten in den Griff zu bekommen. Wenn das nicht gelingt, kann auch eine Operation in Betracht kommen.

So läuft die Behandlung einer Trigeminusneuralgie ab

Bei einer Trigeminusneuralgie muss individuell geklärt werden, welche Behandlungsverfahren zum Einsatz kommen. Wichtig zu wissen: Die Erfolgsraten der unterschiedlichen Behandlungsansätze sind in der Regel hoch, es gibt aber bisher keine Standardtherapie für die Trigeminusneuralgie, die bei jedem Betroffenen Wirkung zeigt. Zudem besteht immer die Möglichkeit, dass die Schmerzen nach einer erfolgreichen Behandlung zurückkehren.

Hier stellen wir Ihnen die gängigen Therapiemöglichkeiten vor.

  • Behandlung mit Medikamenten

    An die Diagnose schließt sich meistens eine medikamentöse Therapie an. Eingesetzt werden Antiepileptika (zum Beispiel Carbamazepin, Oxacarbazepin oder Gabapentin). Die Wirkung von Carbamazepin beruht vermutlich auf der Hemmung der Reizweiterleitung. Es hat dämpfende und beruhigende sowie antidepressive und muskelentspannende Wirkungen und ist in der Regel äußerst wirksam. Allerdings besteht bei diesem Medikament ein erhöhtes Risiko, dass Nebenwirkungen wie Schwindel und Müdigkeit auftreten. Häufig kommt es auch zu allergischen Reaktionen, Veränderungen des Blutbildes und der Leberfunktion, Verringerung der Blutsalze und zu Magen-Darm-Problemen. In der Regel wird die Schmerztherapie mit einer niedrigen Dosierung begonnen und so lange erhöht, bis bei der betroffenen Person keine Schmerzen mehr auftreten.

    Die Nebenwirkungen können reduziert werden, indem das Medikament auf mehrere Dosen über den Tag verteilt eingenommen wird. Die unterschiedlichen Substanzen können eventuell auch kombiniert zum Einsatz kommen. Ist der Patient beziehungsweise die Patientin vier bis sechs Wochen schmerzfrei, wird die Dosis stufenweise reduziert.

    Wenn die Schmerzen mit der medikamentösen Therapie jedoch nicht abklingen oder die Nebenwirkungen es nicht erlauben, die Therapie weiterzuführen, stehen verschiedene weitere Behandlungsansätze zur Verfügung. Die betroffene Person wird dafür zu einem Neurochirurgen oder einer Neurochirurgin überwiesen.

  • Mikrovaskuläre Dekompression

    Wenn eine medikamentöse Therapie keinen Erfolg bringt, kann eine Operation am Gehirn erforderlich sein, um den Kontakt zwischen Gefäß und Trigeminusnerv zu unterbrechen. Dazu wird der Schädel geöffnet und ein Kunststoffstück, zum Beispiel Teflonflies, als Puffer eingelegt. Acht von zehn Patienten und Patientinnen sind nach dem Verfahren schmerzfrei, weitere zwei haben danach geringere Beschwerden als vorher. Nach zehn Jahren ist die Erfolgsquote nicht mehr ganz so hoch: Sieben von zehn Behandelten sind jedoch weiterhin schmerzfrei. Bis zu 30 Prozent leiden nach dem Eingriff unter verminderter Empfindlichkeit im Gesichtsbereich des Versorgungsgebietes des Trigeminusnervs. Studien zeigen ein Wiederauftreten der Schmerzattacken bei 10 bis 30 Prozent der Patienten und Patientinnen. Selten kann es zu einem Hörverlust kommen.

    Diese Methode eignet sich für Menschen, die kein erhöhtes Operationsrisiko haben, denn die Operation erfolgt unter Vollnarkose. Der Vorteil des Verfahrens: Der Trigeminusnerv wird dabei geschont und seine Funktionsfähigkeit bleibt erhalten. Bei Misserfolg ist ein Zweiteingriff möglich.

  • Perkutane Operationsverfahren

    Beim sogenannten perkutanen Operationsverfahren wird der Nervus Trigeminus im Bereich des Ganglion Gasseri (sensibler Nervenknoten im Bereich der Schädelgrube) entweder thermisch, chemisch oder mechanisch geschädigt. Der Zugangsweg erfolgt durch die Haut seitlich des Mundwinkels durch eine Schädelöffnung unter Durchleuchtung.

    Bei den thermischen und chemischen Varianten wird in 90 Prozent der Fälle Schmerzfreiheit erzielt. Auch nach zehn Jahren sind acht von zehn Patienten und Patientinnen schmerzfrei, bei der mechanischen Variante sind es sechs bis sieben von zehn Patienten und Patientinnen. Nebenwirkungen können eine verminderte Empfindlichkeit im Gesicht und unangenehme bis schmerzhafte Missempfindungen sein.

    Diese Methode eignet sich auch für ältere Menschen oder solche, die bei einer Operation erhöhte Risiken durch eine Vorerkrankung haben. Die betroffene Person wird nur örtlich betäubt oder in eine Kurznarkose gelegt, eine Vollnarkose ist nicht notwendig.

  • Radiochirurgische Behandlung

    Bei diesem Verfahren, auch Gamma-Knife-Behandlung genannt, wird der Trigeminusnerv am Abgang mit einer hohen Strahlendosis einmalig bestrahlt. Das soll zu einer Teilschädigung des Nervs führen. Anders als bei der Dekompression kommt es erst nach Tagen bis Wochen zu einer Besserung der Symptomatik. Ist anfangs die Neuralgie bei 70 bis 90 Prozent der Patientinnen und Patienten gebessert, so ist das nach fünf Jahren nur noch etwa bei der Hälfte der Patientinnen und Patienten der Fall.

    Eine weitere Bestrahlung mit einer niedrigeren Strahlendosis ist ebenfalls möglich, auch wenn dies nur bei der Hälfte der Patientinnen und Patienten erfolgreich ist. Auch ist mit einer Zunahme der sensiblen Ausfälle als Nebenwirkung zu rechnen. Das heißt, dass die Schmerzen bei sehr leichten Reizen vermehrt auftreten können. Bei 10 von 100 Patientinnen und Patienten kommt es nach der Behandlung zu unangenehmen bis schmerzhaften Fehlempfindungen. Dieses Verfahren eignet sich bei alten oder gebrechlichen Patientinnen und Patienten, denen eine Vollnarkose nicht zuzumuten ist.

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