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Gesundheitsmagazin

Immunsystem

Wie bei einer Autoimmunerkrankung der Körper sich selbst bekämpft

Veröffentlicht am:12.04.2023

5 Minuten Lesedauer

Greift das Immunsystem außer Krankheitserregern auch körpereigene Strukturen an, sind Entzündungen in betroffenen Geweben oder Organen möglich. Solche Autoimmunkrankheiten sind nicht heilbar, können aber behandelt werden, um Schäden zu verhindern.

Ein an der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose Erkrankter im Rollstuhl schaut sich zusammen mit seiner Begleiterin im Park etwas auf einem Tablet an.

© iStock / FredFroese

Was ist eine Autoimmunerkrankung?

Bei Menschen mit einer Autoimmunerkrankung ist das körpereigene Abwehrsystem fehlgesteuert. Normalerweise schützt das Immunsystem den Körper bei Infektionen, indem es Viren und Bakterien oder andere Fremdkörper, die in den Körper eindringen, erkennt und abwehrt. Dies nennt man Immunreaktion. Eine wichtige Eigenschaft des Immunsystems ist, dass es zwischen körperfremden und körpereigenen Strukturen unerscheiden kann. Gesunde körpereigene Zellen greift ein intaktes Immunsystem normalerweise nicht an, was als Immuntoleranz bezeichnet wird.

Gestörte Immuntoleranz bei einer Autoimmunerkrankung

Etwas anderes als eine Immunreaktion ist eine Autoimmunreaktion. In diesem Fall hält das Abwehrsystem des Körpers bestimmte eigene Zellen für Eindringlinge und attackiert sie. So wie normalerweise für die Abwehr von Viren oder Bakterien Antikörper gebildet werden, richten sich hier vom Immunsystem gebildete Antikörper gegen körpereigene Zellen. Sie werden deshalb als Autoantikörper bezeichnet. Meistens lösen solche Angriffe im betroffenen Gewebe Entzündungen aus, die sich zu chronischen Erkrankungen entwickeln und Organe und Gewebe schädigen können. Abhängig davon, welches Gewebe oder welches Organ konkret betroffen ist, treten unterschiedliche Symptome auf.

Zwei Typen von Autoimmunerkrankungen

Fachleute unterscheiden grundsätzlich zwei Formen von Autoimmunerkrankungen:

  • Bei einer organspezifischen Autoimmunerkrankung ist nur ein bestimmtes Organ oder Organsystem im Körper betroffen. Das können zum Beispiel die Bauchspeicheldrüse, Organe des Verdauungsapparats oder die Schilddrüse sein.
  • Eine nicht organspezifische oder systemische Autoimmunerkrankung betrifft hingegen verschiedene Organe und Gewebe an unterschiedlichen Stellen des Körpers. Da nicht bei jeder Autoimmunkrankheit eine eindeutige Zuordnung möglich ist, gibt es auch Übergangs- und Mischformen.

Ursache von Autoimmunerkrankungen nicht ausreichend geklärt

Der konkrete Auslöser von Autoimmunerkrankungen ist oft unklar. Meist ist eine Kombination von Faktoren verantwortlich, darunter auch eine genetische Veranlagung. Sie erhöht zwar das Erkrankungsrisiko, löst aber allein meist keine Krankheit aus. Neben einer genetischen Veranlagung spielen also auch andere Faktoren bei der Entstehung einer Autoimmunerkrankung eine Rolle: zum Beispiel Virusinfektionen, hormonelle Schwankungen, Umweltschadstoffe oder der persönliche Lebensstil – etwa ob jemand raucht. Auf allen diesen Feldern gibt es noch viel zu erforschen.

Blutproben werden im Labor untersucht.

© iStock / Totojang

Mithilfe von Bluttests können Autoimmunerkrankungen diagnostiziert werden.

Autoimmunerkrankungen-Liste: Welche sind die wichtigsten?

Es gibt über sechzig Krankheiten, die Fachleute als Autoimmunerkrankungen einstufen. Einige bekannte sind:

  • Alopecia areata (Kreisrunder Haarausfall): chronisch-entzündliche Erkrankung der Haarfollikel
  • Diabetes mellitus Typ 1: Das Immunsystem greift die Zellen in der Bauchspeicheldrüse an, die Insulin produzieren.
  • Hashimoto-Thyreoiditis: chronisch-entzündliche Erkrankung der Schilddrüse. Die langfristige Folge ist eine Unterfunktion mit verringerter Hormonausschüttung.
  • Morbus Basedow: chronisch-entzündliche Erkrankung der Schilddrüse mit gesteigerter Hormonausschüttung
  • Morbus Crohn: chronisch-entzündliche Erkrankung des Verdauungstraktes, am häufigsten von Dick- und Dünndarm
  • Multiple Sklerose: chronisch-entzündliche Erkrankung von Gehirn und Rückenmark
  • Psoriasis (Schuppenflechte): chronisch-entzündliche Erkrankung die sich insbesondere an der Haut manifestiert
  • Zöliakie: chronisch-entzündliche Erkrankung des Darms. Ausgelöst wird die Krankheit durch eine Glutenunverträglichkeit.
  • Vitiligo (Weißfleckenkrankheit): Hauterkrankung mit Pigmentstörung, die sich durch weiße Flecken auf der Haut bemerkbar macht. Ob es sich bei Vitiligo selbst um eine Autoimmunerkrankung handelt, ist noch unklar. Sie wird aber mit autoimmunen Prozessen in Verbindung gebracht und kann mit anderen Autoimmunerkrankungen einhergehen.
  • Lupus erythematodes: Lupus kann sowohl organspezifisch als auch systemisch sein. Der sogenannte kutane Lupus ist als eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Haut organspezifisch. Systemischer Lupus erythematodes kann hingegen verschiedene Organe betreffen, wie den Bewegungsapparat, Lungen, Nieren, Haut, Blutgefäße oder das Nervensystem.
  • Rheumatoide Arthritis: chronisch-entzündliche Erkrankung der Gelenke, bei der aber auch andere Organe mitbetroffen sein können

Häufige Autoimmunerkrankungen in Deutschland

In Deutschland wächst die Zahl der Menschen, bei denen eine Autoimmunerkrankung festgestellt wird. Am häufigsten ist die Schuppenflechte, die bei 1,8 Prozent der gesetzlich Versicherten in Deutschland diagnostiziert wird. Die Diagnose rheumatoide Arthritis erhielten 1,4 Prozent der Versicherten und Morbus Crohn sowie Multiple Sklerose jeweils rund 0,3 Prozent. Diese Anteile unter den gesetzlich Versicherten lassen sich auf die Verteilung in der Gesamtbevölkerung übertragen.

Der Anteil der Frauen an den Erkrankten ist mit insgesamt 61 Prozent deutlich höher als der Anteil der Männer, besonders hoch ist er bei rheumatoider Arthritis und Multipler Sklerose mit über 70 Prozent. Dass Frauen häufiger von Autoimmunerkrankungen betroffen sind, liegt möglicherweise daran, dass Veränderungen im Hormonhaushalt, etwa durch eine Schwangerschaft, die Entwicklung einer Autoimmunerkrankung beeinflussen könnten. Aber wie so vieles im Bereich der Autoimmunerkrankungen ist auch dies noch nicht vollständig geklärt.

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Symptome und Diagnose von Autoimmunerkrankungen

Da viele unterschiedliche Organe oder Organsysteme betroffen sein können, gibt es keine charakteristischen Symptome für eine Autoimmunerkrankung. Die Krankheitszeichen hängen davon ab, welche Organe konkret betroffen sind, etwa Hautausschlag, Gelenksschmerzen oder Darmprobleme. Eine Gemeinsamkeit sind die chronischen Entzündungen, die mit Hitzegefühl, Schmerzen und – bei oberflächlicher Lage der Entzündung – auch mit sichtbaren Rötungen und Schwellungen einhergehen können. Häufig treten auch unspezifische Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Leistungsschwäche oder Appetitverlust auf. Autoimmunerkrankungen verlaufen oft in Schüben. Symptome können im Laufe der Zeit kommen und gehen. Zudem entwickelt sich die jeweilige Krankheit bei jedem Menschen anders.

Da es keine typischen Symptome gibt, die eindeutig auf Autoimmunerkrankungen hinweisen, ist die Diagnose schwierig. Der Verdacht auf Autoimmunreaktionen kommt manchmal erst dann auf, wenn andere Ursachen ausgeschlossen worden sind. Erhärtet sich der Verdacht auf Autoimmunprobleme – zum Beispiel durch eingehende körperliche Untersuchungen oder wenn Erkrankungen im familiären Umfeld bekannt sind – kann eine Blutuntersuchung Klarheit schaffen. Dabei können allgemeine und organspezifische Entzündungswerte, die auf eine Schädigung einzelner Organe hinweisen, analysiert werden. Auch Autoantikörper können im Blut nachgewiesen werden – allerdings ist deren Aussagekraft begrenzt, da nur ein Teil der Menschen, bei denen Autoantikörper nachweisbar sind, tatsächlich erkrankt. Auch bildgebende Verfahren wie Ultraschall können eingesetzt werden, um einen Befall innerer Organe zu untersuchen.

Behandlung von Autoimmunerkrankungen

Autoimmunerkrankungen sind nicht heilbar. Dennoch müssen sie behandelt werden: Eine unbehandelte Autoimmunerkrankung kann zu schweren Schäden an den betroffenen Organen führen. Bei der Therapie geht es darum, Beschwerden zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten.

Viele therapeutische Maßnahmen hängen von den speziellen Symptomen der jeweiligen Krankheit ab. Bei der Hashimoto-Thyreoiditis beispielsweise müssen Patienten und Patientinnen Schilddrüsenhormone einnehmen oder bei Typ-1-Diabetes Insulin spritzen. Daneben gibt es Medikamente, die meist im Rahmen eines Stufenschemas eingesetzt werden, um die überschießende Aktivität des Immunsystems einzudämmen:

  • entzündungshemmende Medikamente – zum Beispiel sogenannte nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) oder Glukokortikoide
  • Immunsuppresiva wie zum Beispiel Ciclosporin A – sie unterdrücken das Immunsystem, erhöhen dadurch allerdings die Anfälligkeit für Infektionen
  • sogenannte immunmodulierende Medikamente wie Beta-Interferone oder Biologika, um korrigierend in die Fehlfunktion des Immunsystems einzugreifen

In Ergänzung zu Medikamenten können in Abhängigkeit von dem jeweils beeinträchtigten Organ bzw. Organsystem weitere Therapieverfahren zum Einsatz kommen: zum Beispiel Physiotherapie bei Beeinträchtigungen des Bewegungsapparats oder Lichttherapie bei der Schuppenflechte.

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