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Gesundheitsmagazin

Muskel-Skelett-System

Fibromyalgie: dauerhafter Muskelschmerz

Veröffentlicht am:22.09.2021

4 Minuten Lesedauer

Aktualisiert am: 19.01.2023

Die Beschwerden fühlen sich an wie Muskelkater und kommen aus dem Nichts. Sie breiten sich am Rücken und auf den Armen und Beinen aus. Fibromyalgie heißt das Schmerzgespenst, das Betroffene in Schüben heimsucht. Was Sie über die Therapie wissen müssen, lesen Sie hier.

Frau leidet durch ihre Fibromyalgie unter schmerzenden Gelenken und massiert ihre Hand.

© iStock / ljubaphoto

Prof. Dr. Winfried Häuser ist Facharzt für Innere Medizin, Spezielle Internistische Intensivmedizin sowie Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit der Zusatz-Weiterbildung Spezielle Schmerztherapie. Er verrät im Interview, wie Patienten mit der richtigen Therapie die Krankheit besser in den Griff bekommen und was sie selbst tun können.

Welche Beschwerden können auf ein Fibromyalgiesyndrom hinweisen?

Es gibt sogenannte Leitsymptome, die sich als besonders bedeutsame Anzeichen herausstellen. Bei der Fibromyalgie werden insgesamt drei davon unterschieden:

  1. Chronische Schmerzen, die mindestens drei Monate anhalten und beide Körperseiten betreffen. Die Schmerzen können an den Beinen, Armen oder am Rücken auftreten.
  2. Nicht erholsamer Schlaf. Fibromyalgie-Patienten und -Patientinnen fühlen sich am nächsten Tag wie gerädert.
  3. Müdigkeit und Erschöpfung können ebenfalls auf eine Fibromyalgie-Erkrankung hindeuten.

Neben den einschlägigen Symptomen können noch weitere Beschwerden in Verbindung mit der Erkrankung und einem Fibromyalgie-Schub stehen. Psychische Beschwerden wie Niedergeschlagenheit, innere Unruhe und Konzentrationsprobleme oder Kopfschmerzen werden beobachtet.

Wie wird die Erkrankung diagnostiziert und welcher Facharzt ist zuständig?

Zunächst erhebt der Arzt oder die Ärztin die Krankengeschichte, die sogenannte Anamnese. Hier wird beispielsweise gefragt, welche Symptome bestehen und ob es ähnliche Beschwerden in der Familie gibt. Die Anamnese dient dazu, andere Erkrankungen auszuschließen. Um ein Fibromyalgiesyndrom zu diagnostizieren, müssen die drei oben genannten Kernsymptome vorliegen. Im Anschluss erfolgt die körperliche Untersuchung.

Basislaborwerte, die mithilfe einer Blutuntersuchung bestimmt werden können, geben Aufschluss darüber, ob Erkrankungen des Stoffwechsels, eine Blutarmut oder Gelenkentzündungen in Betracht kommen. Patienten und Patientinnen können auch eine sekundäre Fibromyalgie haben. Sie kann als Folgeerkrankung auftreten, wenn bereits eine entzündlich-rheumatische Erkrankung wie eine rheumatoide Arthritis diagnostiziert wurde. Das trifft auf etwa 20 bis 30 Prozent der Fibromyalgie-Patienten und -Patientinnen zu.

Ein Fibromyalgiesyndrom diagnostizieren, das kann übrigens auch der Hausarzt oder die Hausärztin. Hierfür kommt ein Fibromyalgiesymptome-Fragebogen zum Einsatz. Der Hausarzt oder die Hausärztin stellt auch eine Überweisung zu einem Facharzt oder einer Fachärztin für Neurologie oder zu einem Stoffwechselspezialisten aus, wenn andere Erkrankungen vermutet werden. Da die Fibromyalgie keine klassische rheumatologische Erkrankung ist, muss nicht zwangsweise ein Rheumatologe oder eine Rheumatologin zur Diagnosestellung aufgesucht werden.

„Der Hausarzt oder die Hausärztin kann eine Fibromyalgie diagnostizieren. Werden andere Erkrankungen vermutet, kann auch eine Überweisung zu einem Neurologen oder einer Neurologin oder einem Stoffwechselspezialisten sinnvoll sein. Ein Rheumatologe oder eine Rheumatologin ist also nicht die einzige Anlaufstelle.“

Prof. Dr. Winfried Häuser
Facharzt für Innere Medizin, Spezielle Internistische Intensivmedizin sowie Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit der Zusatz-Weiterbildung Spezielle Schmerztherapie

Welche Rolle spielt dabei die Kommunikation zwischen Arzt oder Ärztin und Patient oder Patientin?

Die Kommunikation ist sehr wichtig. Hierbei kommt es darauf an, dem Patienten oder der Patientin zu signalisieren: „Ich nehme deine Beschwerden ernst“. Den Betroffenen hilft es auch, ein Erklärungsmodell zur Seite gestellt zu bekommen. Bei Fibromyalgie liegt nämlich eine Störung der zentralen Schmerzverarbeitung im Gehirn vor und nicht etwa ein Verschleiß der Gelenke. Nachvollziehen zu können, wie es zu den Beschwerden kommt, hilft Patienten und Patientinnen bei der Verarbeitung ihrer Erkrankung.

Wie entsteht eine Fibromyalgie?

Heute nimmt man an, dass Fibromyalgie-Schmerzen auf eine gestörte Schmerzverarbeitung zurückgeführt werden können. Es gibt Faktoren, die zur Entstehung beitragen oder die Erkrankung verschlimmern. Hier werden entzündliches Rheuma, Dauerstress, der über viele Jahre hinweg besteht, Operationen oder womöglich Infektionen angegeben. Auch eine familiäre Vorbelastung, emotionale Vernachlässigung im Kindesalter oder Traumata könnten eine Rolle spielen.

Frau mit Fibromyalgie macht Tha-Chi, um ihre Schmerzen zu lindern.

© iStock / FatCamera

Betroffene können die Behandlung ihrer Fibromyalgie unterstützen, indem sie Stress im Alltag reduzieren, beispielsweise mithilfe von Tha-Chi oder Yoga.

Wie wird die Fibromyalgie behandelt?

Schmerzmittel stehen nicht primär im Vordergrund. Vielmehr geht es darum, realistische Therapieziele zu erfassen, um die Lebensqualität zu verbessern. Eine komplette Schmerzfreiheit erlangen die Patienten und Patientinnen in der Regel nicht. Allerdings kann Bewegung in Form von leichtem Ausdauertraining (zum Beispiel Walken), moderatem Krafttraining und Dehnübungen helfen. Das Thema Stressbewältigung ist ebenfalls wichtig. Dazu können auch Entspannungsmaßnahmen wie Meditation beitragen. Fibromyalgie-Patienten und Patientinnen müssen lernen, ihre Kräfte einzuteilen. So kann es sinnvoll sein, dass die Hausarbeit von einer Haushaltshilfe erledigt oder eine helfende Hand zur Pflege des Gartens bestellt wird.

Die Schlafhygiene fördert nicht nur die Entspannung, sondern kann auch Müdigkeit am nächsten Tag entgegenwirken. Einschlafrituale bringen Ruhe und erleichtern das Einschlafen. Nicht zuletzt sollten eventuell bestehende psychische Begleiterscheinungen behandelt werden. Eine posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen und Co. können die Beschwerden bei einem Fibromyalgie-Syndrom verstärken.

„Bewegung, Stressbewältigung, Entspannung, die richtige Schlafumgebung und die Einteilung der Kräfte können das Wohlbefinden von Fibromyalgie-Patienten und -Patientinnen verbessern.“

Prof. Dr. Winfried Häuser
Facharzt für Innere Medizin, Spezielle Internistische Intensivmedizin sowie Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit der Zusatz-Weiterbildung Spezielle Schmerztherapie

Was können Patienten und Patientinnen selbst tun?

Patienten und Patientinnen sind die Hauptakteure, wenn es um die Behandlung der Fibromyalgie geht. Sie können maßgeblich dazu beitragen, ihr Wohlbefinden zu steigern. Das funktioniert beispielsweise, indem sie Stress in ihrem Alltag reduzieren. Welche Entspannungsmaßnahmen dafür gewählt werden, bleibt jedem und jeder selbst überlassen. Tai-Chi, Qigong oder Yoga stehen beispielsweise zur Verfügung. Etwa 90 Prozent der Betroffenen reagieren empfindlich auf Kälte. Wärme wird hingegen oft als wohltuend empfunden. Eine Wärmedecke, der Besuch eines Thermalbads oder ein heißes Bad lindern Schmerzen. Heilfasten und vegetarische Kost kann von Betroffenen ebenfalls ausprobiert werden, eine Garantie für eine Beschwerdebesserung gibt es jedoch nicht. Die Datenlage ist hier noch sehr dünn. Auch die Angehörigen können einen wichtigen Beitrag leisten. Sie können beispielsweise Verständnis aufbringen und bei schweren Aufgaben zur Hand gehen.

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