Zum Hauptinhalt springen
AOK WortmarkeAOK Lebensbaum
Gesundheitsmagazin

Achtsamkeit

Was bedeutet Achtsamkeit und wie kann sie das Wohlbefinden steigern?

Veröffentlicht am:05.10.2021

7 Minuten Lesedauer

Aktualisiert am: 28.12.2023

Immer häufiger ist die Rede von Achtsamkeit – ein Konzept, das ursprünglich aus dem Buddhismus stammt. Es soll Stress reduzieren und die Lebensqualität erheblich steigern. Erfahren Sie hier, wie Sie Achtsamkeitsübungen in Ihren Alltag integrieren können.

Junge Frau geht mit Achtsamkeit durchs Leben und ruht auch in der Alltagshektik in sich.

© iStock / monzenmachi

Was ist Achtsamkeit?

„Achtsamkeit bedeutet, dass wir ganz bei unserem Tun verweilen, ohne uns ablenken zu lassen“, sagt der Dalai Lama Tenzin Gyatso. Eine gute Beschreibung, denn Achtsamkeit oder „Mindfulness“ meint nichts anderes, als den Moment bewusst wahrzunehmen. Wer achtsam ist, beobachtet die eigenen inneren und äußeren Wahrnehmungen – ohne sie jedoch zu bewerten. Grübeln Siebeispielsweise abends im Bett häufig über die Geschehnisse des Tages? Dann versuchen Sie, den Tag loszulassen, er ist abgeschlossen. Bewerten Sie die vergangenen Ereignisse nicht. Sie sind geschehen, und das ist okay. Denken Sie stattdessen daran, wofür Sie dankbar sind – im Hier und Jetzt.

„Achtsamkeit bedeutet, dass wir ganz bei unserem Tun verweilen, ohne uns ablenken zu lassen.“

Tenzin Gyatso
14. Dalai Lama

In der Achtsamkeitspraxis geht es vor allem darum, den Blick für sich selbst zu schärfen und sich selbst zu fragen: Wie geht es mir in diesem Moment? Welche Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen nehme ich wahr?

Regelmäßig seine Aufmerksamkeit dem gegenwärtigen Moment zu widmen, kann dabei helfen, eine gewisse Distanz zu Emotionen wie Wut aufzubauen, die uns sehr vereinnahmen können. Wer eine achtsame Beobachterrolle einnimmt, entzieht der Wut die Kraft, sich komplett von ihr leiten zu lassen. Die Folge: Das Gefühl wird schwächer und bestimmt nicht mehr voll und ganz den jetzigen Moment.

Achtsamkeit können Sie zum Beispiel in folgenden Situationen ausüben, um für einen kurzen Augenblick innezuhalten und bewusster den weiteren Tag zu begehen:

  • morgens im Bett
  • bei Alltagstätigkeiten, zum Beispiel beim Zähneputzen, Duschen, Abwaschen
  • beim Essen und Trinken
  • beim Warten auf den Bus oder in der Arztpraxis
  • auf dem Weg zur Arbeit

Diese Beispiele zeigen, dass Sie sich nicht unbedingt extra Zeit einräumen müssen, um täglich Achtsamkeit zu üben. In jeglichen Situationen des Alltags kann es gelingen, den Moment achtsamer wahrzunehmen.

Woher kommt das Konzept der „Achtsamkeit“?

Wer sich mit der Herkunft von „Achtsamkeit“ beschäftigt, stößt schnell auf den vietnamesischen Mönch Thich Nhat Hanh. Er gilt als derjenige, der die Idee der achtsamen Haltung in den Westen gebracht hatte. Auch wenn das Konzept aus dem Buddhismus kommt, ist Achtsamkeit für sich genommen nicht religiös oder ideologisch – sondern Gegenstand psychologischer Forschung, weil es nachweislich das Wohlbefinden steigern kann.

Als Begründer der modernen Achtsamkeit gilt der US-amerikanische Professor Jon Kabat-Zinn, der das Programm der „Mindfulness-Based Stress Reduction“ entwickelt hat.

Wo setzt Achtsamkeit im Alltag an?

So einfach es auf den ersten Blick klingt, bei der Achtsamkeit handelt sich um eine Fähigkeit, die die meisten Menschen erst trainieren und erlernen müssen. Denn der moderne Alltag verleitet zur Unachtsamkeit. Ständige Erreichbarkeit, die Verschmelzung von Privat- und Berufsleben, das Managen des Familien- oder auch des Studenten- und Schulalltags – die Gesellschaft verlangt uns viel ab. 80 Prozent der Menschen in Deutschland fühlten sich im Jahr 2020 gestresst. Anstatt den Moment bewusst wahrzunehmen, wird schon die nächste Tätigkeit geplant. Die Folgen können Überforderung und Stress, im schlimmsten Fall Angstzustände, Burnout und Depressionen sein.

Welche Folgen Überforderung und Stress auf Geist und Körper haben können, ist bekannt. Langanhaltender Stress führt dazu, dass der Organismus sich andauernd in Alarmbereitschaft befindet. Das schwächt das Immunsystem, kann Erkrankungen auslösen oder verstärken, zu körperlichen Verspannungen und nervlicher Anspannung führen.

Wer gestresst durch den Alltag hetzt, führt ein Leben im „Autopilot-Modus“: Gewohnheiten bestimmen den Ablauf des Tages, äußere Reize führen zu einer automatischen Reaktion, die nicht reflektiert wird. Der Tag wird einfach abgespult. Unangenehme Gedanken und Gefühle werden beiseitegeschoben. Genau hier setzt die Achtsamkeit an. Mit ihr kann man sein Leben wieder stärker selbst steuern. Und das lohnt sich!

Sich bewusst Pausen zu nehmen und die Aufmerksamkeit auf den Moment zu richten, hat nachweislich einen entspannenden Effekt. Deswegen wird Achtsamkeitstraining mitunter ergänzend in der Psychotherapie, etwa zur Behandlung von Burnout, Depressionen oder bei Angststörungen, eingesetzt.

Passende Artikel zum Thema

Diese positiven Effekte kann Achtsamkeit haben

Verschiedene Studien haben außerdem noch weitere positive Effekte nachgewiesen. So hat etwa eine Studie der University of Minnesota belegt, dass Achtsamkeitstraining die Schlafqualität verbessern kann. Eine Studie des Massachusetts General Hospital in Boston zeigte: Achtsamkeitsbasierte Meditation kann chronischen Schmerzpatienten Linderung verschaffen.

Weitere Studien belegen folgende positive Auswirkungen:

  • Entschleunigung, Entspannung, Resilienz und bessere Selbstfürsorge
  • Linderung depressiver Zustände
  • verbesserte Emotionsregulation
  • stärkeres Immunsystem

Achtsamkeit kann also die Lebensqualität und die Zufriedenheit erheblich zu steigern.

Junger Mann genießt achtsam und bewusst einen Apfel.

© iStock / PeopleImages

Wie schmeckt der Apfel? Wie riecht er? Wie fühlt er sich an? Eine Achtsamkeitsübung ist zum Beispiel, eigene Sinne bewusst zu schärfen und Gerüche bewusst wahrzunehmen.

Wie übe ich Achtsamkeit?

Vergleichbar mit anderen Entspannungstechniken wie Yoga oder Tai Chi lassen sich auch Achtsamkeitsübungen am besten unter professioneller Anleitung in einem (Online-)Kurs erlernen.

Stressbewältigung durch das MBSR-Verfahren

Eine Möglichkeit, Achtsamkeit zu erlernen, bietet ein spezielles Verfahren namens „Mindfulness Based Stress Reduction“ (MBSR). Übersetzt bedeutet das „Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion“. Bei diesem Achtsamkeitstraining werden Denk- und Verhaltensmuster analysiert, um in Stresssituationen anders reagieren zu können und Stress vorzubeugen. Der Clou dabei: Beobachten wir Empfindungen, ohne sie zu bewerten, entsteht ein Abstand zwischen Reiz und Reaktion. So lässt sich Stress vermeiden.

Es gibt zwei MBSR-Übungen, die besonders populär sind:

Passende Kurse und Angebote der AOK

Achtsamkeit in den Alltag integrieren

Die fernöstliche Praxis erlebt auch deshalb einen Hype, weil sie sich einfach in den Alltag integrieren lässt. Um sich in Achtsamkeit zu schulen, müssen Sie nicht unbedingt einen Kurs belegen. Auch als Anfängerin oder Anfänger können Sie direkt loslegen: Nehmen Sie sich mindestens einmal täglich fünf bis fünfzehn Minuten Zeit, um Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen, Ihre Atmung und auf die Welt um Sie herum zu legen.

Konkret könnte das in etwa so ablaufen: Fragen Sie sich zum Beispiel:

  • „Wie fühlt sich mein Körper heute an?“
  • „Gibt es irgendwo Verspannungen oder andere Problemstellen?“

Achten Sie darauf, ob Sie flach und schnell oder tief und langsam atmen und wie es sich anfühlt, wenn Sie Ihre Atmung verlangsamen. Legen Sie Ihre Aufmerksamkeit außerdem darauf, wie Sie sich psychisch fühlen und fragen Sie sich:

  • „Was könnte helfen, um besser gelaunt zu sein?“
  • „Was könnte mich heute noch zufriedener machen?“

Anschließend richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf äußere Reize und nehmen Sie wahr, was Sie um sich herum hören und sehen.

Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie immer wieder gedanklich abschweifen. Bringen Sie Ihre Aufmerksamkeit einfach wieder zurück zu Ihrer Übung. Je öfter Sie trainieren, desto leichter wird Ihnen das fallen.

Hier finden Sie weitere Tipps, um Achtsamkeit in den Alltag einzubauen:

  • Schärfen Sie Ihre Sinne

    Sie essen gerade einen Apfel oder Sie gehen spazieren? Nehmen Sie diese Sinneseindrücke deutlicher wahr: Wie schmeckt und riecht der Apfel? Wie sieht er aus? Haben Sie Hunger oder Appetit? Wie klingt es, wenn Sie in die Frucht beißen? Welche Empfindung haben Sie beim Essen, welche Empfindungen danach?

    Wenn Sie spazieren gehen, lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Natur um sich herum. Wie fühlt sich die Luft im Wald an? Wie riecht sie? Können Sie es im Gehölz knacken hören? Damit unterbrechen Sie ganz gezielt den „Autopiloten“, der Sie sonst durch den Alltag steuert.

  • Trainieren Sie Achtsamkeit regelmäßig

    Um einen Effekt für Ihre Gesundheit zu erzielen, legen Sie am besten einen festen Zeitpunkt an jedem Tag fest, um zu trainieren. Das kann der Weg zur Arbeit oder ein Spaziergang am Abend sein. Zusätzliche kleine Rituale wie etwa das Abschalten des Handys ab 21 Uhr helfen Ihnen dabei, zu entspannen.

  • Probieren Sie etwas Neues aus

    Wer seine Gewohnheiten beibehält, wechselt seine Perspektive nicht. Lassen Sie sich etwas Neues einfallen: Nehmen Sie einen anderen Weg zur Arbeit, setzen Sie sich zu Hause auf einen anderen Stuhl oder gehen Sie in einem unbekannten Restaurant essen. Das Ausbrechen aus Gewohnheiten hilft, die schönen Dinge im Alltag verstärkt wahrzunehmen und wertzuschätzen.

  • Benennen Sie Ihre Gedanken und Gefühle

    Es ist nicht einfach, sich die eigenen Gefühle bewusst zu machen. Benennen Sie konkret, was Sie sich im Moment fühlen. Etwa: „Ich fühle mich mit der Arbeit überfordert“ oder „Ich habe Angst, nicht zu genügen“. So entwickeln Sie ein Gefühl dafür, was Sie umtreibt und womöglich unter Stress setzt. Nur wenn Emotionen bewusst gemacht werden, lassen sie sich auch verändern.

  • Kommunizieren Sie achtsam

    Versuchen Sie in Gesprächen mit Ihren Mitmenschen eine achtsamere Haltung einzunehmen. Hören Sie möglichst aufmerksam zu und achten Sie auf das Verhalten Ihres Gegenübers. Eine gelungene Kommunikation kann zwischenmenschliche Beziehungen stärken.

Wo liegen die Grenzen des Achtsamkeitstrainings?

Auch wenn die Achtsamkeitspraxis nachweislich entspannend und gesundheitsfördernd wirkt, hat sie ihre Grenzen. Achtsamkeitsübungen sind kein Ersatz für eine Therapie gegen körperliche oder psychische Erkrankungen wie Depressionen, Burn-out oder Schlafstörungen. Wenden Sie sich an Ihre Hausarztpraxis oder eine entsprechende Fachärztin oder einen Facharzt, wenn Sie überlegen, mit dem Achtsamkeitstraining eine bestimmte Erkrankung anzugehen.

Eine aktuelle Studie kommt sogar zu dem Ergebnis, dass zu häufiges und zu lange andauerndes Achtsamkeitstraining negative Effekte haben kann. Eine starke Fokussierung auf das eigene Selbst kann laut der Psychologin und Studienautorin Willoughby B. Britton eine vorhandene Neigung zu Ängsten oder zu Depressionen verstärken. Zudem sollte der Fokus nicht auf einzelnen Achtsamkeitstechniken liegen – und nicht jede Technik kommt für jede Person in Frage.

Waren diese Informationen hilfreich für Sie?

Noch nicht das Richtige gefunden?