Zum Hauptinhalt springen
AOK WortmarkeAOK Lebensbaum
Gesundheitsmagazin

Beziehung

Bindungsangst – warum fürchten wir die Liebe, und was kann helfen?

Veröffentlicht am:17.08.2020

4 Minuten Lesedauer

Aktualisiert am: 19.12.2023

Bindungsangst ist die Furcht vor der Liebe. Hier finden Sie Symptome, Ursachen und Tipps, um sie zu überwinden.

 Zwei Hände halten eine dritte.

© iStock / Moyo Studio

„Die Liebe gleicht einem Fieber; sie überfällt uns und schwindet, ohne dass der Wille im geringsten beteiligt ist“, schreibt der französische Schriftsteller Stendhal in seinem Buch „Über die Liebe“. Sie kommt genauso stürmisch, wie sie wieder geht, und reißt damit das Innerste des Menschen ins völlige Chaos. Die Liebe und die Furcht gehen dabei Hand in Hand, denn wenn die Liebe nicht bleibt, kann es einem das Herz zerreißen und unsagbare Seelenschmerzen bereiten. Wer sich vor diesen Schmerzen fürchtet, versucht, sich vor ihnen zu schützen, und verschließt sein Herz für immer. In der modernen Welt nennen wir das Bindungsangst – die Furcht vor der Liebe –, die eine ganze Generation prägt.

Über die Bindungsangst kann man ganze Bücher füllen. Hier versuchen wir, die Kernaussagen zusammenzufassen und erste Hilfe für die Überwindung der Beziehungsangst zu geben.

„Die Liebe gleicht einem Fieber; sie überfällt uns und schwindet, ohne dass der Wille im geringsten beteiligt ist.“

Stendhal
französischer Schriftsteller

Woher kommt die Bindungsangst?

Die Bindungsangst ist „die Angst eines Menschen, sich auf eine tiefe und exklusive Liebesbeziehung einzulassen“, sagt Deutschlands führende Psychotherapeutin für Bindungsangst, Stefanie Stahl. Sie erklärt, dass Betroffene häufig in ihrer Kindheit die Erfahrung machen mussten, dass ihre Eltern kein stabiler Hort der Sicherheit waren. Deshalb wurde Abhängigkeit von ihnen als bedrohlich erlebt. Oder dass Eltern ihre Zuwendung entzogen haben, wenn das Kind sich nicht auf eine bestimmte, erwünschte Weise verhalten hat. Doch es können auch Erlebnisse im Jugend- und Erwachsenenalter dazu führen, dass Menschen sich vor dem Schmerz des Verlustes schützen wollen.

Die Autoren Carter und Sokol verwenden in ihrem Fachbuch „Nah und doch so fern“ für das Phänomen der Bindungsangst den Begriff „aktiver Vermeider“. Damit sind Personen gemeint, die in einer Beziehung auf genügend Distanz achten, sie sogar aktiv regulieren, um für mehr Aufregung zu sorgen oder sich aus der Enge der Beziehung zu befreien. Ihr Ziel ist es, zu viel Nähe in einer Beziehung zu vermeiden und diese ganze bewusst zu steuern – wohl wissend, dass der Partner darunter leidet, so deuten die Autoren Theresa König und Ole Andersen in ihrem Buch „Bindungsangst verstehen und überwinden“ die Gedanken der „aktiven Vermeider“ weiter. Doch was löst deren Angst aus?

Sie sind bei der AOK versichert und mit uns zufrieden?

Dann empfehlen Sie uns gerne weiter. Für jedes neue Mitglied, das Sie uns vermitteln, bedanken wir uns bei Ihnen mit einem Bonus.

Bindungsangst: Diese Auslöser gibt es

Für Betroffene, die unter Bindungsangst leiden, können schon Kleinigkeiten zum Auslöser werden. Händchenhalten, die Planung eines ersten Urlaubs, das erste Familientreffen. Oft wird die Angst aber auch erst bei größeren Schritten unüberwindbar, beispielsweise bei den Themen Zusammenziehen, Hochzeit oder Familienplanung, so König und Andersen. Für jeden Vermeider spielen völlig andere Auslöser eine Rolle. Die Beziehungsangst tritt meist zu ähnlichen Zeitpunkten in Beziehungen ein – nämlich dann, wenn es dem betroffenen Partner zu viel wird. „Häufig werden Themen der Bindungsangst akut, wenn die Beziehung einen bestimmten Punkt erreicht hat. Je nach Ausprägung der Bindungsangst geschieht dies zu völlig unterschiedlichen Zeitpunkten, beziehungsweise durch völlig unterschiedliche Auslöser“, schreiben die Autoren Theresa König und Ole Andersen. Treten diese Triggerpunkte ein, beginnen erste Symptome der Beziehungsphobie sichtbar zu werden. 

Bindungsangst: Diese Symptome äußern sich

Auch die Symptome der Bindungsangst können völlig unterschiedlich und je nach Art des Auslösers unterschiedlich stark ausfallen. Mal gibt es nur keine Antwort auf eine wichtige Frage, mal verschwindet der Partner für Wochen. König und Andersen fassen einige mögliche Symptome der Bindungsangst zusammen: Der Partner findet, dass irgendetwas an der Beziehung nicht passt, und sucht nach Fehlern, er wird überkritisch und stört sich an kleinen Makeln, die aber immer schon da waren. Er zieht sich emotional zurück, flüchtet in die Geschäftigkeit und geht auch räumlich auf Distanz. Sobald Symptome dieser Art in Beziehungen auftreten, ahnen die zurückgelassenen Partner meist schon, was vor sich geht.

„Die Partner von Bindungsängstlichen sind in der Regel chronisch verunsichert. Sie leiden unter einem emotionalen Kontrollverlust und fühlen sich hilflos, weil sie kaum einen Einfluss auf die Distanzmanöver des Bindungsängstlichen nehmen können“

Stefanie Stahl
Psychotherapeutin

Bindungsangst: Wie sollte man sich als Partner verhalten?

„Die Partner von Bindungsängstlichen sind in der Regel chronisch verunsichert. Sie leiden unter einem emotionalen Kontrollverlust und fühlen sich hilflos, weil sie kaum einen Einfluss auf die Distanzmanöver des Bindungsängstlichen nehmen können“, analysiert Expertin Stefanie Stahl im Interview mit eDarling. Sie entwickeln Verlustängste, suchen die Schuld bei sich und versuchen, sich selbst zu optimieren – üben damit aber noch mehr Druck aus. Wie man sich verhalten sollte, wenn der Partner eine Bindungsphobie hat? Gelassen bleiben. Druck verschlimmert die Situation nur noch mehr. Der bindungsängstliche Partner braucht Freiräume? Dann soll er sie haben. Psychotherapeutin Stahl empfiehlt, Kraft aus der Hoffnung zu schöpfen. Im nächsten Schritt kann das Problem beispielsweise in einer Paartherapie besprochen und überwunden werden. 

Wie kann man Bindungsangst überwinden?

„Jeder ist beziehungsfähig“, verspricht die Expertin Stefanie Stahl in ihrem Buch „Jeder ist beziehungsfähig: Der goldene Weg zwischen Freiheit und Nähe“ und gibt damit allen Betroffenen Hoffnung. Sie glaubt, dass jeder die Liebe finden kann – wenn die innere Einstellung stimmt. Was man gegen Bindungsangst tun kann? Sich weiterbilden und weiterentwickeln. Viele Betroffene versuchen, über die vielen Fachbücher auf dem Markt Hilfe zu bekommen. Auch eine Paartherapie oder eine Psychotherapie kann dabei helfen, die Bindungsangst zu überwinden. Am wichtigsten dabei ist laut Expertin Stahl, dass sich bindungsängstliche Partner wirklich ändern wollen. Eine Therapie gegen Bindungsangst nützt nur dann etwas, wenn es beide Partner möchten. So hat die Liebe ohne Furcht eine Zukunft.

Waren diese Informationen hilfreich für Sie?

Noch nicht das Richtige gefunden?