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Beziehung

Unglücklich in der Beziehung: Wann es besser sein kann, sich zu trennen

Veröffentlicht am:23.08.2022

7 Minuten Lesedauer

Fast jede Beziehung hat schöne Momente. Doch was ist, wenn die Unzufriedenheit überwiegt? Wann ist es sinnvoll, sich zu trennen, und wie gehen Paare vor, wenn sie ein gemeinsames Kind haben?

Ein Mann und eine Frau sitzen voneinander abgewandt auf der Couch – sie sind unglücklich in ihrer Beziehung.

© iStock / Ridofranz

Porträt von Matthias Fuhrmeister, systemischer Paartherapeut in der gemeinschaftlichen Praxis für Paartherapie Paarklar in Düsseldorf.

© Dirk Ossig

Matthias Fuhrmeister ist systemischer Paartherapeut und unterstützt Menschen in der gemeinschaftlichen Praxis für Paartherapie Paarklar in Düsseldorf. Im Interview verrät er, woran Paare eine unglückliche Beziehung erkennen und wann eine Trennung trotz bestehender Liebe ratsam ist.

Welche Anzeichen für eine unglückliche Beziehung gibt es?

Zunächst einmal ist es wichtig, den Begriff „unglückliche Beziehung“ zu definieren. Womit fühle ich mich unglücklich in der Beziehung und was bedeutet Glück für mich? Das sind ganz essenzielle Fragen, die sich im besten Fall jeder Mensch selbst beantwortet, denn die Antworten darauf fallen sehr individuell aus. Es gibt aber durchaus generelle Anzeichen, die darauf hindeuten, dass es in der Beziehung nicht rundläuft. Die Kommunikation untereinander gestaltet sich sehr schwierig, der Partner oder die Partnerin hat das Gefühl, dass die eigenen Bedürfnisse nicht zählen oder dass die Wertschätzung fehlt – all das können Anzeichen für Probleme in der Partnerschaft sein. Diese Anzeichen tragen dann womöglich zu dem Gefühl einer unglücklichen Partnerschaft bei.

Wenn eine Person oder sogar beide den Eindruck haben, dass sie in der Beziehung dadurch zu kurz kommen, ist es Zeit zu handeln. Gemeinsame Gespräche, um die Probleme zu benennen, sind dann ein erster wichtiger Schritt. Manchmal zerbrechen Ehen daran, wie und ob der Mülleimer „richtig“ geleert wird. Unterschiedliche Vorstellungen von Sauberkeit und Ordnung können manchmal zu sehr grundsätzlichen Auseinandersetzungen führen. Die eigenen Grundwerte spielen hier eine zentrale Rolle und die meisten Menschen haben Schwierigkeiten, die Unterschiede gut auszuhalten. Während der Partner den Müll am liebsten täglich herunterbringt, reicht es für die Partnerin vielleicht alle drei Tage, den Müll zu leeren. Dann ist es wichtig, dass beide herausfinden, wie sie diese unterschiedlichen Vorstellungen bewältigen. Den Müll alle zwei Tage zu beseitigen wäre da eine Möglichkeit von vielen.

„Wenn eine Person oder sogar beide den Eindruck haben, dass sie in der Beziehung zu kurz kommen, ist es Zeit zu handeln.“

Matthias Fuhrmeister
systemischer Paartherapeut in der gemeinschaftlichen Praxis für Paartherapie Paarklar in Düsseldorf

Wann sollte man eine Beziehung beenden?

Eine allgemeingültige Empfehlung oder einen Test, der verrät, wann eine Person die Beziehung beenden sollte, gibt es nicht. Schließlich handelt es sich hierbei um eine ganz individuelle Entscheidung, die von vielen Faktoren abhängt.

Die Antworten auf folgende Fragen können bei der Entscheidungsfindung wichtig sein:

  • Wie lange existiert die Beziehung schon?
  • Gibt es gemeinsame Kinder?
  • Wie wichtig ist mir die Beziehung?
  • Was genau verbindet mich mit meinem Partner oder meiner Partnerin?
  • Haben wir einen gemeinsamen Freundeskreis?

All diese Faktoren können eine große Rolle spielen bei der Frage, ob ich die Beziehung für mich beenden sollte oder nicht. Es gibt aber eine Grenze, die signalisiert, dass die Aufrechterhaltung der Partnerschaft keinen Sinn mehr macht. Diese Grenze liegt im Bereich von gewalttätigen Auseinandersetzungen. Auch bei psychischer Gewalt, wenn zum Beispiel Beleidigungen an der Tagesordnung sind, kann es sinnvoll sein, auseinanderzugehen. Unabhängig von den verschiedenen Faktoren ist es bei einem Leidensdruck, also wenn sich ein Partner oder eine Partnerin unwohl fühlt, immer gut, etwas zu tun. Das muss nicht unbedingt eine Trennung bedeuten, auch der Entschluss, an einer Beziehung zu arbeiten, kann ja den Leidensdruck reduzieren.

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Beziehung beenden trotz Liebe – ist das sinnvoll?

Hier kommt es ganz stark auf die Ausgangslage an. Auch in Beziehungen, in denen häusliche Gewalt existiert, können beide Partner oder Partnerinnen fest davon überzeugt sein, ihr Gegenüber zu lieben. Trotz der empfundenen Liebe macht es in dem Fall Sinn, zumindest zeitweise auseinanderzugehen, um sich selbst zu schützen. Der Begriff „Liebe“ ist nicht unbedingt leicht zu fassen, auch wenn wir das Wort häufig nutzen. Wer Liebe in der Beziehung empfindet, interessiert sich im Normalfall auch für die Gefühle des Partners oder der Partnerin. Geht dieses Interesse gänzlich verloren, kann ein Schlussstrich zumindest eine Überlegung wert sein. Schließlich ist es wichtig, dass der oder die andere auch die Liebe spüren kann und nicht nur die magischen Worte „Ich liebe dich“ zu hören bekommt. Nicht selten verwechseln Paare das Gefühl von Liebe mit enger Verbundenheit.

Für Paare, die sich überlegen, ob sie ihre Beziehung trotz Liebe beenden, kann es eine Aufgabe sein, dem Begriff näher auf den Grund zu gehen: Ist es tatsächlich Liebe oder eher die Idee von Familie, die das Gefühl von Zusammengehörigkeit auslöst? Das bedeutet aber nicht, dass eine Beziehung nicht auch ohne Liebe funktionieren kann. Es gibt Menschen, die eine Partnerschaft aufrechterhalten möchten, obwohl beide keine romantischen Gefühle füreinander hegen. Ihnen ist es beispielsweise wichtig, dass sie sich aufeinander verlassen können und einen vertrauten Menschen an ihrer Seite haben, manchmal sind es auch finanzielle Vorzüge, die beide zusammenhalten.

Eine Frau denkt darüber nach, wie sie sich in ihrer Beziehung fühlt, ob sie glücklich ist.

© iStock / NataBene

Es ist wichtig, sich über die eigenen Bedürfnisse und Ansprüche an eine Beziehung Gedanken zu machen. Das hilft auch bei der Entscheidungsfindung.

Beziehung mit gemeinsamem Kind und unglücklich – was dann?

Viele Paare bleiben zusammen, weil sie gemeinsamen Nachwuchs haben und denken, dass das im Interesse des Kindes ist. Das möchte ich gar nicht werten, denn das kann ja durchaus ein Lebenskonzept sein, das sinnvoll ist. Fühlen sich Menschen in der Beziehung aber unglücklich und halten sie diese nur zuliebe der Kinder aufrecht, ist das häufig auch für den Nachwuchs nicht gut. Zum Beispiel dann, wenn er die Eltern oft beim Streiten erlebt. Daher ist aus meiner Sicht für alle Beteiligten eine „glückliche Scheidung“ besser als eine „unglückliche Ehe“.

Um eine mögliche Trennung für sich selbst abzuwägen, kann es helfen, die eigenen Gefühle zu hinterfragen. Ein anderer Rat ist, die Perspektive der Kinder einzunehmen. Sie wünschen sich nämlich in erster Linie, dass die Eltern glücklich und gut drauf sind. Wenn dafür die Arbeit an der Beziehung oder eine Trennung nötig ist, sind das zwei verschiedene Optionen, die Paare anstreben können.

„Fühlen sich Menschen in der Beziehung aber unglücklich und halten sie diese nur zuliebe der Kinder aufrecht, ist das häufig auch für den Nachwuchs nicht gut.“

Matthias Fuhrmeister
systemischer Paartherapeut in der gemeinschaftlichen Praxis für Paartherapie Paarklar in Düsseldorf

Warum fällt die Trennung trotz unglücklicher Beziehung so schwer?

Einen Schlussstrich unter eine Beziehung zu ziehen, fällt Menschen in der Regel nie leicht. Auch dann nicht, wenn sie eine unglückliche Beziehung beenden möchten. Das liegt zunächst einmal daran, dass Menschen Bindungswesen sind. Nach der Eltern-Kind-Bindung ist die Paarbindung die nächste enge Verknüpfung zwischen Menschen. Jemand, der von sich selbst sagt, dass er unglücklich in einer Beziehung ist, sich aber nicht trennen kann, blickt häufig auf gemeinsame Erfahrungen zurück. Paare haben oft viel miteinander erlebt und geteilt – das wirft niemand gern leichtfertig weg. Natürlich können auch hier wieder Faktoren wie Finanzen oder ein gemeinsamer Freundeskreis eine Rolle spielen. Menschen, die sich davor fürchten, die gemeinsamen Freunde zu verlieren, wagen vielleicht nicht den nötigen Trennungsschritt.

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Kann ein vorübergehender Abstand eine Alternative zur Trennung sein?

Auf jeden Fall. Wenn sich Paare räumlich trennen, bekommen sie die Gelegenheit, ihre eigenen Bedürfnisse zu erforschen. Was erhoffe ich mir von der Beziehung und welche Erwartungen habe ich daran? Diese und weitere Fragen können sich Menschen häufig besser beantworten, wenn sie Zeit für sich haben. Schließlich begegnen sich Personen in der Partnerschaft im gemeinsamen Wohnumfeld ständig. Alte Muster wie das Ignorieren von Zahnpastaresten im Waschbecken können dann wiederholt Auseinandersetzungen provozieren. In der jeweils eigenen Wohnung erhalten Paare den nötigen Abstand.

Eine räumliche Trennung ist aber nicht automatisch das Aus für die Beziehung. Es gibt Partner und Partnerinnen, die nach einigen Wochen oder Monaten wieder zusammenziehen oder die Beziehung trotz getrennter Wohnungen aufrechterhalten. Paare, die ihre Beziehung weiterführen möchten, bleiben im besten Fall weiterhin im Kontakt, damit die Kommunikation nicht abreißt. Partner oder Partnerinnen können beispielsweise einmal die Woche eine Zeit vereinbaren, zu der sie telefonieren. Alternativ können sie sich an einem neutralen Ort verabreden.

Welchen Tipp haben Sie für die Trennung und die Zeit danach?

Die perfekte Trennung, bei der sich beide wohlwollend und einvernehmlich trennen, gibt es, ist aber vergleichsweise selten. Häufig fühlen sich Partner oder Partnerinnen von ihrem Gegenüber durch vergangene Taten oder Äußerungen verletzt. Dann fällt es meist schwer, ein aufschlussreiches und sachliches Gespräch zu führen, um dem anderen beispielsweise den Trennungsgrund zu erläutern. Ein wichtiger Tipp für die Trennung und die unmittelbare Zeit danach ist, sich um den eigenen Gefühlshaushalt zu kümmern. Dazu gehört, Gefühle zuzulassen und sich auf Wunsch mit anderen Menschen darüber auszutauschen. Wenn Trennende bei Freunden oder der Familie auf Verständnis stoßen und sich etwas von der Seele reden, trägt das oft zum Wohlbefinden und zur Verarbeitung der Trennung bei.

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