Muskel-Skelett-System
Ischias: Wenn der Schmerz auf die Nerven geht
Veröffentlicht am:06.09.2021
19 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 03.12.2025
Reißende Schmerzen, die sich vom Rücken über das Gesäß und den Oberschenkel bis in den Fuß ausbreiten, nennt der Volksmund oft „Ischias“. Fachleute sprechen, je nach Lage des Schmerzes, jedoch von Ischialgie oder Lumboischialgie. Was dagegen hilft.

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Ischiasschmerzen sind keine klassischen Rückenschmerzen
Eine repräsentative forsa-Umfrage mit 1.505 Teilnehmenden im Auftrag des AOK-Bundesverbands aus dem Jahr 2024 ergab, dass 81 Prozent der Befragten im Vorjahr unter Rückenschmerzen gelitten haben. Rückenschmerzgeplagte sind somit nicht allein. Die Schmerzen treten bei den meisten Menschen im unteren Rücken auf. Allerdings ist die Ursache nicht ganz so einfach auf den Punkt zu bringen. Viele Faktoren können Kreuzschmerzen begünstigen.
Dazu zählen:
- Bewegungsmangel
- einseitige Belastungen
- muskuläre Verspannungen
- degenerative Bandscheibenveränderungen (altersbedingter Verschleiß)
- Arthrose der Wirbelgelenke (Spondylarthrose)
- psychischer Stress
- Reizungen der Nervenwurzeln (Radikulopathie)
Was den Ischiasnerv reizen kann
Wenn es um eine Reizung der Rückennerven geht, kommt auch die Ischialgie ins Spiel. Hierbei ist entweder der Ischiasnerv selbst gereizt oder die Nervenwurzeln im Bereich der unteren Lendenwirbel, aus denen der Ischiasnerv hervorgeht. Die quälenden Schmerzen können durch Bandscheibenvorwölbungen oder Bandscheibenvorfälle, degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke oder Druck auf den Ischiasnerv entstehen.
Hierbei kommt es nicht dadurch zum Schmerz, dass unmittelbare Strukturen der Wirbelkörper oder Muskeln in Mitleidenschaft gezogen werden, sondern durch einen Druck auf den Ischiasnerv.
PD Dr. med. habil. Tanja Schlereth, Oberärztin an der DKD Helios Klinik Wiesbaden (Deutsche Klinik für Diagnostik) und der Sportwissenschaftler und Gesundheitsexperte Prof. Dr. Ingo Froböse erklären, wie der Ischiasnerv nicht zum Plagegeist wird.
Der Ischiasschmerz strahlt in andere Bereiche aus

© Sebastian Bahr
„Das Besondere an einer Ischialgie ist, dass die Schmerzen durch die Komprimierung des Ischiasnervs und seiner Nervenwurzeln verursacht werden. Sobald Nerven involviert sind, bleibt der Schmerz nicht mehr lokal, sondern kann in andere Körperteile ausstrahlen. Wird etwa der Ischiasnerv im Bereich des Gesäßes oder im Bereich der Nervenwurzeln gereizt, kann der Schmerz in den unteren Rückenbereich, aber auch in die Beine ziehen.
Eine Ischialgie ist daher kein „echter“ Rückenschmerz, weil keine anatomischen Strukturen der Wirbelkörper oder Muskeln direkt dafür verantwortlich sind. Dadurch hebt sich die Ischialgie von anderen Rückenschmerzen ab.“, so Prof. Dr. Ingo Froböse.
Genau prüfen: Rückenschmerzen oder Ischias

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Ischiasschmerzen sind kein seltenes Phänomen, müssen aber von klassischen Rückenschmerzen abgegrenzt werden. Es ist besonders wichtig, die richtige Diagnose zu finden, um die Schmerzen loszuwerden. Bei der Beurteilung von Rückenschmerzen gibt es auch noch sogenannte Flags (Flaggen). Darunter verstehen Medizinerinnen und Mediziner Warnhinweise, die das weitere Vorgehen bestimmen. Insbesondere bei den Red Flags (Rote Flaggen) kann ein unmittelbarer medizinischer Eingriff notwendig sein. Red-Flag-Symptome einer Ischialgie sind beispielsweise höhergradige Lähmungen und Blasenentleerungsstörungen.
„Yellow Flags (Gelbe Flaggen) sind psychosoziale Risikofaktoren mit erhöhtem Risiko für das Auftreten chronischer Rückenschmerzen wie Depressivität, Katastrophisierungstendenzen, Angstvermeidungsverhalten, ausgeprägtes Schonverhalten und Neigung zur Somatisierung. Red Flags sind Symptome beziehungsweise Warnhinweise, deren Auftreten eine kurzfristige und gegebenenfalls sogar notfallmäßige Abklärung und Therapie erfordern“, erklärt Dr. Tanja Schlereth.
Ischialgie-Therapie: So kommt der Ischiasnerv zur Ruhe
Anstatt das Bett zu hüten, sollten sowohl Menschen mit Rückenschmerzen als auch einer Ischialgie in Bewegung bleiben. Auf diese Weise können sich verspannte Rückenmuskeln entspannen und die Reizung nachlassen. Oft hilft auch eine Stufenbettlagerung, bei der die Wirbelsäule entspannt wird. Hierfür legt man die Unterschenkel auf ein dickes Kissen oder einen Kasten, sodass die Knie und die Hüfte im 90-Grad-Winkel gebeugt sind.
Wenn Bettruhe eingehalten wird, sollte diese nicht länger als drei Tage dauern. Bei akuten Schmerzen können Schmerzmittel helfen, um den Teufelskreis zu durchbrechen, der dadurch entsteht, dass die Schmerzen zur Verspannung der Muskeln führen und die Verspannung die Schmerzen verschlimmert. Rückenschmerzen und auch Ischialgien haben selten eine Ursache, die eine Operation erfordert. Auch bei Bandscheibenvorfällen werden mehr als drei Viertel der Patienten oder Patientinnen ohne Operation wieder beschwerdefrei.
Red Flags: Warnzeichen denen nachgegangen werden muss
„Beim Auftreten von Red Flags sollte zeitnah ein Arzt aufgesucht werden, insbesondere bei plötzlichem Auftreten von Rückenschmerzen nach einem akuten Trauma, bei dem es zu einer Rückenverletzung gekommen sein könnte, insbesondere bei Patienten, die eine Osteoporose haben oder lange Cortison einnehmen. Andere Warnhinweise wären das zusätzliche Auftreten von Fieber, Schüttelfrost, bakteriellen Infektionen, Tumorerkrankungen, Immunschwäche, zuvor durchgeführte Infiltrationen an der Wirbelsäule und starkem nächtlichen Schmerz. Beim Auftreten von Lähmungen, Sensibilitätsstörung und insbesondere Blasen- und Mastdarmstörungen sollte sofort ein Arzt aufgesucht werden“, sagt Dr. Tanja Schlereth. Unter anderem diese sind Red-Flag-Symptome einer Ischialgie.
Wer wird besonders von Ischiasschmerzen geplagt?
Frau Dr. Schlereth: „Häufiges Tragen schwerer Lasten und monotone Körperhaltung sind neben Übergewicht mechanische Risikofaktoren für die Entwicklung von Rückenschmerzen. Weitere Risikofaktoren sind jedoch Depression, passives Schmerzverhalten, Angst, geringe körperliche Bewegung und berufliche Unzufriedenheit.“
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Bewegung lindert nicht nur akute Ischiasschmerzen, sie eignet sich auch hervorragend, um zukünftigen Schmerzereignissen zuvorzukommen. Den Grundstein legt ein achtsamer Umgang mit dem Rücken. Eine gute Sitzhaltung und das Heben nicht aus dem Rücken heraus, beugen Fehlhaltungen beziehungsweise Überlastungen vor. Eine weitere entscheidende Säule ist die Kräftigung der Rücken- und Bauchmuskulatur. Eine stabile Körpermitte sorgt dafür, dass eine einseitige Beanspruchung der Körperstrukturen vermieden wird. Das ist auch für „Bürohengste“ wichtig. Dehnübungen leisten ebenfalls einen Beitrag. Wer regelmäßig seine Hüftbeuger und Oberschenkelrückseiten dehnt, hat weniger Probleme mit verkürzten Muskeln und bringt das Becken in die richtige Position. All diese Maßnahmen tragen dazu bei, dass der Rücken im Alltag weniger beansprucht und damit weniger gereizt wird.

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Und im Akutfall? „Als Sofortmaßnahme empfiehlt sich meist Wärme in Form eines Wärmekissens, eines Bades und auch die vorsichtige Dehnung der Gesäßmuskulatur, des unteren Rückens und der Oberschenkelrückseite“, erzählt Dr. Ingo Froböse.
Zudem gibt es spezielle Ischiasübungen:
Ischiasübung Nr. 1: Hol das Bein ran Ischiasübung Nr. 2: Mach einen Knoten Ischiasübung Nummer 3: Streck, was das Zeug hält
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