Psychologie

Narzisstische Persönlichkeitsstörung – was bedeutet das eigentlich?

Veröffentlicht am:03.12.2025

6 Minuten Lesedauer

Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung ist eine psychische Krankheit, die für Freunde, Freundinnen und Familienmitglieder von Betroffenen sehr belastend sein kann. Wer die Beziehung erhalten will, muss lernen, sich abzugrenzen.

Eine junge Frau sitzt mit verschränkten Armen auf einem Bett. Sie wirkt uneinsichtig. Ein Mann redet im Hintergrund auf sie ein.

© iStock / nd3000

Narzissmus: Was hinter dem Begriff steckt

Manche Menschen scheinen extrem von sich überzeugt zu sein. Sie sprechen über das, was sie ihrer eigenen Ansicht nach haben: das größte Haus. Die besten Ideen. Die spannendsten Bekanntschaften. Den erlesensten Geschmack. Und für manche Menschen scheint sich alles nur um sie selbst zu drehen. Fachleute nennen ersteres „Grandiosität“ und zweiteres „Egozentrismus“. Wenn Laien ein solches Verhalten erleben, dann heißt es schnell, die fragliche Person sei ein Narzisst oder eine Narzisstin – eine umgangssprachliche Bezeichnung für einen offenbar von sich selbst sehr eingenommenen Menschen.

„Narzissmus“ ist ein vieldeutiger Begriff, der Bestandteile der Persönlichkeit gesunder Menschen, aber auch der narzisstischen Persönlichkeitsstörung beschreibt. Hinter dieser wiederum verbirgt sich einiges mehr als nur ein egozentrisches Verhalten.

Was ist eine narzisstische Persönlichkeitsstörung?

Der Begriff „Narzissmus“ ist abgeleitet von einer Erzählung des römischen Dichters Ovid. In dieser Erzählung verliebt sich der Jüngling Narziss in sein eigenes Spiegelbild, als er es als Reflektion auf dem Wasser sieht.

Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung neigen dazu, sich für jemanden Besonderen zu halten, dem auch eine besondere Behandlung zusteht. Sie sehnen sich stark nach Anerkennung und Bewunderung, häufig stellen sie ihre vermeintlichen Fähigkeiten, Leistungen und Talente gegenüber anderen übertrieben dar.

Gleichzeitig neigen sie zu überzogenen Reaktionen, wenn sie kritisiert werden. Außerdem zeigen sie wenig Mitgefühl mit anderen. Manchmal nutzen sie Mitmenschen aus oder sind manipulativ. Viele leiden an einem geringem Selbstwert, auch wenn das nach außen oftmals nicht so wirkt. Die Diagnose ist wissenschaftlich umstritten, denn nicht alle wissenschaftlichen Beobachtungen passen zu diesem Konzept und Fachleute stellen die Diagnose unterschiedlich häufig.

Die amerikanische psychiatrische Gesellschaft (American Psychiatric Association) hatte im Klassifikationsmodell DSM V eine Liste mit neun Kriterien erarbeitet. Treffen mindestens fünf von ihnen auf einen Menschen zu, so wird von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung gesprochen. In anderen medizinischen Klassifikationssystemen wie ICD 10 oder ICD 11 ist diese Störung allerdings nicht als eigenständige Diagnose enthalten.

Was kann zur einer narzisstische Persönlichkeitsstörung gehören?

  • ein übersteigertes Selbstwertgefühl und die Erwartung, von anderen als überlegen anerkannt zu werden (auch ohne entsprechende Leistungen)
  • Fantasien von Macht, Erfolg, Perfektion oder Schönheit
  • der Glaube, etwas Besonderes zu sein
  • ein übermäßiges Verlangen nach Anerkennung und Bewunderung
  • der Anspruch, bevorzugt zu werden
  • ausnutzendes Verhalten
  • mangelnde Empathie
  • Neid gegenüber anderen oder der Glaube, dass andere neidisch auf einen sind
  • Arroganz und Hochmut

Durch welche Verhaltensweisen zeigt sich die Störung im Alltag?

Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung kann sich auf verschiedene Arten äußern. Je nach Studie wird sie in unterschiedlich viele Untergruppen eingeteilt – was bereits zeigt, wie schwierig der wissenschaftliche Umgang mit dieser Diagnose ist. Manchmal werden zwei Formen unterschieden: die offene und die verdeckte Form.

Betroffene mit einer offenen narzisstischen Persönlichkeitsstörung wirken erst einmal selbstbewusst, extrovertiert, durchsetzungsfähig, ehrgeizig, manchmal charismatisch. Menschen mit einer verdeckten Störung erscheinen dagegen eher introvertiert, unsicher, emotional leicht zu erschüttern und ängstlich gegenüber Kritik oder neigen zu Selbstmitleid. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung tritt oft gemeinsam mit Depressionen auf. Das Risiko für Suizidalität ist erhöht.

Gemeinsam haben die beiden Varianten, dass sich die Betroffenen für besonders halten und erwarten, entsprechend behandelt zu werden. In den Symptomen können sich narzisstische Persönlichkeitsstörungen außerdem mit anderen Persönlichkeitsstörungen, etwa mit der antisozialen, der histrionischen oder der Borderline-Persönlichkeitsstörung überschneiden.

Wie entsteht die narzisstische Persönlichkeitsstörung?

Bei den Ursachen für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung liegt noch vieles im Unklaren. In der bisherigen Forschung wurden Hinweise darauf gefunden, dass die Störung vererbt werden kann. Außerdem spielt offenbar die Eltern-Kind-Beziehung eine große Rolle: Viele Menschen, die an der Störung leiden, beschreiben, dass sie von den Eltern entweder vernachlässigt oder auch in einem unangemessenen Umfang gelobt worden seien.

Auch eine zu stark leistungsorientierte Erziehung und überharte Kritik können eine Rolle bei der Entwicklung einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung spielen. Besonders gefährdet sind möglicherweise Menschen, die als Kind keine verlässlichen Beziehungen zu ihren Eltern aufbauen und bei denen sich kein stabiles Selbstbewusstsein entwickeln konnte.

Passende Artikel zum Thema

Wie wird eine narzisstische Persönlichkeitsstörung behandelt?

Die erste Schwierigkeit bei der Therapie einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung besteht darin, dass die meisten Betroffenen in ihr kein Problem sehen und sich deshalb nicht aus eigenem Antrieb in Behandlung begeben. In der Regel beginnt eine Therapie deshalb, weil Verwandte oder andere nahestehende Menschen die Person dazu drängen. Der Leidensdruck entsteht oftmals eher im Umfeld als bei der betroffenen Person selbst. Manchmal führen erst Trennungen und Verluste von Beziehungen zu einem eigenen Leidensdruck. Oder Betroffene begeben sich wegen eines anderen, durch die Störungen begünstigten Problems in Behandlung – etwa wegen einer Depression, einer Alkohol- oder Drogensucht oder Suizidalität.

Wird eine narzisstische Persönlichkeitsstörung erkannt, werden Therapeut oder Therapeutin unter anderem versuchen, den Patienten oder die Patientin ihr Verhalten aus der Perspektive anderer wahrnehmen zu lassen. Und sie arbeiten mit Betroffenen daran, bestimmte Denk- und Verhaltensmuster zu ändern, die immer wieder für Schwierigkeiten sorgen. Auch Übungen zu Achtsamkeit und der Regulierung von Gefühlen können helfen.

Allerdings müssen Therapeut oder Therapeutin und Patient oder Patientin einen Arbeitsmodus finden, in dem ein konstruktiver Austausch möglich ist. Sonst kann die betroffene Person möglicherweise die Empfehlungen des Behandelnden als ungerechtfertigte Kritik empfinden. Gekränkte oder abwertende Reaktionen gegenüber Behandelnden sind daher häufig und führen oft zu einem Abbruch der Behandlung.

Ein junger Mann sitzt auf einem Sofa. Im Hintergrund ist unscharf eine ältere Frau zu erkennen. Die Szene wirkt wie eine Therapiesitzung.

© iStock / zamrznutitonovi

Therapeut oder Therapeutin versuchen bei Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung häufig einen Perspektivwechsel: Was lösen die eigenen Verhaltensweisen bei anderen aus?

Wie können nahestehende Menschen mit der narzisstischen Persönlichkeitsstörung umgehen?

Der Umgang mit einer Person mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung kann herausfordernd sein. Manipulation, Arroganz, wenig Empathie oder sehr empfindliche Reaktionen auf Kritik sind nicht selten. Sie sind kein Ausdruck eines schlechten Charakters, sondern Symptome der Störung.

Diese Erkenntnis macht den Alltag mit einem oder einer Betroffenen aber nicht unbedingt einfacher. Wer in einer solchen Beziehung lebt, muss einen Weg finden, mit unnötigen Konflikten umzugehen – allerdings, ohne sich dabei selbst aufzugeben. Gleichzeitig sollte man sich selbst schützen und Grenzen setzen. Im Freundeskreis gelingt das leichter – etwa dadurch, dass man die Zahl der Kontakte begrenzt, oder kommuniziert und umsetzt, dass man bestimmte Verhaltensweisen nicht toleriert.

Allerdings muss man auch immer sein eigenes Wohl im Auge behalten. Wenn nichts anderes funktioniert, kann es ratsam sein, die Beziehung zu beenden oder zumindest zu unterbrechen.

Passende Angebote zum Thema

Fachlich geprüft
Fachlich geprüft

Die Inhalte unseres Magazins werden von Fachexpertinnen und Fachexperten überprüft und sind auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft.


Waren diese Informationen hilfreich für Sie?

Noch nicht das Richtige gefunden?