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Gesundheitsmagazin

Gesund im Job

Fit durch die Schicht – Schichtarbeit und Gesundheit im Einklang

Veröffentlicht am:22.04.2025

5 Minuten Lesedauer

Arbeiten, wenn alle schlafen, oder ins Bett gehen, wenn andere den Feierabend genießen – Schichtarbeit bringt die innere Uhr aus dem Takt. Drei Schichtarbeitende erzählen, was sie für ihre Gesundheit tun und wie sie Beruf und Privatleben vereinen.

Der Bäckermeister Stefan Steeg schiebt in seiner Backstube ein großes Blech mit frisch gebackenen Brötchen in ein Backwarenregal.

© Dominik Asbach

Wie sich Schichtdienst auf die Gesundheit auswirkt

Rund 17 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten im Schichtdienst: in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, bei Verkehrsbetrieben, im Sicherheitswesen, in der Gastronomie, im Einzelhandel, an Tankstellen, bei der Polizei und in vielen anderen Bereichen. Das hat Auswirkungen auf die Gesundheit. Normalerweise leben wir Menschen im Einklang mit Tag und Nacht, Licht und Dunkelheit. Unser Schlaf-Wach-Rhythmus ist dem Tagesrhythmus angepasst. Wir sind tagsüber, wenn es hell ist, wach und aktiv und schlafen, wenn es dunkel ist.

Dieses Muster kann nicht beibehalten werden, wenn Menschen aufgrund von Schichtarbeit nachts arbeiten oder mitten in der Nacht aufstehen müssen – und den erholsamen Schlaf bei hellem Tageslicht nachholen. Studien zeigen, dass Schichtarbeitende ihrem Körper insbesondere bei Nachtarbeit einiges zumuten. Warum ist das so?

Tag-Nacht-Rhythmus wird umgekehrt

„Vor allem der verschobene Schlaf-Wach-Rhythmus stellt für Schichtarbeitende eine Herausforderung dar“, sagt Professor Volker Harth, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin. „Dreh- und Angelpunkt ist das Hormon Melatonin, das der Körper vor allem bei Dunkelheit ausschüttet und das uns gut schlafen lässt.“ Sonnenlicht hemmt dagegen die Ausschüttung, man wird wach und aktiv. Menschen im Schichtdienst arbeiten gegen diesen natürlichen Taktgeber an und leiden dadurch häufiger an Schlafstörungen. Doch nicht nur das: Melatonin steuert auch andere biologische Prozesse, sodass ein Ungleichgewicht Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, aber auch depressive Verstimmungen begünstigen kann.

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Betroffene spüren die Umstellungsprobleme des Körpers

„Die wechselnden Schichten sind manchmal hart“, sagt Assia Arslan. Als medizinische Fachkraft kennt sie die Zusammenhänge zwischen dem menschlichen Biorhythmus und dem Tag-Nacht-Wechsel. Und oft, wenn sie von einer Schicht in die nächste wechselt, spürt sie, dass ihr Körper immer wieder zum normalen Tag-Nacht-Rhythmus zurückkehren oder ihn beibehalten will. „Wenn ich nach ein paar Tagen Frühschicht wieder zur Spätschicht wechsle, könnte ich ja bis mittags ausschlafen“, erzählt die Pflegerin. „Am ersten Tag bin ich dann aber trotzdem schon um vier Uhr wach.“

Arbeitszeit 21 bis 6.30 Uhr: in der Klinik durch die Nacht

Die Pflegefachfrau Assia Arslan verlässt am Morgen nach der Nachtschicht im Pflegekittel das Krankenhaus. Sie schaut auf ihr Smartphone.

© Walter Rammler

Die Pflegefachfrau Assia Arslan (19) hat gerade ihre Ausbildung am Klinikum Fulda beendet.

Assia Aslans persönliche Schichtdienst-Tipps:

  • Durch Anti-Stress-Techniken und einen Ruhe-Tee vor dem Schlafen runterkommen
  • Möglichst zu festen Zeiten essen, um dem Körper Routinen zu bieten

Motivation durch sinnvolle Tätigkeit

Natürlich gibt es Tage, an denen Assia Arslan ihre Arbeitszeiten hart findet. Wenn die Nachtschicht besonders anstrengend war. Oder wenn sie wegen der Frühschicht am Sonntag die Party am Samstag absagen muss. „Das nervt dann zwar“, bekennt die Pflegefachfrau, „dafür erlebe ich aber täglich, wie kranke Menschen gesund werden. Das finde ich wirklich sehr erfüllend.“ Als sinnstiftend empfindet auch Bäckermeister Stefan Steeg seinen Beruf – selbst, wenn er dafür jeden Tag schon ab drei Uhr morgens in der Backstube stehen muss. „Aber den ganzen Tag von neun bis 18 Uhr im Büro sitzen? Nee, das wäre nichts für mich“, erzählt der Bäcker aus Leidenschaft.

Arbeitszeit: 3 bis 15 Uhr – Frühschicht am Backofen

Der Bäckermeister Stefan Steeg bereitet auf einer Arbeitsfläche seiner Backstube Brotteiglinge zum Backen vor.

© Dominik Asbach

Bäckermeister Stefan Steeg (64) führt in vierter Generation mit seiner Frau eine Bäckerei in Tönisvorst nahe Düsseldorf.

Stefan Steegs persönliche Schichtdienst-Tipps:

  • So viel Zeit wie möglich im Freien verbringen – am liebsten mit dem Rennrad
  • Durch tiefes Atmen und beruhigende Musik leichter in den Schlaf finden

Wie gelingt ein gesunder Umgang mit ungewöhnlichen Arbeitszeiten?

Wenn der Körper mit dem Tag-Nacht-Rhythmus einen zentralen Taktgeber verliert, ist es sehr hilfreich, wenn trotz eines Tages- und Wochenablaufs, der durch Schichtarbeit anders getaktet ist, eine Regelmäßigkeit gegeben ist. Eine solche Routine gibt dem Körper eine neue Orientierung. Die innere Uhr läuft anders, aber immerhin gleichmäßig.

Routinen halten gesund

Um dem Organismus einen gewissen Ausgleich für den fehlenden Tag-Nacht-Rhythmus zu bieten, gestaltet Arslan ihre Tage deshalb so strikt wie möglich. „Ich achte darauf, zu festen Zeiten zu essen“, sagt sie. „Und ich koche immer gesund, mit möglichst viel Gemüse. So müde ich in dem Moment auch bin.“ An diese Regeln hält sich auch Kerstin Rensch – soweit ihr Alltag es zulässt. Rensch ist Floristin mit eigenem Geschäft. Sie macht sich vor allem im Sommer dreimal wöchentlich schon um drei Uhr morgens auf den Weg zum Blumengroßmarkt und bleibt danach bis zwölf, manchmal bis 18 Uhr in ihrem Geschäft. Um durchzuhalten, legt sie zwischendurch einen kurzen Schlaf von 30 Minuten ein und geht abends früh zu Bett.

Arbeitszeit: 3 bis 15 Uhr – in aller Früh zum Großmarkt

Die Floristin Kerstin Rensch trägt im morgendlichen Dunkel einen Korb mit violetten Hortensien von einem Lieferwagen in ihr Blumengeschäft.

© Walter Rammler

Kerstin Rensch (46) betreibt im hessischen Kalbach ein eigenes Blumengeschäft. Die Floristin steht gern früh auf und ist auch ohne Wecker nach sechs Stunden Schlaf ausgeruht.

Kerstin Renschs persönliche Schichtdienst-Tipps:

  • Tagsüber höchstens einen Powernap einlegen, um bis zum Abend fit und konzentriert zu sein
  • Vor dem Schlafengehen einen langen Spaziergang machen

Die Strategien sind so individuell wie die Schichtarbeitenden selbst

Für Kerstin Rensch ist ein Powernap von höchsten 30 Minuten genau richtig. „Ein längerer Mittagsschlaf raubt mir jede Energie“, erklärt sie und fügt an: „Das habe ich ausprobiert.“ Bäckermeister Stefan Steeg hält das völlig anders: Er schläft, wenn die Backstube mittags geschlossen hat, zwei bis drei Stunden, um den fehlenden Nachtschlaf nachzuholen. Ausprobieren – dazu rät auch Arbeitsmediziner Volker Harth. „Wer herausgefunden hat, welche Routinen ihm guttun, sollte sich dann möglichst strikt daran halten“, empfiehlt er. „Ebenfalls hilfreich ist es, am Tag viel Zeit im Freien zu verbringen, weil UV-Licht dem Körper signalisiert: Jetzt ist es Tag, du bist aktiv.“ Ein abgedunkelter, ruhiger und nicht zu warmer Raum helfe wiederum, in den Nacht- oder Mittagschlaf zu gleiten.

Stressbewältigung mit der AOK

Work-Life-Balance: bei Schichtarbeit besonders wichtig

Und was macht man, um Familie, Freunde und Job miteinander zu vereinbaren und eine gute Work-Life-Balance zu finden? Gerade Abendveranstaltungen passen schwierig in den Zeitplan. Doch die verschobenen Arbeitszeiten böten auch Vorteile, meint etwa Stefan Steeg. „Als die Kinder jünger waren, konnte ich da sein, wenn sie aus der Schule kamen“, erläutert er. „Und abends bin ich zur gleichen Zeit wie sie ins Bett gegangen. Dadurch hatte ich mehr Alltag mit ihnen als viele Väter mit klassischen Bürojobs.“

Kerstin Rensch hat sich dagegen erst zur Selbstständigkeit und damit Schichtarbeit entschieden, als ihre beiden Kinder Teenager waren. „Vorher habe ich zu Öffnungszeiten von Kita und Schule gearbeitet“, sagt sie. „Das hätte sonst nicht geklappt.“ Jetzt findet sie nachmittags Zeit für Gespräche mit ihrer 17-jährigen Tochter, die noch zu Hause lebt.

Ihre Treffen im Freundeskreis und mit Angehörigen organisieren alle drei aktiv für die Wochenenden. „Es ist nicht immer einfach, weil man da ja auch ausschlafen möchte“, bekennt Assia Arslan. Sie nutzt deshalb ihre freien Vormittage auch, um schwimmen oder ins Fitness-Center zu gehen. „Man muss es wirklich wollen“, befindet Arslan. „Dann klappt es auch.“

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