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Muskel-Skelett-System

Wie erkennt man einen Bandscheibenvorfall? Symptome und Behandlung

Veröffentlicht am:29.09.2020

6 Minuten Lesedauer

Aktualisiert am: 12.08.2025

Rückenschmerzen, die in Arm und Schulter oder Bein ausstrahlen? Das könnte ein Bandscheibenvorfall sein. Was die typischen Anzeichen sind, wie man im Akutfall richtig reagiert und langfristig schmerzfrei bleibt, erfahren Sie hier.

Ein älterer Mann sitzt auf dem Sofa und hält sich den schmerzenden Rücken.

© iStock / metamorworks

Dr. Klaus Schnake ist Chefarzt des Wirbelsäulenzentrums des Malteser Waldkrankenhauses in Erlangen und ehemaliger Vorsitzender der Sektion Wirbelsäule der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Hier beantwortet er die wichtigsten Fragen zum Thema Bandscheibenvorfall.

Was genau sind die Bandscheiben?

Sie sind die Belastbarkeitswunder zwischen den Wirbeln: Tagein, tagaus federn die Bandscheiben teils einen bis zu mehreren Hundert Kilo schweren Druck auf die Wirbelsäule ab – bis Verschleiß oder Überlastung den 23 „Stoßdämpfern“ zwischen den Wirbelkörpern womöglich so zusetzen, dass sie buchstäblich nachgeben. Etwa 100.000 bis 120.000 Patientinnen und Patienten werden laut Gesundheitsberichterstattung des Bundes pro Jahr in Deutschland stationär wegen eines Bandscheibenvorfalls behandelt. Hinzu kommen etwa noch einmal so viele Patientinnen und Patienten mit gleicher Diagnose, die ambulant behandelt werden, schätzt Dr. Klaus Schnake. Der Rückenexperte ist ehemaliger Vorsitzender der Sektion Wirbelsäule bei der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und betreut als Chefarzt des Wirbelsäulenzentrums im Malteser Waldkrankenhaus St. Marien in Erlangen täglich Betroffene mit Bandscheibenerkrankungen.

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Jede Bandscheibe besteht aus einem elastischen Gallertkern mit hohem Wassergehalt, der von einem knorpeligen, aber elastischen Faserring aus Kollagen fest umschlossen ist. Bei Bewegung des Körpers verhalten sich die Bandscheiben wie Polster, die bei Belastung zusammengedrückt werden. Durch den geleeartigen Kern wird der Druck verteilt. Bei Entlastung dehnt sich die Bandscheibe wieder aus. Das Problem: Der Faserring kann reißen. Entsteht ein Riss, wölbt sich an der Stelle der Gallertkern nach außen. Medizinerinnen und Mediziner sprechen dann von einer Vorwölbung, der sogenannten Protrusion. Zerreißt der Faserring ganz, tritt ein Teil des Gallertkerns aus und drückt in vielen Fällen auf die Nerven im Wirbelkanal, was zu starken Schmerzen führen kann. Am häufigsten betroffen ist der untere Bereich der Wirbelsäule, die Lendenwirbelsäule. Dort lastet das Gesamtgewicht am stärksten auf den beiden untersten Bandscheiben. In der Fachsprache wird ein solcher Bandscheibenvorfall auch als „lumbale Diskushernie“ bezeichnet.

Ursachen für einen Bandscheibenvorfall

Veranlagung, körperliche Belastung und Adipositas erhöhen das Risiko für das Auftreten eines Bandscheibenvorfalls. Auch Nikotin ist ein Feind der Bandscheiben, da es ihre Versorgung mit Nährstoffen beeinträchtigt. Mit zunehmendem Alter, aber auch durch die genannten Risikofaktoren, verlieren die Bandscheiben immer mehr Wasser und damit ihre dämpfenden Eigenschaften. Sie nutzen sich schlichtweg ab. Das Risiko, einen Bandscheibenvorfall zu erleiden, nimmt mit jeder Lebensdekade zu. Im höheren Alter sind insgesamt mehr Frauen betroffen.

Auch anhaltende schwere körperliche Arbeit kann starke Verschleißerscheinungen hervorrufen, sagt Klaus Schnake. Einer der größten Feinde der Bandscheibenfunktionalität sei aber ein „alter Bekannter“ unter den Gesundheitssünden: der Mangel an Bewegung. Wer viel sitzt und sich wenig bewegt, tut seinem Körper nichts Gutes. Die Bandscheiben bilden da keine Ausnahme, sie leben nämlich von einem Wechselspiel aus Be- und Entlastung. Bei Bewegung werden sie schwammartig ausgedrückt, im Liegen füllen sie sich wieder und können neue Nährstoffe aufnehmen. Wer sich wenig bewegt, setzt seine Bandscheiben auf Dauerdiät. Sie „verhungern“ praktisch.

„Wer sich regelmäßig bewegt, steckt Schmerzen anders weg als ein typischer ,Schreibtischtäter‘ oder eine ,Schreibtischtäterin‘ ohne Ausgleich.“

Dr. Klaus Schnake
Chefarzt des Wirbelsäulenzentrums des Malteser Waldkrankenhauses St. Marien in Erlangen

Falsche Bewegung als Auslöser

„Die Ursache ist aber nicht das Sitzen selbst, wie immer wieder vermutet wird. Es liegt nicht an der Büroarbeit, sondern daran, was man mit dem Rest des Tages anfängt“, sagt Klaus Schnake. Er kann deshalb aus ärztlicher Sicht nur drei Dinge ans Herz legen: Bewegung, Bewegung und nochmals Bewegung. „Wer sich regelmäßig bewegt, steckt Schmerzen anders weg als ein typischer ,Schreibtischtäter‘ oder eine ,Schreibtischtäterin‘ ohne Ausgleich.“

Bandscheibenvorfall: Symptome

Wenn es im unteren Rücken plötzlich weh tut, denken viele an einen Hexenschuss. In etwa 90 Prozent der Fälle trifft genau das auch zu. „Dabei handelt es sich um sogenannte nicht-spezifische Rückenschmerzen. Das heißt, sie treten ohne ersichtliche Ursache plötzlich auf, sind aber meist auch nach etwa einer Woche wieder verschwunden“, erklärt der Wirbelsäulenexperte. Auch muskuläre Verspannungen klingen in der Regel von allein ab.

Anders sind die Symptome bei einem Bandscheibenvorfall. Hier drückt die Bandscheibe häufig auf die empfindlichen Nerven im Wirbelkanal und löst so einen starken Schmerz aus, der ins Bein oder in Schulter und Arm ausstrahlt[ „Zwar ist nicht jedes Ziehen im Rücken oder ein bisschen in den Po ausstrahlender Schmerz gleich ein Bandscheibenvorfall“, sagt Klaus Schnake und warnt vor übereilten Selbstdiagnosen. „Hat man aber stetig in das Bein ausstrahlende Schmerzen, ist das ein Hinweis auf einen Vorfall im Lendenwirbelbereich. Ein Ziehen im Arm kann auf einen Vorfall im Halswirbelbereich hindeuten“. Der Druck auf die Nervenwurzel kann auch zu Lähmungen führen. Dann ist zum Beispiel plötzlich die Fußhebung geschwächt und man stolpert über die geringsten Bodenunebenheiten oder man kann nicht mehr auf den Zehen stehen. Bei Bandscheibenvorfällen der Halswirbelsäule tritt möglicherweise eine Schwäche der Armbeugung oder der Fingerspreizung auf.

Bei diesen Symptomen ist sofort zu handeln

Schnell muss bei höhergradigen Lähmungserscheinungen oder einer Blasen- oder Mastdarmstörung und einem Taubheitsgefühl der Innenseite der Oberschenkel und im Bereich des Anus gehandelt werden.

„Bei höhergradigen Lähmungen muss dringend behandelt und am besten innerhalb von 48 Stunden operiert werden, bei einer Blasen-Mastdarm-Störung noch am gleichen Tag“, erklärt Klaus Schnake. Das komme aber selten vor und mache lediglich zwei bis drei Prozent aller Fälle aus. Ein Arztbesuch sei zwar immer unabdingbar, eine Kernspinaufnahme (MRT) werde aber erst notwendig, wenn ein folgenschwerer Vorfall vermutet wird.

Bandscheibenvorfall – was tun?

Diagnose Bandscheibenvorfall – und jetzt? Spritzen? Gar eine OP? Der Experte rät dazu, dem Körper etwas Zeit zu geben (außer bei Lähmungserscheinungen). Zwei Drittel aller Vorfälle lösen sich innerhalb von maximal acht Wochen von alleine auf, so Klaus Schnake. Seine Empfehlung: „Erst einmal Schmerzmittel nehmen. Das klinge banal, sei aber wichtig, um den Teufelskreis von schmerzbedingter Fehlhaltung und Muskelverspannung zu durchbrechen.“ Um akute Schmerzen in Schach zu halten, könne kurzfristig mit Wärme gearbeitet werden. Wärmflaschen oder Körnerkissen sollten je nach Befinden so oft und so warm wie möglich aufgelegt werden.

Auch spezielle Pflaster oder Auflagen, die über mehrere Stunden hinweg Wärme abgeben, können die Durchblutung anregen und damit für Linderung sorgen. Ein bis drei Tage im Bett zu bleiben, sei ebenfalls in Ordnung. „Dann sollte man aber möglichst rasch versuchen, ein bisschen herumzulaufen. Mobilisation ist wichtig, Bettruhe hat sich nicht bewährt“, sagt der Orthopäde. Außerdem sollte nach spätestens 14 Tagen mindestens zweimal wöchentlich Physiotherapie auf dem Terminplan stehen.

In der sogenannten subakuten Phase, die nach etwa drei bis vier Wochen beginnt, sollte zusätzlich die Rückenmuskulatur regelmäßig trainiert werden. Idealerweise 10 bis 15 Minuten am Tag. Bei anhaltenden Schmerzen können auch in dieser Phase Schmerzmittel verabreicht werden.

Wann ist eine Operation an den Bandscheiben ratsam?

Bleiben die ausstrahlenden Schmerzen über mehr als sechs bis acht Wochen trotz konservativer Therapie bestehen, kann das an dem gelartigen Kern liegen, der ausgetreten ist und auf den Nerv drückt. Enthält dieser mehr Knorpel als Wasser, schrumpft er kaum. Hält die Ärztin oder der Arzt eine Schrumpfung für unwahrscheinlich oder kann der Patient beziehungsweise die Patientin die Schmerzen kaum mehr ertragen, sollte eine OP in Erwägung gezogen werden. Denn nach dieser Zeit sind die Chancen sehr gering, dass sich die Beschwerden auch ohne eine OP wieder bessern. Dann ist es sinnvoll, das problematische Gewebe zu entfernen. „Fangen Patientinnen und Patienten an, ihr Leben auf den Schmerz auszurichten, wird es oft ganz schwer, sie wieder gesund und fit für die Arbeit zu machen“, sagt Klaus Schnake.

Dass die besten Effekte mit einer OP innerhalb der ersten drei Monate zu erzielen sind, zeigen auch jüngere Studien. Eines sollte man jedoch wissen, ehe man sich unters Messer begibt: Eine OP beseitigt ausschließlich die Symptome des Bandscheibenvorfalls, also in der Regel die Bein- oder Armschmerzen. Die gute Nachricht: Die meisten Patienten und Patientinnen sind nach dem Eingriff schmerzfrei oder zumindest haben sich die Schmerzen deutlich gebessert. Die schlechte: „Wir müssen den Patienten und Patientinnen ehrlich sagen: An der geschädigten Bandscheibe können wir nichts machen, der Rücken wird also möglicherweise eine Baustelle bleiben“, sagt Klaus Schnake.

Den unteren Rücken dehnen: Mit diesen Übungen können Sie Rückenbeschwerden vorbeugen.

Damit meint er vor allem den Einsatz, der nötig ist, um erneute Vorfälle zu vermeiden. Bei etwa zehn Prozent der Patientinnen oder Patienten „verrutscht“ die Bandscheibe ein weiteres Mal. „Eine passive Therapie nach dem Motto, ich lege mich hin und lasse mich massieren, bringt gar nichts“, stellt der Chefarzt klar. Wer fit werden will, muss mitarbeiten. Am besten geht das mit Bewegung. Radfahren, Nordic Walking, Yoga, Schwimmen, moderates Ausdauertraining und gezielte Übungen können die Muskulatur kräftigen (siehe Infokasten).

Klaus Schnake empfiehlt außerdem, die Risikofaktoren zu senken und zum Beispiel mit dem Rauchen aufzuhören oder eine Ernährungsberatung in Anspruch zu nehmen. Das kann die Prognose in jedem Alter verbessern.

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