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Psychologie

Bipolare Störung: Was es bedeutet, manisch-depressiv zu sein

Veröffentlicht am:27.01.2022

7 Minuten Lesedauer

Aktualisiert am: 08.01.2024

Bei einer Bipolaren Störung erleben Betroffene phasenweise starke Gefühlslagen: von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt. Welche Anzeichen deuten auf eine Bipolare Störung hin und wie wird sie behandelt?

Ältere Frau sitzt auf dem Sofa und guckt angestrengt zum Fenster.

© iStock / fizkes

Was ist eine Bipolare Störung?

Menschen mit einer Bipolaren Störung können im Verlauf ihres Lebens zwischen emotionalen Extremen schwanken. Sie durchleben depressive Episoden, in denen sie sich für mehrere Tage oder Wochen niedergeschlagen fühlen, traurig und antriebslos sind. Sie kennen aber auch sogenannte manische Episoden, bei denen das Gefühlspendel in die andere Richtung ausschlägt. Während einer Manie erleben die Betroffenen ein Hochgefühl. Sie sind voller Energie und Tatendrang, verhalten sich manchmal übermütig und sind von innerer Unruhe getrieben oder schnell gereizt.

Diese manischen und depressiven Episoden treten bei vielen Betroffenen mehrmals im Leben auf. Zwischen den einzelnen Episoden können die Betroffenen lange Zeiten eine ausgeglichene Stimmung haben. Einige erleben nur sehr leichte Symptome einer Depression oder Manie. Sind die manischen Symptome nur leicht ausgeprägt, sprechen Fachleute von einer Hypomanie.

Die Bipolare Störung ist auch unter dem Begriff manisch-depressive Erkrankung bekannt. Diese Bezeichnung ist jedoch medizinisch veraltet.

Häufigkeit der Bipolaren Störung

Etwa 3 von 100 Menschen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Bipolare Störung.

Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen – das ist ein Unterschied zu den rein depressiven Erkrankungen (unipolare Depressionen), bei denen der Anteil der Frauen überwiegt. Erste Symptome zeigen sich überwiegend im frühen Erwachsenenalter. Häufig leiden Betroffene einer Bipolaren Störung auch unter weiteren psychischen Erkrankungen wie Angst-, Zwangs- und Persönlichkeitsstörungen, ADHS oder Suchterkrankungen.

Die Krankheit zeigt sich in der Regel erstmals im frühen Erwachsenenalter. Aber auch später im Leben können Krisen oder Umbruchsituationen eine Bipolare Störung auslösen.

Bipolare Störung: Symptome in den zwei Phasen

Menschen mit einer Bipolaren Störung zeigen während der depressiven Episoden ähnliche Symptome wie Menschen mit einer Depression, etwa Niedergeschlagenheit, Energiemangel und innere Leere. Die manischen Episoden sind das genaue Gegenteil. Während einer Manie laufen die Betroffenen in vielen Bereichen zur Höchstform auf: Sie können viel und schnell arbeiten, große kreative Leistungen erbringen, brauchen nur wenig Schlaf, sind besonders unternehmungs- und kontaktfreudig und haben oft auch ein gesteigertes sexuelles Verlangen. Manche sind aber auch schnell reizbar und wütend.

Doch diese Euphorie wirkt auf Außenstehende nicht nur positiv. Die übertriebene Begeisterung von Menschen in manischen Episoden ist häufig nicht ansteckend, sondern eher anstrengend, denn: In dieser Zeit sind die Betroffenen oft unruhig, rastlos und zappelig. Sie denken und reden schnell und sind leicht gereizt, wenn ihre Mitmenschen nicht mithalten können. Sie sind sprunghaft, unkonzentriert und überschätzen sich selbst, bis hin zum Größenwahn.

Je nach Episode – manisch oder depressiv – zeigen sich die folgenden Symptome in unterschiedlicher Kombination und Ausgeprägtheit bei Betroffenen:

Häufige Symptome der depressiven Phase

  • Niedergeschlagenheit
  • Traurigkeit, Schwermut
  • innere Leere
  • Interessenverlust
  • Gleichgültigkeit
  • gehemmte Emotionen
  • Antriebsschwäche
  • Angstgefühle
  • Pessimismus
  • verlangsamtes Denken, Sprechen und Handeln
  • sozialer Rückzug
  • Freud- und Motivationslosigkeit
  • Energiemangel
  • Ideenlosigkeit
  • Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen
  • Schlafstörungen oder vermehrtes Schlafbedürfnis

Das Suizidrisiko ist bei Menschen mit einer Bipolaren Störung erhöht – Suizidgedanken oder Suizidabsichten sollten immer sehr ernst genommen werden. Suchen Sie in diesem Fall dringend Hilfe.

Häufige Symptome der manischen Phase

  • Euphorie
  • übertriebene Begeisterung
  • Aktionismus
  • gesteigertes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl bis hin zum Übermut
  • Reizbarkeit und geringe Frustrationstoleranz
  • Stimmungshoch oder gereizte Stimmung
  • emotionale Erregung
  • erhöhtes Kontaktbedürfnis
  • übersteigerte Unternehmungslust
  • gesteigertes Risikoverhalten
  • Impulsivität
  • Abbau sozialer Hemmungen, Aggressivität, Leichtsinn
  • vermehrte Kreativität
  • vermindertes Schlafbedürfnis

Ist die Bipolare Störung stark ausgeprägt, können bei einer manischen Episode psychotische Symptome hinzukommen. Dabei nehmen die Betroffenen ihre Umwelt verzerrt und nicht mehr verhältnismäßig wahr. Sie verlieren den Sinn für die Realität und entwickeln Wahngedanken oder Halluzinationen.

Junge Frau leidet an einer bipolaren Störung und befindet sich gerade ein einer manischen Episode.

© iStock / Halfpoint

Während der manischen Episoden laufen Menschen, die von einer bipolaren Störung betroffen sind, oft zu Höchstformen auf was Leistung und Kreativität angeht.

Verlauf der bipolaren Störung: Bipolar-I-Störung und Bipolar-II-Störung

Bei Menschen, die unter einer Bipolar-I-Störung leiden, treten sowohl Manien als auch Depressionen stark ausgeprägt auf. Bei einer Bipolar-II-Störung gibt es ebenfalls sowohl depressive als auch manische Episoden, die Manie ist aber weniger intensiv (Hypomanie).

Die einzelnen Krankheitsepisoden können einige Tage dauern, aber auch mehrere Monate oder sogar Jahre. Bei einer Bipolaren Störung können zwischen den Episoden auch Intervalle auftreten, während derer Betroffene völlig beschwerdefrei oder zumindest stabil sind. Auch diese Intervalle können Monate oder Jahre andauern.

Woher kommt eine Bipolare Störung?

Fachleute gehen davon aus, dass unterschiedliche Faktoren beim Entstehen einer Bipolaren Störung zusammenkommen. Die erbliche Belastung könnte eine Rolle spielen: Das Risiko ist erhöht, wenn Eltern oder andere enge Familienangehörige wie Geschwister von der Bipolaren Störung betroffen sind. Häufig sind es belastende Lebensereignisse, die zum Ausbruch der Krankheit führen. Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass bei Menschen mit einer Bipolaren Störung der Stoffwechsel bestimmter Botenstoffe wie Dopamin, Noradrenalin, Serotonin und GABA im Gehirn nicht ausgeglichen funktioniert.

Auch andauernder Stress, frühe Verlusterlebnisse oder traumatische Erfahrungen, zum Beispiel sexueller, emotionaler oder körperlicher Missbrauch, können eine Rolle spielen. Bei Menschen mit einer Bipolaren Störung kommen häufig noch andere psychische Störungen wie Angst-, Zwangs- und Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen oder das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS).

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Leide ich unter einer Bipolaren Störung?

Eine Zeit lang gut und dann wieder schlecht drauf zu sein, ist völlig normal. Wenn die Schwankungen jedoch so stark und lange ausfallen, dass sie den Alltag einschränken und oft nicht unmittelbar von äußeren Faktoren auftreten, können das Hinweise auf eine Bipolare Störung sein. Bei Menschen, die unter der Bipolar-I-Störung leiden, treten bei mehr als 90 Prozent mehrere Episoden auf. Der Krankheitsverlauf ist dabei eher von Depressionen geprägt, zu manischen Episoden kommt es seltener. Trotzdem gilt: Eine Bipolare Störung äußert sich bei jedem Menschen unterschiedlich und ist abhängig von vielen Faktoren. Daher ist ein ärztliches oder psychotherapeutisches Gespräch nötig, um eine Diagnose stellen zu können. Es ist ratsam, Angehörige oder Freunde miteinzubeziehen, wenn der Verdacht auf eine Bipolare Störung besteht. Sie nehmen das Verhalten oft anders wahr als der Betroffene selbst – insbesondere die Auswirkungen auf das berufliche, familiäre oder soziale Umfeld. Ihre Ansichten können Ärzten und Ärztinnen dabei helfen, den bisher stattgefundenen Krankheitsverlauf besser abzuschätzen.

Bis die Diagnose Bipolare Störung vorliegt, vergehen oftmals Monate oder Jahre. Die Erkrankung kann sich bei jedem Menschen unterschiedlich äußern und nur durch genaue Befragung des oder der Betroffenen festgestellt werden. Ein Psychiater oder die Psychiaterin diagnostiziert eine Bipolare Störung anhand der beobachteten und beschriebenen Symptome, etwa im Rahmen regelmäßiger Termine. Bei der Diagnose einer Bipolaren Störung hilft vielen Betroffenen auch ein sogenanntes Stimmungstagebuch, das sie möglichst lückenlos ausfüllen sollten und zu den ärztlichen Gesprächen mitbringen. Darin tragen sie möglichst täglich ihre Stimmung, aber auch die Schlafqualität, Medikation und stressauslösende Ereignisse ein. So gewinnt nicht nur der behandelnde Arzt oder die Ärztin Erkenntnisse über die Erkrankung, sondern auch die Betroffenen selbst.

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Unterstützung als Angehöriger oder Angehörige

Meist sind es die Angehörigen oder Freunde und Freundinnen des Betroffenen, denen die extremen Stimmungsschwankungen auffallen und die dazu raten, einen Arzt aufzusuchen. Für sie sind die verschiedenen Episoden einer Bipolaren Störung häufig sehr belastend. Sich gut über die Krankheit zu informieren und sich auch mit dem Betroffenen intensiv auszutauschen, kann dabei helfen, mit den unterschiedlichen Gemütszuständen umzugehen und Verhaltensweisen richtig einzuordnen.

Doch auch dann stellen die Krankheitsepisoden Angehörige vor große Herausforderungen – das Gleichgewicht zu halten zwischen Zuwendung und Abgrenzung sowie Mitgefühl und Selbstfürsorge, fällt oft schwer und fordert Geduld. Auch für Angehörige kann es hilfreich sein, Selbsthilfegruppen für Menschen zu besuchen, die in ähnlichen Situationen sind.

Wie wird eine Bipolare Störung behandelt?

Die Bipolare Störung ist nicht heilbar. Mit der richtigen Behandlung können die Symptome in Schach gehalten werden und die Betroffenen gut mit der Krankheit leben. Ein wichtiger Pfeiler sind Medikamente und Psychotherapie.

Die Behandlung einer Bipolaren Störung verfolgt je nach Konstellation folgende Ziele:

  • Die Verbesserung einer akuten manischen, depressiven oder hypomanischen Phase. Um den Leidensdruck beim Patienten oder der Patientin zu lindern, kommen neben medikamentöser Therapie auch andere Therapieformen in Frage. Die Erhaltungstherapie dient nach einer Verbesserung oder Rückbildung der Symptome dazu, den Patienten oder die Patientin zu stabilisieren und einen Rückfall zu verhindern. Innerhalb dieser Therapiestufe beginnt oft auch eine Psychotherapie. Außerdem wird der Psychiater oder die Psychiaterin die Medikation im Verlauf beurteilen und anpassen.
  • Das Ziel der Prophylaxe ist es, den Patienten oder die Patientin langfristig stabil zu halten und weitere Krankheitsphasen zu verhindern. Der Einsatz stimmungsstabilisierender Medikamente wird auf ein individuell passendes Maß reduziert. Der Betroffene oder die Betroffene sammelt Erfahrungen und Strategien, möglichst selbstständig mit der Bipolaren Störung umzugehen. Dafür eignen sich Methoden aus der Psychotherapie.

Bei der Psychotherapie sollen einerseits die Symptome einer beginnenden akuten Phase gelindert werden und andererseits soll der gebesserte Zustand nach dem Abklingen einer Episode möglichst gut und lange erhalten werden. Die Betroffenen lernen dabei, mit der Erkrankung umzugehen. Dazu gehört etwa, die eigenen Grenzen und frühen Warnsymptome zu erkennen, Balance zwischen Belastung und Entspannung zu halten und den Alltag sowie belastende Ereignisse besser zu bewältigen. Ergotherapie, Sport, künstlerische Therapien oder Körperarbeit können ergänzende Bausteine einer psychotherapeutischen Behandlung sein.

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Meist wird diese Therapie dauerhaft von Medikamenten begleitet. Bei diesen handelt es sich – immer auf die Betroffenen individuell abgestimmt – in der Regel um Antidepressiva, Stimmungsstabilisierer und Antipsychotika. Zwar kann die Medikation erneut auftretende Episoden nicht zu hundert Prozent verhindern, sie kann diese jedoch abmildern und die Zeit zwischen den einzelnen Episoden verlängern. Zusätzlich empfinden es viele Betroffene und Angehörige als hilfreich, sich mit Gleichgesinnten in einer Selbsthilfegruppe über die Bipolare Störung auszutauschen.

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