Herz & Kreislauf
Wenn die Seele aufs Herz schlägt – Psychokardiologie im Alltag
Veröffentlicht am:17.12.2025
4 Minuten Lesedauer
Dr. Heinz-Wilhelm Esser, bekannt als Doc Esser, ist Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie. Für uns gibt er Einblicke in den Klinikalltag. Diesmal: der Einfluss der Psyche auf die Herzgesundheit.

© Manfred Jasmund / AOK
Wir alle kennen Redewendungen wie „Das hat mir das Herz gebrochen“ oder „Das liegt mir schwer auf dem Herzen“. Dass an solchen Sprüchen mehr dran ist, als wir vielleicht denken, zeigt ein Blick in die Psychokardiologie. Denn: Geht es dem Herzen schlecht, leidet oft auch die Seele – und umgekehrt. Herz und Psyche sind eng miteinander verbunden.
Wenn nach dem Infarkt die Stille bleibt
Viele Patientinnen und Patienten, die nach einem Herzinfarkt in der Klinik liegen, machen zunächst einen ruhigen Eindruck. Sie fragen nichts, wirken gefasst – fast so, als hätten sie alles im Griff. Doch genau diese Menschen sind es, bei denen Ärzte und Pflegepersonal hellhörig werden müssen. Denn wer nach einem so einschneidenden Erlebnis keine Fragen hat, zieht sich nicht selten innerlich zurück. Und hinter dieser Fassade stecken oft Ängste, Schlafstörungen oder depressive Gedanken.
Dr. med. Heinz-Wilhelm Esser alias Doc Esser
Dr. Heinz-Wilhelm Esser ist Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie und leitet als Oberarzt die Abteilung Pneumologie am Sana-Klinikum Remscheid.
Seit 2016 moderiert er verschiedene Fernseh- und Hörfunkformate sowie Podcasts, in denen er verständlich und unterhaltsam über Gesundheitsthemen informiert und neue Therapiemöglichkeiten hinterfragt. Er ist Autor verschiedener Gesundheitsratgeber und hält regelmäßig Fachvorträge.
Depression – der stille Begleiter
Studien zeigen: Herzpatienten haben ein erhöhtes Risiko, eine Depression zu entwickeln. Bei schwerer Herzschwäche liegt die Zahl noch deutlich höher: Viele der Betroffenen leiden an depressiven Symptomen. Typisch sind Rückzug, Freudlosigkeit und Antriebslosigkeit – manchmal aber auch Reizbarkeit und Aggression. Dazu kommen Albträume oder Panikattacken. Wer das erlebt, darf nicht denken, er sei schwach. Ganz im Gegenteil: Es ist eine normale Reaktion auf ein extremes Ereignis. Und es ist wichtig, darüber zu sprechen.
Angst als Teufelskreis
Nach einem Herzinfarkt oder vielleicht sogar einer Defibrillator-Schockabgabe geraten viele Menschen in eine Spirale: Sie horchen ständig in sich hinein, meiden Belastungen und trauen sich kaum noch, sich zu bewegen. Das Fatale: Gerade Bewegung ist extrem wichtig für die Genesung. Wer aus Angst nichts mehr tut, schwächt Körper und Seele gleichermaßen. Hier heißt es, wieder Vertrauen in den eigenen Körper zu finden. Herzsportgruppen können da wahre Wunder bewirken.
Stress – kein Freund des Herzens
Stress gehört heute fast selbstverständlich zum Alltag. Doch chronischer Stress macht krank: Blutdruck und Puls steigen, Stresshormone belasten Gefäße und Herzmuskel. Dauerhaft kann das zu Bluthochdruck, Herzschwäche oder sogar einem Herzinfarkt führen. Die große INTERHEART-Studie hat klar gezeigt: Stress ist ein relevanter Risikofaktor – ganz ähnlich wie Rauchen oder Übergewicht.
Das Broken-Heart-Syndrom – wenn Kummer das Herz lähmt
Manchmal reicht ein einziger Schicksalsschlag, um das Herz buchstäblich aus dem Takt zu bringen. Ärzte nennen das Broken-Heart-Syndrom oder Takotsubo-Kardiomyopathie. Auslöser sind häufig belastende Ereignisse wie der Tod eines geliebten Menschen, ein Unfall oder eine schwere Krankheit. Die Symptome sind dramatisch: Brustschmerzen, Luftnot, typische EKG-Veränderungen – alles sieht aus wie ein Herzinfarkt. Doch im Herzkatheter zeigt sich: Die Gefäße sind frei. Stattdessen pumpt das Herz vorübergehend schwächer, oft in einer typischen ballonartigen Form. Zum Glück erholt es sich in den meisten Fällen nach wenigen Tagen. Aber das Syndrom zeigt eindrucksvoll, wie eng Psyche und Herz verbunden sind.
Hilfe kommt nicht nur in Tablettenform
Die gute Nachricht: Psychische Belastungen lassen sich auffangen. Schon wenige Gespräche mit geschultem Personal können Ängste nehmen und Lebensmut zurückgeben. In Reha-Kliniken lernen Betroffene außerdem, mit der Erkrankung umzugehen, Stress zu managen, sich gesünder zu ernähren und – ganz wichtig – wieder in Bewegung zu kommen. Psychologische Betreuung gehört dabei genauso dazu wie Medikamente oder Herzsport.
Fazit
Das Herz ist mehr als eine Pumpe – es ist ein Spiegel unserer Gefühle. Depressionen, Ängste und Stress können Herzkrankheiten verschlechtern oder sogar auslösen. Umgekehrt belasten Herzprobleme auch die Psyche. Die Psychokardiologie bringt diese beiden Seiten zusammen. Für Patientinnen und Patienten bedeutet das: keine Scheu, über Ängste und Stimmungstiefs zu sprechen. Denn wer Herz und Seele gleichermaßen pflegt, lebt nicht nur länger – sondern auch besser.
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