#allergien am 08.03.2023

Pollenflug – warum er schon im Winter beginnt und was du dagegen tun kannst

Eine vom Pollenflug geplagte junge Frau steht vor einem Feld mit gelben Pflanzen und schnaubt sich die Nase mit einem Taschentuch.

Früher die Pollen nie fliegen: Wir klären gemeinsam mit einer Expertin darüber auf, wie Klimawandel und Pollenflug miteinander zusammenhängen und geben dir hilfreiche Informationen und Tipps rund um das Thema Pollenallergie.

Wenn der Frühling kommt, beginnt für viele Menschen die Zeit der juckenden Augen und laufenden Nasen. Der Pollenflug beginnt und macht Allergikerinnen und Allergikern das Leben schwer. Dies geschieht mittlerweile aufgrund der steigenden Temperaturen immer früher. So blüht beispielsweise bereits im Dezember die Haselnussblüte. Wer eine Allergie gegen die Haselnuss hat, muss sich laut dem Deutschen Wetterdienst rund drei Wochen früher auf die gängigen Symptome einstellen, als das noch vor 40 Jahren der Fall war.

In unserem Interview erklärt PD Dr. med. Sabine Hawighorst-Knapstein – Fachärztin & Psychotherapie/Ärztliches QM, Ernährungs-, Sportmedizin bei der AOK Baden-Württemberg – unter anderem, welche Beschwerden eine Pollenallergie auslöst, was du dagegen tun kannst und wie der immer früher beginnende Pollenflug mit dem Klimawandel zusammenhängt.

Frau Dr. Hawighorst-Knapstein, was löst eine Pollenallergie aus?

Eine Pollenallergie wird durch den Blütenstaub bestimmter Pflanzen ausgelöst. Das Einatmen dieser Pollen führt zu einer allergischen Reaktion, die unter anderem Schnupfen und Bindehautentzündung auslösen kann. Zudem kann sich daraus allergisches Asthma entwickeln.

Wie reagiert der Körper bei einer Allergie auf Pollen?

Bei einer Pollenallergie bekämpft das körpereigene Immunsystem übermäßig stark die normalerweise harmlosen Eiweiße, die in den jeweiligen Pollen enthalten sind. Die allergietypischen Beschwerden treten nur während der Blütezeit jener Pflanzen auf, auf deren Pollen die betroffenen Menschen allergisch reagieren. Häufig haben sie jedoch Allergien gegen mehrere Pollenarten, weil sich die Strukturen der allergieauslösenden Bestandteile stark ähneln. Das trifft insbesondere auf Baum- und Gräserpollen zu.

Diese Eiweiße in den Pollen sind wasserlöslich und werden daher bei Kontakt mit den Schleimhäuten freigesetzt. Im Falle einer Allergie reagiert das Immunsystem darauf mit der Bildung von Antikörpern, die sich an Abwehrzellen des Körpers binden. Diese sogenannten Mastzellen setzen dann entzündungsauslösende Stoffe frei, beispielsweise Histamin.

Diese Stoffe stimulieren Drüsen zur Abgabe von Sekret und reizen Nerven. Das bewirkt Juck- und Niesreiz sowie eine Erweiterung der Gefäße, wodurch sich die Schleimhäute röten und anschwellen. Die Beschwerden entstehen vor allem an den Schleimhäuten von Nase, Augen und Mund, also dort, wo die Pollen-Allergene direkt auftreffen.

Wie verbreitet sind Pollenallergien hierzulande?

Etwa zwölf Millionen Menschen leiden laut Robert Koch-Institut in Deutschland an Heuschnupfen. Das entspricht rund 15 von 100 Personen. Bei Kindern ist ein ähnlicher Trend zu beobachten. Die jüngsten Daten der ebenfalls vom RKI durchgeführten Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zeigen, dass neun von 100 Kindern und Jugendlichen aktuell an Heuschnupfen leiden. Damit bleibt die Zahl der Kinder mit Heuschnupfen unverändert hoch.

Die typischen Beschwerden einer Pollenallergie treten in der Regel vor dem 25. Lebensjahr auf, meistens bei Kindern und Jugendlichen zwischen dem achten bis 16. Geburtstag. Inzwischen wird aber auch bei immer mehr Menschen jenseits des 50. Lebensjahrs erstmalig eine Pollenallergie diagnostiziert.

Welche Beschwerden treten bei Pollenflug auf?

Niesattacken, Fließschnupfen und Augenjucken sind besonders typische Beschwerden. Außerdem sind viele Betroffene während des Pollenflugs nicht voll leistungsfähig, schlafen schlecht und sind erschöpft. Eine Pollenallergie kann die Lebensqualität stark beeinträchtigen und zu schwerwiegenden gesundheitlichen Belastungen führen. Weitet sich die allergische Entzündung auf die Bronchien aus, kann es zu chronischen Atembeschwerden und dauerhaften Umbauvorgängen in den Bronchien und der Lunge kommen.

Bei etwa einem von drei Pollenallergikern entwickelt sich im Laufe seines Lebens Asthma, dessen Ausprägung zunächst von der Pollenbelastung der Luft direkt beeinflusst wird, später aber auch in ein Asthma übergehen kann, dessen Beschwerden das ganze Jahr über anhalten.

Häufig leiden Menschen mit Heuschnupfen auch unter einer Allergie gegen bestimmte Nahrungsmittel. So können beispielsweise rohe Äpfel oder Haselnüsse bei Betroffenen einer Birkenpollen-Allergie zu Juckreiz im Rachen oder Schwellungen im Mund führen. Diese sogenannten Kreuzallergien entstehen, weil die Eiweiße mancher Nahrungsmittel bestimmten Eiweißen in Pollen ähneln. Das bereits durch die Pollen sensibilisierte Immunsystem stuft deshalb auch bestimmte Obst- oder Gemüsesorten sowie Nüsse oder Gewürze als potenziell gefährlich ein und löst eine allergische Reaktion aus.

Wie kann man sich als Allergiker vor den Pollen schützen?

Das Wichtigste bei einer Allergie ist, den Auslöser zu meiden. Bei Pollenallergien ist das jedoch nur sehr eingeschränkt möglich. Deshalb ist es für betroffene Menschen umso wichtiger, dass sie über das Krankheitsbild und seine Ursachen gut informiert sind, die Zusammenhänge verstehen und Ausweichstrategien entwickeln. Je besser Allergikerinnen und Allergiker ihre Krankheit verstehen, umso weniger werden sie in ihrem Alltag von den krankheitstypischen Beschwerden beeinträchtigt.

Einige nicht-medikamentöse Maßnahmen, wie zum Beispiel Aufenthalte im Freien und insbesondere auch Outdoor-Sport in Zeiten mit geringer Pollenbelastung zu legen, Urlaubsziele bewusst auszuwählen oder auch angepasstes Lüften der Wohnung, sind unter Umständen hilfreich. Zudem lassen sich verschiedene Medikamente einsetzen, um die Beschwerden der Allergie zu lindern. Heilen können diese Arzneimittel die Allergie jedoch nicht.

Kampf den Pollen – unsere Tipps für Allergiker

Um die gesundheitliche Belastung durch den Pollenflug im Alltag zu verringern, gibt es eine Reihe von Tipps:

  • Das Schlafzimmer sollte möglichst pollenarm gehalten werden, also die Fenster beim Schlafen am besten geschlossen lassen und lüften, wenn weniger Pollen fliegen. 
  • Weil Pollen auch an der Kleidung und in den Haaren haften, sollte getragene Kleidung außerhalb des Schlafzimmers abgelegt werden. 
  • Hilfreich kann es zudem sein, die Bettwäsche häufiger zu wechseln. 
  • Wann die Luft besonders stark mit Pollen belastet ist, unterscheidet sich je nach Wohnort. In der Stadt ist die Pollenkonzentration in der Zeit zwischen 6 und 8 Uhr morgens besonders niedrig, auf dem Land zwischen 18 und 24 Uhr. Das sind damit auch die günstigsten Zeiten zum Lüften und für Outdoor-Aktivitäten wie zum Beispiel Joggen.

Weitere Tipps findest du auf der Interseite der AOK rund um das Thema Heuschnupfen.

Damit sich Betroffene tagesaktuell über das Belastungsrisiko informieren können, gibt der Deutsche Wetterdienst gemeinsam mit der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst e. V. einen Pollenflug-Gefahrenindex heraus. Er informiert während der Pollenflugsaison über die Intensität der Pollenbelastung für den aktuellen und die beiden folgenden Tage. Das erleichtert die vorausschauende Anpassung des Verhaltens und der Medikation.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es darüber hinaus?

Eine Behandlungsmöglichkeit, die an den Ursachen der Pollenallergie ansetzt, ist die spezifische Immuntherapie, auch Hyposensibilisierung oder Desensibilisierung genannt. Sie setzt die Überempfindlichkeit gegen Allergene herab. Der Patient bekommt immer stärkere Dosen des Allergieauslösers über einen längeren Zeitraum verabreicht. Dadurch gewöhnt sich das Immunsystem an den Stoff. Die Reaktionen schwächen ab oder verschwinden ganz.

In vielen Fällen kann eine Hyposensibilisierung bei Pollenallergikern auch den sogenannten Etagenwechsel, also die Entwicklung von einer Pollenallergie zum allergischen Asthma, verhindern. Die Therapie der Hyposensibilisierung dauert bis zu drei Jahre. Grundsätzlich gibt es jedoch auch bei konsequenter Einhaltung der Therapie keine Erfolgsgarantie. Bei einigen Menschen kann die Therapie die Beschwerden nicht lindern. 

Wann fliegen bei uns welche Pollen?

Manche Pollen beginnen in Deutschland und Mitteleuropa bereits im Januar zu fliegen. Dazu zählen unter anderem Haselnuss- und Erlenpollen. Besonders stark ist die Belastung meist im April und Juli, weil in diesen Monaten viele Gräserpollen in der Luft sind und zudem Beifußpollen fliegen. Der Klimawandel sorgt zusätzlich für eine Ausdehnung der Pollensaison.

Wie genau hängen Klimawandel und Pollenflug zusammen?

Bei einigen Pflanzen hat sich die Blütezeit bereits aufgrund des Klimawandels und der in der Tendenz gestiegenen Temperaturen deutlich ausgedehnt, sodass Pollenflug bereits im Januar oder sogar im Dezember möglich ist. So ist wissenschaftlich belegt, dass die Birkenpollensaison 2018 bereits sechs Tage früher begann als noch 1988. Auch die Zahl der Tage mit starker Pollenbelastung nahm deutlich zu.

In einer wärmeren Umgebung breiten sich auch Pflanzen aus, die früher in Deutschland überhaupt nicht wuchsen. Dazu zählt laut Allergieinformationsdienst beispielsweise die Beifuß-Ambrosia, die zwischen August und dem ersten Frost blüht. Eine einzige dieser Pflanzen kann bis zu einer Milliarde Blütenpollen abgeben. Zudem ist ihr Blütenstaub offenbar deutlich aggressiver als Blütenpollen heimischer Pflanzen. Eine Konzentration von mehr als zehn Pollenkörnern pro Kubikmeter Luft reicht bereits aus, um heftige allergische Reaktionen auszulösen. Erst seit den 1990er Jahren wachsen die Bestände dieser Pflanze an. Heute kommt sie in ganz Deutschland vor und bildet vor allem im Süden und Osten des Landes örtlich auch schon größere Bestände mit mehreren tausend Pflanzen.

Diese Ausbreitung der Ambrosia wird von Fachleuten mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht, denn die Samenreife, die zur Verbreitung notwendig ist, wird nur in Regionen mit warmem oder gemäßigtem Klima erreicht, die sich durch milde Herbstmonate auszeichnen. Ein systematischer wissenschaftlicher Nachweis für diesen Zusammenhang liegt bislang allerdings noch vor. Ähnliche Befürchtungen zur Ausbreitung bestehen laut Allergieinformationsdienst hinsichtlich weiterer hoch allergener wärmeliebender Pflanzen wie zum Beispiel das Glaskraut oder den Olivenbaum.

Inwiefern wirken sich Umwelteinflüsse auf Allergien aus?

Immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass Luftschadstoffe wie Stickoxide und Dieselruß das Auftreten von Allergien, darunter auch Pollenallergien, direkt und indirekt beeinflussen. Die Schadstoffe aus dem Straßenverkehr können dazu beitragen, dass die Schleimhäute durchlässiger werden und dadurch Allergene leichter in den Körper eindringen können.

Aktuelle Studien liefern zudem immer deutlichere Hinweise darauf, dass sogenannter oxidativer Stress, der beim Einatmen winziger Schadstoffpartikel entsteht, die Zahl allergischer Atemwegserkrankungen erhöht und diese Erkrankungen zudem verschlimmert.

Mainzer Wissenschaftler entdeckten langlebige Sauerstoffverbindungen auf der Oberfläche dieser Luftschadstoff-Partikel, die Eiweißmoleküle von Pollen verändern und womöglich den Krankheitsverlauf bei Heuschnupfen und anderen allergischen Atemwegserkrankungen negativ beeinflussen. Auch Ozon scheint eine Rolle zu spielen. Untersuchungen von Münchner Forschern aus dem Jahr 2013 zeigten, dass Birkenpollen aus Regionen mit höherer Ozonbelastung auch heftigere Allergieattacken verursachten als Pollen aus Gebieten mit einer geringeren Ozonkonzentration in der Luft.

Hast du eine Pollenallergie?

133 Personen haben abgestimmt
Experten-Antworten erhalten und mitdiskutieren

Melde dich jetzt an für Kommentare, Diskussionen und kompetente Antworten auf deine Fragen.

    War nichts dabei?

    Einfach nochmal die Suche verwenden.
    oder
    Frage stellen