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Gesundheitsmagazin

Achtsamkeit

Mit Dankbarkeit zu mehr Selbstwert

Veröffentlicht am:19.11.2021

8 Minuten Lesedauer

Dankbarkeit wirkt sich positiv auf Ihre zwischenmenschlichen Beziehungen und Ihre Gesundheit aus. Wenn Sie dankbar sind, können Sie sich stärker auf die schönen Dinge konzentrieren und dabei sogar Ihr Selbstwertgefühl steigern.

Durch Dankbarkeit im Alltag versucht dieser Mann, sein Selbstwertgefühl zu steigern.

© iStock / digitalskillet

Dr. Dirk Lehr, Professor für Gesundheitspsychologie und Angewandte Biologische Psychologie von der Universität Lüneburg

© Leuphana Universität Lüneburg

Der US-amerikanische Psychologe Martin Seligman gilt als Mitbegründer der positiven Psychologie und plädiert dafür, die freudigen Seiten der Psyche zu betrachten. Dazu gehört auch Dankbarkeit. Doch was genau ist Dankbarkeit – und wie grenzt sie sich von der Selbstfürsorge ab? Wie gelingt es Ihnen, Dankbarkeit in den Alltag einzubauen?

Genau das verrät Dr. Lehr, Professor für Gesundheitspsychologie und Angewandte Biologische Psychologie von der Universität Lüneburg.

Was ist der Unterschied zwischen Dankbarkeit und Selbstfürsorge?

Bei der Selbstfürsorge geht es darum, mit sich selbst genauso gut umzugehen wie mit den Menschen, die man gerne mag. Zu lieb gewonnenen Menschen sind wir schließlich freundlich, haben Respekt, übervorteilen sie nicht und schauen, was ihnen guttut. Diese Haltung nehme ich bei der Selbstfürsorge auch mir gegenüber ein. Sie spiegelt die Beziehung zu mir selbst wider. Bei der Dankbarkeit hingegen geht es um die Beziehung zu anderen. Hierzu möchte ich Ihnen gerne ein Beispiel geben.

Stellen Sie sich zwei Personen vor, die im Alltag miteinander zu tun haben. Nun passiert etwas Positives. Die eine Person muss das Positive erst einmal wahrnehmen und im Anschluss wertschätzen – also die Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Beide Personen, sowohl die, die Dankbarkeit empfindet, als auch die, die spürt, dass der andere dankbar ist, fühlen sich dadurch gut. Für uns heißt das, dass sich Dankbarkeit dann einstellt, wenn wir die schönen Dinge wahrnehmen. Genau das fällt uns im Alltag aber häufig schwer, da wir oft sehr gehetzt durchs Leben gehen.

Wie kann sich Dankbarkeit auf den Körper und die Psyche auswirken?

Noch gibt es nicht allzu viele Studien dazu, wie sich Dankbarkeit auf den Körper auswirkt. Beim Thema Dankbarkeit und Psyche sind wir da schon weiter. In unseren Studien haben wir festgestellt, dass vor allem Menschen, die stark zum Grübeln neigen, von Dankbarkeit profitieren. Bei ihnen führte ein fünfwöchiges Online-Dankbarkeitstraining dazu, dass sie weniger depressive Beschwerden und Ängste erlebten, und zwar dadurch, dass sie sich besser aus dem Kreislauf negativer Gedanken befreien und gleichzeitig ihre Resilienz stärken konnten. Dankbarkeit ist also ein Gegenmittel für die Anhäufung negativer Gedanken und Sorgen.

Aber nicht nur der Psyche, auch dem Körper tut Dankbarkeit gut. Schließlich sind Grübeln und Sorgen die Art von Gedanken, die unseren Organismus ständig stressen. Wenn wir gestresst sind, schlafen wir wiederum schlechter. Außerdem wissen wir, dass Stress unser Herz und unseren Kreislauf belastet. Zwar gibt es noch keine Studien, die sagen, Dankbarkeit ist gut für das Herz-Kreislauf-System, ich halte das aber für sehr wahrscheinlich.

„In unseren Studien haben wir festgestellt, dass vor allem Menschen, die stark zum Grübeln neigen, von Dankbarkeit profitieren. Bei ihnen führten Dankbarkeitsübungen dazu, dass sie sich besser aus dem Kreislauf negativer Gedanken befreien konnten, und zwar dadurch, dass sie ihren Fokus bei der Übung veränderten.“

Dr. Lehr
Professor für Gesundheitspsychologie und Angewandte Biologische Psychologie, Universität Lüneburg

Dankbarkeit macht glücklich und stärkt das Selbstwertgefühl: Warum ist das so?

Ein britischer Kollege definiert Dankbarkeit als das Wahrnehmen und Wertschätzen des Positiven. Das bedeutet für meinen Alltag, dass ich mich nicht ständig damit beschäftige, welche Defizite ich habe, was noch nicht fertig ist, was unzulänglich ist, was ich mir anders wünsche oder wo ich unzufrieden bin. Das sind schließlich Gedanken, die mich unglücklich machen.

Dankbarkeit hingegen ist genau das Gegenteil und beschäftigt sich mit dem, was schon da ist, was gelungen, gut und wertvoll ist, dem Positiven.

Dankbarkeit stärkt zudem das Selbstwertgefühl. Hierzu möchte ich Ihnen noch einmal ein Beispiel geben. Stellen Sie sich vor, ich habe etwas für Sie gemacht. Sie sind mir dafür dankbar, was Sie mir auch zeigen. Dadurch habe ich den Eindruck, ich konnte etwas Gutes bewirken. Mein Verhalten macht also einen Unterschied. Genau das stärkt das Selbstwertgefühl. Bei Dankbarkeit und Selbstwertgefühl gibt es aber keine Einbahnstraße. So kann Dankbarkeit zu mehr Selbstwertgefühl führen, das Selbstwertgefühl kann aber auch die Dankbarkeit steigern. Schließlich können wir mit genügend Selbstwertgefühl einfacher zulassen, dass uns jemand etwas Gutes tut. Wer ein schlechtes Bild von sich hat, also ein geringes Selbstwertgefühl, kann nämlich gar nicht verstehen, warum jemand anderes ihm etwas Gutes tun sollte.

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Kräftigt Dankbarkeit unsere Beziehungen?

Auf jeden Fall. Wenn wir uns einmal vorstellen, in welchen Situationen wir besonders dankbar sind, spielen dabei immer Menschen eine Rolle. Es sind Situationen, in denen ich die Erfahrung mache, jemand geht gut mit mir um und tut etwas, was ich gerade brauche. Ich bin beispielsweise enttäuscht und mein Partner sagt mir aufmunternde Worte. Oder ich bin in Zeitnot und mein Arbeitskollege hilft mir mit einer Aufgabe. Das sind Gelegenheiten, bei denen ich besonders dankbar bin und für mich erkenne, das ist eine Beziehung, die ist echt gut.

Die Dankbarkeit kann sogar über Erinnerungen Beziehungen kräftigen. Vielleicht erinnere ich mich daran, dass mein Freund vor einigen Jahren für mich da war, als es mir besonders schlecht ging. Wenn ich damals verpasst habe, mich dafür zu bedanken, kann ich das auch später zum Ausdruck bringen. Diese Form von Wertschätzung stärkt und vertieft die Beziehung, selbst wenn die eigentliche Handlung längst vergangen ist. Ich kann Dankbarkeit zudem auf andere Beziehungen übertragen. Wenn ich beispielsweise die Erfahrung gemacht habe, dass es mir sehr guttut, wenn sich jemand um mich kümmert, bin ich motiviert, das in anderen Beziehungen auszuprobieren.

„Wenn wir uns einmal vorstellen, in welchen Situationen wir besonders dankbar sind, spielen dabei immer Menschen eine Rolle. Es sind Situationen, in denen ich die Erfahrung mache, jemand geht gut mit mir um und tut etwas, was ich gerade brauche.“

Dr. Lehr
Professor für Gesundheitspsychologie und Angewandte Biologische Psychologie, Universität Lüneburg

Welche Dankbarkeitsübungen gibt es für den Alltag?

Zunächst erkenne ich an, dass mein Aufmerksamkeitsradar nicht perfekt ist. Er hat Schwachstellen und deshalb fallen mir Dankbarkeitsmomente im Alltag vielleicht nicht immer auf, obwohl sie da sind. Das ist noch keine konkrete Übung, diese Einstellung hilft mir allerdings dabei, aufmerksamer zu werden.

Im Anschluss kann ich folgende Dankbarkeitsübungen machen:

  1. Das Dankbarkeits-Fotoalbum: Ich verhalte mich wie im letzten Urlaub und nehme mein Smartphone zur Hand. Nun fotografiere ich Dinge, die mir besonders gefallen, um sie zu unterstreichen, ihnen also mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Einmal in der Woche oder abends, je nachdem, wie viel Zeit ich habe, hole ich mir die Fotos hervor und damit die positiven Eindrücke. Ich kann mir auch ein eigenes Dankbarkeits-Album mit Fotos anlegen.
  2. Das Dankbarkeits-Tagebuch: Wenn ich gerne schreibe, notiere ich positive Eindrücke oder Situationen in einem Tagebuch. Das Dankbarkeits-Tagebuch hole ich dann genauso wie das Fotoalbum regelmäßig heraus und lasse so die Dankbarkeit Revue passieren.
  3. Die Meilensteine der Dankbarkeit: Hierfür nehme ich mir etwa eine halbe Stunde Zeit und schreibe auf, welche Menschen einen wertvollen Beitrag für mein Leben beigesteuert haben. Vielleicht ist das eine Person, vielleicht spielen viele Menschen dabei eine Rolle. Wenn ich mir das vergegenwärtige, dann kann sich bei mir Dankbarkeit einstellen.
  4. Positive Momente als Gesprächsthema: Im Alltag ärgern wir uns häufig über andere Menschen, weil sie beispielsweise unverschämt oder fordernd sind. Von diesen Erfahrungen berichten wir dann anderen. Aber warum machen wir es nicht einmal umgekehrt? Die Momente, die ich in meinem Fotoalbum oder Tagebuch festgehalten habe, davon erzähle ich meinen Mitmenschen. Ich teile so zum Beispiel meinem Partner, Arbeitskollegen oder der Familie mit, wofür ich persönlich dankbar bin.
  5. Dankbarkeit zum Ausdruck bringen: Ich habe mir aufgeschrieben oder fotografiert, wofür ich dankbar bin, nun bringe ich diese Dankbarkeit zum Ausdruck. Damit lasse ich andere Menschen wissen, dass mir ihr Handeln wichtig war und es mir gutgetan hat. In dieser Übung suche ich entweder ein persönliches Gespräch oder schreibe meinen Mitmenschen einen Brief, um so meine Dankbarkeit auszudrücken.
Mann und Frau sind glücklich in der Natur und zeigen sich gegenseitig ihre Dankbarkeit.

© iStock / MilosStankovic

Wer seine Dankbarkeit regelmäßig zum Ausdruck bringt und mit Mitmenschen teilt, kann in vielerlei Hinsicht davon profitieren.

Wie gelingt es, trotz negativer Erfahrungen Dankbarkeit zu empfinden?

Dankbarkeit trotz negativer Erfahrungen zu empfinden, das beschreibt mein Kollege Henning Freund ganz zutreffend als „Dankbarkeit für Fortgeschrittene“. Wenn wir negative Erfahrungen gemacht haben, wir haben beispielsweise den Arbeitsplatz verloren oder sind krank, empfinden wir das natürlich anfangs als schwer, vielleicht sind wir enttäuscht, traurig oder wütend. Das ist wichtig und richtig. Diese schwierigen Gedanken und Gefühle mit einer positiven Psychologie einfach wegzuschieben, ist dann sicherlich nicht die richtige Reaktion.

Wenn etwas Zeit vergeht, erkenne ich aber vielleicht doch etwas Positives an der Situation. Die Dankbarkeit ist gewissermaßen meine Lupe, mit der ich selbst kleine Lichtblicke heranwachsen lasse. Meine Schwester, die mich fragt, wie es mir geht und mir Hilfe anbietet, ist ein solcher Lichtblick. Wenn ich also Dankbarkeit in mein Leben lasse, entscheide ich mich dafür, die glücklichen Momente zu bemerken, sie zu schätzen und größer zu machen, auch wenn sie anfangs noch so klein sind.

„Die Dankbarkeit ist gewissermaßen meine Lupe, mit der ich selbst kleine Lichtblicke heranwachsen lasse.“

Dr. Lehr
Professor für Gesundheitspsychologie und Angewandte Biologische Psychologie, Universität Lüneburg

Welche Gemeinsamkeiten haben Achtsamkeit und Dankbarkeit?

Sowohl Achtsamkeit als auch Dankbarkeit konzentrieren sich auf das Hier und Jetzt. Das ist für meinen Alltag wichtig, denn nur so kann ich die dankbaren Momente wahrnehmen. Wenn ich ständig auf Autopilot fahre, hektisch durchs Leben gehe oder mit Grübeleien oder Sorgen entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft hänge, verschließe ich meine Augen automatisch vor positiven Momenten in der Gegenwart.

Es gibt aber auch einen Unterschied. Wenn ich achtsam bin, lasse ich den Moment zu, bewerte ihn jedoch nicht und lasse ihn vorübergehen. Bei der Dankbarkeit nehme ich ebenfalls den Moment wahr, bewerte die Situation allerdings, indem ich zum Beispiel sage: „Der hat’s gerade gut mit mir gemeint.“ Genau das löst dann Dankbarkeit in mir aus.

Dankbarkeit als Element der Achtsamkeit

Dankbarkeit und Achtsamkeit sind eng miteinander verknüpft. Wenn Sie dankbar sind, machen Sie sich die positiven Erlebnisse bewusst und sind somit automatisch achtsamer. Genau das stärkt wiederum Ihr Selbstwertgefühl. Das AOK Gesundheitsmagazin hat eine eigene Rubrik zum Thema Achtsamkeit geschaffen. Hier erfahren Sie, wie positive Gedanken die Gesundheit beeinflussen oder wie Meditation und Achtsamkeit funktionieren. Alltagsnahe Tipps weiten Ihren Blick, um Ihr Selbstwertgefühl zu stärken.

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