Beziehung
Was ist eine toxische Beziehung?
Veröffentlicht am:23.05.2022
6 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 17.10.2025
Eine Beziehung wird zur Belastung, wenn emotionale Erpressung oder ständige Kontrolle den Alltag bestimmen. Erfahren Sie, an welchen Anzeichen Sie emotionalen Missbrauch erkennen und wo Sie konkrete Hilfe finden.

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Was ist typisch für eine toxische Beziehung?
Eine toxische, also „giftige“, Beziehung schadet der psychischen Gesundheit. Es gibt jedoch keine offizielle wissenschaftliche Definition des Begriffs. Umgangssprachlich beschreibt „toxische Beziehung“ eine ernsthafte Form von psychischer Gewalt, bei der eine beteiligte Person die andere systematisch unterdrückt, um langfristig Macht und Kontrolle über sie oder ihn aufrechtzuerhalten.
Anders als körperliche Gewalt sind solche Verhaltensmuster nicht immer einfach zu erkennen. Das macht es Betroffenen oft besonders schwer, die Situation als das zu benennen, was sie ist. Doch auch bei psychischer Gewalt handelt es sich um echte Gewalt, der niemand ausgesetzt sein sollte.
Psychische Gewalt kann jeden und jede treffen, unabhängig vom sozialen Status oder Geschlecht. Eine repräsentative Umfrage in Deutschland aus dem Jahr 2004 zeigte jedoch, dass Frauen deutlich häufiger betroffen sind. Demnach hat fast jede zweite Frau bereits psychische Gewalt erlebt.
Da jede Beziehung anders ist, gibt es viele verschiedene Formen von psychischer Gewalt. Hier einige Beispiele:
- Manipulation
- Kontrolle
- Einschüchterung
- Demütigung
- Beleidigungen
- Drohungen
- Isolierung von Freunden und Familie
- Stalking
Wie fängt eine toxische Beziehung an?
Viele Betroffene merken erst sehr spät, dass sie sich in einer Beziehung befinden, in der sie Missbrauch erfahren. Tatsächlich wirken Menschen in toxischen Beziehungen zu Beginn häufig wie die ideale Partnerin oder der ideale Partner. In der Regel enthüllt sich ihr toxisches Verhalten erst nach und nach.
Anzeichen für Missbrauch in einer Beziehung können sein:
Ihre Partnerin oder Ihr Partner …
- … sagt Ihnen, dass Sie nie etwas richtig machen.
- … ist extrem eifersüchtig auf Ihre Freunde und Freundinnen oder auf Zeit, die Sie nicht mit ihr oder ihm verbringen.
- … hindert oder entmutigt Sie, Zeit mit Ihrer Familie, Freunden, Freundinnen oder Bekannten zu verbringen.
- … beleidigt, erniedrigt oder beschämt Sie, insbesondere vor anderen Menschen.
- … hindert Sie daran, Ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Das kann die Entscheidung miteinschließen, welcher Arbeit oder Ausbildung Sie nachgehen.
- … kontrolliert die Finanzen des gemeinsam Haushalts allein und ohne Absprache mit Ihnen. Das kann so weit gehen, dass er oder sie Ihr Geld an sich nimmt oder sich weigert, für notwendige Ausgaben Geld zur Verfügung zu stellen.
- … setzt Sie unter Druck, Sex zu haben oder sexuelle Handlungen durchzuführen, mit denen Sie sich nicht wohlfühlen.
- … setzt Sie unter Druck, Drogen oder Alkohol zu konsumieren.
- … schüchtert Sie durch bedrohliche Blicke oder Handlungen ein.
- … beleidigt Ihre Eltern oder droht Ihren Kindern oder Haustieren Schaden zuzufügen oder sie Ihnen wegzunehmen.
- … beschädigt Ihr Eigentum oder Ihre Wohnung/Haus.
Welche Ursachen hat psychische Gewalt?
Die beteiligte Person, die das Leben der anderen einschränkt und kontrolliert, handelt oft aus einem Gefühl der Überlegenheit heraus. Sie stellt die eigenen Bedürfnisse und Gefühle konsequent über die des Partners oder der Partnerin. Oft genießt sie auch die Macht, die sie über das Gegenüber ausübt. Psychische Gewalt zielt häufig darauf ab, die Gleichberechtigung in einer Partnerschaft aufzuheben. Die missbrauchte Person soll sich abgewertet und minderwertig fühlen.
Toxische Verhaltensmuster sind nicht angeboren, sondern wurden erlernt. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Oft haben Menschen, die psychische Gewalt ausüben, diese womöglich selbst in der Familie erfahren. Andere übernehmen toxische Verhaltensweisen aus dem Bekanntenkreis oder werden von strukturellen Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft geprägt. Es spielt aber keine Rolle, warum die missbrauchende Person ihr Verhaltensmuster entwickelt hat: Sie trägt die Verantwortung dafür. Sie trifft die Entscheidung, sich in einer Beziehung so zu verhalten, wie sie es tut. Viele Menschen erfahren psychische Gewalt oder erleben sie bei anderen mit, ohne sie später weiterzugeben. Sie durchbrechen den Kreislauf und entscheiden sich für ein respektvolles Miteinander in ihren Beziehungen.
Jeder Mensch verdient eine Partnerschaft, die auf Liebe und gegenseitigem Respekt basiert. Ist dies nicht der Fall, kann eine Trennung ein notwendiger und sinnvoller Schritt sein. Denn psychische Gewalt kann ernste psychische und körperliche Folgen haben.
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Was sind mögliche Folgen psychischer Gewalt?
Wer sich über längere Zeit niedergeschlagen und freudlos fühlt, erlebt möglicherweise die auszehrende Wirkung einer missbräuchlichen Beziehung. Sie kann das Selbstwertgefühl senken, oft ohne dass es jemand von außen bemerkt. Die Folgen können psychische Erkrankungen wie Depressionen, Ängste, Essstörungen, Schlafstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen bis hin zu suizidalem Verhalten sein. Sie erhöhen außerdem das Risiko, dass die missbrauchte Person exzessiv Alkohol und Drogen konsumiert.
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Psychotherapie: ambulante Hilfe
Bei Verdacht auf eine psychische Erkrankung oder als Unterstützung für die Angehörigen, hilft eine psychologische Beratung oder eine Psychotherapie. Diese kann in der Regel ambulant durchgeführt werden.
Es kann auch helfen, sich den Kummer einmal von der Seele zu sprechen. Die Telefonseelsorge erreichen Sie kostenlos unter 0800/1110111. Die Beratungsstellen von ProFamilia bieten ebenfalls Hilfe bei Partnerschaftsproblemen an. Eine Alternative ist das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, das Sie ebenfalls kostenlos unter 08000 116 016 erreichen.

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Warum Jugendliche oft besonders gefährdet sind, toxische Beziehungen zu führen
Gerade in der Jugend werden erste romantische Erfahrungen gesammelt, die prägend für das spätere Leben und alle kommenden Beziehungen sind. Dabei fehlt es den Jugendlichen jedoch oft an Erfahrung, um die Warnsignale einer toxischen Beziehung richtig deuten zu können. Eine Studie deutet darauf hin, dass manche Jugendliche problematisches Verhalten in Beziehungen fehlinterpretieren können. So deuten sie Eifersucht und besitzergreifendes Verhalten nicht als Warnsignal, sondern missverstehen es als Ausdruck starker Zuneigung und Liebe. Die Untersuchung umfasste allerdings nur eine Stichprobe von 72 Teilnehmenden.
Dabei ist Gewalt in jugendlichen Beziehungen ein ernstes Problem. Eine US-amerikanische Untersuchung ergab, dass mehr als jeder zehnte Jugendliche bereits körperliche oder sexuelle Gewalt in einer Partnerschaft erlebt hat. Eine Befragung unter 462 hessischen Schülerinnen und Schülern zeichnete ein noch drastischeres Bild: Hier gaben 354 Teilnehmende an, dass sie bereits Erfahrungen mit Gewalt in Paarbeziehungen gemacht haben.
Solche Erfahrungen stehen in engem Zusammenhang mit weiteren gesundheitlichen Risiken wie psychischen Problemen, Drogenmissbrauch und schlechten schulischen Leistungen. Das unterstreicht, wie wichtig es ist, junge Menschen frühzeitig aufzuklären und ihnen zu helfen, gesunde von schädlichen Beziehungsmustern zu unterscheiden.
Psychische Gewalt: Was Betroffene und Angehörige tun können
Wenn eine nahestehende Person in einer missbräuchlichen Beziehung gefangen scheint, kann ein offenes Gespräch helfen. Konfrontieren Sie die Person behutsam mit den Fakten. Vermitteln Sie ihr, dass sie langfristig ihre psychische und physische Gesundheit aufs Spiel setzt und senden Sie ein klares Signal der Unterstützung. Freunde und Angehörige können auch bei der Einschätzung möglicher neuer Partnerinnen und Partner eine Hilfe sein – und so vielleicht verhindern, dass sich die gleichen Beziehungsmuster wiederholen.
Wer den Verdacht hat, in einer toxischen Beziehung zu stecken, hat bereits eine wichtige Erkenntnis gewonnen. Entscheidend ist dabei, dem eigenen Gefühl und der Wahrnehmung zu vertrauen. Um sich im Zweifelsfall abzusichern, kann es helfen, ein Tagebuch über Ereignisse zu führen oder sich mit Freundinnen und Freunden auszutauschen. Letztendlich ist es oft der wichtigste Schritt, auf Abstand zu gehen – auch wenn das eine Trennung bedeutet.
Wenden Sie sich für professionelle Unterstützung unbedingt an eine Beratungsstelle, einen Psychotherapeuten oder eine Psychotherapeutin. Eine erste Anlaufstelle kann für Frauen beispielsweise das bundesweite Hilfetelefon des Bundesamtes für Familie unter der Telefonnummer 08000 116 016 sein. Das Bundesfamilienministerium hat Beratungsangebote für Männer zusammengestellt.
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